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Sächsische Volkszeitung : 15.08.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-08-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192408158
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19240815
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19240815
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-08
- Tag 1924-08-15
-
Monat
1924-08
-
Jahr
1924
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 15.08.1924
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Nr. 180, Seite 8 Freitag, dc>„ 18. August 1024. Tagesneuigketten Svvvo Menschen in China ertrunken? Schanghai, 14. August. Infolge der Rleseniiberschwem- mungen in China sind zahlreich« Menschen ums Leben gekom men Viele Städte, Tausende von Dörfern und ausgedehnte Strecken Land stehen unter Wasser. Tientsin, das ebenfalls bedroht war. konnte durch in Eile ausgeworsene Deiche gerettet werden. Eine genaue Feststellung der Gesamtzahl der Ertrunkenen war bisher nicht möglich, doch läßt sich auf Grund einiger Angaben bereits sagen, daß sie nicht hinter 5 6 6 6 0 zurückbleibt. Die Zahl der Geschädigten soll mehrere Millionen übersteigen. Dom Packeis eingeschlossen! Aus Island wir- gemeldet, daß das Schiss „Gertrud Rask", das die dänische Regierung ausgesandt hatte, um den amerikanischen Weltsliegern Lebensmittel zu brin gen, vom Treibeis 65 Meilen südlich von Anamagassalik ein geschlossen wurde. Die Besatzung wollte versuchen, an der Küste von Grönland einen Landungsplatz sür die amerikanischen Welt slieger festzulegen. Es kam jedoch auf seiner Fahrt zu weit nach Süden und konnte sich nur unter größten Schwierigkeiten vorübergehend vom Eis sreimachen. Die „Gertrud Rask" sollte durch einen Schlepper aus Reckjavick mit Kohlen versorgt wer den. Die „Raligh", die an der Ostküste Grönlands nach einem Landungsplatz sucht, teilte mit, daß sie sich SV Meilen südöstlich von Anamagassalik befinde und vielen schwimmenden Eisbergen begegnete. Der Admiral Magruder erklärte, daß es zweifelhaft ist, ob Anamagassalik als Operationsbasis benutzt wer den kann. Ein Franzose in England gehenkt London, 14. August. Der französische Ingenieur Vaquier der auf Grund eines Indizienbeweises von den Geschworenen des- Giftmordes an dem Besitzer des Hotels zum „Blauen Anker" in der Umgebung Londons schuldig gesprochen wurde, aber bis zum letzten Augenblick seine Unschuld beteuerte, wurde Dienstag morgens X>10 Uhr im Gefängnis von Wandsworth ge henkt. Eine nach Tausenden zählende Menschenmenge hatte sich vor dem Gefängnis angesammelt. Die Hinrichtung Vaguiers erfolgte unter besonders drama tischen Umständen. Der Verurteilte hatte gegen das Todesurteil Berufung eingelegt und die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Er verlies; sich ferner auf das Gnadengesuch, welches vor einigen Tagen mit vielen Tausenden Unterschriften aus Frankreich an die englische Regierung geleitet worden war. Minister des Innern Henderson lehnte bekanntlich die Begnadi gung des Mörders ab. Vorgestern wurde nach englischem Nechts- brauch das endgültige Todesurteil Vaquier in seiner Zelle durch den Direktor des Kefangenhauscs von Wandsworth m-ttels Dol metsch verlese». Vaquier erlitt, als er sich um aste seine Hoff nungen betrogen sah, einen vollständigen Ncrvenz u s a m m e n- bruch und mutzte in den letzten zwei Tagen vor der Exekution von den Acrzten durch die stärksten Narkotika bei Bewußtsein erhalten werden. Nach Blätternachrichten hat die Hinrichtung in den Kreisen der französischen Teilnehmer an der Londoner Konferenz arge Ver st i m m n n g erweckt, weil