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Nummer 289 — 23. Jahrgang Kmal wöchtl. Bezugspreis: f. Tezber. 2 R -M. auS'ckl. Bestellgeld. Bcrechuung der «nzetgrn nach Rent-Mark. Preise: Tie e'ngesvaUene Vetttzeüe 30 L,. s. Familien- u. Bereinsliiiz., Gesuche 20 H. Tie Peiit-Metlamezeils öS mm breit. 1 Osiertengebühr für Selbstabholer LS bei Uebersendung d d. Post außerdem Porto» zujchlag. Preis d. Sonntagsnumincr 15 Nentenpsenmg. Leschästtich«« Teil: Joses Fohmann, Dresden- SöctisWe Sonntag, 14. Dezember 1924 Im Falle höherer Gemalt erlischt iede Vervsltcktung aus Lieferung sowie Erfüllung o. An,-Aufträgen «. Leistung v. Schavenersag Für undeutlich u v Fernipr. übermittelte Anzelgen übernelimen wir keine Ver« antworlung. Unverlangt etngcsandte u. mit Rückporto nicht versebene Manuskrivte werden nicht ausbewahrt. Sprechstunde der Redaktion 5 bis 6 Uhr nachmittags. tzauptschnfUetler: Dr. Joses Albert. Dresden, volrsmmng Gk,»ä„«n»u» der che» «»>».«»„ ua>md Trock inid >v«,la-> Earonla-Buchdruckere« GmbH, Lreeden-A. l«. Holbelnlttake <8. N«mr», 32722. Pslt- icheit>o»IoDreKt>en 14797 bür ckristlicke Politik unci Kultur Dr«»de» Redaret»» der Ea»Ns»«» »den > Sl. I« Holbomslroßetd gernrin 82792 und Ld Die aMierieFinanzkonserenz Unsere Stellung zumRechlsblock Das klarste Zeichen dafür, daß es den Rechtsparteien bei ihrem ganzen politischen Denken und Fühlen nur um das Erstreben der eigenen Macht geht, ist wiederum die gegenwärtige Regierungskrise. Wenn bereits seit einem Jahr Deutschland unter der Führung eines hervorragen den Kanzlers und mit Hilfe einer tatkräftigen Negierung den Weg aus der Verzweiflung herausgefunden hat, dann wäre es geradezu nicht mehr als eine Selbstverständlich keit gewesen, diese Regierung auch nach den Wahlen vom 7. Dezember einfach im Amte zu lassen Umsomehr, als am 7. Dezember die übergroße Wählerschaft sich für den Kurs dieser Regierung ganz entschieden ausgesprochen hat. Da aber ohnehin einige Ministersessel im Laufe der Zeit frei geworden waren, so konnten diese mühelos an die Parteien verteilt werden, die sich dem bisherigen Kurs anzuschließen gewillt wären. Man hätte auch sonst noch Konzessionen machen können. Voraussetzung für eine solche Entwicklung war von vornherein das feste Zusammenstehen der drei Mittelpar- teien: Deutsche Volkspartei. Zentrum und Demokraten. Hier aber begann das Verhängnis. Die Deutsche Volks partei zertrümmerte diese Einheit und stellte, ohne auch nur vorher mit den übrigen Mittelparteien in Verbin dung zu treten, als absolute Forderung den Rechts- block auf. Damit scheidet gegenwärtig die große Koali tion. die von der Deutschen Volkspartei bis zu den So zialdemokraten ginge, ans. Wir hatten die große Koali- tlon bereits früher als die bessere und berechtig tere Lösung gekennzeichnet. Sie hätte die Gewähr für eine stabile und den seitherigen Kurs beibehaltende Poli tik geboten. Die Deutsche Dolkspartek hat bis heute noch nicht eine einzige Spur des Beweises dafür erbracht, daß d-ese Konstellation nicht den erwünschten Erfolg bringen könnte. Es fehlt dieser Partei an dem Willen zur grö ßeren Volksgemeinschaft, wozu die große Koali tion der bedeutendste Schritt gewesen wäre. Die Volks partei hat sich allerdings bereits in der Vergangenheit durch ihre schwankenden Haltungen derart den Charakter verdorben, daß es heute schwer ist. ihn aus dieser Dege neration zu befreien. Während des Wahlkamvles kämpfte sie auffälliger Weise mit der Recbtsopvosition unter derselben Flagge sschwarz-meiß-rot). Sie sabotierte damit selbst ibr bisheriaes Zusammengehen mit den Mit telparteien. Aber dieses Charakterbild und vor allein auch das des Herrn Stresemann maa nur so nebenbei zur Erläuterung dienen. Jedenfalls ist Grund genug vorhan den. der Vartei auf den Z"bn oder bester a"f den Lebens nerv zu fühlen und fest7uste"en. welche G rnudsätze sie eigentlich noch bat. Das Charakterbild der Volkspartei wird umso schwankender, je mehr man bedenkt, daß sie eine deutschnationclle Partei unterstützt, die sich beute nach den Wahlen insolae des Zuwachses aus den völkischen Reihen aus noch radikaleren Elementen zusammensetzt als vorher. Es steht nun fest, daß der R»chtsblnch als solcher keine volle Gewäbr für die Fortführung der seitherigen kinu'g möaüchen Politik bildet. ?'