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Sächsische Volkszeitung : 06.09.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-09-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192409062
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19240906
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19240906
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-09
- Tag 1924-09-06
-
Monat
1924-09
-
Jahr
1924
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 06.09.1924
- Autor
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Nr. 207, Seil/"« Bonnak'end, de» 6. September 1021. Deutschrands W Zeugnis Wen Muss Berlin, b. September. Ter vorläufige amerikanische Generalagent siir Repara tionszahlungen, Owen Ponng ist gestern nachmittag 6,23 Uhr in Begleitung seiner Gattin ans den« Bahnhof Frieorich'- slraste in Berlin cingetroffen. Gleichzeitig mit dem General agenten traf der jüngere Bruoer des General Domes, Rusns Naives, soivie der Generalsekretär oer Neparationskommissisn ln Berlin ein. Letzterer ist jcooch nur zur Unterstützung Youngs tiach Berlin gekomnien. Gin offizieller Enipsang auf aem Bahn hofe fand nicht statt. Tos Finanzministerium hatte lediglich RegiernngSrat Meyer zur Begrüßung entsandt. Tie Herren begaben sich sofort in das Hotel Adlon. Unmittelbar nach seiner Ankunft empfing Mister dloung die Vertreter der Presse zu einer Unterredung, in deren Berlauf er folgende Erklärung abgab: Ich habe mit groster Genugtuung iu den Zeitungen die Ernennung S. T. Gilberts zum ständigen Generalagenten gelesen. Amerika kann keinen besseren Mann schicken, um dieses schwierige und verantwortungsvolle Amt zu übernehmen. Seine reichhaltige Erfahrung, seine Unabhängigkeit des Urteils und sein klarer Verstand geben die beste Sicherheit für ein erfolg reiches Arbeiten des Dawesplancs. ES must der Welt und im besonderen Deutschland ein Gefühl der Erleichterung geben, zu wissen, dast hier in Berlin jetzt oie ersten Schritte unter nommen werden, um das Londoner Abkommen und den Towes- plan zu verwirklichen. Aber ganz abgesehen von de» Vorzüge» des Planes selbst, über die andere z» urteilen haben, must man woh' sage», dast der Plan nicht nur eine Basis für ein Ein vernehmen zwischen den alliierte» Regierungen dargclcgt hat. sonder» auch eine Grundlage für eine Verständigung zwischen ihnen und Deutschland, eine wirkliche Verständigung von Gleich berechtigte», nachdem eine ergiebige Debatte vorangcgangen ist und gegenseitig Konzessione» gemacht worden sind. Der Plan hat die Welt schon etwas weiter auf dem Wege der Ruhe und des Friedens gebracht. Ob der Plan gut ist, wie seine begeisterten Anhänger glauben, oder schlecht ist, wie seine schlimmsten Feinde behaupten, ist nicht halb so wichtig, wie die Frage, ob alle interessierten Länoer guten Willens sind, den Plan in die Praxis umzusehen. Wenn dieser gute Wille vorhanden ist, wird selbst dem schlechtesten Plan ein Er folg beschieden sein. Ist dieser Wille nicht vorhanden, dann wird auch der beste Pia» fehlschlagen. Ich bin glücklich, sage» zu können, dast Deutschland mit der Zahlung der 20 Millionen Goldmark den ersten Schritt unternommen hat. Dieser Schritt ist mit einer Promptheit erfolgt, die ein