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Nummer 209 - 83. Jahrgang Omni wöchtl. Bezugspreis: f. September 2 R.-M. auSscliik, Bestellgeld. Berechnung der Anzeigen nach Reut.-Mark. Preise: Die eingejpalteue Petitzeile 39 H , f. Familien« u. Vereiukanz., Gesuche 29 H. Die Petit-Reklamezeile 89 mm breit, 1 .lL. Ofscrteugebiihr für Selbstabholer 29 bei llebersendung d. d. Post ausserdem Porto« zuschlag. Preis s. b. Einzelnummer 19 Sienten-Pfcnnig. GeschüsiUcher Teil: Josef Fohmann. Dresden. Tarzeszeitn Dienstag, 9. Scpt. 1921 Im Falle hökerer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anz.-Austräge» n r.el,tuug v. Schadenersatz. Für undeutlich u. v. Fcrnsprt tibermittelte Anzeigen übernehmen w>r keine Ver antwortung. Unverlangt eingesandte u. mit Rückporto nicht ver,ehene Manuskripte werden nicht aufbewahrt. Sprechstunoe der Reoaktion ö bis 6 Uhr nachmittags. Hanptschrlslleiter: D r. I o s e s A l b e r t, T r e s d e n.^ lUcsMiiüsstcttc der LüchsisUic» U>vlls.>ct»»»n ""d Truck und Veilem: T'-wonia-Pnchdrnckclcl GindH-, Trer-dlNl-rc. IN. Holl einsuahe gernrus L2722, Polt- 'clicalonIoTresson 11707 üiiki KW ' Ae Well her Niii!' ZW UM und I!..ü38 Die KerhMkgung des Verbandes der katholischen I Akademiker-Vereine Deutschlands ! Dresden» 8. September 1921. In Hannover die grosse Heerschau des katholische» Volkes in allen seinen Schichten, seht in Dresden die Herbsttaguug der katholischen Akademikervereine, und beide Tagungen inmitten der Diaspora — liegt darin nicht betonte und doppelte Prä tention? Eine aggressive Haltung des Katholizismus, der so offensichtlich in Nachkriegszeiten immer entschlossener aus dem Ghetto tritt? Und ein sich verstärkender Zug gehobener Bil- dungsschichten zu einem Elitekatholizismus? Beides würde daneben greifen. Wir wollen im Akademikervcrband kein reli giöses Sonderleben züchten innerhalb der einen großen katho lischen Volkskirche, wohl aber inne werden der gesteigerten Ver antwortung und des besonderen Apostolats gerade der Kul tur t ra gen de n Schichten im Dienste der katholischen Wahr heit. Und darum in erhöhtem Maße alle Arbeit widmen der Erfüllung unseres Selbst mit dem katholischen Wesen, mit seiner Weihe und Kraft, seinem Ernst nnd seiner Freudigkeit. Und es darf uns ein Bedürfnis sein, auch inmitten der Diasvora, unter so vielen ernst Suchenden, die noch außerhalb der Kirche stehen, die Darstellung eines Katholizismus in Kult, Dogma, Ethik und Kultur in werbenden großen und edlen Formen zu wagen. Um das Wort von unserer „Inferiorität" Lügen zu strafen. Und nicht zuletzt zur Weckung der Glaubensfreudig keit und religiösen Lebenskraft bei unseren gefährdeten Volks genossen in der Diaspora! So wird diese große Akademikcrtagung für Dresden erstmalig das Erlebnis eines katholischen Kongresses — das zauberische Elbflorenz wird eine Woche lang ein Brennpunkt feinsten katholischen Geisteslebens sein und auf eine Woche konzentriert ein umfassendes Bild katholischen Wesens und katholischen Lebens sich entfalten sel>cn. Die Mitgliederversammlung Fast 600 Akademiker aus allen deutschen Gauen haben sich zur Tagung zusammengefunden: auch die im letzten Jahre neu gegründeten Ortsgruppen in Oesterreich und Tschechien sind vertreten. Unter den Gästen und Teilnehmern bemerkten wir u. a. die hochwürdigsten Herren Bischöfe Dr. Schreiber von Meißen und Weihbischof Dr. Sträter von Aachen, und den Abt Plaziüus Glocker