zahlreiche Deputierte und hervorragende französische Persönlichkeiten ihren Namen unter das Gnaden gesuch für Vaquier gesetzt hatten und die öffentliche Meinung in Frankreich von seiner Unschuld überzeugt war Naphtaquetten auf Kamfchakka Moskau, 14. August. Nach einer Meldung der Russischen Telegraphen-Agentur fand eine Expedition des Geologischen Komitees des Ferien Ostens auf Kamschatka an den Ufern des Flusses Bogatschewka im Bezirk des Kronez-Meerbusens um- sangreickic Naphtbaqucllen, die unter vulk Mischer Lava lagern und 78 Prozent Petroleum enthalten. 7 Schweres Unwetter im Allgäu. Dicnstagnachmittag suchte ein Wolkenbruch das Allgäu heim und rief am Berg Iseler eine fürchterliche Wirkung hervor. Das Bad Ober dorf wurde schrecklich mitgenommen. Der Wildbach vom Oberjoch ritz meterstarke Felsblöcke mit sich und entwurzelte Bäume. Der Schaden ist groß. Eine weitere Meldung aus Jmmenstadt besagt: Ucber Bad Obersdorf bei Hindelang ging ein Wolkenbruch nieder. Die Wassermasscn des Wildbaches führte» zentnerschwere Steine mit sich. Im oberen Dorf drang das Wasser in die Häuser. Die Gärten sind verwüstet. Die Feuerwehren der Umgebung und die Sommergäste die bereits eine Sammlung für die Schwer geschädigten eingeleitet haben, beteiligten sich an den Räumungs arbeiten. Die Ortschaft Oberjoch bei Hindelang wurde von einem schweren Hagelschlag heimgesucht. Die Hagelschlotzen, die stellen, weise zwei Meter hoch lagen, richteten erheblichen Schaden an. Aehnliche Nachrichten liegen aus Unterjoch und Schattwald vor. ch Uebersälliger Dampser. Aus Batavla wird gemeldet: Mit dem kleinen, seit einigen Tagen vermißten Dampfer „Sarieborneo" sind einige chinesische und indische Notabeln, 4 Schiffsoffiziere und 34 chinesische Schiffsmannschaften umge kommen. ch Grotzfeuer in einer Fatzsabrik. In der großen Fatz- fabrik Wördel in Hägens el de bei Spandau entstand in den frühen Morgenstunden des Mittwoch ein Grotzfeuer, das durch Stichslammen aus der Feuerung des unter vollem Druck liegen den großen Kessels ausbrach. Zum Glück konnte eine Kessel explosion verhütet werden. Der größte Teil der Fabrik wurde vernichtet. Der Schaden ist durch Versicherung zum großen Teil gedeckt. -s Opfer des Berufes. Der Oberförster Jcnsen in Schnecken (Ostpreußen) wurde durch einen aus nächster Nähe abgegebenen Schuß in die linke Brustseite lebensgesährlich ver wundet. Es handelt sich um ein Dum-Dum-Geschoß. Man ver mutet einen Racheakt eines Wild- oder Holzdiebes. f Mit einem Motorrade in einen Zug lstneingefahrcu. Auf der Strecke Ueckermünde—Jatznick wurde der Tierarzt Dr. Fritz aus Ducherow vom Zuge überfahren und getötet. Der Ver unglückte fuhr mit dem Motorrade auf der Chausse Paje.- walk—Anklam in den Zug hinein, als dieser die Strecke passierte. -f Schicksale einer Kirche. Die Stadt Neuß hat ihr Zeug- Haus, das 1633 als Kirche erbaut worden ist und unter dem Schutze des Denkmalgejetzes steht, jetzt zu einem The ater- uno Konzertsaal umgestalten lassen. Ter ehemalige Chor- raum enthält nun Bühnenraum und Konzertpodium. Das Aeußere des Baues wurde in seinem bisherigen Zustande be lassen. Das neue Theater hat etwa 750 Sitzplätze. — Zeichen der Zeit! ch Vergarbeiterstreik i» Frankreich. Das „Echo de Paris" meldet: In Borinage sind am 13. August von 26 000 Arbeitern 20 000 nicht in die Schächte etngcsahren. Ten Grund hierfür bilden Lohnstreitigkeiten. f Ein tüchtiger Reisender wurde in Paris verhafket- Diejer Reisende, der bei einer Textilfirma angestellt war, hatte «einer Auftraggeberin in kurzer Zeit für 40 000 Frauken Be stellungen und 91 neue Kunden geworben, wofür ihm vertrags