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Nummer 103 — 23. Jahrgang ömul wSchtl. Bezugspreis: f. August S R.-M. ausschl. Bestellgeld. Berechnung der «»zeigen nach Rent.-MarL- Preise: Die emgespaltene Petitzeile 30 f. Familien* u. Vereinsanz., Gesuche 20 H. Die Petit-Reklamezeilg 69 mm breit, 1 ^t. Offertengebühr für Selbstabholer 80 H, bki Uebersendung d. d. Vost außerdem Porto* zuschlag. Preis f. d. Einzelnummer 10 Sienten-Pfennig. Geschästlicher Teil: Josef Fohmann. Dresden, SückMe Dvnnerstaq, 21. August 1924 Im Falle höherer Gemalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anz.-AuftrSgen «> Leistung v. Schadenersatz. Für undeutlich u. d. Fernspr, übermittelte Anzeigen übernehmen wir keine Vec* antwortung. Unverlangt etngesandte u. mit Rückporto nicht versehene Manuslripte werven nicht ausbewahrt; Sprechstunde der Redaktion 5 bis 6 Uhr nachmittag-, Hauptschriftletter: Dr. JosesAlbert,DreSdeH voWelümg Tageszeitung für christliche Politik und Geschäftsstelle der Sächsischen Volks»ettiiua nnd Drutt und Bering, Saronia.Buchdruckerct GmbH, ^ Drosden-A. lk. Hoibeinstrahe 46, Fernrni S2722, Polt- icheckkontoDrcsden 14787 »liWiiItMii IO Mil» Ae Bell »er FM ' ZU »eile Leben Nrdaktion der Sächsischen BoikSzeitung Dresden - A. >8 öolbciiistrabetS gernrm 827rL und Der neue Geist Von besonderer Seite wird uns aus Berlin geschrieben: Die deutschen Delegierten der Londoner Konferenz haben in den letzten Tagen den politischen und parlamentarischen Ver tretern eingehende Mitteilungen über ihre Erfahrungen, sowie über ihre Wirksamkeit in London gemacht. Von maßgebender Seite wird dabei ganz besonderer Wert aus die Feststellung ge legt. daß tatsächlich die Londoner Konferenz die erste war. die diesen Namen verdiente. Es wird allgemein bestätigt, daß wirklich auf dem Boden voller Gleichbe rechtigung verhandelt worden ist, und daß die Delegierten auch persönlich und amtlich stets als volle Gleichberechtigte be handelt wurden. Schon die Tatsache, daß die Verhandlungen 14 Tage dauerten, und daß während dieser Zeit ununterbrochen amtliche und persönliche Beziehungen zwischen allen führenden Persönlichkeiten herrschten, ist besonders hervorzuheben. Auch die Verhandlungsformen haben sich in durchaus korrek ter Weise, teilweise sogar freundlich und freundschaftlich abge spielt. Der ruhigen Ueberlegung der deutschen Vertreter stand die Lebhaftigkeit insbesondere der französischen Vertreter gegen über, aber immer wurde der Ausgleich gefunden. Durch das Auftreten der deutschen Delegation, insbesondere durch das sofortige Aufwerfen der von dem Konferenzprogramm offiziell ausgeschlossenen Räumungssrage wurde nicht nur bewirkt, daß die ganzen, in den vorangegangenen 14 Tagen zwischen den Alliierten geführten Verhandlungen von neuem vngefangen und wieder ausgenommen werden mußten, sondern es kam auch dahin, daß, trotz der gegenteiligen Beschlüsse der Alliierten die Räumungsfrage selber immer mehr in den Mittelpunkt der Verhandlungen rückte. Die Delogierten hatten weiter aber auch bei den Verhand lungen den Eindruck, daß tatsächlich ein neuer Gei st obwal tete. Herriot wird als ein Mann von ziveifellos sehr hohen Idealen geschildert, der auch alle Kraft daran setzt, um das, ivas er sich vorstellt, zu erreichen. Alle Teilnehmer hatten den Ein druck, daß man diesem Mann durchaus Vertrauen schenken könne. Wie enge das gegenseitige Vertrauensverhältnis durch den persönlichen Verkehr sich gestaltet hat, mag auch aus der Tatsache sich ergeben, daß bei der letzten Zusammenkunft zwi schen Marx und Herriot, der Reichskanzler dem französischen Ministerpräsidenten sagte, er würde von setzt ab, falls irgend welche Beschwerden über die Besatzung an ihn herankämen, sofort persönlich an Herriot schreiben, und ihn um Abstellung der Klagen ersuchen. Herriot hat bereitwillig die ses Anerbieten angenommen. Es zeigt sich überhaupt, daß Herriot, ebenso wie Macdonald