von St. Stephan aus Augsburg: Prinz Johann Georg. Herzog zu Sachsen, Prinz von Hohenzollern-Sig- maringen. Am Sonntagmorgen zelebrierte der Psarrer der Hof kirche, Propst Seidler, in der Hofkirche ein feierliches Levi- tenamt, dem der hochm. Herr Abt von St. Stephan am Altäre beiwohnte; hier wie bei der täglichen Kommunionmesse bestritten der gemischte Chor aus Paderborn (Prof. Dr. Müller), der Frauenchor aus Münster (Frl. Muckermann) und der Hof- Kirchen-Cäcilicnchor mit rühmenswerten Leistungen den kirchen- musikalischen Teil. Nach dem Levitenamt wurde in den Räu men der Galerie Arnold durch Architekt N. B. Witte eine Aus stellung für christliche Hauskunst eröffnet. Im übrigen war der Tag. wie bisher, den Beratungen der Mitgliederver sammlung gewidmet, unter Leitung des Vcrbandsvorsitzen- den San.-Rat Dr. Bergmann (Cleve) und unter Teilnahme der H. H., des Diözesanbischofs u. des Abtes. Der Vormittag brachte u. a. den Geschäftsbericht des Vorsitzenden u. das Referat Pros. Rademachers (Bonn) über die Arbeit des literarischen Ausschus ses svon der jetzt in den „Mitteilungen" Heft 9 ausführlicher zu lesen ist). Am Nachmittag wurde,eine erkebliche Erweite» rung des Beirats vorgenommen, sodann als Ort für die nächste Tagung Essen und für 1926 Hamburg zur Erwägung gestellt und an Stelle des scheidenden bisherigen Vorsitzenden der Lan deshauptmann der Rheinprovinz. Dr. Horion (Düsseldorf) ge wählt. Er übernahm das Amt mit warmen Worten der An erkennung und des Dankes für das bahnbrechende Wirken Dr. Bergmanns in der wechselvollen Anfangszeit des jetzt so blühen den Verbandes. Der Name des hochverdienten ersten Vcrbands- vorsitzenden wird mit der Geschichte der katholischen Aka demikerbewegung für immer verbunden bleiben. Nächst diesen äußeren Angelegenheiten scheint uns das be zeichnende der diesjährigen Mitgliederversammlung die Feststel lung eines starken D i sk u s s i o n s be d ü r fn i s se s über das innere Vereins- und V e r ba n d s le b c n und Der ErössuungsaLenS Die Tagung wurde in der Öffentlichkeit am Sonnabend mit einem E r ö f f n u n g s a b e n d im Ver- emshaus begannen. Der einzige Schmuck des Saales, eine wertvolle Kreuzigunczsgruppe, die Architekt Willy Meyer aus den reichen Vorräten unseres sehenswerten Altertumsmuseums im Palais des Groszen Gartens ge wählt und mit Blattpflanzen umgeben unter der Oroel- bühne des Saales plaziert hatte. So war denn die ganze Tagung, ihre Wissenschaft wie ihre Kunst sinnvoll unter den Schutz und in den Dienst des Gekreuzigten gestellt. Der geräumige Saal war dicht gefüllt. Eine große Anzahl von Gästen waren erschienen neben den Tagungsteilnehmern, an deren Spitze drei Vertreter des deutschen Episkopates, der Diözcsnnbischof, Dr. Christian Schreiber von Ai e i s; e n, der Abt von St. Stephan in Augsburg, Plazidus Glocker. und Weihbischof Dr. Strätervon Aachen. Das sächsische Volksbildungs- Ministerium war vertreten durch Ministerialrat M e n k e- GIiicker t. Machtvoll erklang das Präludium Joseph Meß ners. des Domorganisten von Salzburg, ans dessen Missa poetica (Dichtung von Ilse von Stach) her nieder. Die Vereinshausorgel, obwohl noch nicht wieder nach dem Kriege ergänzt, bietet der Farben genug für die anspruchsvollen Registriervorschriften des Komponi sten, und unter den Händen Joseph Wagners wurde der Komposition eine prächtige Wiedergabe zuteil, die dein Solisten Schmalnauer von unserer Staatsoper