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Sächsische Volkszeitung : 11.11.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-11-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-191111113
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19111111
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19111111
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-11
- Tag 1911-11-11
-
Monat
1911-11
-
Jahr
1911
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 11.11.1911
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Wir den Frieden, aber nicht ni» den Preis der Weltmacht stcllnng des Reick>es. (Lebhafter Beifall.) — Ter kleine Führer der konservativen. Herr v. He»)debrand, nahm nun das Wort; da er klein von Figur ist, muß er neben die Rednertribüne treten. >vo Staatssekretär v. Kiderlen- Wächter bisher saß. Auch er iviinschte eine Beratung der Kommissivn eur Prüfung der staatsrechtlichen fragen. Redner schildert sehr scharf die Vorgänge bei Entiassnng des Staatssekretärs v. Lindegnist, ivobei der Kronprinz in der Loge sehr lebhaft zunickt. Tas Abkoiiimen befriedigt die konservativen nicht vollkoniinen. Tie Kongobesitzungen nannte er ein „sragewidriges Objekt". Tas Reich habe zu wenig für sich heransgeholt. Was »ns nottnt. ist nicht Ent gegenkoinnien, sondern das deutsche Schwert. (Ter Kron prinz nickt dein Redner Beifall zn.) Solche Tischreden von Lloyd (George verbittet sich das deutsche Volk. (Stürmischer Beifall.) Tann kündigte er an, das; seine freunde alle Opfer zur Verteidigung des Vaterlandes bringen werde», und zwar von den Besitzenden, nicht von den Toten, sondern von den Lebendigen. Er forderte in flammendem Tone die Regierung ans, alles daraiiznsetzen zur Verteidigung der Ehre der Ration. Soll damit einer F l o t t e n v o il a g e der Weg geebnet werden? Wir möchten es bezweifeln, ob dieser Vorstos; des konservativen Führers geschickt war, wird die nächste Zeit zeigen. Tann kam der „alte Bebe l" an die Reihe, er polemisierte gegen Heydebraud, der de» .Urieg gefordert habe. Redner geht mit dem Verhalten der Nationalliberale» und freisinnigen Volkspartei scl)arf ins (Bericht, doch leerte sich das Haus immer mehr und Bebel fiel ab, anch als er den neuen Kladderadatsch ankündigte. Run kam der große Moment, wo Herr Basser m a n n das Wort erhielt. Es hatte ihn schon lange geplagt. Er rügte das dürftige Material, dann ging er zur scharfen Kritik des Reichskanzlers über, wobei er das Kunststück vollbrachte, die Marolkopolilit des fürsten Bülvw zn loben. Tie Rationalliberalen würden de» Vertrag ablehnen, trenn sie ihn zn grnehmigen hätten. Bassernian» lehnte es ausdrücklich ab, das; wir .Urieg führen sollten nni Marokko Hüllen: man wollte anch keinen Landerwerb daselbst. Aber Tcmtscbland stehe vor einer Niederlage, das müsse inan sage». Ter Ansban der flotte müsse sofort in Angriss ge nommen werden. (Allgemeines Oho!) TaS Hans ver tagte sich auf freitag. — Rkichrlanzlcrwcchsel? Zu Beginn der Donneistag'. sitzung des Rüchctages wnrae das (keucht v rbceitet, das; die Siellung des Reichskan;lerS schwer erschüttert seh Nach der Rede des konservativen führers v. H ydebrnnd soll er telegraphisch die Vertrauensfrage bim .Kaiser gestellt haben, J-aeiifill« steckt hinter all dielen (ve.lichten cin Stück