Suche löschen...
Sächsische Volkszeitung : 14.08.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-08-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192408146
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19240814
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19240814
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-08
- Tag 1924-08-14
-
Monat
1924-08
-
Jahr
1924
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 14.08.1924
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Unterhaltung uns Witten Ä.8«i§»!is M liMlies üilüilkgeWi Von Friedrich Muckermann S. I. Sein Bestes kann Franziskus nur denen geben, die sich in Ehrfurcht und Andacht an einem Heiligen erbauen, aufrichten und begeistern, der bei aller Strenge so liebenswürdig war. Was an ihnen geschieht, ist Kulturarbeit in der tiefsten Schicht, ist Vorbedingung für alles Weitere. Aus Habgier, Wucher und Materialismus rettet zuletzt doch nur der Mensch, der im Hinblick auf Christus alles Irdische wie Kot erachtet und in heroischer Liebe jenem Einzigen nachsolgt, der allein stärker war und stärker ist, als Götze Allammon. Aber Uber diese religiöse Gemeinde hinaus hat Franziskus seine Kulturjüngersci>aft in allen Ländern und in allen Kreisen der Bevölkerung. Der Arme von Assisi ist sogar da bevorzugter Freund, wo Reichtum und Luxus jede» Gedanken an ein lieber- natürliches ausschlietzen. Wo Johannes der Täufer nicht kom men dürste, da lässt man ihn ein. den Troubadour des Sonnen- licdes. Und über der Jugend der Zeit, dieser singenden Ju gend. die mit Zupfgeige und Slab hinauswandert durch Flur und Feld, schwebt nicht auch über ihr seine Fiihrerscliaft, die vor so viel hundert Jahren die Menschen lockte, wie mit Gesang und Kinderlachen? Es ist etwas Erquickendes darum zu beobachten, wie in al lem Rummel und Trubel der Borerkampf der Zeit die Jugend mit dem Instinkt der Selbsterhaltung sich der Natur zuwendet, der stetigen, der stillen, der ewig alten und immer neuen, der Natur, die Gottes Antlitz trägt, und so innerlich ruhig und ver trauensselig durch die Zeitalter hindurchgeht. Hatte ein Mode geschlecht von gestern sich aus der Seelenlosigkeit der Tage retten wollen in das Land des Geistes, der doch nichts geben konnte, mochte er noch so aktivistisch um seine eigene Achse Kreisen, so suchten und suchen nun die Tieferen Erlösung in etwas anderem, das in wogender Friste uns umlockt, uns bliiten- und frucht schwere Aeste entgegcnstreckt, und mütterlich nährt und pflegt, eben Gottes Natur . . . Ob sie hier nicht Franziskus begegnen müssen? Es ist nur eine Hoffnung, denn allzuviel? sind auf Wegen, die niemals " zu ihin führen. Schließlich ist Natur — ich nehme sie hier in uns und außer uns, im weitesten kosmischen Sinne — doch in sich wieder stumm und einsam. Sie will erfüllt sein von unseren Träu men, und erst dann kommen ihre Echos. Und wie man hincin- ruft, so schallt es heraus. Dem Trotzigen gibt sie harte Ant wort, und dem Kindlichen geschwisterlichen Gruß. Franziskus war ein Kind, und so sang er von Bruder Sonne und Schwester Mond. Ganz anders geht durch diese Natur die Jugend von heute. Sie kommt aus dem Geiste der Revolution. Sie stürzt sich In die Fluten wie ein Ueberhitzter im heißen Sonnenbrand. Eie ist wie einer, dessen Muskeln und Glieder eingcschlummert, erlahmt waren im Dienste eintöniger Arbeit. Und