noch Raum genug ließ für den nicht leichten und nicht sonder lich sinnfälligen Gesangspart. Im Sanktus erreichte die Messe im Gesang wie in der Begleitung einen gewalti gen Höhepunkt. Bis die „Missa poetica" zur Gebrauchs musik in unseren Kirchen werden kann, muß noch manche Zwischenstufe von dem bisher Landläufigen durchschrit ten werden. Zweifelsohne steht das Werk musikalisch hoch: Meßner hat das Zeug in sich wie wenige. Neues zu sagen: doch ist einmal in der praktischen Ausführbar keit seinem Genius eine Grenze gesetzt und zum andern die dem Ganzen innewohnende Unruhe ein Grund, sie nicht bedingungslos als für den Gottesdienst geeignet zu bezeichnen. Dennoch wird die jcivcilig moderne Kunst auch vor den Toren des Heiligtums kein Halt machen: Kirche und Kirchenbesucher werden auch in musikalischen Fragen umlernen und neulernen müssen. Unser Dresdner Rhapsode Friedrich Erhard stellte in die Mitte des Abends vier Rezitationen mit dem Grundgedanken von der erlösenden Liebe. Eine Verherrlichung der Kirche singen die Verse Gertrud von Laforts. Daran schloß er de» Traum Dantes vom Tode Beatrices und ihrem Aufstieg zum Himmel (deutsch und italienisch), das „Vaterunser" der Seelen im Reinigungs ort und endete mit der „Himmelfahrt Christi" aus Klop- stocks „Messias". Meister Erhard zog sogleich mit dem ersten Vortrag die Zuhörer, in seinen Bann: war schon die Uebersetzung Dantes ein Genuß zu hören, so steigerte er die Wirkung mit der Deklamation in italienischer über die seelischen Erfolge der Bcrcinsarbcit zu sein. An diesem Punkte kam dieser Teil der Tagung dem Tup der beiden ersten, Bonner, Tagungen näher — be- grüßcnswerterweise, meinen wir. und cs dürfte schon jetzt an- zuregcn sein, künftig diesen Teil der Tagung angemessener aus zubauen. Besonders zeigte das sehr anregende programma tische Referat des unermüdlich wachenden und schassenden Generalsekretärs Dr. Münch (Köln), wie stark er mit seinen Ausführungen über die ausschlaggebende Bedeutung der reli- giouspüdagogischen und werbenden Vereins-Kleinarbeit, über die Hinwendung zu katholischen Kulturausgaben auf den Ge bieten der Kunst, Musik, Literatur und des Theatcrwesens, und über die entschlossenere Pflege des Gemeinschaftsgeistes, nicht nur an den Lebensnerv der katholischen Akademikcrbewegung, sondern auch an die Zukunstsgeltung des Katholizismus über haupt und insbesondere seine Rolle im geistig-sittlichen Erneue rungsprozeß unserer Nation gerührt hat. Und allerseits auf gleichgerichtete Interessen und Forderungen traf, die nach er schöpfendster Behandlung und klärendem Ausdruck rangen, dies mal aber bei der Kürze der Zeit und der Wucht der Probleme Sprache, die ihm das Klanczreiche, Musikalische zur Ver fügung stellte, run so die höchste Wirkung zu erreichen. Ein wirkliches Kunstwerk stellte er vor Ohr und Herz im „Vaterunser" der armen Seelen, so daß ihm in dem Bruchstück aus dem „Messias" kaum noch eine weitere Steigerung möglich wurde. Begeistert dankte das volle Haus dem wahrhaft großen Sprecher. Hoskapellmeister Karl Pembaur steuerte zum künstlerischen Teile der Erösfnungsseier bei. Die Kom positionen von ö geistlichen Sonetten aus Theodor Kör ners „Knospen", Tonwerke, die er auch schon bei einem Komposiiionsabend u. a. in München an die Oesfentlich- keit gebracht hatte. Das Sonett ist eine dem deutschen Empfinden weniger als dem italienischen naheliegende Form: deren ungleichmäßiger