gemäß 5489 Franken Provision ausgezahlt wurden. Als er kurz darauf wegen Krankheit um seine Entlassung bat, trafen gleichzeitig Kundenbriefe ein, die die Rücksendung der Ware an zeigten, oa keine Bestellung erfolgt sei. Ter Reisende hatte für die Gewinnung seiner Bestellungen nur das Adreßbuch benutzt. Neue Köchstfütze in -er Erwerbslosenfürsorge Das sächsische Wohlsahrts- und Arbeitsministerium gibt eine Anordnung des Neichsarbeitsministers über Höchstsätze in der Erwerbslosenfürsorge auszugsweise bekannt, in der folgende Abweichungen gegenüber dem früheren Rechtszustande besonders zu beachten sind: a) die Gleichstellung derjenigen weiblichen Erwerbs losen über 21 Jahre mit den Männern, die Nachweisen, daß sie Angehörige zu ernähren haben, b) die geminderte Höch st grenze sür die Familien zuschläge der den Männern gleichgestellten Frauen und allgemein zur Vermeidung von Ueberschneidungen mit den Löhnen. Weiter wird nach Benehmen mit dem Verwaltnngsrat des Rcichsamtes für Arbeitsvermittlung angeordnet, daß die Höch st- sätze in der Erwerbslosen Unterstützung betragen vom 11. August 1924 ab bis auf weiteres wochentüglich in Nen- tcnpfennig: im Wirtschaftsgebiet 2 (Sachsen) 1. für männliche Personen a) über 21 Jahre b) unter 21 Jahren 2. für weibliche Personen a) über 21 Jahre b) unter 21 Jahren 3. als F a m i l i e n z u sch lä g e a) den Ehegatten b) die Kinder und sonstige berechtigte Angehörige in den Orten der Ortsklassen A B C D u. 100 93 86 79 60 56 52 48 90 84 78 72 55 51 47 43 35 33 31 29 25 23 21 19 Gesahrengemeinschaflen in -er Erwerbslosenfürsorge Die Sächsische Einzelhandels-Gemeinschaft schreibt uns: Das Reichsarbeitsministcriüm beqbsichtigt, Gefahren-Ge mein schäften in der Erwerbslosenfürsorge bei den Landes ämtern für Arbeitsvermittlung zu bilden, welche die Erwerbs losenfürsorge innerhalb ihrer Bezirke finanzieren und durch führen sollen. Dieser Plan erfüllt jedoch nicht die Wünsche, die Sachsen für eine Neuregelung der Erwerbslosenfürsorge stel len muß. Demzufolge richtete der geschäftsführende Vorsitzende der Sächsischen Einzelhandels-Gemeinschaft, Professor Dr. K a st- ner. M. d. L., an den Landtag das Verlangen, bei der Neichs- regierung daraus hinzuwirken, daß die Beiträge zur Erwerbs losenfürsorge für das Reich einheitlich festgesetzt werden. In der Begründung zu diesem Verlangen wird aus- gesührt, daß, wenn die Absicht des Reichsarbeitsministeriums. die vor allem für Preußen von praktischer Bedeutung ist. ver wirklicht wird, dies nichts an der Tatsache ändert, daß Länder mit stark entwickelter Industrie in Zeiten der Absatzstockung höhere Beiträge als andere Länder bezw. Regierungsbezirke, entrichten müssen. Es wurde z. B. festgestellt, daß Städte, wie Berlin und Hamburg (2 Prozent des Grundlohnes) beitragen. Es bedarf keiner weiteren AusWrung, daß eine derartige Dif- serenz, die sich noch zuungunsten des Landes Sachsen verschieben wird, wenn sich die Wirtschaftslage verschlechtert, mitbestim mend auf die Wettbewerbsfähigkeit von Handel und Industrie in Sachsen ist. Dieser Mißstand wird nur dann verschwinden, wenn eine zentrale Instanz in Berlin, vielleicht durch Bildung eines Retchsausgleichs-Fonds, die Beiträge für das Reich einheitlich sestsetzt. Wie der Sächsischen Einzelhandels-Gemeinschaft mitgeteilt wurde, bringen die Reichsstellen in Berlin der Anfrage, die Bil dung einer Reichsgefahrengemeinschaft in der Erwerbslosenfür- sorge betr., großes Interesse entgegen, so daß mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden darf, daß die Bei träge der Erwerbslosenfürsorge einheitlich für das Reich festgesetzt werden. — In