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Aus Stadt und Land. tffortletzsuq au« dem Hauvulatt.) * Das Apostolische Glaubensbekenntnis. Sehr inter essant sind die Ausführungen, die wir in einer kirchlichen Vierteljahrsrundsckiau („Meißner Tageblatt", Nr. 254) über den Gebrauch des Apostolikums finden. Anscheinend rühren sie von einem protestantischen Geistlichen her. Sie lauten: „Das; die Leitung der preußischen Landeskirche nicht ans einem starren, toten Buchstaben- und Dogmenchristentum steht, sondern das freie Wesen echt evangelischen Glaubens entschlossen festhält, das beweist die Entscheidung des preu ßischen Oberkirchenrates in der Apostolikum-Frage. Der kirchliche Liberalismus fordert schon längst eine Beseitigung der drei christlichen Glaubensartikel bei der Tarife und bei der Konfirmation ans dogmatischen und seelsorgerlichen Gründen. Der evangelische Oberkirchenrat hat nach Ver handlung mit sämtlichen Generalsuperintendenten und Konsistorialpräsideuteu darauf Hingelviesen, daß es weder der evangelischeil Anschauung nach dem Inhalte der Agende entspricht, wenn das bei der Konfirmation abzulegende Glaubensbekenntnis als gesetzliche Verpflichtung auf den Wortlaut einer Bekcnntnisformel angesehen wird. Viel mehr lrandelt es sich um die Bezeugung, daß der Glaube der Gemeinden nach dem Maße der im Unterricht ge wonnenen Erkenntnis auch Glaube der Konfirmation ge worden ist, und um ein Gelübde christlichen Lebens, das iccht verstanden vor einem ernsten Konfirmanden ohne jede Unwahrhaftigkeit abgelegt werden kann." Wir müssen gestehen, daß wir uns unter dem letzten Save nichts denken können, wenn das Apostolisch« Glau bensbekenntnis nur eine Formel sein soll, der man „nach dem Maße der im Unterricht gewonnenen Erkenntnis" zu- slimmt. Wenn nun ein Geistesverwandter von Jatho, Traub »sw. diesen Unterricht gegeben hat. Wie stimmt dann das Wort des Apostolikums mit der gewonnenen „Er kenntnis" überein! Was heißt „gesetzliche Verpflichtung"? Gewöhnlich verlangt man von einem ehrlichen Menschen, daß er so spricht wie er denkt. Es heißt dann weiter: „Demnach ivird am Gebrauche des Apostolikums festge halten und zugleich der Geistliche beauftragt, über das Be kenntnis der drei christlichen Glaubensartikel völlige .Klar heit zu vermitteln und durch das so gewonnene Verständnis im positiven wie im kritischen Sinne — die Kinder zu befähigen, die Wahrheit des Gbnibens sich innerlich anzu eignen Diese Verordnung stellt gewiß die zurzeit einzig mögliche Lösung der äußerst schwierigen Frage dar, eine Lösung, die alle Parteien — mit Ausnahme d»r extremsten — von rechts und links befriedigen kann. —- Tie erwähnte bedeutungsvolle Verordnung ist auch für Sachsen äußerst wichtig, iveil auch in unserer Landessynode ein Antrag ver handelt worden war, der den Wegfall des Apostolikums bei Taufe und Konfirmation wenigstens möglich machen soll. Man ivird aber auch in Sachsen kann: eine andere Stellung sinnehmen können als in Preußen." Glücklicherweise denken auch in Sachsen noch längst nicht alle Protestanten ebenso. —* Die Maul- und Klauenseuche ist am 31. Oktober im Königreiche Sachsen insgesamt in 339 Gemeinden und 909 Gehöften amtlich festgestellt worden. Der Stand am 15. Oktober war 331 Genieinden und 879 Gehöfte. —' Der Verband für Jugendhilfe hielt am 1. d. M. eine Helferkonferenz unter dem Vorsitze des Amts gerichtspräsidenten Dr. Becker ab, in der der Vorsitzende einen interessanten Ueberblick über die fortschreitende groß zügige Entwickelung gemeinsamer Liebesarbeit aus dem Gebiete des Jugendschutzes gab. Der Gedanke von der Not wendigkeit einer organischen Zusammenfassung und gegen - festigen Ergänzung aller dem Jugendwohle dienenden Be strebungen habe in seltener Einmütigkeit bereits 56 Ver eine zusammengeführt. Unter vollster Wahrung der Selbst ständigkeit und Eigenart der einzelnen Vereine habe sich hier in vorbildlicher