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Nummer 218 — 23. Jahrgang Smal wöchtl. Bezugspreis: f. September 2 R.-M. ausschl. Bestellgeld. Berechnung der Anzeigen »ach Rent.-Mark. Preise: Die elngejpaltene Petitzeile 30 f. Familien- u. Vereinsanz., Gesuche 20 H. Die Pent-Reklamezeilg 8g mm breit, 1 Ofsertengeblihr für Selbstabholer 20 L,» bet Übersendung d. d. Bost außerdem Porto- Zuschlag. Preis f. d. Einzelnummer 10 Renten-Psennig. Eejchästlicher Teil: Josef Fohmann. Dresden, SiickMe Freitag, 19. September 1924 Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anz.-Aufträgen u, Leistung v. Schadenersatz. Für undeutlich u. d. Fernspr, übermittelte Anzeigen übernehmen wir keine Bev« autwortung. Unverlangt etngesandte u. mit RückporÜ nicht versehene Manuskripte werden nicht aufbewahrt« Sprechstunde der Redaktion k bis g Uhr nachmittag- .Lauptschriflleitcr: Tr. JosesAlbert. Dresden Tageszeitung für christliche Politik und Kultur WWSMM . MWH« M »II » Ae Well »kl FM - M «« M» scheMontoDrcsde» 14797 ^ " " ^ Medaktion der Lächstfche» Volkszeitu»» Dresden-A. IS. Hotbciiislrahc >9. gcravu 827LS nnd WKW Das Spiel beginn! Dresden, 18. September 1924. Im Juni dieses Jahres tagte in Berlin der sozialistische Reichsparteitag. Er sollte die Krise innerhalb der sächsischen Sozialdemokratie bereinigen, die seit dein 4. Januar mit'der Bildung der großen Koalition in Sachsen und der entscheidenden Absage an die Zeignersche Wahnsinnspolitik entstanden war. Aber die heutigen sozialistischen Führer, deren Format auf das Niveau der wortreichen Führer von Vorstadtkrawallen gesunken ist, fanden nicht den Mut zu einem reinigenden Entschluß. Kein Wunder, denn die verpaßte Gelegenheit, am 9. November sich zu Volk und Vaterland zu bekenne» und, schließlich auch mit der roten Fahne in der Hand, dem erbitterten Landesfeinde den Krieg bis aufs äußerste — nach großen Vorbildern natürlich — zu proklamieren und in fortreißenoer revolutionärer Begei sterung zu siegen oder zu sterben, muß aus der ehemals stolzen Sozialdemokratie eine jämmerliche Karikatur machen, die nicht zu leben und zu sterben weiß, sondern von dem Schicksal über rannt und vernichtet wird. Daher der Mangel an Entschluß freudigkeit, der sich in der sächsischen Frage mit bezeichnender Deutlichkeit bemerkbar macht. Und schließlich die sächsische Frage ist ja an sich keine sächsische Frage, sondern ist die Le bensfrage der deutschen Sozialdemokratie überhaupt. Das ganze Problem der deutschen Sozialdemokratie aufrollen, hieße die Farce des „Einigungspartcitages" von Augsburg- -Nürnberg in seiner ganzen Jämmerlichkeit der deutschen Arbeiterschaft vor Augen zu führen. Also faßte man den Entschluß, den energie lose, an Leben und Zukunft verzweifelte Menschen zu fassen pflegen, nämlich, der Entscheidung aus dem Wege zu gehen und die uneinigen Brüdern sich selbst zu überlassen. Und nun erlebten wir in Sachsen das groteske Bild: die Regierungssozialiften verkündeten jedem, der es hören wollte, daß sie in Berlin einen großen Sieg errungen und für ihren Entschluß vom 4. Januar die volle Billigung des hohen Reichs vorstandes gefunden hätten. Die Zeignermänner, Herr Arzt und Genossen, dagegen sagten nichts, sondern gingen hinaus in das Land und machten ihre „wissenschaftlich geschulten" Anhän ger mobil mit dem Ergebnis, daß die Politik der Koalitions sozialisten in Grund und Boden verurteilt, der Beschluß des hohen Parteivorstandes in Berlin annulliert wurde und kein Zweifel mehr übrig blieb, daß die „Siegergenossen von Berlin" aufs tote Gleis geschoben worden sind. Der vierzehntägige Feld zug des Moralsozialisten Arzt hatte einen solchen Erfolg, daß sich die Radikalen durchaus zur Ruhe setzen und den Gang cer Ereignisse bis zum September ruhig avwarten konnten. Für den Landesparteitag braucht man noch sozusagen sällp sischen Paprika, um den Genossen aus dem Lande das Gericht schmackhafter zu machen. Der einstige unabhängige Diktator von Sachsen, Herr Richard Lipinski, ist der Koch, der den