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Nummer 288 - 28. Jahrgang Sinal wöchtl. Bezugspreis: f. Dezber. 2 R.-M. auS'ckl. «estellgeld. Berechnung der Anzeigen nach Rent.-Mark. Preise: Die eingeipattene Prtitzeile 3»^. f. Familien« u. Vereknsanz., Gesuche 20 Die Petit-Reklamezeil« 89 mm breit. 1 Offerten gebühr für Selbstabholer 20 H. bei Uebersendung d. d. Bost außerdem Porto« zuschlag. Preis I. ». Einzelnummer 10 Rentea-Ptenntg. Lrjchästlicher Letlr Joses Fohmann. Dresden. SLÄMbe Sonnabend, j 3. Dezember 1924 Im Kalle höherer Gewalt erlischt lebe Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung o. Vnz.-Sufträgen ». Leistung v. Schadenersatz Kür undeutlich n d. Ferntvr. übermittelte Anzeigen übernehmen wir keine ver« aittwortung. Unverlangt etngesanvte u. mit Rückporto nickt versehene Manuskripte wrrven nicht aufbewahrt. Sprechstunde ver Redaktion 6 bis 6 Uhr nachnii/tagS. Hauptschnstletler: Dr. JosefAlbekt-DreSden. «eschac»»ft»u« der «ächsis«»» lvolk»,«i»»ug MI» Leuit und Orrtag i Saxonia-BuLbr»^»« «mbH« rrerden-N. i«. »olbklnstrahe 4S, sternri» M«. Polt« >lbeltio»>oDre?ben 14797 Kür ckristlioke Politik unci Kultur Medatiton der TaNiNsN,«o.Mo„«,»„una Trespen»Li. lü volbemstrahetO iser»rn -l„i> Kein Rechlskabinett Marx Technik und Wirtschaft im Wettbild des heutigen Menschen Von Dr. Eugen Gürster Die überragende Stellung der Technik in der Lebenssphäre des heutigen Menschen ist nicht durch Zufall und nicht von außen her geschaffen worden. Die sich häufende Fülle von technischen Erfindungen und Vervollkommnungen des äußeren Lebens ablaufes entspricht präzis dem Weltbild einer Menschheit, die sich der äußeren Betriebsamkeit, der „Uebevschätzung des Mate riellen" ergeben hat. Ashnlich wie eine wissender« Kunstdetvachtung heute an die perspektivelosen Bilder des deutschen 15. Jahrhunderts mit der verstehenden Erkenntnis herantritt, daß diese Maler der dama ligen Zeit eben nicht perspektivisch mallen wollten, müssen auch wir annshmen, daß die Menschheit, die vor 'dem technischen 19. Jahrhundert lebte, eben diese Technik, diese Maschinen, diese Erfindungen nicht brauchte und eben darum nicht wollte. Es lag aus dom ganzen äußeren Lebensablauf nicht der Wert akzent, der Erfindungen und technische Verfeinerungen im Aus maße unserer Zeit hervorgerufen hätte. — Wir gehen wohl bei der Betrachtung all dieser Dinge von der falschen Richtung aus: die Menschen rasen z. B. nicht darum so sinnlos rasch ans ihren Molaren durch die Straßen, weil zufällig ein Ingenieur irgendwo eine neue Verfeinerung des Motors erfunden hat, — sondern weil das Lebenstempo der heutigen Menschen so nervös, so ver hetzt, so voll quälender Unruhe ist, weil es zu raschen Ortsver änderungen drängt, — darum wird irgendwo ein anonymer In genieur zum Erfinder, d. h. zum Willensvollstrecker des von den heutigen Menschen durchlebten Lebenstompos und Weltbildes. Ich spreche von einem „Weltbild" der heutigen Menschheit, aber ein organisches, alle Lebensgelbiete umspann«ndes Welttriid hat der Mensch von heute eben nicht mehr. Das Mittelalter hatte beispielsweise ein solches, alle menschlichen Zustände überwölben des Weltbild: innerhalb der mittelalterlichen religiösen Synthese aller Lebensbeziehungen gab es kein menschliches Denk- und Tätigkeitsgebiet, das nicht von dem Zentralpunkt der mittelalter lichen, religiösen und menschlicl>en Weltanschauung aus bestimmt worden wäre. — Heute hat jedes menschliche Tätigkeitsgebiet im Rahmen