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Dinistag, den 3 Juni tS24. Sir. Is8, Seite 4 t .! i !ti Bausteine für das - Ä Realschule und Internat zu Dresden werden von jetzt ab vergeben. Lin jeder Leser unserer Zeitung möge für die Ausbildung unserer geistigen Führer in unserer sächsischen Diaspora nach seinem gegenwärtigen Rönnen einen Betrag, ganz gleich in welcher höhe, auf das untenstehende Postscheckkonto ein senden. Nach Eingang der Sendung erhält jeder Spender eine mit dem künstlerischen Entwurf des geplanten Gymnasialgebäudes ver sehene Urkunde über die Erwerbung seines Bausteines, wir hoffen, daß an diesem großen Werk sich jeder Ratholik beteiligen wird. Die Beträge wolle man einsenden auf das Postscheckkonto Dresden MH? unter dem Rennwort „Baustein für St. Benno-Gymnasium" !>lm Schloß Lismoyle Erlebnisse in Irland von V. M. Croker. Autorisierte Uebersehung aus dem Englischen Von Alwine Bischer. (Nachdruck verboten.) (4. Fortsetzung.) Miß Kyle war kaum auf ihrem Stuhl gelandet, als Lady Bydon mit ihrem Sohne eintrat. Sie war eine hübsche Dame mit weißen Haaren, gehörte einem sehr exklusiven Gesellschafts kreise an und genoß den Nnf einer hervorragenden guten Bridge- spiclerin und liebenswürdigen Wirtin. Auch der Rittmeister war in seiner Art ein schöner Mensch, vielleicht etwas gar zu tief brünett, dabei ein vorzüglicher Tänzer und Schütze, immer tadel, loS gekleidet, Mitglied eines feschen Klubs, und ein Mann, der in London bei keiner vornehmen Hochzeit, bei keinem großen Diner oder Ball fehlte. Obwohl er kostenfrei bei seiner Mutter in Lowndes-Square lebte, so hieß es doch, Algy Bydon stecke bis über die Ohren in Schulden — die Folge von Hasardspiel, Weiten und Gcldspekulationcn. Es wurde auch gemunkelt, er beabsichtige das Verlorene durch eine reiche Heirat wieder einzubringen und habe Miß Keyle als seine Zukünftige erkoren. Ilnmittclbar nach Vydons erschienen Lady Dolly Lacy, eine hübsche, lebensprühende junge Frau mit ungewöhnlich ausdrucks vollen Augen. Sie war »ach der allerneuesien Pariser Mode gekleidet und von zioci Gardcoffizieren eskortiert. Die Erzählung von Mis; Kyles Plänen wurde von den Gästen zuerst mit ungläubigem Staunen angehört, dann folgte eine Flut von Gegenvorstellungen und Erörterungen. Ein Stückchen Butterbrot zwischen den feinen, wohlgcpflegten braunen Fingern, die funkelnden dunklen Angen auf Rhoda gelastet, sagte Rittmeister Bvdon: „Ich werde Sie jedenfalls in Irland mal aufsnchen Miß Kyle — und >dann Bericht über Sie erstatten . . . hm, hm!" „Das würde sich kaum für Sie lohnen," entgegnete sie leichthin. „Kilbeggan, sagten Sie, nicht wahr? Da^ liegt mitten in eineni famose» Jagdrevier. Ganz gewiß, Sie kriegen mich mal zu sehen" — er nickte lebhaft — „zwei Fliegen mit einer Klappe, ha ha — wie heißt Ihre Tante?" „Eonroy — Madame Conroy." „Eonroy..." wiederholte einer der Gardcoffiziere. „Als ich vor drei oder vier Jahren in Indien zur Jagd war, Hab' ich einen Eonroy kennen gelernt — er stand bei einem bengalischen Kavallerieregiment — ein tadellos schneidiger Kerl. Sah brillant aus in seinem blau und goldenen Turban und war immer vorne dran im Polo und allen Reilerkünsten. So ein Turban kleidet dock, ausgezeichnet. Diese