Weise eine Einigung vollzogen, die das gegenseitige Jneinandergreifen und die Gemeinsamkeit aller werktätigen Jngendhilfe verbürge. Von den einzelnen Gruppen seien besonders die Vereinigungen von Lehrern und Lehrerinnen, Aerzten, Richtern und Anwälten, Ge- meindcwciisenräten und Armenpflegern, Lokalrichtern und Friedensrichtern) ferner die Neferendarvereinigung beim Königlichen Amtsgerichte Dresden, die gesamten Geistlichen der Ephorie Dresden I, zu denen auch diejenigen aus der Umgebung Dresdens mehr und mehr hinzutrete», zu nen nen. Ta sich die Behörden bereit gefunden haben, hier von dein Vorstande des Amtsgerichtes kurze Notiz zu geben, der zugleich Leiter des Verbandes für Jugendhilfe ist, so laufen an dieser Stelle die Auskünfte über amtliche Maßnahmen nsw. zusammen. —* Der vierte Internationale Kongreß für Kunst unterricht tritt im August 1912 in Dresden zu sammen. Das Protektorat der Veranstaltung hat So. Kgl. Hoheit Prinz Johann Georg übernommen, während das Präsidium des Ehrenausschusses von Ihren Exzellenzen den Herren Staatsminister Dr. von Otto, Generaloberst Frhr. v. Hansen. DDr. Beck, Graf Vitzthum v. Eckstäbt und v. Schdewitz, sowie dem Minister des König!. Hauses Stautsminister a. D. v. Mehsch-Reichenbach gebildet wird. Außerdem ist ein Ehrenausschuß zusammengetreteu, dem zahlreiche bekannte und hervorragende Persönlichkeiten von hier und auswärts angehören. Den Ehrenvoisitz im Orts- und Arbeitsausschüsse hat Herr Oberbürgermeister Geh. Rat DDr. Beutler übernommen, g Der Kongreß wird m t einer Internationale» Zeichen- und LehrmittelauSstellung ver bunden sein und will wie seine Vorgänger den Zeichen- und Kanstunterricht auf eine immer festere Grundlage stellen sowie den hohen Wert des Zeichnens für die allgcincine Bildung wie für den Beruf zeigen und so daL Ansehen des Faches und der Fachgenossen fördern. Nach einem in London gefaßten Beschlüsse wird der Kongreß in zwei Ab teilungen arbeiten und zwar erstens für allgemein bildende Schulen und zweitens für beruflichen Unterricht. —' Die praktisch so wertvolle Abteilung der Dresdner Lesehalle, WaisenhauSstraße 9, 1.. die Zentrale der Adreßbücher des In- und Auslandes, kann den Vertretern von Handel und Industrie in Sachsen zu ausgiebigster Be nutzung dringend empfohlen werden. Eine unendliche Fülle Adressenmaterials bietet sich dar. Es sei erwähnt, daß vom Auslande zirka 100 Bände vorhanden sind, 300 deutsche StädteadrehbÜcher liegen aus und zirka 20 Fachadceßbücher. DaS Königreich Sachsen ist mit 270 Oiischaften vertreten. Auf die sehr geringe Benutzungsgebühr von 10 Psg. sei besonders hingewiesen. Auswärtige Firmen können sich die Vorteile der Sammlung durch 12 frankierte, mit einer Antwortkarte versehenen Anfragekarte sichern, die sür 3 Mk. abgegeben werden. Banden. (L a n d w i r t s ch a f t l. L e h r a n st a l t.) In den Kreisen unserer landwirtschaftl. Bevölkerung bricht sich immer mehr die Ueberzeugung Bahn, daß zu einer erfolg reichen Bewirtschaftung der heimischen Scholle auch eine intensive landwirtschaftliche Fachbildung unbedingt er forderlich ist. Ties beweist wiederum der starke Besuch der hiesigen landwirtschaftlichen Lehranstalt, welche, wie uns heute berichtet wird, am Dienstag den 2-1. Oktober vor mittags 9 Uhr ihr Wintersemester begonnen hat. Um 11 Uhr versammelten sich sänstlicl-e Schüler in der Aula, um durch Herrn Direktor Pros. Dr. Gräfe zunächst das Ergebnis der Prüfung zu erfahren und dann mit den be stehenden Schulgesetzen bekannt gemacht zu werden. Daraus hielt der Herr Direktor eine längere Ansprache an die ge samte Schülerschaft, in welcher er, dem Wahlspruche der Schule: Orn at Indai-a! folgend, zu freudigem Gehorsam, zu energischem Fleiß und zu wahrer Gottesfurcht, den Grundpfeilern einer sittlichfreligiösen Persönlichkeit, ein dringlich ermahnte. Die Ausführungen schlossen mit dem Gebet, welchem sich der allgemeine Gesang