unse-es zersplitterten Kulturzustandes seine Sonder stellung und sein Sonderrecht: unsere Kunstausübung ist ein Kom plex, der neben dem Leben unserer Tage einherläuft, — ivir sprechen van einem „Primat" der „Wirtschaft", die sich als selbst herrlicher Organismus immer wieder gegen das Leben der Volks gesamtheit stellt — mit einem Wort: Wir haben heute ein N e - benei n ander von Komplexen, die kein höherer Sinn in ihrer gegenseitigen Funktion bestimmt. — ivährend jeder echte Kultur zustand die Kulturkomplexe sKunst, Politik, Wirtschaft und Schule) In eine funktionelle Beziehung setzt, in eine Schichtung, die von einer leitenden in ihren letzten Wurzeln rationellen Idee bestimmt ist, die wir nicht anstehen wollen, eine religiöse zu nenne». Was hätte dem mittelalterlichen Menschen die Technik In Ihrer heutigen Gestalt bedeuten können? Die Verfeinerung sei nes Handiverksoeräies und die Ersetzung der menschlichen Kraft durch die Tätigkeit der Maschine wäre thm nicht als ein wün schenswertes Ziel erschienen, weil ein solcher „Fortschritt" im Technischen in dem gesellschaftlich-menschlichen Gefüge der Zeit Verwirrung anaerichtet hätte. War doch das Verhältnis von Gewinn und Arbeit von den Hilden aus durch das Mittel des „gerechten und festgesetzten Preises" ein für allemal festgelegt worden. Solange das religiöse Weltbild des Mittelalters noch seine suggestive Kraft in sich trug, war es einfach unmöglich, sich auf einem Einselqobiet im Hand werklich-Technischen der Suggestion dieses Weltbildes zu ent ziehen und seinem Prinzip zuwider zu handeln, das darin bestand, das; sich jedes Problem des äußeren materiellen Lebens vor dem Forum der leitenden religiösen Idee legitimieren muhte. Hätte schon damals wie heute das Interesse des Einzelnen oder des ein zelnen Handwerks, das immer aus Gewinn gerichtet ist, das Ge sicht des äußeren Lebens bestimmen können, so wäre vermutlich im äußeren Leben dieselbe Anarchie eingetreten. die heute unser ösientliches Leben charakterisiert. So aber bestimmte damals ein alle Lebenskompiexe einbeziehendes Weltbild, nms „gut" und „böse" war und hielt durch seine Suggestionen die privaten In teressen im Schach. Noch heute leben wir von der Kraft solcher Suggestionen. Warum ist z. B. keinem von den findigen Köpfen, di« den Men schen am liebsten 24 Stunden im Tag in den Schraubstock der Arbeit spannen möchten, der Gedanke beigekommen, den Sonn tag auch für die Arbeit, für die Interessen -er wichtigeren Wirt schaft zu fordern? Aus dem einfachen Grunde nicht, iveil auch heute noch der Sonntaq als ein Tag der Rast des Körvers und als ein Tag der inneren Selbsteinkehr tm Bewußtsein aller lebenden Menschen suggestiv verwurzelt ist, und — das missen auch die Wirtschaftspölittker — man kann gegen bas Naturrecht seines Mitmenschen, man kann gegen Freiheitsbegrisf und gegen Ziveck- mäßigkeitsgvünde mit Erfolg ankämpfen, — aber gegen die Ge- iva'.t starker Suggestionen, die ihre Wurzel in einem Irra tionalen, in einem Religiösen haben, kann man nicht angehen. Das ist es: Unser Weltbild senkt seine Triebwurzeln nicht mehr über den sandigen Boden der oberflächlichsten Zweck mäßigkeitsgründe dünn»,, ^ sendet keine Suggestionen mehr aus. nur darum nn«L es die äußeren Zustände der egoistischen Sek SlmiiWlil -es Zenit« Die politischen Dinge stellen sich jetzt wie folgt dar: Die Volkspartei hat einmütig sich auf den Standpunkt gestellt, daß die Versuche zur Bildung einer großen Koalition erst gar nicht