gar keine Freunde von diplo matischen und bürokratischen Formeln sind, daß sie am liebsten auf allen unnötigen Notenwechsel verzichten und die Dinge in gegenseitigem Einvernehmen zu regeln suchen. Die Arbeit innerhalb der deutschen Delegation hat sich — man mutz das sagen, weil verschiedentlich gegenteilige Mit teilungen In der Presse zu lesen waren —, in jeder Epoche der Verhandlungen durchaus harmonisch und einmütig gestaltet. Es hat innerhalb dieser Delegation über die Grundfragen, um die cs sich handelte, überhaupt keine Meinungsverschiedenheiten gege ben. Auch alle übrigen, im Verlauf der Konferenz aufgetauchten Mitteilungen von Konflikten zwischen den deutschen und alli ierten Delegierten werden von unseren Londoner Vertretern als absolut in das Reich der Fabel gehörig verwiesen. Im ganzen find die deutschen Delegierten demnach von der Aufnahme, die sie in London gefunden haben, von der Art, wie man mit ihnen verhandelte, und von der Beivegungsfreiheit, über die sie ver fügten, auch von der Möglichkeit, den deutschen Standpunkt ener gisch zu vertreten, durchaus befriedigt. Sie legen entscheiden des Gewicht auf die Feststellung, daß in keinem Augenblick der Verhandlungen jemals von einem Ultimatum (wie man's auffaßt. D. Red.) die Rede war. Der in der Räumungsfrage von den englischen und amerikanischen Vertretern bei der deut schen Delegation unternommene Schritt sei nicht als der Ver such eines Druckes anzusehen. Diese Vertreter Hütten die deutsche Delegation vielmehr förmlich beschworen, doch wegen der Frage der Räumungsfristen die Konferenz nicht scheitern zu lassen. Man stellte imbei positive Erklärungen Frankreichs, ferner die GaGrantieerklärung Englands in Aussicht. Und dazu kam, daß auf deutsche. Anregung hin Macdonald in seiner offi ziellen Schlußansprache auch die Räumungssrage erwähnte, so daß damit diese Ausführungen in das offizielle Protokoll kamen. Obwohl also die Räumungsfrage von dem offiziellen Programm der Konferenz ausgeschaltet mar, ist sie auf diese Weise trotzdem zu einem Bestandteil der offiziellen Ver handlungen gemacht worden. Die feierliche Erklärung Mac donalds am Schluffe der Konferenz ist damit auch zu einem Be standteil des Schlußprotokolls selber gemacht worden, und zwar ohne daß von irgendeiner Seite Widerspruch dagegen erhoben wurde. Die deutschen Vertreter glauben mit dem, was sie von Lon don mitgebracht haben, vor dem Reichstag, wie überhaupt vor der öffentlichen Kritik in Ehren bestehen zu können. Die Verhandlungen der Reichsregierung mit den Vertre tern der Parteien sind noch nicht abgeschlossen. Im großen und ganzen ist folgendes zu sagen: Das Zentrum, die Bayrische .Volkspartet, die Deutsche Volkspartetz die Demokraten und die Kerriol und Sie WMe in Ws Merl fDrahtbericht unserer Berliner Vertretung) Paris, 20. August. Das »Journal Officlel" veröffentlicht die Tagesord nung der heutigen K a »> in e r s i tz u n g. Sie lautet einfach: „Mitteilung der Regierungserklärung." Die Tages ordnung des Senates Ist die gleiche. Wie man ln Kreisen der Regierung hört, nimmt man an, daß drei Sitzungen in der Kammer genügen werden, um die Debatte zu Ende zu bringe», und daß Herriot dann sein Vertrauensvotum erhalten kann. Die Minderheit bespricht in ausgedehnter Diskussion die Haltung des Ministerpräsidenten. Einer der Abgeordneten der Rechten erklärte: Tie Vorteile, oie der Ministerpräsident in London erreicht habe, seien sehr gering. Wenn man cs recht betrachtet, wiegen oie Nachteile über, und cS bleibt nns nur noch eine schwache Hoffnung. Gestern vormittag fand, nnter dein Vorsitz deS Präsidenten der Republik, im Elyjee ein Minist errat statt. Nach dem heransgcgebenen KommuNigne haben oie Minister «instimmig die von den französischen Bevollmächtigten ans der Londoner Konferenz angenommene Haltung gutgeheißen und ihnen sür die wichtigen Ergebnisse gedankt, die sic im Interesse Frankreichs erzielten. Ein neuer Ministerrat tritt am Donnerstag um 10 Uhr im Elhsee zusammen. Mer Kurs - »eilt ZS« Großreinemachen im diplomatischen Dienst Frankreichs. sDrahtbericht unserer Berliner Vertretung) Paris. 