!><"' di" Tatsache stellt trotzdem fest, daß die ausschlaggebende Deutsche Bolks- va'-lei ibn eben unter allen 1' mstäuden nü>l. Es steht auch weiterhin lest, daß der Kanzler Marr dieFüh - r u n q dieses Rechtsblockes ablehnt. Damit ist aber noch längst nickt die Haltung der Zentrums f r a k t i o n oder der -Partei gekennzeichnet. und auch die gestrige Stel lungnahme. die bei den Verhandlungen im preußischen Landtage zutage trat und die sick in der Richtung der Ab lehnung einer Beteiligung am Nechtsbloch bewegte, be deutet noch keinen endgültigen Beschluß. Der Kanz ler hat seine durchschlagenden Gründe, wenn er sich auf diesen Standpunkt stellt. Für die Parte! aber kommt es jetzt darauf an. festzustellen, wie sie sich verhalten soll. Sie wird vor ollen Dingen fragen müssen, welche Po litik der Nechtsblock eigentlich treiben will. Erst nach dieser Klärung kann weitergegangen werden. Man sollte aber nicht wieder so viel Zeit totscklagen. sondern kurz und bündig handeln. Auf keinen Fall kann das Zentrum seine bisherige Politik aufgeben, um „anderen" zum Siege zu verhelfen. Bleibt also als einziger Ausweg heute noch die Rechtsregierung, dann heißt es für das Zentrum, sich Lin ckeutscker llomsn. Preis 8°b. dtsrk SSV S.IWW. LU, »Mlni-I.. LÄm'ä »Me MllillüS Wik Paris, IS. Dezember. Havas meldet offiziell, daß di« Konferenz der interallierten Finanzminister endgültig aus den 8. Januar nächsten Jahres festgesetzt worden ist. Die Tages ordnung besteh« ans folgenden Punkten: 1. Die Verteilung der Ruhrgewinne: 2. Die Verteilung der im Sachverständigengutach ten vorgesehenen Jahresleistungen. — Oberst Log an werde vom Präsidenten Coolidee zum Vertreter Amerikas auf der Konferenz ernannt werden. Paris. 13. Dez-mber, Nach der Daily Mail hat der Finanz- minister Elemente! den amerikanischen Schatzsekretär Mollon ersucht, an der Konferenz der Interalliierten Finanzminister im Januar teilzunehmen. London, 13. Dezember. Reuter m.'ldet aus Washington, es heißt, daß Präsident Coolidge irgendwelchen Plänen die Frage der Zuweisung der Kriegsansprücke gegen Deutschland nach dem Tawesvlan einem Weltnerichtshofe zu unterbreite», ablehnend gegenübersteht. Es heißt, ferner, daß seine Haltung in der Frage 5er Fundieruna der Kriegsschulden Frankreichs und an derer Mächte an die Vereinigten Staaten ebenfalls unverändert ist. Coolidge sei davon überzeugt, daß der amerikanische Standvunkt hinsichtlich der Einziehung der Farderung der frem den Regierungen durchaus bekannt sei und daß das Recht der Einziehung unwiderruflich durch Vertrag und Abkommen fest gesetzt sei. Die -eu1sch-°ron,i>fikck»eti Wirtschafls- Verhandlungen Paris. 13. Dezember. Bei den deutsch-frnnzö'i'chen Wirt- schaftsverhandlunaen sind die beiderseitige» Sachverständigen der chemischen Industrie gestern noch einmal zrstammengetreten, wobei sich gezeigt hat, daß die Möglichkeit einer Verständigung besteht. Heute findet eine Vollsitzung statt, in der die Frage der Tertil- indiistrie behandelt wird. Montag und Dienstag werden zweifel los Vollsitzungen abgehalten weroen. Ak WMSWUel Berlin, 13. Dezember. Reichsminister Dr. Geßler hat einem Vertreter des „Sozialdemokraten" in Kopenhagen über Deutschlands angebliche Rüstung:» eine Unterredung gewährt, in der er unter anderem sagte: Wir haben die schweren Ovfer gebracht, unsere Waffen zu zerstören und unser Heer auf 1VV000 Mann zu verringern, eine Zahl, die nicht einmal mit Sichrrheit ausreicht, die Aufgaben zu lösen, die der Versailler Vertrag der