des Chorals: Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren! anschloß. Die Landwirtschaftliche Lehranstalt wird jetzt von 215 Schülern in sieben Klassen besucht. Das Schulgebäude hat nnt Rücksicht auf die erhöhten Raumbedürfnisse durch einen t on der Firma Gnde u. Löhnert, hier, ausgeführten inneren Umbau wesentliche Verbesserungen erfahren, die cs ermög lichen, den Schülern einesteils einen angenehmeren Aufent halt zu bieten, anderseits aber die Unterrichtsarbeit be sonders technisch zu erleichtern. H. Glauchau, 2. November. Der seit acht Tagen ver- mißte Webermeister Dürrer wurde in einer Rumpelkammer als Leiche ausgesunden. Ec hatte sich selbst entleibt. Großharthau, 2. November. Der Monteur Zscharnack ans Bautzen stürzte bei der Vornahme von Rcparatur- arbeiteu an einem Mast der elektrischen Leitung herab und spießte sich auf einem Staket aus. Er erlitt so schwere Verletzung, doß er verstarb. Hainichen, 2. November. Eine Gellert-Gedenktafel aus Marmor wurde am hiesigen Pfarrhause angebracht. Die Tasel zeigt folgende Inschrift in goldenen Buchstaben: „An dieser Stelle wurde am 4. Juli 1715 der Dichter Christian Fürchtegott Gellert geboren als Sohn deS da maligen Pfarrers Christian Gellert." Die Kosten sür die Tafel sind durch freiwillige Spenden von der Bürgerschaft aufgebracht worden. Das Pfarrhaus hat noch heute die selbe Gestalt wie zur Zeit der Geburt des Dichters. Uebrigeus besitzt Hainichen auch seit dem Jahre 1865 ein Denkmal GcllcrtS. Jöhstodt, 2. November. Die Errichtung einer Eisen bahnlinie von Jöhstadt nach Weipert wird hier von ver- — 1-14 — trauen und auf herzliche Zuneigung gegründet ist. Das ist bei uns der Fall. Und außerdem ist unser Bund durch Leiden und Entbehrungen, durch lange, harte Trennung gefestigt und geweiht worden." Der Hauptmann hatte schweigend zugehört. Jetzt heftete er seinen Blick vorwurfsvoll auf Trude, und seine Stimme zitterte merklich, als er sagte: „Auch mit Ihnen bin ich unzufrieden, Fräulein v. Linden! Ich habe so viel auf Sie gehalten und nun habe ich mich auch in Ihnen getäuscht. Aas ist bitter." „Es war keine Täuschung, Herr .Hauptmann." sagte Trude, „sondern eine Notwendigkeit. Sowohl Wolf als auch ich handelten unter dem Zwange der Verhältnisse. Sie wollten, daß Wolf nur ein reiches Mädchen heirate — -ch aber bin arm. Nie und nimmermehr hätten Sie Ihre Einwilligung zu unserer Verbindung gegeben, wenn Wolf Sie darum gebeten und Ihnen die Verhältnisse dargelegt hätte. Wir haben beide gekämpft und überlegt, auf welche Weise wir Ihre Zustimmung erhalten könnten. Aber wir fanden keinen Ausweg." — „Halt!" rief Wolf, „du verschweigst den besten Teil der Sache. Lord Bryan hat ihr nämlich ein Vermögen angeboten, ich glaube zwei- oder drei tausend Pfund — um das Hindernis der Armut hinwegzusck-affen. Aber Trude hat das Angebot mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen." „Ist daS wahr?" fragte der Hauptmann erstaunt. Ihm war es un faßlich, daß ein Mensch so viel Geld zurückweisen könne. „Ja — es ist wahr," sagte Trude einfach. „Ich wollte nicht um des Geldes willen in Haus Sonnenlerg geduldet sein, sondern um meiner selbst willen. Ich hätte mich lieber selber verachten müssen, wenn ich das Geld an genommen hätte. Denn, Herr Hauptmann, so arm ich auch bin, — meine Ehre steht so hoch im Preis wie die Ihrige und die eines jeden deutschen Edel mannes." „Und warum kamen Sie doch in mein Haus?" Trude lächelte. „Warum? . . . Das ist ganz einfach. Sie sollten mich selber kennen lernen, ohne Vorurteil und ohne Voreingenommenheit. Sie sollten sich überzeugen, ob ich würdig bin, die Gattin eines deutschen Edel mannes zu sein. Darum bin ich in HauS Sonnenberg gekommen — und weil ich Wolf liebte. Um ihm und mir den Weg zu bahnen, um Sie zu versöhnen — um ein wenig Freude in dies Haus hineinzutragen." ES war ganz stille. Trudes schlichte, herzliche Worte griffen selbst dem