Wahrheit. — Kronprinzen-Opposition. Die „Nalloiu.lzeitnng" veröffentlicht in den antgereglesten Lettern folgendes Sen- sationSgericht: „Wie wir aus Hoskreijen erfahren, ist der Kronprinz über die nach seiner Ansicht klägliche Marokko- Politik de« RUchtzkanzlerS und über den Rücktritt des Herrn v. Lindegnist sehr bestürzt. Der Kronprinz hat, wie uns zuverlässig mitgeteilt wird, mit seinen Viuderi-i sich von Danzig auS über dies- f age verständigt, um beim Kaiser daraus hwznwirke», das; diese Situation nicht noch Wetter Verfahren werde. Anch die Kaiserin soll für dieses gemein same Vorgehen interessiert werden. Selbst ein in solchen fällen ja immer p irates Dementi wird die Nichtigkeit dii ser Nachricbt nicht erschüttern " Das Bert uw Tageblatt und die „Post" glaube» diese Nachricht 'n stätigen zu sollen. Nach unserer Ansicht ist das Ganze nichts weiter als Hos- klalsch. Der Kronprinz friedlich Wilhelm weis; ganz genau, daß sich die Marolkocn rhandlnnge» auf Grund eines Pro gramms entwickelt haben, da« die Z ntnnmung seines Vaters am lä.Mai erhallen Halle. E»e Opposition gegen den Reichskanzler n,ä>e eine Opposition gegen dieses Pro gramm und in irüer Linie gegen de» Kaiser selbst. Bei seiner strengen Auffassung der militärische» Di-ziplin und woil auch voiilischen Disziplin ist hier eine Opposi-ion nicht denkbar. llacrgwck'ich Et, daß üb. r eine solche Möglicbk it üb rhaupt in der Pr. sie gesprochen wurde. Nachdem aber d e „Naiionalzeitung" dieses beunruhigende Moment in die Oeffentlichkeit geworfen, mufjle et» öffentliches Dementi erfolgen, um diese Nachricht au« der Welt z» schüfen. Ein solche« eisolgte auch, wie erwartet werden muffte: Das Kconp'tnzliche Hofinarschallaint macht bekannt: „Die Von der „N t'onalzeitnng" g.-brach e Notiz, wonach der Kron prinz eine gemein,ame Aktion'mit fetnei, Biüdein gegen den Reichskanzler plane, enlfpricht nicht de» Talsachen." — Eine bemerkenswerte Erscheinung bot sich, wie die „Germania" schreibt, in der gestrige» RcichStagSsitznng den Abgeordneten >»i". den Tribüne» dar. Der Kwnvrtnz d«r in der Hofloge den Verhmolangkii zum gröffie» Teil bei wohnte, appluudierte in sichtbarer Weile verschiedenen Bemerkungen einzelner Redmr welche tu mehr oder w »iger scharler Weise eine entschiedenere Hiltnnq d,r Regierung verlangten oder die Entlassung de« Heirn v L »reg nn kritisierten. Es war bisher nicht Brauch, diff dw in der Hvsloge und in d>r Diploinatenloge anwerenden Zuhörer sich änfferlich an BelsaNsbezengnnoen oder .Kiiiwa, bnngen des Miffsallen« beteiligten, wcs"alb das hentg' Ve>hüten deS Kronprinzen um so mehr Ausmerk amk.-ck im Hanse wie a»s den Tribünen erre en ninffte A> ch voni Bundes- ratSlische schien man die Betfallskundg, km», en d>« Kron prinzen genau zn verfolgen; ob sie dort ab.r angemhme Empfindungen auSge'öst baken ist eine andere F-aa>'. — Grnehmignng des. Reichstages erforderlich? Diese staatsrechtliche frage tritt niiii bei dem Marokkoabkomiiie» stark i» den Vorderg'iiiid, ziiiiial der Reichskanzler mir von einer „.Ke»iitiiisnal>i»e" etlvas wissen will, Im Reichstage ivird »lau anderer Meimiiig sei». Ter „Antrag" Baffer- iiiaiiii i»i Seiiiorenkonvent war zlrxir nnhalthar und im logisch. de»,, er ging im .Kerne auf eine Nichtachtung der lersaffiingSrechtlicheii.Bestimmungen hinans. Hier gibt