cntwasfneten Macht Deutschland zuweist. Was über angebliche Rüstungen Deutsch lands verbreitet wird, gehört in das Reich der Fabel. Was be deutet die verschwindend gering- Menge von Waffen, die nach träglich gefunden worden sind, gegen die überwältigenden Rü stungen. die Frakreich hat? Nichts! Verborgene Waffen kön nen nur aus Militärbeständen entwendet worden sein, ols nach dem Umsturz der Büroerkrirg in Deutschland geführt wurde oder drohte . . . Daß sie fast restlos abgeliefert sind, ist kein schlechtes Zeichen für die Gesundung Deutschlands und für die Autorität seiner Vernmltung. Ihre Zerstörung war eine selbst verständliche Pflicht der Regierung. Es mstd behauptet. der geographische und geschichtliche Dienst des Großen Generalstabes werde bei anderen Militärs weitergesülirt. Damit ist anschei nend die Landesvermessung gemeint. Soll cs Deutschland ver boten s-in. Kataster seines Grund und Bodens anzuiegen? Daß die Universitäten ibre Lehrer »nd Studenten beurlaubt haben, damit sie ausoebildet werd-m, ist nicht mabr. Irgendwelche Be- ziehlinoen zwilchen der Polizei und dem He»r besteben nicht. Berlin, 13. Dezember. Wi? wir non diplomatischer Seite hören, gehören die in der Auslandspreste aufgetauchten Gerüchte für die Teilnahme oder Nichtteilnakms zu entscheiden. Beides ist für die Partei an und für sich möglich. Die Ent scheidung ist wokl in folgendem zu suchen: Aus dem Um stand, daß das Zentrum den äußersten linken Flügel die ser neuen Koalition darstellen würde, ergibt sich die Frage, ob es überhaupt noch in der Lage wäre, gegenüber den übrigen beiden Rechtsparteien mit keiner Meinung durch zudringen. Diese Frage wird zrunosützlich wobl verneint werden müssen. Und daraus kann man den Standpunkt resultieren, daß man überhaupt nicht an einem solchen Block teilnimmt. Sollte sich das Zentrum aber trotzdem dazu entschließen, so dürften die Wähler im Lande diesen Schritt durchaus nicht dabin auffassen, als ob nun etwa eine Schwenkung nach rechts erfolgt sei. Es könnte näm lich auch für dielen Fall maßgebend sein, daß man nach dem Scheitern aller Möglichkeiten auch in dem neuen Ka binett das nock durchzusetzen hoffte, was als äußerste Not wendigkeit gälte. Zu diesem Entschluß wird allerdings» die Partei nur dann kommen dürken, nachdem sie ganz bestimmte Gewißheit über diese Möglichkeit der Durch setzung der eigenen notwendigsten Grundsätze erlangt hätte. Sollte sich bei einer loschen Teilnahme dann doch alle „ehrliche Absicht" der Rechtsparteien als trügerisch erweisen, so hätte das Zentrum in diesen, Augenblick eine Gelegenheit, vor oller Oeffentlichkeit diese neue Politik durch ihren Rücktritt ans dem Kabinett zu brandmarken. Dian sieht also, wie die Möglichkeiten liegen. Man muß die nächsten Tage noch abwarten, um klarer sehen zu können, wo die meisten Möglichkeiten sind. Das eine über den Bericht der Kontrollkommission ln das Reich der Kom binationen. Trotzdem ist aber damit zu rechnen, daß der Bericht Aufzeichnungen ergeb-n wird, unter denen sich auch die Stellung des Generals von Seeckt befinden dürfte. Die Feststellung nicht völliger Erfüllung würde den Streit zwischen England und Frankreich in der Frage des Räumungstermins Überbrüchen, da die Feststellung der erfüllten Verpflichtungen für die Räu mung nach dem Versailler Vertrag maßgebend ist. Keine veriragswidriaen Verslötze London, 13. Dezember. Der diplomatische Berichterstatter des „Daily Telegraph" schreibt, in britischen Kreisen werde all- gemein angenommen, daß der endgültige Bericht der interalli ierten Militärkontrollkonimission für Deutschland nicht so un günstig sein werde, wie man in iveiten Kreisen vermute. Das selbe gelte von den letzten vorläufigen Berichten, die. wie bel>aup- tet wird, schwere Verstöße gegen den Versailler Vertrag enthüllen sollen. Dies sei jedoch nicht die Auffassung, die von der Mehr- zahl der Sachverständigen eingenommen wird. Keine ernste Besorgnis bestehe, weil beinahe unvermeidllcherweise di« Mannschaften infolge des Vorhandenseins irregulärer Körper schaften stärker seien, denn diese seien nicht im modernen Sinne bewaffnet. Anschließend an diese Ausführungen bemerkt der Berichterstatter, es bleibe wahrscheinlich, daß die van der Kom mission angeführten Verstöße gegen die Abrüstnngsbestimmungen die Räumung des Kölner Gebietes über den 10. Januar hinaus verzögern werden. MlllWsMW IO Mm« Berlin. 