Hauptmann ans Herz. Er hatte sie ja immer hochgeschätzt, hatte sie verehrt aber so hatte er sich die Lösung doch nicht gedacht. Nicht allein Wolf und Trudes wegen, sondern vor allem, weil durch die alte Misere die Armut aufs neue begann . . . Nein — das durfte nicht sein. Diese Ehe war ungültig, sie mutzten sich trennen — das Haus Sonnenberg durfte nicht untergehen. Er erhob sich, setzte den Hut auf und trat hinaus auf den Parkweg. „Ich kann es nicht dulden, wenn ich es auch wollte," sagte er finster und grollend. „Ich finde nicht einmal eine Entschuldigung für diesen Betrug. Daß Sie auf diesen listigen Gedanken gekommen sind, mich quasi herum- zukriegen, sieht Ihnen gar nicht ähnlich, Fräulein v. Linden —" ' — 141 — Nach dem Mahle machte sonst Herr von Sovnenberg gewöhnlich sein Mittagsschläfchen; heute aber konnte er nicht einschlafen. Er stand hinter den herabgelassenen Jalousien und beobachtete, wer aus- und einging.. Er sah, wie Lord Bryan mit dem Angelstocke auszog, dann folgten Lady Bryan und Ellinor, die hinab ins Dorf gingen, um einen Spaziergang durchs Tal zu machen und dann durch den Park zurückzukehren. Eine halbe Stunde später verließ auch Trude das Herrenhaus und wandte sich direkt den: Parke zu. Das war ihm auffallend, da Trude um diese Zeit immer zu tun hatte. Als aber kurze Zeit darauf auch Wolf dem Parke zuschritt, war des Hauptmanns Erregung so groß, daß er den Schlafrock auS- zog, ihn zornig in eine Ecke warf und sich rasch zum Ausgehen ankleidcte. Mit hastigen Schritten eilte er dem Parke zu, der im ersten FrühlingS- schmucke prangte. Ringsum leuchteten weiße und goldene Blütendolden, im Grase blühten die letzten Veilchen, und ein süßer warmer Duft zog unter den Bäumen hin. Herr von Sonnenberg ging dicht am Rande des Weges, wo die überhüugcnden Zweige und Ranken ihn den Blicken verbargen. Eine gute Weile schritt er so fort, dann leuchtete vor ihm, fast ganz am Ende des Parkes, ein weißes Kleid auf. Das konnte nur Trude sein. Was tat sie um diese Zeit hier? — Der Hauptmann schlüpfte rasch in eine kleine Geißblattlaube, die hier om Wege in den Park gebaut war, und deren dichtes Blätternetz ihn völlig verbarg. Er nahm den Hut ab, trocknete sich die Stirn und schob dann die großen Blätter vorsichtig beiseite, um hinauszuspähen. — Es war wirklich Trude, die da durch den Park schritt. Und an ihrer Seite ging Wolf. Sie hatten sich bei den Händen gefaßt und Wolf schien lebhaft auf das Mädchen einzusprcchen. Am Ende des Parkweges kehrten sie um und kamen nun auf die Laube zu. Wolfs Wangen waren gerötet, und auf Trudes Wange» lag es wie stiller Jubel und selige Verklärung. Noch nie hatte der Lauschende sie so schön gesehen; auch ihr Gang war leicht und frei, sie schien förmlich zu schweben. Nun blieben beide stehen. Wolf sprach immer lebhafter, und endlich legte er seine Arme um Trude, zog sie an seine Brust und küßte sie. Ter Hauptmann war wie vom Donner gerührt. Er wollte rufen, aber seine Zunge war vor Staunen wie gelähmt. Was unterstand sich denn dieser Mensch? Ein paar Tage war er da und schon war er so vertraut mit Trude, daß er sie küßte. Und sie, die so Stolze und Reine — sie ließ es geschehen? Was war denn das nur? — Wolf schien völlig verrückt zu sein. Er umfaßte Trude, hob sie empor und trug sie unter lautem Jauchzen den Weg entlang. Und Trude halte ihre Arme um seinen Hals gelegt und rief: „Du bist toll! Laß mich los!" Aber sie lachte dazwischen so silberhell und jauchzend, daß man es wohl sah, wie eS ihr nicht ernst war mit ihren Worten. Ein paar Schritte von der Laube entfernt gab Wolf seine süße Beute frei, stellte sie auf die Erde, hob sie aber gleich wieder empor und küßte sie. Da fand der Hauptmann endlich seine Sprach wieder. Mit einem Schritte stand er draußen auf dem Wege, und mit seiner dröhnenden Kom mandostimme rief er, rot vor Zorn: „Wolf, was unterstehst du dich?" — ix«: ^HauS Sonnenberg."