einer weiteren Eingabe an den Land tag hat sodann die Sächsische Einzelhandels-Gemeinschaft durch ihren geschästsführenden Vorsitzenden, Professor Dr. Kästner, M. d. L., dahin Stellung genommen, daß die Beitrags pflicht zur Erwerbslosenfürsorge durch die Arbeitgeber eine Aenderung erfahren. Derzeitig wird nämlich praktisch den Ar beitgebern, die rücksichtslos ihre Betriebe schließen, die Beitrags- Pflicht zur Erwerbslosenfürsorge erleichtert, während stattdessen die übrigen Arbeitgeber, die auch unter Opfern sich bemühen, ihre Arbeitnehmer durchzuhalten, dafür in noch stärkerem Maße mit Abgaben belastet werden. „Sanierungsbüro" sür Konkurskranke! Gegen oen Kaufmann Heinrich Sklarz ln Berlin ist von ver Staatsanwaltschaft in Bautzen wegen Beihilfe zam betrügerischen Bankerott ein Haftbefehl erlassen worden. Sklarz batte der Firma Mennong in Schirgis Walde, als oieje Gesellschaft in Konkurs kam, durch sein SainerungSbüro Hilfe geleistet. Die Staatsanwaltschaft in Bautzen hat den von Sklarz nact Schirglswaloe entsandten Geschäftsführer, Namens Straß burger, verhaftet. Straßburger ist ver Geschäftsführer der Sklarz- AuSlcmds-Verkehrsvermittlung G. m. b. H. Er wurde im Auto nach Schlrgiswalde gesandt, um die Freilassung des Mennvng- Geschäftsführers, der verhaftet worden war, durchzusetzeu. Mau legt Straßburger zur Last, vaß, seitdem er sich in Schirgiswaldo aufhält, wichtige Papiere, vie sür die Untersuchung eine Rolle spielen, abhanden gekommen seien. Die Staatsanwaltschaft glaubt, daß die Papiere auf Veranlassung von Sklarz beiseitc- geschafft worden sind. Jnfalqedesten ist Straßburger wegen Bei hilfe zum betrügerischen Bankerott in Untersuchungshaft ge nommen und gegen Sklarz selbst ein Haftbefehl erlassen warben. Bezeichnend ist, daß Sklarz seit Anfang August ver reist ist und weder Frau noch Angestellte seine Adresse wijsen wollen. Das von Sklarz ins Leben gerufene Sanicriingsbüro betreibt als Spezialität die Ordnung von Finanzen von Firmen uno Personen, die wirtschaftlich aus dem Gleichgewicht geko,innen sino. Der Vorwurf, der sich gegen Sklarz richtet, ist der, daß hierbei nicht einwandfrei gearbeitet worden ist, so daß die Ge- schästslente geschädigt wurden. Kleine Nachrichten Einem amtlichen Bericht aus Santos zufolge hat der Auf stand in Sao Paolo 1106 Todesopfer gefordert. Die Z o l l f l o t ti l l e der Bereinigten Staaten ist »m 20 Torpedobootszerstörer und Torpedoboote und um 2000 Monn verstärkt worden, um jeden Augenblick den Kamps gegen den A l k o h o l sch m u g ge l führen zu können. Kardinal Mercter ist wieder schwer erkrankt. Er wird voraussichtlich längere Zeit das Bett hüten müssen. Schloff Lismoyle Erlebnisse in Irland von V. M. Croter. Autorisierte llebersetzung aus dem Englischen von Alwine Bischer. (Nachdruck verboten.) (60. Fortsetzung.) „Nun, und einen gewissen Nutzen hat ihr langer Aufenthalt ja auch gebracht." - »Ja, sie sieht wie verwandelt aus, finden Sie nicht auch?" »O, ich dachte dabei nicht an ihr Aussehen," entgcgnete Mrs. Donovan hartnäckig, „sondern an den Vorteil Ihrer Wirtschafts bücher. Rhodas fünf Guineen wöchentlich sind doch eine ganz nette Beisteuer für Bryda " „Ihre — was?" rief er, sein Pferd anhaltend. „Ach, wußten Sie das nicht?" rief seine Begleiterin mit glänzend gespielter Uebcrraschung. „Sie bezahlt daS wöchentlich voraus — seitdem sie in Lismoyle ist." „Unmöglich, Lyddy," widersprach ihr Niel, „verzeihen Sie, aber das glaube ich einfach nicht/ „Dann glauben Sie es eben nicht. Ich kann nur so viel sagen, daß ich es von Miß Kyle selbst« weiß," sagte Mrs. Dono van, während ihre Pulse vor rachsüchtiger