13. Dezember. In der gestrigen Besprechung deS Kanzlers »nt den deutschnationalen und volksparteilichen Führen, erörterte der Außenminister die außenpolitische Lage und teilte unter anderem mit, daß die Frage der M'i l i t ä r k o n t r o l l e in keinerlei Beziehungen zu der iniierpolitische,, Entwicklung Deutschlands stünde, da der sür Deutschland wahrscheinlich nicht allzu günstige Bericht der Kommission über die Generalkontroile schon vor den Wahlen znm größten Teil fertiggestellt gewesen sei. Auch über die Näumniigssrage seien schon diplomaii.chg Verhandlungen im Gauge, die aus die Regierungsbildung keinerlei Einfluß mehr habe» werde». Paris, 13. Dezember. DaS Ministerium des Aeußereu demen tiert die Nachricht einiger Zeitungen, daß die Botschafter ver Alli ierten in Deutschland vor der Bildung einer RcchtSregicenng ge- gcwarnt haben. Sie »er Frage Chamberlain zum zweite» Male in Paris Paris, 13. Tezember. Ebainberlai» soll heute nachmittag 2.45 Uhr auf dem Pariser Nordbahnhof ei»,ressen, Er wird um vier Uhr nach London Weiterreisen. Er wird »ach den Moc- genblättern vom Kabmcttcbef Herrwts und vom Direktor der vo- litischen Abteilung am Quai d'Orsey ans dem Bahnhof begrüßt werden. Herriot wird—tvegsn seines MesuiidheUSzustandeS nicht imstande sein, das Zimmer zu verlassen. N ed dem „Oeuvre" wird der KabinettSchef KerriotS mit Chamberlain über ver schiedene Fragen plaudern. Es bandelt sich dabei »m die Fragen, die Gegenstand der erste» Unterredung zwischen 5>erriat und dem engli chen Anßen- minister „M'-eir, ä'ko vorzüglich die Räumung Kölns im» de» Stand der Abrüstung Deutschlands, Hernals Ver treter wird in diesem Z i'ammenßang ans den bevorstehenden Zn- sammentritt der BnEchasterknn'e e>.,. d e sich mit dem Bericht der KaiitrnlleommU'ian befassen wird, hinweüen und maßr'chciu- pch Chamberlain V„r"»"nben ans dem Bericht M'tKile». aber kann heute schon gesagt werden, daß das Zentrum auch für den Fall, daß es selbst ans der Rechtskoalition ausscheidet, nickt in eine grundsätzliche fruchtlose Cstwosi- tion treten würde. Dazu hat es von jeher zu sebr Real politik getrieben. Es würde vielmehr eine solche Re gierung unterstützen in allen Dingen, die es selbst verantworten könnte. Wenn sich alle besseren Möglich keiten erschöpfen, so muß tatsächlich jetzt die Rech«sre- gierung beweisen, was sie kann und ob sie wirklich in anderem Sinne regieren kann, als die seitherigen M't- telparteien. Dabei hätte allerdings das Zentrum auf der Hut zu sein, daß das Unkraut nicht über den Zaun wächst. Praktisch aber kann bei einer solchen Recbts- regierung nichts weiter heranskommen als: entweder betreiben sie die alte Politik grundsätzlich weiter sdonn aber hätte man sich nicht so in den Vordergrund zu drän gen brauchen, sondern sich einfach dem alten Kurs anscklie- ßcn müssen) oder sie werden, sobald sie den alten Kurs verlassen, schon bald ihren Bankerott anmeiden müssen. In dem letzteren Falle würde dann die Deutsche Volks partei wohl die Vernunft wieder erlangen. Und dann wäre der Zeitpunkt für die große Koalition ge kommen. Das eine aber müssen wir uns klar vor Augen hal ten: daß der Rechtsblock, ganz gleich in welcher Form er auftreten und sich auswirken wird, nie und nimmer ein endgültiges Ziel sein kann. Er ist und bleibt im Höchstfälle ein Uebergangsstadium zur Erreichung des größeren Zieles, das in der Zusammen» fassung aller Volkskräfte wurzelt. I. A.