gemacht werden sollen, da jedenfalls die Volkspartei an einer solchen Koalition sich nicht beteiligen und auch eine solche große Koalition nicht mitmachen würde. Die Auffassung der Volks partei geht vielmehr dahin, daß eine rein bürgerliche Regierung unter Hinzuziehung der Deutschnationalen zwar sowohl im Reich wie in Preußen, gebildet werde. Bei dieser Sachlage war der Rücktritt des Reichskabinetts un umgänglich geworden. Es wäre ja parlamentarischem Brauch entsprechend, auch ohne dies erfolgt. Aber bei der durch die Volkspartei geschaffenen Situation erschien es erforderlich, so so r t die entsprechenden Maßnahmen zu vollziehen. Bis zu der Entscheidung durch den Reichstag selber wird das jetzige Kabi nett, jedoch nur in geschäftsführender Eigenschaft, im Amte ver- bleiben. Nach Lage der Dinge wird die Volkspartei selbst mit der Bildung eines neuen Kabinetts beauftragt werden müssen. Und zwar wird Stress mann selbst de» Auftrag zur Kabi nettsbildung erhalten: jedenfalls würde eine derartige Berufung als Kanzler der Situation entsprechen. Es würde für das Zen trum die Führung eines Kabinetts, das allein nach der deutschnationaleil Sette hin orientiert ist, nicht in Frage kom me». Für die Beteiligung des Zentrums an einem solchen Kabinett wird es aus die Beantwortung der Fragen ankom- men, welche Politik von diesem Kabinett getrieben werden soll, und wie man sich die Erreichung der gesteckten Ziele denkt. Eine Mitwirkung des Zentrums in einem Kampfkabineit käme nicht in Frage. Die liberale Köln. Zeitun» ,chreibr. Wir möchten wünschen, daß das Zentrum für die politische Führung der bürgerliche» Koalition in Frage kommt, weil in diesem Falle die Möglichkeit besteht, auch die Demokraten, in deren Reiben die Ovposition gegen die politische Haltung ihrer Berliner Presse wächst, zum Einschwenken in die bürgerliche Front zu veranlassen. Endlich aber würde d>e Führung der kommenden Regierung durch das Zentrum die Gewähr dafür geben, daß der häßliche, durch den Wahlkam'ft aufgeworfen« Streit über die Farben- und Verfassungsfrage aus der Oeffentlichksit verschwindet und der Zusammenarbeit aller Staatsbürger ohne Rücksicht aus ihre Auffassung und politische Anschauung im Gegenwartsstaate Platz macht. » Berti», 12. Dezember. Dee Reichskanzler gewährte heule einem Redakteur des „Hamburger Fremdenbiattes" eine Unter redung, Auf die Frage, ob der neue Reichstag die Gewähr biete für eiue Fortführung der vom Neichskcibit eit bisher be folgten Außenpolitik, erwiderte der Reichskanzler: An und für sich scheint mir db.se Gewähr durchaus ge geben zu sein, denn eine große Mehrheit der Wähler hat am 7. Dezember den Parteieil ihre Stimme gegeben, d e wie das Zentrum, die Teutscl>e Vv'Isvartei und die Demokraten, im alten Reichstag die eigentl'l eu Träger dieser Politik waren, oder die, wie Sozialdemokraten „iid Buhcri/ckc Volksparkei, diese Politik unterstützt haben. Im alten Rr fsstag Vorsichten diwe Parteien insgesamt über 253 Mitglieder, im neuen drzegen über 302, während die Ovvositionsparteivn ans der Rechten, Dentschsoziale, Tcutschvölkische und Tentschnationale, im alten Reichstag 142 Abgeoronete zählten, im neuen dagegen nur noch 125. Die Wähler haben also klar und deutlich gesprochen. Seit der Annahme der Tawes-Gesetze im Reichstag ist die Frage der Schaffung einer sicheren Negierungsmchrheit akut. Wochenlange Berhaudluugeu mit den Fraktionell des alten Reichstages habe» die Frage nicht zu lösen vermocht, so daß