nun reckt er sich, und wühlt sie sich ein in den Boden, nun will sie Wotaus Stürme und Donars Donner, nun soll Natur, diese große, stille, heilige Natur, sie soll hergeben unerhörte Begeisterungen, ab gründige Mystik, Brunst und Glut . . . Leben, Leben! Da erfüllt sich eine uralte, schreckliche Menschheitserfah rung noch einmal. Natur kann den Menschen nicht erlösen, der selbst das Unerlöste in sich trägt. So wird das rauschgierige Sichhineinstürzen in den Strom der Welt nur ein Versinken in einem Gcschöpflichen, in einem Be grenzten, und es beruhigt nicht den Trieb, der auf das Unbe- grenzte geht, und es gibt eine gewaltige Tragik. Natur wird der lockende Pan, der noch einen alten G. Hauptmann betört. Was erlösen soll, wird Versuchung: denn dem Menschen ähnlich, ist Natur doch unter ihm und zieht ihn hinab, wenn sie aufhört als Bild des persönlichen Gottes betrachtet zu werden. Hier brauchts weder Offenbarung noch Dogma, hier brauchts zunächst nur die Erfahrung aller Großen von Plato bis Augustin und von Augustin bis Newman: In rein menschlichen Bezirken schon wurden sie gewahr, wie Natur nicht erlösen kann. Und das Christentum hat dieser Erfahrung Licht gegeben aus dem über natürlichen Geheimnis. Erbsünde heißt das entsetzliche Wort, ist es gleich gemindert durch den Erlöser, den es gerufen. Viel starkes Menschentum lehnt heute Dogma und Ueberlieferung ab, aber nicht ablehnen kann es die Erfahrung, die sich nun fürchter lich in ihrem eigenen Schoße entwickelt. Nicht leugngen kann es die Tatsachen, nicht vorüber an Wyneken und Muck-Lam- berty. Betrogene waren sie, Selbstbetrogene. Führer, die heute ideal von reinem Menschentum sprachen, die wie unbeschwert von Leidenschaft durch eine glückliche Menge schwebten, zu Tanz und Gesang ausrufend, als wäre die Welt wieder seliges Kin derland. Und dann kam die Enttäuschung und dann, war wie der einer dem alten Fluch verfallen. Dann kamen Gericht und Behörden. Und dann das widerliche Steinwerfen von Menschen, die am Ende Aehnliches hinter Vorhängen zu verbergen haben und nur darum so laut sein dürfen, weil ihre Vorhänge dichter schließen. Ja, der Weg zum Mythos wäre eine schöne Sache, wenn der Mensch nicht allzu menschlich wäre und darum alle Mythen und aste „Religionen ohne Gott" im Sumpfe geendet hätten. Und Franziskus? Er war Natur, echte, reine, Kinderhaft jungfräuliche Natur. Er durfte sich ihr hingeben, weil er ein Heilige«*war. Weil er im Niedern immer nur das Bild des Höheren erschaute. Weil eingelegte Rulicr Meine eingelegten Rüster triefen, tropfen fallen langsam in äie tiefen. Nicht;, lla; mich verstroß? Nicht;, sta; mich freute! Niester rinnt ein schmerrenlofe; Heute! Unter mir — ach. an; stein Licht entschwunsten — träumen schon üie schönern meiner Ltiinsten. Nu; ster blauen tiefe ruft sta; Sestern: Linst im Licht noch manche meiner Schwestern! c. f. Mkler Ströme aus überirdischen Welten in ihm flössen, die das Geistige in ihm stärkten, so daß es in der Vermählung mit dem Sinn lichen nicht die Herrschaft verlor und mit ihm zusammen klang in herrlicher Harmonie. Er hat gewußt um das Ge heimnis aller irdischen Paradiese, daß sie nur erblühen um den Baum des Kreuzes herum, der hier zum Lebensbaum geworden. Er empfing die Inbrunst nicht nur von der mütterlichen Erde, sondern aus dem Feuergeiste der Himmel, und so stieg aus der erhöhten inneren Spannung