indischen Bengels wußten wirklich was hübsch ist." „Probieren Sie es doch einmal, ob sich solch ein Turban nicht auch in Ihren, Regiment einführen ließe," schlug Rhoda vor. „Ja . . . wenn ich das nur könnte!" „Sie habe» jetzt wenigstens eine Idee für den nächsten Mas kenball." „Wenn Sie wirklich nach Irland gehen, Miß Kyle, dann ist cs für Sie vorläufig mit den Maskenbällen vorbei. Sie werden ei» trostloses Dasein führen." „Schrecklich, nicht wahr?" stimmte Lady Dolly bei. „Eine ganze tolle Idee; schon ganz heiser habe ich mich geredet Ich möchte so brennend gern, daß sie mit mir nach Schottland ginge!" „Das weiß ich, und das ist sehr nett von dir, liebste Dolly, aber der Würfel ist nun mal gefallen, die beiden Alten haben bereits ihren Segen dazu gegeben, und meine Parole heißt jetzt: Erin go Bragh!" (Es lebe Irland!) „Diesmal ist wirklich Hopfen und Malz bei ihr verloren!" rief Lady Dolly, indem sie aus ihren beredten Augen einen ver zweifelten Blick zu einem der beiden Gardeoffiziere hinüber warf. „Und wissen Sie, in diesem Irland ist es entschieden nicht so recht geheuer." „Sie denken wohl an Kapitän Boykott*), an Banshees**) und die Rauflust der Irländer?" „Ach, nein aber unheimlich ist dieses Irland immerhin, ein weltabgelegenes, nebelhaftes Land. Da wäre es mir noch tausend mal lieber, Rhoda ginge nach China!" Drittes Kapitel. Nachdem Mrs. Kyle und Madame Conroy formelle Briefe gewechselt hatten und mehrere schreckliche Gcfühlsergüsse der irischen Tante an die Nichte cingctroffcn waren, wurde endlich beschlossen, das; Miß Kyle, die stets wußte, was sie wollte und es auch dnrchzusetzen verstand — ihren Willen haben und nach Irland gehen sollte. Eine Woche später stand sie dann auf dem Bahnhof Euston, »m nnt dem Nachtexpres; abzufahren. Die junge Dame sollte so bequem als möglich reisen und war von ihrer Jungfer mit Namen Parker begleitet, einer selbstbewußt aussehenden, blassen kleinen Person mittleren Alters, die sich vorzüglich daraus verstand, ihre Herrin stets in passendster Weise ans ihrer .Hand hervorgehcn zu lasse» und die auch im Packen und Reisen Erfahrung hatte. Ihre Erfahrungen hatten sich freilich bis jetzt auf Aix und Monte Carlo beschränkt, wo ihr Geschmack für feine Weine, Kaffee und leckre Gerichte sehr geschärft worden war. Auch keine einzige von ihren Kolleginnen war je bis in den „Westen" vor gedrungen, doch hatte sie die dunkle Vorstellung, daß Irland ein Land sei, wo cs viel regnete, und die Einheimischen händelsüchtig waren. Dennoch entschloß sie sich das Risiko zu unternehmen und die Reise mitzumachen, denn Mrs. Kyle pflegte mit dem Lohn nicht z» knausern und außerdem hatte Miß Parker ihre junge Herrin gern, die gutmütig und freigebig war, und mit der sie Ehre einlegen konnte. Die vielen Menschen, die sich auf dem Bahnhof eingefunden hatten, um Rhoda Kyle nochmals Lebewohl zu sagen, waren ein beredtes Zeugnis für ihre Beliebtheit. Denn hatten sie nicht alle das Opfer bringen müssen, entweder zu unerhört früher Zeit zu *) Boykottieren; nach^dem irischen Kapitän Boykott, dem zuerst eine solche Behandlung zuteil wurde. **) Banshees; in Irland und Schottland; Geist in Gestalt einer kleinen alten Frau, der in vornehmen