20. August. Das „Echo de Paris" glaubt Mitteilen zu können, daß Herriot unter dem diplomatischen Personal große Veränderungen vorhabe. Diese Pcrsonalvcränderungcn würden an der französischen Botschaft in Madrid beginne», wo der seinerzeit von Pol »ca re ernannte Botschafter de Fontenay abberufen werde» soll. Das „Echo" schreibt dann weiter: Der Name des Nach folgers, ans den .Herriot verfallen lei. >et bezeichnend für die ganze Sache. Als Nachfolger ve Fontenahs sei nämlich der ehe malige Innenminister Malvy bestimmt, oec während des Krieges zur Verbannung aus Paris verurteilt worden war. Man sollte diese Maßregel nicht für möglich hatten, aber sie sei in der Tat sicher. Für den Fall, daß Herriot seinen Plan durchsetzen kann, ohne vom Parlament gehindert zu werden, ist es sicher, daß der König von Spanien die Botschaft irr Madrid nicht zum Ausgangspunkt für alle staatsfcinolichen Bestrebungen wer den lassen dürfe. Was aber solle man zu einem Ministerpräsiden ten sagen, der die Fähigkeit habe, einen solchen Fall überhaupt in Frage zu ziehen. Für die übrigen Posten ständen die Kan didaten noch nicht fest, doch verlaute, daß Leon Blum den Grafen St. Aukaire (ocr in London Botschafter ist) er setzen werde. MuiinenW -es A«Mn «Ms sDrahtbericht unserer Berliner Vertretung) Berlin, 20. August. Im Reichstag trat heute Vormittag der Auswärtige Ausschuß zusammen. Um 10 Uhr begannen die BerlMiid- lungen, zu denen von der Reichsregierung der Reichskanzler Marx, Reichsaußenminister Stresemann und der Neichs- finanzminister Luther erschienen ivaren. Vom Auswärtige» Amt war Staatssekretär Maltzahn und mehrere Referenten an wesend. Die Parteien waren durch folgende Reichstags abgeordneten vertreten: Die Deutschnationaten durch die Frak- tionsführer Graf von Westarp, Hergt, Watrasf, Dr. Hoetzsch. das Zentrum durch die Abgeordneten Fehrenbach, Dr. Spahn und Dr. Knas, die Demokraten durch den Grasen Bernstorsf, Dr. Has aus Baden, die Sozialdemokraten durch die Abgeordneten Wels, Müller-Franken, Dr. Hitferding und Dr. Breitscheid und Ditt- mann. Für die Deutsche Volkspartei waren erschienen: Dauch, Hamburg, und Curtius, Baden, für die Nationalsozialisten v. Sozialdemokraten und voraussichtlich auch die Wirtschaftliche Vereinigung werden den Londoner Abmachungen zustimmen. Die Deutschnationalen haben sich ihre Stellungnahme noch Vorbehalten. Aus den Erklärungen der deutschen De legierten in London hat sich doch ergeben, daß in vielen Punk ten die Dinge sich von Deutschland aus ganz anders ansehen, als sie sich letzten Endes entwickelt haben. Wie die Verhand lungen jetzt stehen, ist nicht damit zu rechnen, daß die Deutsch- nationalen geschlossen gegen die Abmachungen stimmen würden, denn ein sehr starker, und namentlich unter der Füh- die Kammer Gracse und Graf Neventlow, sür die Bayrische Volks^mrtei Graf v. Lerchenfcld und für die Wirtschaftliche Vereinigung der Ab geordnete Dr. Bredt, für die Kommunistische Partei die Abge ordneten Münzenberg, Stöcker und Ruth Fischer. Zuerst sprachen Reichskanzler Marx und der Neichsftnanzminister Dr. Luther, Die Sitzung dauert fort. Me «MMe «MMS Miliz Erörterungen über den Brief Macdonalds sDrahtbericht unserer Berliner Vertretung) Paris, 20. August. Herriot hat über den Brief Macdonalds folgende Erklärung abgegeben: „Der Brief darf nicht als unfreundlicher Akt gegenüber Frankreich betrachtet werden. Der Brief war bereits Samstag morgen übergeben, doch hat ihn Macdonald zurückzirhen lasse», weil ec sür die Fortsetzung der Verhandlungen Schwierigkeiten hätte bereiten können. Dieser Brief war nicht bestimmt, die französische Delegation zu über raschen. Es ist kein Geheimnis, daß die letzten Verhand lungen sehr delikater Natur