heraus das reine Lied seiner Liebe. Auch im Naturgefühl aller Zeiten werden die beiden Ströme sichtbar, der des Segens und der des Fluches. Der eine begann mit jenem Ereignis, das, von allem Uebernatürlichen abgesehen, doch auch ein Naturereignis höchsten Ranges mar, mit der Verweisung aus Eden, von anderer Seite aus gesehen mit dem Untergange des Paradieses für die Menschheit. Zerstörung war ihr erstes Werk und Klage ihr erster Gesang. Und diese Naturpoesie ist immer dem Vulkanischen, dem Cha- otischen, dem Weltstürmenden treu geblieben. Immer war sie ohne Ehrfurcht und immer untertan dem innerlich wirkenden Fluch, der mit der Sünde über die Schöpfung fiel. Die andere aber kommt von der Verheißung des Erlösers, hat wie süße Hoffnung büßender Arbeit Trost gesungen, war immer dabei, wenn innerliche Menschen sich heiligem Ausbau widmeten, hatten soviel im Herzen, daß sie nicht nötig hatten, durch starke Worte ihr mangelndes Innenleben wegzutäuschen, erhob sich aber freilich in den Feststimmungcn ihrer lichtvollen Geheimnisse zu rauschenden Chören und jubelndem Bcnedicte. Das jüngste Geschlecht ist sich seiner Not bewußt. Es lehnt — die Katholiken allein haben hier eine Sonderstellung — selbst in freideutschen Kreisen geistige Bedingungen nicht mehr grund sätzlich ab, will es auch einstweilen nur die freigewählten gelten lassen. Zwischen Autonomie und Heteronomie bewegen sich die Pforten stöhnend und ächzend auf und zu. Noch sind die Wege offen nach lichten Ausgängen und freudiger Zukunft. Mögen die ehrlichsten und Fähigsten einmal tiefer Nachdenken über St. Franziskus und jenes Geheimnis, wie sich ein Mensch so in die Natur versenken konnte, ohne untcrzugehen, wie er sich mit ih^ erheben konnte, verklärt und verklärend, wie St. Franziskuq, zum Dichter des Sonnensanges wurde. Sei heil MMIeii mi kr M Von Theodor Linsen Aus dem Zechentor strömen die Männer der harten Arbeit, die Morgenschicht ist vorüber. Still und schweigsam gehen die gebräunten Gestalten, die vom frühen Morgen bis zum Nachmit tag im tiefen Schachte das Totenhemd trugen, nach Hause zu Weib und Kind. Die kohlschwarz gefärbten Augenlider ver raten nur zu deutlich, daß es bei der Arbeit im Kohlenschacht an Mühe und Schweiß nicht fehlt. Ein fröhliches Leuchten aus den Augen des Bergmanns bestätigt es, wie wohl ihm der Gruß der Sonne nach den 8 Stunden im Scheine des matten Gruben- lämpleins tut. Und ich weiß es ganz genau: Bei der größten Zahl der braven Knappen, die aus dem Zcchentor kommen, schlägt im Busen ein echt christliches — ein katholisches Men schenherz! Vor vielen Jahren, als im Ruhrgebiet mit der Förderung der Kohle begonnen wurde, ehrte und liebte man den Berg mann mehr als heute. Wie sich dann im Laufe der Jahre das Ruhrkahlengebiet zu ungeahnter Höhe entwickelte, wie die Zechenbesitzer gewaltige Mcnschenmassen aus allen europäischen Nationen nach der Ruhr brachten, um genug Arbeitshünde siir die immer mehr wachsende Steinkohlengewinnung zu stellen, wie sich bei den Letztgenannten auch viele unredliche Elemente unter die ehrsamen Knappen mischten, da hörte die Achtung und das Ansehen, welches dem Bergmann bisher entgegenge bracht worden war, leider säst gänzlich auf. Die alte, echte Berg mannstreue ist hingegen bis aus den heutigen Tag ehrenvoll be stehen geblieben. Die Zechensirenen tönen jetzt wieder zu denselben Tages