guics Beispiel darstcllt. Ich bi» sicher, daß der nächste Schritt, den die Alliierten zu »nternehmen haben, mit derselbe» Promt- hcit erfolgen wird. Es ist nicht der Plan, sondern der Geist, der hinter diesem Plan steht, der als erster Weg ins Freie und z» einer Abkehr von dem lange», traurige» Weg. den wie alle beschreiten musttcn, führt. Noung bei Luther Berlin, 5. September. Der amerikanische Agent für die Reparationen Owen Uoung wird, wie die T. U. von deutscher zuständiger Stelle erfährt, heute dem Neichsfinanzminister Dr. Luther einen Besuch abstattcn. Obgleich eS sich hierl>«i nur um einen Höflichkeitsbesuch handclt, wird er bei dieser Gelegen heit auch ans die deutsche Zahlung von 20 Millionen Mark an die ReparalionSkasse zu sprechen kommen. WIMS M L MM? Berlin, 5. September. - Die entscheidenden Verhandlungen über die Anleihe, die nach dem Dawesgutachten der NeichSbank einen Betrag von 800 Millionen Goldmark zusühren soll, dürsten dem Vernehmen nach erst ab Mitte September beginnen wenn die inoß- gebenden amerikanischen und englischen Finanziers von ihren Sommersihen znrückgekchrt sind. Als ungefährer ZcichnungS- tcrmin kommt, wenn bis dahin über alle Einzelheiten eine Eini gung erzielt wird, spätestens die Oktobermitte in Betracht. Ncuyork, 5. September Der Präsident der „Guaranlie Good Kompany", Totter, der eben aus Europa zurückgekehrt ist, ist von den Eindrücken seiner Reise sehr befriedigt und äustcrte sich sehr optimistisch. Er meint, das; die deutsche Anleihe in Amerika g u t ausgenommen werde. Jedenfalls wird die genannte Gesell schaft einen grasten Teil davon übernehmen. Er erklärt weiter, das, seiner Ansicht nach, die deutschen I n d » st r i r k o n z e r n e Kredite in den Bereinigten Staaten nachsuchen würden, sobald die staatliche Anleihe untergebracht sein würde. guter Wüte Ncuyork. 5. September. Auf die vielen einlaufenben deut schen Kreditgesuche reagiert die Wallstreet noch immer äusterst zurückhaltend. Maßgebende Bankiers nehmen eine ab wartende Haltung ein uno erklären, daß sie den Kreditgesuchen erst nach Erledigung der großen internationalen Anleihe näher treten können. Sie betone» aber ihre Bereitschaft »ach endgültiger Stabilisierung in Deutschland den gesunden deutschen Firmen gern Kredit zu gewähre». In gut unterrichteten finanzi- eilen Kreisen werden die bisherigen deutschen Kreditgesuche auf eine Milliarde Dollar geschätzt. (Diese Zahl schmeckt ein wenig nach den „unbegrenzten Möglichkeiten" Amerikas. Man wird gut tun, positiv sicher stehende Zahlen abzu warten. D. Red.). London, 5. September. „Evening Standard" ent hält einen scharfen Angriff gegen oie Gewährung einer Anleihe an Deutschland. Man kann von einem Z e i t u n g s k r i e g für und wider die deutsche Anleihe spreche». Naturgemäß ist die Propaganda der mächtigen „Daily Mail"-Gruppe nicht ohne Einfluß geblieben und es ist nicht zu verkenne», daß dadurch die Schwierigkeiten für die Bankwelt von Tag zu Tag wachsen. M IM Me MW»? Berlin, 5. September. Die „Bossische Zeitung- be hauptet, es sei anzunehmen, dast der Reichskanzler vor dem Wiederzusammentritt des Reichstages den Versuch einer Um bildung des Reichskabinetts in dem Sinne machen werde, daß es nach rechts