Erregung flogen. „Sie scheinen verwundert zu sein. Wie geschickt man Sie im Dunkeln gelassen hatl So wußten Sie also garnicht, daß Sie eine Mieterin haben," und sie lachte spöttisch. „Die Sache war mit Madame abgemacht worden." „Mif Madame?" wiederholte er. „Na, daS erklärt alles." Den Nest deS Heimrltts verbrachte MrS. DonevanS Be gleiter mehr oder weniger schweigsam. Zorn, Scham »nd gekränk ter Stolz lobten in ihm bei dem Gedanken, daß ein Mädchen, in dem er seinen Gast und in gewisser Hinsicht seine Vertraute gesehen hatte, im Geheimen so viel bezahlte wie in einem kost, spieligen Hotel auf dem Lande. Vergebens schwatzt- Lyddy auf ihn ein, aber sowohl ihre schmeichlerische» als ihre teilnehmende» Worte prallten wirkungslos an ihm ab. Seine Antworten waren kurz und gleichgültig, und wieder einmal begegnete sic einer Un. nahbarkeit, die kalt und hart war wie ein Marmorblock. Am Gittertor von Rahan verabschiedeten sie sich mit einem kurzen Gutenacht, und die Dame sagte sich, während sie die Anfahrt in leichtem Trabe hinaufritt, daß sie nicht um tausend Pfund in der Haut diese» Mädchens stecken möchte. Fünfundzwanzigstes Kapitel Kaum war Niel abgestiegen und in- HauS getreten, so schickte er nach seiner Schwester und teilte ihr seine Entdeckung mit. Er sah beängstigend blaß und finster aus, wie er in seinen be- spritzten Reitstiefeln und seinen verschossenen roten Nock vor dem Kamin seines Arbeitszimmers stand. „Ich hatte bis zu diesem Augenblick keine Ahnung davon," antwortete Bryda, „obwshl Rhoda nun schon seit Monaten hier ist und ich ihr Vertrauen zu genießen glaubte." „Nun siehst du, daß du dich geirrt hast," entgcgnete ihr Bru der, „und Madame hat achtzig Guineen eingesteckt. Nun weiß man, womit sie das Auto bezahlt hat." „Aber was in aller Welt sollen wir nun tun?" „Nichts mehr annehmen — keinen einzigen Pfennig! Ich werde selbst mit Rhoda reden. Bedenke doch, fünf Guineen die Woche bezahlt sie ohne unser Wissen für das Vorrecht, deine Prak tikantin zu sein. Es ist zum Rasendwerden!" „Das wird einen bösen Auftritt gcben," meinte Bryda. „Du kannst bekanntlich äußerst unangenehm werden, und dann geht Rhoda natürlich fort. Ich aber würde sie grenzenlos vermissen. Du ahnst ja gar nicht, was für eine Hilfe sie für mich ist, oabei immer freundlich und heiter, obwohl sie schrecklich darunter leidet, daß eS ihre leibliche Tante ist, die in erster Linie die Schuld an nnserm Unglück trägt. Wenn sie unsere ivahren Verhältnisse ge kannt hätte, wäre sie niemals hierher gekommen, davon bin ich fest überzeugt." „Ich auch," stimmte er mit finsterer Miene bei. „Nicht wissen macht glücklich." „Nicht immer. Gehe nicht zu scharf inS Gericht mit ihr!" Und ihm noch einmal zunickend, verließ sie das Zimmer. Ihr Bruder warf sich in einen Lehnstuhl vor dem Feuer und verschlang die Hände hinter dem Kopf. „Geh nicht zu scharf ins Gericht mit ihr," murmelte er vor sich hin. Schon seit einiger Zeit war er sich klar darüber geworden, daß er seiner flatter haften Stiefmutter Dank schuldete, weil sie ihn mit seinem „Schicksal" zusammengcführt und daS einzige Mädchen für dar er je Liebe gefühlt, unter sein Dach geführt hatte. Rhoda Kyle hat neues Leben in das öde, armselige Lismoyle gebracht. Ihr heiteres Gesicht, ihr leichter Schritt und ihr fröhliches Lachen treppauf treppab hatten ihre Wirkung auf Conroy keineswegs verfehlt — so achtlos und gleichgültig er auch erschien. Selbst verständlich würde ein Mädchen wie Rhoda niemals einen Ge danken verlieren an einen albernen armen Teufel wie er, der ihr nichts zu bieten hatte, als ein baufälliges, altes HauS, seine Schulden