zeiten, wie einst vor dem Kriege. Erleichterungen, wie es die Siebenstundenschicht seit dem Jahre 1919 war. sind wieder vor über. Die Verlängerung der Schicht zeit empfindet der Bergmann als eine besondere Härte, da die anderen Klein betriebe von der bisherigen Arbeitszeit nur selten abgewichen sind. Selbstverständlich bekundet auch heute die Mehrzahl der Bergleute, den ernsten Willen für die praktische Durchführung der Erfüllungspolitik, die insonderheit von ihnen abhängt. An derseits läßt es sich nicht leugnen, daß die Verlängerung der Schichtzeit der Arbeitsfreude und -Willigkeit manchen Abbruch getan hat, schon aus dem Grunde, weil die wirtschaftliche Exi stenz der Bergleute durch die Bedrückung des französischen Mi litärs zu stark gelitten hat. Die Bergleute über Tage arbeiten 10 Stunden am Tage. Werden die Pausen zur Einnahme der Mahlzeiten mit hinzuge zählt. sowie der Weg von und zur Zeche, so findet man. daß die meisten lledertagearbeiter täglich 1-i Stunden außer dem Hause sind. Eine Arbeit für den Hausbedarf daheim, wie be sonders die Bebauung des Hausgartcns, eine Lieblingsarbeit des Bergmanns ist, kann er in den wenigen Ruhestunden nicht mehr ausführen. Die Liebe zur Familie, die in den Bergleuten an der Ruhr besonders tief wurzelt, wird durch die tägliche lange Abwesenheit vom häuslichen Herd so begrenzt, daß eine freudige Auswirkung derselben für den Bergmann und seiner Familie nicht mehr möglich ist. Wenn es heute notwendig ist, die Arbeitsfreude als eine Vorbedingung für bessere Wirtschafts-Verhältnisse zn heben, so muß den Bergleuten als den Vorkämpfer für die Wiedcrge- sundung des deutschen Wirtschaftslebens eine bessere Existenz und Wirtschaftsgrundlagc gegeben werden. Mancher Dichter hat in Wort und Lied die Bcrgmannstreue so edel und ideal ge schildert und es ist wahr:' im Herzen des Bergmanns ist Treue und Opferst»» noch fest verankert, eine gläubige Seele wohnt in ihm. Der Bergmann, der Tag für Tag dem Tod ins Ange sicht schauen muß, hat mit dos erste Anrecht daraus, daß ihm Lebensfreude und Familienglück erhalten bleibt. „Wie ilerdleMAWslmM Leusel msuchl mde" Von Walter Oberwinder Die Sonne blickte freundlich durch die Fenster des alten Schulhauses und bestrahlte eine Schar fröhlicher Jungen und Mädchen, dis ihre Freistunde benutzen, um allerhand Pläne für den Feierabend zu schmieden. Als der Lehrer das Klassenzimmer betrat, verstummte das laute Sprechen der Knaben und das Ge kicher der Mädchen. Der Lehrer schnupfte einmal, griff dann zur Geige und begann mit den Kindern einige Lieder einzuüben, denn es ivar heute Gesangsstunde. Die Mädel und die Jungen sangen so laut und so schön sie konnten. Nur dem August auf der vordersten Bank ganz nahe dem Fenster wollte das Lied nicht ganz so recht zur Kehle hinaus. Was war denn mit dem Kerlchen geschehen? Schon den ganzen Tag über saß er so bedenklich still auf seinem Platze und grü belte wie ein rechter Philosoph. Mit dem Rechnen wollte es garnicht gehen und bereits am frühen Morgen hatte er die erste Seite seines neuen Schulheftes mit einem dicken Tintenklecks geschmückt, so daß der Lehrer seinem Lieblingsschüler schon ernst lich böse war. Der kleine August, der sonst bei jeder Rüge seines Lehrers sehr empfindlich war, hatte die Mahnworte kaum ge- achtet. Er dachte über andere Dinge nach, die sein kleines Herzchen weit mehr