und links erweitert wird. Die Ein ladung zum Eintritt in das Kabinett werde also nicht nur an die D e u t s ch n a t > o n a l e », sondern auch an die Sozial demokraten ergehen. Karlsruhe, 5. September. Von maßgebender volkspartei- licher Seite wird mitgeteilt: Die Meldung des dentschnationalen Pressedienstes von Abmachungen zwischen Bolkspartei und Deutschnationalen über ein Zusammengehen bei der kommenden N e i ch s p r ä s i d e n te n w a h l ist unzutreffend. Solche Ab machungen sind nicht getroffen worden. Ueberhaupt bestehen über die veröffentlichten Zusicherungen hinaus keine Verbind lichkeiten der Deutschen Volkspartei genenüber den Deutsch- nationalen. Ar Wl Ml Berlin, 5. September. Der völkische thüringische Abge ordnete Artur Dinier hatte, wie erinnerlich, auf den« national- sozialistischeu Parteitag in Weimar Mitglieder der NeichSrcgie- ruug beschimpft und zu Gewalttaten gegen sie anfge- sordert. Die Neichsregicrnng hat nunmehr die Prüfung de-) Materials abgeschlossen und die Akten dem Ob erreich?- a n Walt übersandt. Dinier hatte u. a. gesagt: „Ich klage die gegenwärtige Neichsregiernng des Volks- und Hoch» .r- rats an. Sie gehört an den Galgen!" Es wäre sehr empfehlenswert, wenn gegni all die Leute, die tagtäglich ihre „deutsche" Gesinnung durch Schmähungen gegen ihre deutsche Volksgenossen, zumal gegen die Katholiken, bewähren, energisch vorgegangen würoe. Ludcndorff darf seine Märchen vom Dolchstoß der Heimat und vom Hochverrat des Zentrums so oft er will eitzähleu. Und Gcucral Graf von der Goltz sagte in Dresden bei einer Tannenbergfciec u. a.: „Bismarcks Voraussicht war es, die uns die Eisenbahn zum Werkzeug des Zweifrontenkrieges »mschns; heute nun sehen wir eben diese Eisenbahn dem internationalen Kapital ansgeliesert. Und die deutschen Kreise, die ein solches Geschehen mit Jubel begrüßte», ereifern sich noch, wenn man sie .Hochver räter nennt!" — TaS ist sehr schön und vorsichtig gesagt. Denn gcjubelt hat kein vernünftiger Deutscher über das Reichs- bahugesetz. Aber wie solche Generale eS meine», wissen wir schon. Sie gehören mit dem „Sünder wider den Geist" Dinier in eine Reihe. Die Kampfe in bhina. Im ganzen spielt sich der Kampf wie ein Bürgerkrieg im allgemeinen ab und eS ist anzunehmcn, dast eS dabei mehr auf die Verhandlungen hinter den Kulissen als auf das Ergebnis der Kämpf« ankommen wird. Wetterbericht der Dresdner Metterwarie WittcrungSaussichtcn für den ü. September, abends, bis 6. September, abends: Anfang), voraussichtlich am Spätnach mittag des heutigen Tages, rascher Vorübergang einer Regen front, wobei stellenweise Gewitter nicht ausgeschlossen sind: später Zunahme der Bewölkung uno nach vorausgcgangcner Abkühlung wieder etwas Erwärmung. Schwache bis mäßige Winde anfangs aus nordöstlicher Richtung, dann aus West, später auch südlicher Richtung drehend. M Mise MWIwWllS Genf, 5. September. Di« gestrig« Nachmittagssitzung, die 4 Uhr begann, wurde mit einer Rede des P c> l e n S k r z y n s k i eröffnet. Polen sei bereit, in der Lbrüstungdfrage mitzumachen und den Garantiebertrag MiHuüehmen, solange die Sicherheit der Staaten und di« Solidari tät der Völker nicht verwirklicht wäre. Das Schiedsgericht müßte, obligatorisch