es nur ein Entweder Oder, das heifft entweder müssen die neue» Verträge dem Reichstage gemäs; Artikel 2 der Ver- sassung znr Genehmigung vorgelegt iverden, dann bat e« unter alle» Umständen zn geschehen — oder sie fallen nicht unter diese Vorschrift, dann kann der Reichstag nicht n«l Inm eine „Ausnahme" von der Verfassung beantragen. Solche Ausnahmen zugunsten des Reichstages sind ebenso verwerf lich wie „Ausnahmen" zu uugunsten des Reichstages. Wer de» Antrag dieses eine Mal für zulässig hält, der könnte sich kaum mehr dagegen wenden, wenn cs einer anderen Seite einfallen würde, bei den nächsten Wahlen, nur dieses eine Mal, möge »ach dem preußisclien Wahlrechte gewählt werden. Eins ist so verwerflich wie das andere, so lange die Gesetze bestehe», müssen sie innegehalten werde»; am allerlebten darf der Gesetzgeber selbst eine Ausnahme zu seinen Gunsten wünschen. Alle diese Erwägungen treffen natürlich nur für die bestehende Gesetzgebung zn. Etwas anderes ist es mit Anträgen ans ihre dauernde Aenderiiiig; das sind da»» keine Ausnahmen, sondern Initiativanträge, die recht gut begründet sein können. Nun hat man er fahren. das; der Reichskanzler, die NechtSabteilung des Aus wärtigen Amtes und das Rcichsjustizamt einmütig der An- scl>a»nng sind, das; die neuen Verträge nicht unter den Ab satz l des Artikels 2 falle», also der Genehmigung des Reichstages nicht bedürfen. Man Ivird Wohl eine nähere Darlegung »nd Begründung dieser Auffassung bald erhal te». Tann ist der Zeitpunkt gekommen, wo der Reichstag zu prüfen hat, ob er sich dieser Ansicht anschlieffen kann. Tie Auffassung deS Reichskanzlers imd seiner Untergebe ne» kann »atiirgeinäs; für den Reichstag nicht entscheidend sein; er hat vielmehr selbständig und unabhängig zn dieser staatsrechtliche» frage Stellung zu nehmen. Kommt er zu der Auffassung, das; die Verträge doch der Geiiehniiguug bedürfen, so Ivird er seiner Ansicht den notwendigen Nach druck zu verleihen wissen. Tie Prüfung dieser Vorfrage ist uin so gebotener, als in de» fragen der Zuständigkeit deS Reichstages dieser schon öfter anderer Ansicht war als der Reichskanzler; es sei nur an das Jiideiiinitätsgesnch von 1!I05>/00 erinnert Ter Reichskanzler führte die Expe dition »ach Südwestafrika ohne Zustimmung des Reichs tages ans; der Nachtragsetat enthielt keinerlei Jndemni tätsgesnch, die Bndgetkoinmissioii sah aber einimilig die Rechte des Reichstages verletzt. Taransbin hat der Reichs kanzler sich zn einer andere» Auffassung begnemt und In demnität nachgesncht. Anch damals kam man zuerst mit Nechtsgiitachten, anch vom Reichsjustizaiiite. An andere ähnliche Vorgänge soll nicht weiter erinnert werden. Man sieht daraus nur das eine: der Reichstag liins; unabhängig und selbständig prüfe», inwieweit die »eneii Verträge sei ner Zustimmung bedürfe». Tie alleinige Erklärung des Reichskanzlei') genüg, nicht. Tas; die Konsegnrnzeii der Vertröste der Genehmigung des Reichstages unterliegen, ist ganz klar; ma» denke »nr an die Ausgaben für das Kom- peiisatioiisgebiet. Diese können ohne Zustimmung des Reichstages »ie erfolge». Lehnt der Reichstag die hierfür c iforderlichen (Helder ab, so bat er materiell das ganze Ma- > okkeabkoniiiien abgelehnt, nicht sorniell. Genehmigt er die neuen Ausgabe» für die Kangogebiete, so drückt er sein