beschäftigten. Tags zuvor war es gewesen. Da war der August mit dem Hans und dem Fritz und der Liesbeth im Garten des Nachbars spielen gewesen. Als die Mutter Liesbeth ins Haus geholt hatte, waren die Knaben noch beieinander geblieben. Sie erzählten sich, was sie am Nachmittage getrieben hatten. Es war auch zu schön In des Nachbars Garten. Liesbeths Eltern waren reiche Leute. Sie bewohnten ein eigenes Haus und besaßen einen Bäckerladen mit vielen herrlichen Dingen, die jedes Kinderherz erfreuen muß ten. Das Schönste aber vor allem war doch der große Garten, der sich hinter dem Hause erstreckte, mit seinen beiden hohen Aepfelbäumen, die gerade jetzt reiche Früchte trugen. Die roten Bäckchen der Aepfel unter den vielen Zweigen hatten es den Knaben besonders angetan. Von den Früchten des Baumes hatten die Jungen schon öfter zu kosten bekommen. Es war immer eine besonders große Freude für sie gewesen, wenn sie an den Aesten emporklettern durften, um das reife Obst abzu- nchmen. Gestern hatten die Kinder wiederum Aepsel bekom men. Sie verzehrten sie auf dem Heimwege. Als sie aufge gessen waren, da machte der Fritz den Vorschlag, einmal dafür zu sorgen, sich einen solchen Genuß reichlicher zu verschaffen. Der Hans stimmte bei und der August schwieg. Aber wie wollte man di« Erlaubnis erhalten^ einmal so viel von dem Obst zu nehmen, wie man gerade wünschte? — Der Fritz sprach davon, daß die Bäume doch für alle Menschen da seien, und daß der liebe Gott sie nicht allein für Liesbeths Eltern wachsen ließe. Der Hans stimmte bei und der August schwieg. Es sei über haupt eine Sünde, meinte Fritz, daß man so viel Obst allein einer Familie lasse, die Vorsehung wolle das sicher nickt, und be vor die Aepfel dort oben auf den Bäumen verfaulten, wäre es dach wirklich besser, sich einen vergnügten Tag zu bereiten, und sie zu verzehren. Der Hans stimmte wiederum bei und der August schwieg abermals. So redeten die Knaben noch eine ganze Weile, bis sie über einkamen. am nächsten Abend, sobald es dunkelte, in den Gar ten zu schleichen und so viel Aepfel, als man gerade fassen könne, zu stehlen. Fritz wollte auf den Baum klettern und die Aepfel herunterioersen. Hans wollte die Aepfel von der Erde aufsam meln und der schweigsame August sollte, wie inan zu sagen pflegt, Schmiere stehen. Der Tintenklecks, das schlechte Rechnen und der wenig schöne Gesang standen im engsten Zusammenhang mit diesen Plä nen des vergangenen Tages. Der kleine August grübelte und grübelte. Er wäre am liebsten davongelaufen, denn er wußte nur allzugut. daß er vor einer Tat stand, die nicht recht war. Aber was sollte er tun? Die Kameraden im Stich lassen, wäre Verrrat gewesen und das ging nie und nimmermehr. Da wurde er plötzlich aus seinen Träumen gerissen. Eine dunkle Röte überflog sein Gesicht. Der Lehrer hatte gerade das Lied angestimmt: „Ueb immer Treu und Redlichkeit." August sang das Lied nicht mit. Ihm war es, als müsse er in die Erde sinken. Aber er ritz sich zusammen, biß die Zähne aufeinander und nahm sich vor. einen Versuch zu wagen, die Kameraden von ihrem Beginnen fernzuhalten. Als die Stunde zu Ende war und die Kinder nach Hause gingen, drängte sich August schüchtern an Fritz heran und sagte ihm, daß er heute gar nicht recht wohl sei und ob man nicht ein andermal die Aepfel aus des Nachbars Garten holen könne. Der Fritz aber lachte laut auf