Strophenbau von selbst zum Durchkomponieren nötigt. Hierzu tritt der weniger lyrische, mehr kontemplative Charakter dieser Dich tungsart. In richtiger Erkenntnis dieser Eigenart be dient sich der Komponist eines gemisckten Quartetts, des sen Einzelstimmen gegebenenfalls solistisch Verwertung finden, denen insbesondere die erzählenden Worte in den Mund gelegt sind, während die Worte des Herr» einem Solobariton (Schmalnauer) zugewiescn werden. Ist schon der Satz für das Quartett reich an Stimmun gen, so fügt das' begleitende Klavier noch neue Stim mungsmalereien hinzu, deren besonders das Emaus- Conctt eine Menge, reich an Schönheiten, enthält. Im „Abendmahl" findet der Komponist herrlichen Ausdruck für die hohen Werte der Einsetzung, die durch Schmal nauer tief nacbgesühlt wiedergegeben wurden. Pem baur, übrigens Mitschüler Meßners, beide aus Tirol ge bürtig, schreibt keine gewöhnliche Musik, sondern ver langt von seinen Sängern ein inniges Nackempsinden, dem das Soloauartett Thum, Jung, Meyer-Olbersleben, Friedrich und der Solist Schmalnauer mit ihren ausgie bigen Stimmen und vom Komponisten am Flügel mei sterhaft geführt und unterstützt, künstlerisch vollwertig gerecht wurde. Die künstlerische Hochstimmung fand ihre glänzende Fortsetzung in dem ersten wissenschaftlichen Referat der Tagung: Professor Dr. theol. et phil. I. Stesses (Nymegcn) sprach in faszinierender Redeweise über die Einheit der Wege zu Gott. Auf den Inhalt der hochbedcutsamen Ausführungen, die mit starkem Beifall ausgenommen wurden, kommen wir nach Abschluß der Vortragsreihe zusammenfassend zurück. Alles in allem war diese Eröffnungsfeier sowohl in künstlerischer wie auch in wissenschaftlicher Beziehung ein glänzendes Präambulum zu der bedeutsamen Ta gung. Die wissenschaftliche Arbeit wird die Tage vom Montag bis zum Donnerstag dieser Woche ausfüllen. Von Dresdens Kunst und insbesondere seinen musikali schen Werten hat sicherlich schon dieser Eröfsnungsabend den auswärtigen Teilnehmern vielversprechende Hoff nungen geweckt, die in den Veranstaltungen des gestrigen Sonntags ihre Erfüllung fanden. Bruckners 5. Sinfonie am Donnerstagabend im Opernhaus (also nicht im Gewerbehaus) wird den glänzenden künstlerischen Abschluß der Tagung bilden. in der Diskussion nicht voll zur Geltung kamen! Wir müssen uns mit dielen Andeutungen über die Richtung der Diskussion und die unverkennbare innere Bewegung — wenn nicht Beunruhigung — der Geister begnügen: bei anderer Gelegenheit wird darüber mehr zu sagen sein. In gleiche Rich tung zielte die ermunternde Schlußrede des Diözesanbischofs Dr. Schreiber über die Existenzberechtigung und die Ausgaben des katholischen Akademikcrverbandes. Er soll die kulturtragen de» Schichten wappnen gegen das unchristliche Milieu, in das wir hincingestellt sind. Aber neben der theoretischen Schulung in Weltanschauung dürfen die praktischen Erzichungsaufgaben nicht zurückstchcn, nämlich der Akadcmikcrschast die Augen zu öjsncn für die materielle und geistige Volksnot und sie zu ge meinsamer tätiger Bildungs- und Erziehungsarbeit mit dem Volk zusammenzubringcn: dann erst kann die Ethik der Soli darität wiedcrgcwonncn werden, deren Verlust die Amsortas- wunde unserer Zeit und unseres Volkes ist. Einen erhebenden Verlauf nahm die stimmungsvolle össent- lichc Eröffnungsfeier am selben Abend, in Anwesenheit der H. H. Bischöfe und des Abtes, im besetzten Vercinshause,»