Einverständnis zn de» Verträgen auch materiell ans, »icgt formell, Insofern bedeutet das Bndgetrecht des Reichstages das »nichtigste Reichstagsrecht, bei dessen guter Handbabniig viel z» machen ist. Eine etwaige Ablehnung der neinm Ko- lonialsordernngeii für das Kongogebiet würde zwar de» dent'ch französischen Vertrag nicht hinfällig machen. In der lentiaen Situation rächt es sich, das; der lOOö/OO vom Ab geordnete» Erzberger gestellte Antrag, die Rechte des Reichstages ans den, Gebiete der Kolonialgeietzgebnng zn erweitern, so lässige Aufnahme fand, und aas; der Reichs tag nicht mit mehr Kraft ans diese heute doppelt notwendige Reform drang. Tie Regierung ihrerseits tat gar nichts, sonder» speiste sie >007 mit leeren Worten ab. Es wird eine der wichtigsten Ansaaben des neue» Reichstages sein, diesen Antrag i» das „Reichsgesetzblatt" zu überführe», denn bei sinngemäßer Ausgestaltung wären heute alle Zweifels fragen glatt gelöst, Bei der gestiegenen Bedeutung der Schutzgebiete und ihren hohe» Kosten für das Mnttcrlaiid rechtfertigt sich die Einengung der Kolonialaiitokratie ohne N etteres. Man darf hosse», das; dies- »nn anch die Nativ naltiberalen enlgege» ihrer bisherige» Haltung einsehen iverden. — Genehmigung der Verträge durch deu NelchStvg. DaS Ze tnlm hat, w'c >chon erwähnt, folgenden Geietz- entwmf voroelegt: „Als 8 l v hinter den 8 l des Schutz lebietg setze« einznschalten: Die Grenzen eines jede» Schutzgebietes löm en nur tnrch ein Gesetz geände't w rden." Daneben nertiiit da« Zentium einmütig die Auffassung, das; (nute schon gemäß 8 >> "»d 8 ^ der Reichsvcrfassnng sie V rträge der Genehmigung zn unterbreiten sind. Die Nalionastiberale» kennt, agen. den Reichskanzler zu ermchin, eine» Gesetzentwms ei> zubringcn, wonach unter Klartzellimg oder Aenderung der Retchsverstffstmg ansgesp-ochen wird, das; die Erwerbung und di' Veränffcrung von Schutzgebieten iwr form der RetchSgelctzgebimg (Artikel 6 der NeichSncr saffnng) bedüifen. Aehnlich lautet der Antrag der frei- sinnt en, die auch die Vorlegung eine« Weißbuches fordern und de ' Vertrag der Bndgeikommission zur Prüstmg und Berichte-lta'tuaq überwiesen wissen wolle». Die Sozial- d-mokraten beantragen, noch in dies r Session dem N ichstag einen G'sktzentwnrs zn unterbrcilen. wodll'ch ausdrücklich dec Artikel I l der Reichsverfvssnng eine Abänderung dahin- aebend e> fährt, daß alle Verträge nfft fremden Staaten zu ihrer Gültigkeit die Genehmigung de« N ichstages erfordern. Es ist also eine große Mehrheit des Reichst iges darin einig, daß die Verträge zur Ge, ebmtgung vorzulegen sind, »nd eS wäre dringend zu wünsch'», daß der Reick>Ska»cker dieser Forderung keinen Widerstand mehr entgegensetzen wü de Hier kann es tatsächlich noch zu einem Politischen Konflikte kommen. In einem Ausrufe, der n. a. von de» Direktoren der Hamluirg Amerika-Linie sowie des Norddeutschen Llovds, ferner von hervorragenden industrielle» und Vank- sirme» unterzeichnet ist, wird gegen die anläßlich des Ab schlusses des deutsch-französische» Abkommens eingeleitete Agitation Front gemacht, die geeignet sei, dem Ansehen und der Machtstellung des Deutschen Reiches im Auslände zu schade». Alle deutsche» Männer werden zur geiueinsaweu Weiterarbeit an Deutschlands kolonialer und wirtschaftlicher Zukunft