scharfen Pfeffer in die sächsische Speise zu rühren unternommen hat. Herr Lipinski hat einst die große Futterkrippe der Staatsämter für die Genossen in breiten Ausmaßen eröffnet und seine rechte Hand war der berühmte Bürgermeister von Mylau und nach malige Ministerialdirektor Dr. Lempe. Herr Lempe ist wegen seiner allzu großen Tüchtigkeit von seinem Posten entfernt worden, weswegen Herr Lipinski diesen Fall aufgreift, um die Regierungssozialisten als willige Werkzeuge der Deutschen Volkspartei hinzustellen, die der Urgrund alles Ucbels sei. In zwischen hat er zwar durch best Ministerpräsidenten Heldt selbst eine vernichtende Abfuhr erhalten und er, der ehemalige Mi nister, ist der weniger schönen Handlungsweise geziehen worden, sich eines vertraulichen Schriftstücks bedient zu haben, das nur durch groben Vert^auensbruch in seine Hände gelangt lein kann. Vielleicht rehabilitiert ihn aber dieser Reinfall und diese wenig schöne Handlungsweise so in den Augen des jetzigen Diktators Arzt, daß er wieder für würdig erachtet wird, auch einmal ein Wörtchen sagen zu dürfen. Daneben aber bringt sich das hohe Dreimännerkollegium Arzt, Menke, Edel überall bei den Ge nossen in empfehlende Erinnerung. In Leipzig, Plauen, Zwik- kau, Chemnitz, Dresden, kurz in allen Teilen des sächsischen Landes reisen die drei hervorragenden Genossen umher, um gegen die bürgerlichen Parteien im Reiche und in Sachsen mobil zu machen und den Schlußstein unter ihre Arbeit zu legen, die sie im Januar dieses Jahres begonnen haben. Auch Herr Li pinski wird als fünftes Rad am Wagen mitgeführt und darf in einem kleinen Neste einmal einen Vortrag halten, wenn Not am Mann ist. Und der rote Automat in Dachsen funktioniert aus gezeichnet. Schon liegen die ersten Entschließungen vor, beson ders aus Zwickau, die den Rücktritt der Sozialisten aus der Re gierung und die Auflösung des Landtages fordern. In Kürze pursten die Vorbereitungen für den sozialistischen Parteitag in Sachsen beginnen und bis zum Tag- des Zusammentritts wird der Ring um die Regierungssozialisten so geschlossen sein, daß es kein Entrinnen mehr gibt. Seitdem die sächsischen Sozialisten sich mit den Unabhän gigen „vereinigt" haben, halten die Hasser jeder Geheimpolitik ihre Parteitage stets hinter verschlossenen Türen ab. Das wird auch diesmal der Fall sein, aber das Resultat werden wir we nigstens erfahren und daraus auf die „brüderliche Auseinander setzung" Rückschlüsse machen können, wenn auch manche wert volle Einzelheit, di« für die Beurteilung der Zukunftsentwick- kung wichtig wäre, verloren gehen dürft«. Somit dürften im Französischer As WM Km« Zmivis , sDrahtbericht unserer Berliner Vertretung) Paris, 18. September Herriot ist heute früh von Toulon nach Paris zurück- gekehrt. Er führt heute vormittag'den Vorsitz im Kabinetts rat, der sich mit der Bekämpfung der Teuerung und anderen Wirtschaftsfragen befassen wird Im Verlaufe dieser Zusammen kunft wird das Ministerium einen Vorschlag des Ackerbau ministers entgegennehmen, den dieser auf Grund seiner Ver handlungen mit den französischen Lebensmittel-Großhändlern unterbreiten wird. Ein Teil des Ministerrates wird auch durch den Bericht des Handelsministers Raynaldi ausgefüllt sein, der sich in den letzten Tagen im Elsaß aufgehalten hat, um sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Elsaß und über die Voraussetzungen eines deutsch-französischen Han delsabkommens zu orientieren. Auch die Prüfung des Budgets wird das Kabinett beschäftigen. Der finanzielle Mitarbeiter des „Journal" befaßt sich in einem längeren Artikel mit den finanziellen Problemen des französischen Budgets. DI« Regierung beabsichtige keineswegs, wie es in Börscn- kreisen verlaute, eine 20prozentige Steuer auf das Kapital zu legen oder ein Gesetz zu schaffen, nach dem der Staat an dem Reingewinn der Aktiengesellschaft beteiligt wäre. Eine Um änderung des gesamten Steuersystems von Grund auf verlange Zeit und Nachdenken. Es handele sich aber darum, das Budget so schnell