sein. Erforderlich wäre die völlige Unabhängig keit des Richters. ES müsse ihm ein von allen Ländern garan tiertes Gesetzbuch als Unterlage dienen. Der Völkerbund habe den Grundstein gelegt, auf dem weitergebaut werden könne. Für Australien sprach Charit an. Die Schwierig keiten des Völkerbundes beruhten auf der Tatsache, das; ihm viele Staaten nicht an ge höre». Er teile mit Macdonald die Hoffnung, das, Deutschland zum Beitritt in den Völkerbund aufgcfordcrt werde. Die Sicherheit der Staaten wäre gewährleistet wenn alle Nationen auf einer gemeinsamen Konferenz sich zur Abrüstung und zur Ernennung eines Schiedsgericht? verpflichteten. Als Führer der Arbeiterpartei sage ich. eS handclt sich um keine Partcifrage. Wir müssen an die Lösung des Problem? vom nationalen Standpunkt aus herantreten. In Washing ton ist wichtige? geleistet worden, aber es fehlt »och viel, besonder? in der Luftkriegsfragc. Der Holländer Karnebeck erklärte, die Niederlande wäre» bereit zur Verwirklichung der Joee des Völkerbundes beizutragen und in der Abrüstungsfrage mitzuarbeilen Seine Regierung bedauere, der vorgeschlagenen Lösung der Garinliesrage nicht Wstimmcn zu können. Tie Niederlande hätten das größte Ver- trauen zum Völkerbund. Der Völkerbundsverlrag genüge, eines besonderen Garanüevertragc? bedürfe es nicht. Artikel l2 deS Paktes ist der Eckstein und gebe die Möglichkeit, Kriege zu ver meiden. Wenn der V ö l k c r b u n b s v e r t r a a den Krieg nicht verhindern kann, dann werde eS schwerlich ein Garantievcr- trag tun. Der dänische Ministerpräsident Sta » nting. vom Präsi denten Motto feierlich begrüßt, hielt seine Rede i» seiner Mutter sprache. Er lobte den Völkerbund als Verwirklichung de? Frieden? insbesondere, und teilt Macdonakd? Hoffnung, daß alle Staaten ihm beitreten werden. — Die Sitzung wurde um 6 Uhr geschlossen. Am Frcita-i beginnt die Sitzung lx-reit? 10 Ubr. Al? erster Redner wird wahrscheinlich der französische Ministerpräsident da», Wort ergreifen. Berliner Börse MiiaeieiN von »nlcrem Berliner Vörlenberircter sDrahibericht) Aktienkurse >» Billionen Berliner Ansangskurse Dt. StaatSanleilic c>Pro,.Nc!chsanIeibc IProz.ReichsanIeibc 7>/„ Pro,. ReichSani. 3Praz.ReichSa»Icihe VcrkchrSwcrte Slekir. Hochbahn. . Schantnna .... Dt. AuSliraiicn . . Pakellahrt . . . - Hambnrg-Tiid . - Hanla . . . . - Rorddeullcher Lloyd Robland-Linie . - Bankaktien Verl.HandclSaelcll. .Kommerz-n.Privntb. Darinst.n.Naiionaib. Deutsche Bank . . Diskonto . . . - Dresdner Bank . . Mitleid. Kredit . . Berawerksaktte» Bochnmer . . . . VndernS Et. Lux Essener Steinkohlen . Geilenkirchen . . . Hagener Hohenlohe . . . . File Laura Mannesman». . . Mansfelder. . . . Oberschl. Eisenbcd. Oberscht. Eisenind. Phönix Rhein. Braunl. . . Rhenistahl . . . . Rombacher.... 3.9. 4.8. W70 >310 >330 >660 I 'S >800 >873 ,2ö> 48 16.3 — 79876 28.5 78.3 iz.r >23 7.8'k 7 >23 >1,73 77.3 27.73 673 3.73 w 9.73 >« 3 >1 9 13 17 123 7.375 7.23 7,37 > 7.« 93 60.73 I»3 IZ.4 bl.3 - 8 bl.S 57 68 67 77 7, 26 44.73 <3 23 73 72 >8.876 18 8 73 4 6b <0 873 6.3 >4 73 >«.173 I6.K.S >3.6 47 39 3 5 31.6 41 76 3873 >9.6 >9 3 liallaltic > 3.9. DonNN-lU Knl> . . 33 Knl! NiclierSleben . «eiicm. 4M«»» R.M.'