aufgefordert. — Verpaßte Gelegenheiten in der Marokkosrnge. Nun- wehr koinnit die Wahrheit über, die Marokkofrage iiiinicr deutlicher hervor und cs zeigt sich dabei, daß unter Bülvw mehr als eine schöne Gelegenheit verpaßt worden ist. Selbsi. die „Kreuzzeitg." gesteht nunmehr ein: „Die eutscheideiiöe Phase der marokkaniscl-eir Ange legenheiten beginnt schon mit dem Jahre 1001, als Del- rass6 sich mit de», spanischen Minister Sitvella Wege» Ma rokkos zu verständigen suchte. Tie Verliaiidlnngen zwischen den zwei Kabinetten haben lange geschwebt, und es ist eine Tatsache, daß der spanische Botschafter in Paris, del Muni, zu diesen Verhandlungen Tentschland hinzuznziehe» sich bemühte. Diese Bemüliiingeii haben in Berlin nicht das gewünschte Interesse gesunde». Erst nachdem die Versuche. Tentschland zn gewinnen, ohne Erfolg geblieben, hat Tel- cass6 sich mit England über Marokko zu einigen gesucht. Das Ergebnis war der marokkanisch-ägyptische Vertrag von lOOst. Ebenso fest steht, und daran kau» das Hamburger Blatt nicht rütteln, daß, nachdem die Haltung Deutschlands den Sturz Telcassä-s im Juni 1005 erreicht hatte, der neue französische Ministerpräsident mit Tentschtand sich friedlich zn verständigen suchte Ronvier lies; dem Iiirste» Bülom einen vollständigen Kolonialvertrag anbiete». ähnlich wie er i,n Jahre zuvor zwischen England und Frankreich ge- schlossen worden war. Ter französische Minister war dabei von der stille» Absicht geleitet, nicht völlig in englische Ab hängigkeit zn geraten, und er hat wiederholt seine lieber raschnng geäußert, das; er von deutscher Seite nicht das ge ringste Entgegenkommen fände. Es ist schwer zu begreifen, warum Fürst Bülvw ans dieses Anerbieten, das territoriale Zugeständnisse ermöglichte, nicht einging, sondern bei der bereits anfs Tapet gebrachten Konferenz hartnäckig bc> harrte. Damals sprach er zu dem französische» Botschafter drohend voll dem Abgründe, der sich zwischen den beiden Nationen öffne. Anscheinend hat sich Fürst Bülolv von der falschen Voraussetzung leiten lassen, er werde ans der Kon ferenz die Unterstützung der sremden Mächte finden, wäh rend wir bekanntlich dort fast gänzlich isoliert standen. Wie ahnungslos in dieser Beziehung die damalige Leitung un seres Ansivärtigen Amtes war, das geht ans der Anfsnssiing hervor, die man in Berlin von der Reise des englischen Ge sandte» Lvlvther an den scherisischen Hos hegte. Sie wurde bei uns offiziös dabin anSgelegt, daß Lowther beim Sultan Einspruch gegen das Verhalten des französischen Gesandten eihebe» iverde. Diese durch die Ereignisse völlig widerlegte Vorstellung und ähnliche irrtümliche Anschauungen haben Mitschland zu der Konferenz geführt, deren ungünstiger Ausgang eigentlich nur von Bülolv und seinem in dieser Frage velhängnisvvllen Berater Holstein nicht voransge- sehen wurde." Wollen daher die heutigen überscharfe» Kritiker nicht cinen Teil ihres Unmutes gegen Bütow kehren? Tic Fcucrbkstattuilg. Tie bayrißhe Kammer der Abgeordneten verhandelte am !