als möglich vorzulegen. Nach Aussage des Finanz ministers Elemente! werde ein Budget vorgelegt, das sich im Gleichgewicht befinde, aber keine neuen Steu ern bringe und ebensowenig die alten abschaffe. Das Gleich gewicht werde erzielt werden durch bessere Erfassung der bis herigen Steuern und durch Sparsamkeit. Die Revision der Be amtengehälter werde wahrscheinlich von verschiedenen Kommissionen geprüft werden und werde sich durchaus in den Grenzen halten, die durch die Herstellung des Gleichgewichtes innerhalb des Budgets notwendig gemacht sind. Was die Be steuerung der mobilen Werte betreffe, so werde hier die vollste Gerechtigkeit herrschen. Es müsse vermieden werden, daß die im Ausland befindlichen Werte der Steuerkontrolle entgehen. Doch würde diese Kontrolle nur möglich sein auf Grund von Vereinbarungen mit den neutralen Ländern, die so glücklich seien, fremde Kapitalien zu behalten und von ihnen Nutzen zu ziehen. Ein Maximum des Ertrages werde auf diese Weise aus der Steuer für die beweglichen Güter gezogen werben können. Im übrigen hat das französische Ministerium keine Ent scheidung getroffen, ohne die Banken gefragt zu haben. Man darf überzeugt sein, daß die Regierung keinesfalls zu einem so bequemen Mittel greifen wird, wie es die Inflation ist. Die Negierung habe zur Bekämpfung der Inflation den Zins satz von 7 auf 8 Prozent erhöht. Die kaufmännischen Geschäfte könnten auch auf dem Wege über einfache Scheks durchgeführt werden. Frankreich werde unter keinen Umständen den: Bei spiele Deutschlands folgen, das durch eine sinnlose Notcn- produk^ion seine eigene Währung ruiniert habe. Das finanzielle Programm des Kabinetts Herriot könne man also dahin zu- sammensassen: Gleichgewicht des Budgets, größtes Erträgnis und gerechte Verteilung der Steuern, Vernichtung der schweben den Schuld, Rückzahlung der Vorschüsse, der Bank von Frank reich, Bekämpfung der Inflation, Beseitigung der interalliierten Schulden. Augenblicklich sei das Ministerium damit beschäftigt, Maß nahmen zu treffen, die eine.raschere Entwicklung des Exportes und eine produktive Handelsbilanz ermöglichen sollen. Bei der energischen Durchführung des Programms sei eine endgültige Stabilisierung vorauszusehen. London, 18. September. Der Ministerpräsident hat gestern seinen Urlaub, den er in seiner Heimat Lossiemonth in Schott land zugebracht hat. beendet und die Rückreise nach London an getreten. Diese Reise wird vier Tage dauern, so daß Macdonald am Sonntag wieder in London sein wird. Am 25. September wird er mit dem ägyptischen Ministerpräsidenten Zusammen kommen, um sich mit ihm über die gegenwärtig in Aegypten entstandenen Schwierigkeiten zu unterhalten. Am 30. Septem- ber wird das Parlament zu einer außerordentlichen Sitzung über den neuen Gesetzentwurf der Negierung in der irischen Grenzfrage zusammentreten. Das Gesetz wird unvermeidlich einer starken Gegnerschaft unter den Konservativen begegnen, aber seine endgültige Annahme wird in der Negierung nahe stehenden Kreisen nicht bezweifelt. Am 25. Oktober setzt sodann die wirkliche Session des Parlaments ein. Im Vordergründe wird die Debatte über den englisch-russischen Ver trag stehen, doch hat die Regierung außerdem auch ein großes Programm innerpolitischer Fragen in Bereitschaft. Unter an deren wird sich das Parlament mit der von dem Arbeiterpar- Ianuar dem sächsischen Volke Landtagsneuwahlen beschicken sein. Die Sozialdemokratie wird mit gebrochenem Schwert Kämpfen. Je eher auch der gesamten Arbeiterschaft der völlige Bankrott der sächsischen Männer offenbar wird, die kein Vater land kennen, das Deutschland heißt, umso besser ist es für den materiellen und ideellen Wiederaufbau des deutschen Vater landes. Kabineüsrat teiler Adamson cingebrachten Vorlage bcichäftigen, daß der Frau das aktive Wahlrecht im Alter von 20 Jahren gewährt ivird und ihr somit Gleichberechtigung mit dem Mann verschosst. Benesch Uber die Abrüstungssrage Gens, 18. September. Die zwölfgliedrige Unterkommissian in der Abrüstungssrage