!I>Am!i»s»lniI. >6.873 Annlo Mnano . - - W2- Pad. Anilin - - - W'7 DNnnnw . . . - d.7 Elbcrlcwcr gnrbw. . >7.4 cunlb-Nnn!!» Dl>.. . Hücklk-r garbcn . . >6.4 Nö!„-"?ot«wei!. . 9 676 OlnnMi!. NnlSwcr'c . 45.4 Niede! 5,3 Miller-?^'. ... (e-IektriOtöiS-Vll. Akknn'.nlnioren . - 31 373 «l (k. ^ >V.5 Pcr.unnnn ...» >3.87- picln ». Nrnli. . - 9.-7 gcNl-n«.0N>i!'cnuwc 25.7- Mcl. i. E>cl>r. Nn>. - 17 2 Schnikcrl . . - - Sicmcn? u. Hnlslc Liiise-HosfiiiMM . - >2 > MnsMncn-Aktie» Vcrl.Anl'.Mnichincn 7 Bcrl.NnrlSr.Ittduslr. 70.3 Daimler 3.3 Denliche Maschinen 7.5 Deutsche Werke . - I 4.5 Hanla Llalid - - - 1.6 Harlmann Ma'chni. 6.5 Loewe 69 Orenltein u. Navpei ,9/5 Schubert ». Salzer . >>.9 ginnnerman» . . . 14 Industrie-Aktie» Pinawerle .... 2.9 Denlsche Kabelwerke 1.873 Hirsch Knvler . . . 73.3 Rhein. Melatt . . 6 87 Siel»» Vulkan . . 18 Hannnerlen . . - >3,6 Kainmaarn Stöhr . 49 Eliarlett. Wasier-Äl. 26.2, SchnNlj.-Pavenh. . 74.77 ?3 Deutsches Petrale»»' I .876 4.9. 61 >9.373 ISSN >7 76 : oer; 83 >88 >z?s 15 8.73 43 5 3 >76 3 37 ic.rs ,3.323 i'.d 233 I« 3 '- - iS o >173 7 bs.e s S.73 k, s 4 e l. b s ,73 67.173 Ik.cs >>.3 I -7ö 3 I 73 :s- 7,1-5 ,7 8 ,48 :43 24.23 74 34 ,73 Belagerungszustand im Sudan. Wie amtlich mügeteüt wird, hat die englische Negierung zur Aufrechterbaltnug der Ordnung über den «udan den Belagerungszustand verhängt I»s!el»e M MbrMls Von M. Herbert. Schwanken-, torkelnd und sich an dem Geländer haltend, so klomm der greise Rembrandt van Nhyn die enge, morsche Eichenstiege seines letzten Heims in Amsterdam empor. Die Treppe krachte und knarrte unter der Wucht seines mas sigen Körpers, der dem Alternden eine zu schwere Last war. Rembrandt van Rhyn hatte die Herrschaft üoer sich selbst verloren. Unsicher war sein Gang, ziellos die Bewegung. Tau melnd hielt er sich an den Wandpfosten und öffnete mit einem ußtritt die Tür seines Zimmers. Niemand empfing ihn — öde eere, häßliche Vernachlässigung grinste ihn an. In einer Ecke ein zerschlissenes Bett — die Stätte seiner nächtlichen Qualen und Nöte, seiner Säuferdelirien, seiner Fie- bertränme. Verstaubt Malgecät und Staffelet, verbandet der große Spiegel — der ihm doch noch schonungslos die eigenen Züge zeigte, das Antlitz, das alles und jedes aus seinem Leben erzählte. Graue Spinnweben hingen an der Decke. Das breite Fenster stand weit offen. Von drunten empor leuchtete das Wasser des Kanals, schimmerten Uferweiden in Sonne gebadet. Frauen standen auf steinernen Treppen und tauschen schneeweißes Linnen aus. Ihr Lachen und das Plät schern der Flut vereinigte sich zu einem Klang des Lebens. Die alten Häuser an der Gracht blitzten von Sauberkeit. Demant hell die Fensterscheiben, silberweiß die Steinsliesen. Da draußen ivaren noch Frohsinn und Lebensmut — drinnen die bittere Un- schönheit der Lieblosigkeit und des Berlassenseins. Der Alte stöhnte, er jammerte wie ein heimwehkrankes Kind. Titus, Hendrickje — wo seid ihr? Warum habt ihr mich allein gelassen? An der zersprungenen Mauerwand hingen drei Bildnisse. Das der Saskia, im roten Sammethut. Ein junges, noch mäd chenhaftes Wetb, fürstlich angetan, mit Perlen und Juwelen ge schmückt. Rötlich kraust sich das feine Haar um die lichte Stirn. Leise schwillt der Mund zu einem zärtlichen Lächeln. Man