Willkür des Einzelnen oder einzelner Wirtschaftsverbände über lassen. — Nur so Ist es dann möglich, daß Einzelfragen des ge sellschaftlichen und wirtschaftlichen Gesamtlebens von dem ödesten momentanen Nützlichkeitsstandpunkt aus beurteilt werden: man denke z. B. an die Tatsache, daß man heute aus „wirtschaftlichen Gründen" die Frauen, die Mütter des Volkes zu Tausenden ihrer innersten Natur entgegen 10 Stunden im Tage in Fabriken und zu sinnlosen Hantierungen preßt, weil der augenblickliche Bor teilsgesichtspunkt dafür spricht. — Man hat nicht mehr die mensch liche Ueberschau, um zu erkennen, „daß eine solche naturwidrige Maßnahme sich an der Gesundheit und der seelischen Kraft des ganzen Geschlechts rächen muß. Usbcr dem Gctrieb der Wirt schafts- und Profitanarchie leuchtet kein wegweisender, in die Zukunft führender Stern. In einem echten Kulturzustand besteht eine enge Verbin dung zwischen der Art, wie ein Bolk seetisch und geistig mit dem Leben fertig wird, und der äußeren Form, in der es sein Leben gestaltet. Wo das äußere Lebensbild des Volkes von Zufälligem, von der Willkür des Betriebes, des Technischen bestimmt ist. da ist jenes das innere und äußere Leben einschlietzende Band zer rissen, da ist an di« Stelle einer umfassenden Kultur di« Zi vilisation getreten. Man betrachte einmal die geistige Hai- tung der Zeit zu den Erfindungen, die in ihr gemacht werden: man kann da merkwürdige Widersprüche von ziveierlet Art an- treffen. Einmal den, daß der seelisch-geistige Zustand der Men schen immer noch nicht im Einklang mit den technischen Erfin dungen und Möglichkeiten der Zeit steht. Mm, denke z. B. daran, daß die seelischen Konsequenzen au» der Möglichkeit der die Auslösung des Reichstages und der Appell an das Volk als einziger Ausweg blieben. Das- deutsche Volk hat jetzt srincn Willen bekundet, meiner Ansicht nach in durchaus eindeutiger Weise im Sinne der Politik der bisherigen NcichSregiernng. Nach meiner Ueberzcugunq entspricht daher die Erweiterung der Regierung durch Hinzuziehung der Parteien, welche die Re- gierungspolitik bislang gestützt haben und bei den Wahlen am 7 Dezember die Billigung ihrer Wähler gefunden haben, dem logischen Sinne des Wahlausganges. Ich verstehe es datier, daß vielfach die Schäftung der großen Koalition, die schon vor einem Jahre: erstmalig durch den da maligen Reichskanzler Stresemann erfolgt ist, auch jetzt als politisches Gebot und Vollzug des Willens der deutschen Wäh ler angesehen wird. Eine Erweiterung der Regierung »ach rechts, gegen oie ich bei der gegenwärtigen außenvolitiiicken Lage Deutschlands ge wisse Bedenken gehegt und offen ausgesprochen habe, >st zvnr un neuen Reichstag» auch ohne Einbeziehung der Demokra ten rechnerisch möglich, ob sie aber für oie Fortführung der bisherigen Außenpolitik, die, wie ich stets betont Hab', im Vordergrund des politischen Interesse? bleiben muß, erwünscht oder auch nur tragbar ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Ich persönlich bin nicht in der Lage diese Frone zu bejahen. Sollte cs trotzdem dem Willen der Parteien entsprechen, auch diese Möglichkeit zu erschöpfen, so werde ich diesem Versuch kei nerlei Schwierigkeiten in den Weg legen. Aber persönlich glaube ich nicht, die Berantwortung dafür übernehmen zu können. Auf die Frage, ob denn da-s Zentrum eine Rechtsregicrnng unterstützen werdet erklärte der Kanzler: Das Zentrum hat seit l!