hielt gestern abend ihre vorberatenden Arbeiten ab. Dr. Benesch, der Vorsitzende dieser Kommission, empfing die Vertreter der Presse, um ihnen in vorsichtigen und allgemeinen Wendungen von dem Stand der Verhandlungen Mitteilung zu machen. Im großen und ganzen ist eine Einigung erzielt worden. Es handelt sich namentlich darum, den Ver einbarungen eine juristische Fassung zu geben, was in gemein- samer Arbeit mit der ersten juristischen Untcrkomn.ission ge schehen soll. Die Frage des Schiedsgerichts, der Sicherheiten und der Garantien ist zu einem gemeinsamen Ganzen verschmolzen worden. In der S a n k 1 i o n s f ra g e war vor gesehen, daß der Rat sich gegebenenfalls mit den einzelnen Mäch ten über die von diesen zur Verfügung zu stellenden Streit- Kräfte in Verbindung setzen soll. Der schuldige Staat hat Repa rationen zu zahlen, sein Gebiet darf aber nicht beschnitten werden. Jur englischen Beteiligung an -er -euischen Anleihe London, 18. September. Die Opposition seitens der briti schen Foreign und Kolonial Kompanie ivird in hiesigen maß gebenden finanziellen Kreisen als nicht sehr wesentlich an gesehen. Zunächst muß hervorgehoben werden, daß der Direk tor dieses Bankhauses gleichzeitig Direktor des Daily-Mail- Konzern ist, woraus sich ein Zusammenhang zwischen der Prcß- hetze und den Zirkularen an die Kundschaft ohne iveitcrcs er gibt. Es ergibt sich aber daraus auch die Tatsache, daß dies weniger maßgebende Auffassungen sind, die von seiten der wirk lich maßgebenden einflußreichen Emissionshäuser nicht unter stützt werden. Sie MMlliiW Mi? Wien Eine Ansprache Stresemanns Berlin. 18. September. Zu Ehren der belgischen Tete- gation, die sich bekanntlich zum Abschluß der Handelsvertrags- Verhandlungen in Berlin aushält, gab der Reiche-minister des Aeußern, Dr. St rese mann gestern abend ein Essen. Ter Einladung waren außer der belgische» Delegation unter Führung des belgischen Gesandten in Berlin und dem diploma tischen Vertreter Luxemburgs in Berlin, der Finanzminisier Dr. Luther, Staatssekretär von Maltzahn, Botschafter von Hösch, Ministerialdirektor von Stockhammern sowie führende Persön lichkeiten der deutschen Bankwelt und Industrie gefolgt. Neichs- minister Dr. Stresemann begrüßte die belgische Delegation mit dem Wunsche, daß ihre Arbeiten zu einem gedeihlichen Erioig führen mögen. Er hob hervor, daß den Verhandlungen eine ganz besondere Bedeutung zukomme, da es die ersten Verhand lungen seien, um die wirtschaftlichen Verhältnisse und Begehun gen Deutschlands zu seinen Nachbarn im Westen auf eine ge sunde Basis zu stellen. Mit den Verhandlungen beginne ein wesentlicher Teil der Ausführung des Sachverstündigenberichls, der von dem Grundsätze der Gleichberechtginng ausgehend, die Basis kennzeichne, ans der allein eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung der Welt erfolgen könne. Belgien »habe schon vor der Abfassung des Gutachtens durch die in seinem Graubuch zu- sammengesaßten Vorschläge wertvolle Vorarbeiten für die Er ledigung der Reparationsfrage geliefert. Sie NWWn -es SMS-Nnks Paris, 18. September. Die Ncparationskommission hat die drei Mitglieder des Aufsichtsrates für die Bank zur Ver- ivaltung für die Industrieobligationcn, zu deren Erncnnuna sie verpflichtet ist, gewählt. Es sind dies die Herren De Foystor» Frankreich, Froricks. Belgien, und Dudlow Ward, England. Ge stern hatten im Hotel Astoria die vier Vertrauensmänner für die Organisation des Dawcsplanes Owen Poung, Mac Fadyan, De la Croix und Nogora mit den beiden Kommissaren für die Reichsbahngesellschaft, dem Holländer Brouyns und dem Fran zosen Levevre eine längere Besprechung. Paris, 18. September. Der zweite Generalsekretär der Neparationskommission Herr Denis ist gestern znm General sekretär sämtlicher Körperschaften, die nach den Bestimmungen des Dawesgutachtens geschaffen wurden, ernannt worden. Berlin, 18. September. Der stellvertretende Generalsekre tär der Reparationskommission Denis ist gestern abend in Berlin eingetroffen.