sieht ihr an — daß sie stolz auf den Ruhm ihres Erwählten. „O Saskia — Weib meiner Jugend!" Der Alte klammerte das glasige Trinkerauge auf das strahlende Antlitz, das doch so ernst und gefaßt war. „Saskia, Gefährtin meines stolzen Ruhms — siehst du, was aus mir geworden? Wohl dir, dast du nicht weinen darfst um meinen Fall! Selig die Frühverstor- benen!" Ahnungslos lächelnd hält die schöne Saskia den besten Teil Rembrandts im Herzen. Kein Vorausschauen der Seele verriet ihr den Niedergang des Mannes, der ihre Welt war, und doch lauerte sein Schicksal schon in dem blinkenden Wein des Römers, aus dem er ihr einst zutrank, ivie eines seiner über mütigsten Bilder zeigt. Lebte Saskia heut, sie hätte ihn mit der sanften Macht ihrer großen Frauenliebe gezwungen, sich aus die alten Tage zu besinnen. „Rembrandt van Nhyn," Hütte sie gesagt, „wie magst du dich gleich dem verlorenen Sohn an den Trüber» der Schweine ergötzen? Bist du nicht erkoren zum Gastmahl des Königs? Weißt du nicht mehr, was du deiner ewigen Berufung schuldest?" Der Alte vernahm die Stimme und Tränen flössen über seine gedunsenen Wangen. Das Herz in ihm erbebte, seine Lip pen zitterten, denn noch lebte in ihm das Gefühl, das über alle Grenzen ging und ihn zu dem großen Vcrsteher alles Mensch lichen machte. In seine tränenverschwoinmenen Augen hinein leuchtete das Bild seines blondlockigen Knaben, des schönen Sohnes der Saskia. O wie sehr war dieser Weiche, Zarte, das Kind von Rembrandts junger Liebe! Es war aber auch das Bildnis eines, der frühem Tod geweiht ist. Während Rembrandt den jungen Titus malte, hatte er gemußt, daß der Tod ihm über die Schul ter schaute, daß Verlstingnis seinen Pinsel führte. So strahlend große, jenseitige Augen, so unirdische Farben, solches Lächeln losgelöster Güte blühen nicht aus dem kraftvollen Gefickt eines jungen Menschen, der leben will mit allen Fasern seiner Da seinswurzeln und das Herz in sehnenden Wünschen der Zukunst cntgegenträgt. Doch hatte dieser Schwanke, Weltferne ver standen, dem schon abwärts gleitenden Bater Halt und Stütze zu sein; liebevollste Geduld war in ihm mit den Schmücken des Vaters. Er war keiner von den l>artcn und unbarmherzigen Söhnen, die sich zu Richtern ihrer Väter aufwerfen und ver- gessen, daß auch ihre Eltern nur Menschen unter Menschen sind. Seine Seele sah das Geniale und vergaß darüber das Gemeine, so voller Barmherzigkeit war er. Das Letzte war er bereit, mit dem Vater zu teilen. Jetzt fragte keiner mehr nach dem Alten. Er hotte sich selbst in den Kot der Straße geworfen. Lachend schritten über ihn hin die Verächtlichen, die Reinlichen, die Ehrsamen und Gerechten, die vom Leiden seiner Seele nichts ahnten. Der Jammer des Verlassenen, des Trunkenen, Unbeherrsch ten stieg, er begann zu schluchzen. Er flüchte,e zu dem Bildnis der bescheidenen Hendrickje Stosfels. Sie war die allerletzte, die auf Erden für ihn gelebt hatte. Bon ihr empfing er die mütterlich sorgende Güte, welche den Alten, Vergehenden so nötig ist. wie denen, die nackt und hilflos in die Welt eintreten. In die Wärme ihres Herzens hüllte Hendrickje lhn ein. wie man ein geliebtes Kind in seiner Wiege einhüllt. Sie räumte alle Steine aus seinem Wege, hütete seine