>19 auch in den schwierigsten Situationen der Regierung keine Unterstützung nicht versagt. Das Zentrum hat stets aus oem Stanopiinkt gestanden, daß lediglich sachliche Gründe tür oie Frage der Kaalitionsbitoung entscheidend sein dürfen, daß jede Unterstützung der bisher verfolgte» Außenpolitik, tonune süe mm von rechts oder von links, willkommen ist, wenn nur di« Gewähr dafür geboten wird, daß der außenpolitische Kurs un beirrt innegchalten wird. In diesem Sinne hat noch jüngst der Reich-sparteitag des Zentrums einstimm g einen Beschluß gefaßt, der aber auch der Erwartung Ausdruck gab, daß „eftr bewährten Politik der Mitte mich im zukünftigen Reichstage Geltung und Führung" verschafft werde. Dieser Beschluß ist auch heute noch maßgebend. Es wird Aufgabe der Zentrumssraktion des neuen Reichstages sein, die sem Beschluß entsprechend Ihr Verhalten einzurichten. » Wie die „Germania" mifteift, steht entgegen anderslauten den Meldungen der Termin des Zusammentrittes der Reichs tag s f r a k t i o n des Zentrums noch nicht fest. Wahrschein lich wird aber die Fraktion am Dienstag oder Mittwoch nächster Woche die erste Sitzung abhalten. Sie WeiMk beim Kanzler Berlin, 12 Dezember. Reichskanzler Marx empfängt die Führer der Koalitionsparteien, um ihnen ofsizielle Mitteilun gen von dem gestrigen Demissionsbeschluß des Kabinetis zu machen, die bedingt worden sei durch den Beschluß der Dcurschen Boiksnariei, nur an einer rechiscrwciterten Regierung tcil- nehmen zu wolle» Auf Freitag ist außerdem der Empfang der deutschnationalen Führer, für Sonnabend der der sozialdemonra- tischen Führer festgesetzt. Monlag Riielrlritl Berlin, 12. Dezember. Das Reichskadinett faßte in seiner gestrigen Sitzung den Beschluß, dein Reichspräsidenten zu Beginn der nächste,, Woche das Rücktrittsgesuch zu unlerbreitcn. unerhört raschen Verbindung eines europäischen Ortes niit dem andern durch Eisenbahn und Automobil noch immer nicht gezogen sind: oder daran, daß, trotzdem die Technik das Gesicht aller euro päischen Hauptstädte von Budapest bis London bis zur Gleichheit nivelliert hat. trotzdem in einer retrospektiven, romantischen Ge- fühlshaltung die längst verwischte „Eigenart" krampfhaft fest- gehalten wird. Ein Widerspruch anderer Art liegt darin, daß die Zeit mit dom „Geschenk" der neuen Erfindung nichts anzufangen weiß. Ich denke da gleich an die jüngste Erfindung, die Mög lichkeit der Radioübertragung. Man muß nur einmal die Pro gramme dieser Rundsunk-Deranstaltungen durchlesen, um sich darüber klar zu werden, daß die Menschheit sich hier ein künst lerisches Niveau willig gefallen läßt, das sie sich beispielsweise im Konzertsaal nicht mehr bieten ließe. Dabei bedenke man, ivelche kulturell-menschlichen Möglichkeiten in der Radio-Ueber- tragung, die nun einmal vorl>anden ist. liegen könnten. Wie viele Möglichkeiten der generellen europäischen Verständigung. Beide genannten Widersprüche resultieren aus der Tat- suche, daß die Technik und die Wirtschaft zum seelischen geistigen Urgrund der Völker in keiner inneren Beziehung stehen: sie sind autonome Komplexe mit zufälligen Lustwurzeln. Ihre Herrschast scheint im Augenblick unbestritten: in dem Maße aber, in dem in einem Volke di« Sehnsucht nach einem von rationaler Zweck mäßigkeit unabhängigen Gesamtweltbiide wächst, — und wenn nicht alles trügt, stehen wir in einer Zeit des Wachsens solcher Tendenzen — wird auch ihr« Autonomie von ihnen und von der Menschheit genommen werden, der sie — autonom und einsam —- kein echtes Geschenk reichen konnten.