und sich selbst. Ein Mädchen, wie er aus gelegentlichen Bemerkungen ihrerseits schloß, daS während der letzten sechs Jahr« die halbe Erde bereist hatte, die Höfbälle in London und Nom mitgemacht, auf den elegantesten Landsitzen zu Gast gewesen und in der glänzendsten Gesellschaft verkehrt hatte. Dieser Besuch in Irland war natürlich nur eine vorübergehende Laune, bald würde ihre Schwärmerei für» Landleben abflauen, und dann würde sie in ibr natürliches Element — daS lustig« gesellschaftliche Treiben — zurückkehren. Au» Gründen der Selbsterhaltung hatte er sich absichtlich von ihr ferngehalten, denn er war fest .entschlossen, sich die Flügel nicht mehr zu verbrennen als unber» ineidlich war. Zweifellos würde Rhoda ihn für mürrisch und un gesellig halten — und das war gut so. Sie ahnte entfernt nicht, daß er manchen Abend, während sie ihn mit Rechnen und Bries. schreibe» beschäftigt glaubte, untätig am Feuer saß — so wie jetzt — mit aiigelehiiter Türe auf ihr Singen lauschte und sich zu ihr sehnte. Oder daß, wenn er sie allein vom Pferde steigen ließ, er dem glühenden Verlangen widerstand, sie aus dem Sattel zu hebe» und ihr strahlend vergnügtes Gesicht zu küsse» — was sie sicherlich bewogen hätte, Lismohle noch in derselben Stunde zu verlassen. Ihr Fortgehen hätte ihn ja gewissermaßen von seinem peinlichen Aufderhutsein erlöst, denn einerseits sehnte er sich nach seiner Freiheit, während er anderseits sich vor dem verhängnis- vollen Tage wie vor einem ans leisen Sohlen heranschlcichende», unentrinnbaren Unglück fürchtete. . Von ihr ging jener belebende, erfrischende Geist aus. der Heiterkeit ins Hans brachte; Bryda war durch ihr» viele Arbeit zu sehr in Anspruch genommen — eine geschäftige Martha — Madame unverbesserlich in ihren Albernheiten, Doatie stets launisch und wetterwendisch, RhodaS reizvolle Persönlichkeit aber strahlte Sonnenschein aus. Ihrer aller Horizont wurde durch sie erweitert, sie rtß sie aus ihrem täglichen langweiligen Einerlei heran», machte sie mit neuen Büchern, neuen Gesellschaftsspielen bekannt, brachte sie auf neue Ideen und hatte immer irgendein nettes Späßchen bereit. Mit ihm war sie steis heiter und freund lich, debattierte und scherzte mit ihm, »nd hatte ihm durch ihr bezauberndes Lächeln und ihre lustigen braunen Augen unbewußt daS Herz und die Ruhe geraubt. An diesem Abend faßte er den Entschluß, sich mit ihr wegen der Bezahlung auseinanderzusetzen — dieser hinterlistigen Be zahlung von fünf Guineen die Woche. Daß Madame sich nicht schämte, dieses Geld anzunehme» und für sich auSzugebe»! Auf alle Fälle war es viel zu viel. Rhoda würde sich wahrscheiniich widersetzen und nicht länger als Freundin und Gast in Lismoyle bleiben wollen. Wie seltsam verworren und unklar halte sich doch sein Leben in diesen letzten zwei Jahren gestaltet! Wohin er auch blickte, die Aussicht schien verzweifelt. Von dieser bedrücken den Nebcrzeugung durchdrungen, begann Conroy sich seines be. schmutzten IagdrockeS zu entledigen und Martin zu rufen, ihm sein Bad zu rüsten. Noch am selben Abend kam Niel nach dem Essen in den Sa. Ion, wo MrS. Sinclair über ihrem Strickzeug eingcnickt wor, Bryda war fortgegangen, nm »ach ihren Bruthühnern und sonst!, en Schützlingen zu sehen, während Rhoda mit einer Handarbeit ei der Lampe saß „Hören Sie mich mal bitte an, Rhoda," begann er unver mittelt, einen Stuhl dicht zu ihr heranzieh-nd. Die Nadel m der Hand schaute sie auf. „Erlt heute habe ick erfahren, daß Sie ill die Monate, di« Die nun in Lismohle sino, «in zahlender Gast waren." (Fortsetzung folgt.)
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