und stieß den Hans an. Bald schallten beide August einen Feigling. So gab endlich August nach und als es Abend geworden war, trafen sich die drei am verabredeten Ort«. Sie schlichen an die Gartentür, die offen stand. Fritz huschte hinein. Ein paar auf die Erde gefallene Blätter raschelten. August schrak zusammen, aber er hielt stand, denn Hans gab ihm einen Rippenstoß und rief ihm zu, daß er nicht feige, wie ein Mädchen sein solle. August stand allein vor der Tür und wünschte sich in weite Ferne. Aber was half es, er mußte aus- halten und darauf achten, ob jemand des Wegs käme. .Ansangs, war ihm ganz unheimlich zu Blute, denn er wußte, was jetzt ge schehe, sei nichts anderes als grober Diebstahl. Als er aber eine Weile ruhig gewartet hätte und niemand des Weges daher kam, bekam er Mut und heimlich meinte er, daß die Geschichte ja nicht so schlimm sei, wie er ausangs geglaubt habe. Tie Aepfel seien wahrliaft nicht nur für den reichen Bäckermeister da. Weshalb sollte er nicht auch einmal von den Früchten dieses Baumes nach Herzenslust essen können. Da hörte er einen Fall, einen zweiten, dritten. ' Die Aepfel fielen von Fritz gewor fen zu Boden und Hans sammelte so schnell es ging die Schätze auf. Bald hatte man so viele beieinander, als in die Taschen und einen Sack hineingingen. Fritz kletterte vom Baum her unter, zwei dunkle Gestalten huschten aus dem Karten hinaus und alle drei liefen dann so schnell es ging nach Hause. Die Knaben verzehrten- von den Aepfcln in jener Nacht, soviel sie konnten. Dem kleinen August blieben die Stücke säst im Halse stecken, denn so oft er ein Siück abgebissen hatte, dachte er mit Schrecken daran, daß auch er durch die Aepfel zum Dieb geworden sei, der keinem ehrlichen Menschen mehr ins Ange sicht sehen könne. August drückte in jener Nacht kein Auge zu, seine Tat erschien ihm so schleckt, daß er sich zu den verruseud- sten Menschen rechnete. Er stöhnte laut, beten konnte er nicht. Er sann und sann darüber nach, wie er am besten die Schuld von seiner Seele wieder abwälzen könnte. Da kam chm ein Gedanke und sein Herzchen pochte vor freudiger Erregung. 10 Pfennige — ja gerade einen Silber groschen mochten die Aepfel wert sein und 10 Pfennige hatte er ja noch in seinem Besitz. Die hatte ihm eine gute Tante zu seinem letzten Geburtstage geschenkt und er l)atte sie sich aufgehoben, um sich einmal etwas besonders Schönes kaufen zu können. Am nächsten Morgen in aller Frühe stand er auf, kleidet sich an und frug die Mutter, ob sie nicht etwas vom Bäcker zu holen Hab«. Die Mutter gab ihm einen kleinen Auftrag und August eilte schnurstracks, so schnell ihn seine kleinen Beine tragen konnten, zum Laden von Liesbeths Vater. Er ließ die Tür zum Laden auf. sagte kaum „Guten Morgen" und kaufte für die Mutter das Gewünschte. Als er zahlte, legte er zu dem Gclde sei nen neuen Silbergroschen aus den Ladentisch und verschwand so schnell als möglich ins Freie. Das Mädchen aber, das ihn be diente, zählte das Geld, und als sie sah, daß ihr August 10 Pfen nige zuviel gegeben hatte, eilte sie zur Tür und rief dem Knaben nach, er möge schnellstens zurückkommen, denn er habe ihr zu-, viel Geld gegeben. Dem kleinen August halfen alle seine Be teuerungen nichts und er mußte den Groschen wieder an sich, nehmen. Traurig ging er damit nach Hause..
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)