>. d. M. über eine Inter pellation Güntlier und Genvssen (Liberal) beir. die Zu lassung der Fenerbestattniig in Bayern. Minister v. Breil reich erklärte: Tie havrische Regierung habe wiederholt so wohl in de» Kaiiliiiersitzniigen als auch in niinisterietlen Entschließungen den Standpunkt vertreten, das; die Feuer bestattung in Bayern zurzeit nicht zngelassen iverden kan», da die gesetzliche Grundlage zn einer polizeilichen Regelung tzierfür in Bayern sehlt, eine solche aber znr Wahrung der bei einer Fenerhestattnng in Betracht kommende,i reli giöse». ethisch.'», sanitären und kriminellen Rücksichten aber nicht zu entbehren sei. Tie Satzungen einer gemeindlichen Fenerbestattniigsanlage genüge» zu einer solchen Regelung nicht, denn ihre Uebertretiing kann, soweit sie die Vorans- setznnge» für die Ausnahme einer Leiche znr Einäscherung sestseht. lischt mit Strafe bedroht werden. Ihre Beachtung hängt schließlich nur von der Gewisseiihastigkeit der niit dem Anstallshetriebe betrauten Beamten ab. Nach den vor- lieaenden Erhebungen entbehren mit Einschlns; von Elsaß- Lothringen i» Tentschland nicht drei, sondern noch zehn Staaten einer Reaelnng der FenerbeslaUniig. Im übrigen ivird in Bayern niemand gehindert, eine Einäscherung seiner Leiche aiiznordne». Nur wird der Vollzug einer solchen Anordnung (Heiterkeit Unks) durch den Mangel von bay rischen Fenerhcstatinngsanlagen etwas erschwert. — Toleranz »nd Liberalismus. Akatholische Blätter bespreche» in Ausdrücke» gewählten Lobes ein vor kurzem nn Verlage von K. Winter in -Heidelberg veröffentlichtes Werk des bekannten badischen Geheimrates Mar Föhren- bach, ni» darzntnn, das; Liberalismus und Toleranz selbst verständliche Begriffe sind. Wie wenig aber trotz vieler Vorzüge gerade das Föhrenbasche Buch für diesen Zweck ge eignet erscheint, zeige» folgende Tatsachen: 1. spricht er von den kirrhentrene» Katholiken, die etwas mehr sein wollen, als bloße Tcinsscheiiikathoiiken, als von „Nltrawonlanen". olme zn bedenke», das; dies für diese Lenke eine Beleidigung ist. Ebenso nennt er wiederholt die Zentrniiispnrtei „»ltra- inoiitan": anch dies ist für die Anhänger der Partei eine Beleidigung. 2. Ter sonst so hochstehende und vorurteils-- sreie Negieriingsbeamte zeigt sich als sesuiteiische» und vor eingenommen gegen diesen hervorragenden Weltorden. Er teilt für Beibehaltung des für die .Katholiken so verletzen den 8 l des Jesilileiigesetzcs ein, das ein Ausnahmegesetz ist, da gilt kein Drehe» und Wenden. Wenn er eine» Ausspruch Baiimstarks ans seinem gehässige» Werke „Plus ultra" an- führt, ist dies kein, glücklicher Kronzeuge. Er behauptet von der Zeiitnmispartei, das; sie anfangs „reichsfeindlich" gewesen sei. Natürlich handelt es sich dabei um niißver- ständliche Eindrücke von den drei Prvgraiiimsätze». die sich die Zeiitriiinspartei zn Anfang der 70er Jahre znr Grund lage und Richtschnur ihrer Tätigkeit genommen hat. Lide- ralc Blätter führen Geheimrat Föluenbach auch gern als Beweis dafür an, daß gute Katholiken gleichzeitig katho lisch und liberal sein können. Anch diese» Versuch beleuchten obige Tatsachen recht treffend. — „Ein Gristlichcr gegen die Vergnickung tw» Religion und Politik." Unter dieser Ueberschrist zitierten dieser Tage verschiedene Blätter einen im „Oberrheinischen Pa- stvralblatt" erschienenen Artikel des Pfarrers Pfister von Friedrichsfeld (Kreis Mannheim), der die politisci>e Tätig keit des Geistlichen in die Vereine und die Presse und nicht ans die Kanzel verlegt wissen wollte. Mehrere Zeitungen fügten dem hinzu:
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