waren. Macdonald hat sich nicht von einem Entschlüsse des Augenblicks leiten lassen, son dern nur grundsätzlich die Haltung der englischen Regierung prä zisieren wollen." In Lonooner politischen Kreisen ist man der Ansicht, daß Macdonalo zu seinem Briefe an de» französischen und belgi schen Ministerpräsioenten über die militärische Besetzung des Ruhrgebietes durch den Wunsch bestimmt wurde, jedes etwa bestehende Mißverständnis über die Haltung der englischen Ne gierung dieser Frage gegenüber zu beseitigen. Die Rrch ts- mäßig keit der französisch-belgische» Nnhrak- tion ist niemals, weder von der gegenwärtigen »och einer früheren englische» Negierung aneria » nt morde» und wäh rend der Verhandlungen auf der Londoner Konferenz hat sich Mardouald tatsächlich sedc Mühe gegeben, seinen Vrrbündncn klar zu machen, daß die englische Negierung nach wie vor oei dieser grnndsätztichen Ausfassung stehr. Wie erst jetzt eindeutig klar wird, ist das Zustande kommen einer Einigung über die militärische NänmungS- frage in erster Linie dem englische» Ministerpräsidenten zu ver danken, der es verstanden hat, die Franzosen dazu zu bewegen, von ihrer ursprünglich beabsichtigte» zweijährigen Nänmnngs- dauer auf die von 12 Monaten zurüclzugehe». In hiesigen politischen Kreisen glaubt man, daß gerade die Einigung in oiejer Frage die Einleitung einer reibungslosen Ausführung des T a w e s g n t a ch t e n s und ständig sich bessernder srenndschaftlicher Beziehungen zwischen Dintschtano und Frantreich beoeutet. Man hofft, daß sich nunmehr sowohl in Frankreich wie in Belgien die Auffassung immer mehr Bah» brechen wird, daß die militärischen Kräfte im N»hr- gebict für die Negierungen unproduktive Ans gaben bedeute», so daß man die Näümmig in kürzerer Zeitdauer- als in der vereinbarten erledige» wird. Ne Ule« -er MW Ncuvork, 20. August Nach der Meinung einer amerikanische!, Finanzantorität sind die hauptsächlichsten Einzcllieitc» über die Anleihe an Deutschland bereits fcstgeicgi. Der Zinsfuß wird 7 oder 7,5 vom Hundert betragen, der E m i s s i o n s k u r s M oder t>5. Es sollen nicht weniger als t»0 Millione» Dollar, wahrscheinlich jedoch 120 Millionen von der gesamten Anleihe in den V« steinigten Staaten aufgclegt werde». Tie Anleihe! soll bereits in de» nächsten Woche» aufgelegt werde». London, 20. August. Im „Manchester Guardian" verösientlicht Tnowden gestern abend einen ausseheiicrregen- den Artikel, in dem er den Pakt von London scharf angreist. Noltet wollte die Besetzung als die Oturantie Frankreichs für die Sicher heiten benutzen. Es sei zu liesürchte», das; der Erfolg der Anleihe durch die Besetzung gefährdet werde. Berlin, 20. August. Die neuesten Nachrichten au's London zeigen, das; die Unterbringung der Anleihe nicht ganz ohne Schwierigkeit c» vor sich geben wird. Mau nimmt a», daß das breite Publikum in England sich kaum be teiligen dürfte. Da die Hetze einzelner Blätter, nie znm Bei spiel der „Daily Mail" wohl nicht ganz ohne Einslus; geblie ben ist und auch der 10jährige Gedenktag d-.k- Kriegsbeginns in einzelnen Kreisen der Bevölkerung verstimme, d wirkt. Alle Hoff nung richtet sich deshalb auf A m c r i k a. Hier gianbt man, daß es den" Banken gelingen wird, den größten Teil der Anleihen nnterzubringen, obgleich die Organisation des amerikanischen Geldmarktes nicht so durchgcbildct ist, wie die des englischen. rung älterer Politiker stehender Flügel der Deutschnatirmalen hält es für unmöglich, in Anbetracht des Erreichten die Ent lastung und Befreiung weiter deutscher Valksteile von dem geg nerischen wirtschaftlichen und militärischen Druck aufs Spiel zu sehen. Die Reichsregierung hat auf das Bestimmteste erklärt, daß. sie sich moralisch verpflichtet fühle, mit allen parla^ mentarischen Mitteln für ihre Abmachungen in London eiuzu- treten. Würde der Reichstag dieses Werk stören, dann würde unverzüglich die Reichsregicrung an das Volk appellieren.