Stunden der Schaffens freudigkeit, seine Stunden der Ruhe, trug mit ihm die Beschwer nis der Armut und Not. tat siir ihn 'die schweren Gänge ins Psandhaus. hielt ihm fern ungestüme Förderer, rohe Beleidiger; legte Ruf und Ehre für ihn aus den Opserstein des Lebens. Hendrickje! Heißes Schluchzen stieg in der Seele des Alten auf, ein Schrei unsagbare» Heimwehs brach von seinen Lippen „Alleingclassen im Alter! MuUerleelenallein! Aus- gestoßen, verachtet!" Er weinte. Weinle sich aus wie ein ge kränktes Kind, haltlos, fassungslos. Als aber die Leidenschaf! des Schmerzes ousgetobt hatte, wich auch die Betäubung der Trunkenheit von ihm. Die Wein dünste, die sein-Gehirn umnebelten, versiüchlelen sich, und bes sere Gedanken kehrten zurück. Er gedachte der stillen, be- gnadeten Stunden seines Lebens, als seine Krasl irtcnsiv und mächtig durch keine Ausschweifung gemindert war. Damals halte er aus eigener Gebelsversnnkenheit heraus den ireltsernen Beter und Opferer geschaffen, die heilig Zurückgezogenen. deren Bildnisse die wundervolle Tiefe seines Lebenswerkes ans machten! Wie fühlte er sich dabei nahe dem Ewigen! Lanier ivar seine Kunst, „schlackenlos", geboren ans dein heiiigsien Erlebnis der Seele, Plötzlich richtete sich der Alte stolz empor — siir einige Minuten wich das Eiend seines Lebens von Ihm. und das große Bewußtsein seines überragenden Könnens Kim wer ihn -- ein Rausch der Gnade. Ob er selbst auch in Laster und Niedrigkeit versank — hoch leuchtend — unantastbar rein stand seine Kunst über ihm. Nie hatte er sie verraten und verkauft Was lag schließlich an seinem Untergang, wenn nur sie bestand — wenn sie groß, herrlich und ewig blieb! Mochte aus ihm geworden sein, was da wollte: sein Leben war doch Arbeit gewesen vom Morgen bis zur Nacht. Jeden Lichtstrahl, jedes Sonnengcld — jede purpurne Dämmerung, jede Stimmung der Beleuchtung hatte er ausgekostet und benutzt. Sein großes Werk war das Kind seiner großen Liebe. Nie ward er müde, in den geliebten Gesichter» der Seinen die Seele, das Herz, das Glück, die Tränen, die Liebe zu suchen und zu verewigen. Und seine Selbstbildnisse, waren sie nicht alle Selbstbekenntnisse, oft er schütternder Art? Befreiungen der Seele von der Last de» Fleisches? Nun aber wollte Neinbrandt seine Generalbeichte oblegen. Er setzte sich nieder vor den l)a!berblindeten Spiegel und be gann. einer plötzlichen Inspiration folgend, noch einmal das eigene Antlitz zu malen Er malte mit schaudernder Wahr haftigkeit das von Trunk und Tränen verquollene, ausge- schwemmte und verwüstete Gesicht, die zuckenden, zitternden, haltlosen Appen, in denen Unbeherrschtheit der Leidenschaft zu tage trat; die bebenden Nüstern, der grob und sinnlich gewor denen Nase, die verschwollenen Angen, die keinen Lichtstrahl mehr wiedergcben — all das Niedrige von der Hingebung an das Tier Zeugende, hinter dem -och die wissende, erkennend« Selbstironie der großen Kunst stand, . . . Die letzte Beichte Rembrandts hat die Welt wenig beachtet und begriffen, und doch sind wir alle, denen des deutschesten Meisters unsterbliches Werk zu Gemüte sprach, gerade diesem letzten Selbstbildnisse erbarmendes Verstehen schuldig.
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