Häusern einen TiHes- fall durch Trauergesänge vorher anzeigt. dinieren oder aber ohne Rücksicht auf etwaige schlimme Folgen ihre Mahlzeit in der Hast hinnnterzuschlingen? Die Reisende erschien in Begleitung von Mrs Kyle und Doktor Ambrose auf dem Bahn» Hof, wo sich bereits Lady Uydon und ihr Sohn eingefunden hatten, ferner Lady Dolly mit einem ihrer Verehrer, Oberst Marshall und seine Frau, ferner ein gutmütig und etwas abgc- arbeitet anssehcnder Dechant, ein bekannter Porträtmaler und nach so viele andre, die alle zu erwähnen zu weit führen würde. Umringt von dieser Schar stand Isaak KylcS Erbin in cinent langen seidenen Neisemantel und mit einem großen Straus; Mai- blumcn in der Hand, einem Abschiedsgeschenk von Lord FinSbncy, der sich anßerhnlb des Kreises herumgedrückt und ganz besonders häßlich und betrübt aussah. „Auf Ehre, Sie haben etwas Bräutliches an sich!" bemerkte Rittmeister Bydon, indem er das junge Mädchen aus seinen schwarzbewimverten Augen fixierte. „Ihr weißes Buket die vielen Freunde — es sieht ganz so aus wie wenn einem Neuvermählten Paar das Abschiedsgeleite gegeben wird. DaS Einzige was fehlt, ist der glückstrahlende Gatte. „Der in diesem Falle aber durchaus nicht gewünscht wird," antwortete sie mit großem Nachdruck. Rhoda konnte Algy Bydon nicht ausstehen, und wenn er sie so wie jetzt anschmachtete, hätte sie chm für ihr Leben gerne eines aitzSgcwischt. r e-- . „Nicht wahr, mein liebes Kind, du nimmst dich sehr in Acht," flüsterte die Tante ihr zu. während sie sich im Schlafwagen von ihr verabschiedete und sie herzlich umarmte. „Telegraphiere gleich morgen und schreibe mir jeden Tag nach Aix und recht ausführlich. Ich fürchte so sehr; das; dir schlimme Enttäuschungen bevorstchcn, man sagt ja, in Irland ereigne sich stets da'- Unmög liche, das Selbstverständliche aber nie. Ach, mein liebes Trotz- köpfchcn was gäbe ich drum, wenn du nicht dorthin gingest!" „Leben Sie so viel als möglich im Freien, aber vermeiden Sie die Zugluft," ermahnte der Doktor, als Rhoda unter der Schlafwagcntür stand. „Sorgen Sie dafür, daß Sie keine nassen Füße bekommen und verlieren Sie ihr Gepäck nicht." „Und vor allem nicht Ihr Herz," ergänzte Rittmeister Bvdon, der sich herangedrängt hatte und den hübschen, dunklen Kopf über des Doktors Schulter streckte. „Lassen Sie cS ja nicht in Irland zurück, mein liebes gnädiges Fräulein." Er hatte entschieden eine Schwäche für Rhoda Kyle. Eine Schönheit war sie zwar nicht — aber was für eine Gestalt —- tadellos! Hände und Füße entzückend. Freilich ein kalter, unnah. barer kleiner Satan war sie, und es schien ihr eine ganz besondere Freude zu machen, ihn immer wieder in seiner Eigenliebe z» ver. letzen. Und ihre Familie! Wenn sie auch „hochgeboren" aussah bis in die Fingerspitzen, so wußte doch jedermann, das; der alte Kyle sich aus dem Nicksts zum reichen Manne emporgeacbeitet hatte und zwar vermittels Wolle. Einerlei, seine Enkelin besaß jedenfalls einen hübschen Sack voll Geld — hundertfünfzigtauscnd Pfund im Jahr wurde von manchen behauptet. Ja, ja. er wollte sie nicht aus den Augen verlieren und sie in Irland aufsuchen. Mit einem langen Händedruck verabschiedete er sich von der jungen Dame. / (Fortsetzung folgt.)