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Sächsische Volkszeitung : 13.03.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-03-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192403131
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19240313
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19240313
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-03
- Tag 1924-03-13
-
Monat
1924-03
-
Jahr
1924
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 13.03.1924
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Nummer 62 — 23. Jahrgang v mal w^chentl. verustrpreiü kür Mörz 2L6 Rent.-Mart Anreiiiear Berechnung der Anzeigen nach Rent.-Mark «>e>ie: Tie eingeipaltene Petitzeil» Lv<j s. Familien-u. Ve»ei»sanzeigen, Gesuche 15^. Die lletit-Reklamezeile 8V mm breit, 1 Osieilen, rbühr iür Srlbstabboler 15«). bei I ebeilendung bnrck die Post außerdem'1-or«öuiich>ag. krei; litt üle kinrelnummer io kenlrn-rienntg. VeschüItUcher Teil: Jo je« tzovmann. Dreodrn SMssscke Donnerstag, 13. März 1924 Im Faste böberer » eivalt erl'ickt irde Vervllickiungauk Lieteruna iowie Erfüllung non Anzeiaen-Auttrngen und Leistung von Sckodener>as. Für undeuilich und durckFern- 'precker übermittelte Anzeige» übernebme» wir keine Ber- antwortuua. Unverlangt eingelandte und mit Rückporto nicht veriebene Manu'krivte werd.n nich! auibewahrt. Sprechstunde der Redaktion 5 bis 6 Uhr nachmittag«. Haupftchriftleiter: Dr. Josef Albert, Dresden. <Setil,af»Ss<»«e der Liichftschr« VoItS>et«, v« nnd Tr»a und >vr> lag - Suxonla-Vuchdnukeret NnibH., ^ Dresden-«, i«. e-o!dei»slras,» iS, gernrut S'/IW, Post- ^ lchecklonlo Dresden I17S7 MW1W WO Mil * Ae Bell Lee Mil» M neue Mn» Medaktion der SäctiükN,«» VolkSzriluug Dresden-A. IS. Hoibclnsimtze «ü. gercirin S27W nnd WSSN Das „politische Spiel" der Novembertage Die Aussaoen des „Statthalters der Monarchie" — Die Hauptaufgabe des neuen belgischen Kabinetts: die Lösunq der Reparationsfrage — Der abgesetzte Kalif fordert zu einem groben Religionsbongretz auf — Der Parchimer Mordprozetz Die Nernkhimmz Dr. v. Kahrs Münch«», 12. März. T,e Verhandlung am Dienstag be ginnt sofort mit der Vernehmung des Regterungspräsioentew Tr. v. Kahr, der ebenfalls unvereidigt vernommen wiro. Dr. v. Kahr erklärt: Ob unvereioigt oder vereidigt, ich werde nur das anssage», was ich für wahr kalte. Ec kommt weiter zunächst auf seine Ernennung »um Generalstaatskommissar zu sprechen und führte aus, wie die Entwicklung der wirtschaftlichen und politischeil Lage einem immer größeren Wirrwarr und de», Zusammenbruche entgegenaingen, als ihm die gesamte vollzie hende Gewalt übertragen wurde, und fuhr fort: So schien es auch mir nach den glorreich» Beispielen der Weltgeschichte als brennende Notwendigkeit, zur Lösung des Wirrwarrs im Reiche ein unparteiisches Direktorium zu schasse», das iu seiuem Ziele auf die Wiederherstellung der deutschen Währung bedacht und auf die wirtschaftlichen und militärischen Machtsak toren gestützt, frei von alle,» Druck, frei von den wechselvollen Einflüsse» des Parlamentarismus die zur Errettung oes Vater landes notwendigen Maßnahmen treffen konnte. Tie Mitirbeit Bayerns an dieser Aufgabe war nicht als eine militärische Aktion, sondern als politischer Druck gedacht. Nun hatten Loiwn» und Seisier wiederholt von oen Eedankengänge» Hitlers Kennt nis genommen, wonach eine in Bayern ausgerufene nnd mit Waffengewalt vorwärts zu treibende Diktatur Hitler-Lu- dendorss der wirtschaftlichen Not im Reiche begegnen tönne. Lossow. Seisser und ich haben von Anfang an diese» Ge- danken immer wieder a,S booen.os und katastrophal sür Bayer» und das Reich bezeichnet. Meine Beziehungen zu General Ludendorfs waren rein gesellschaftliche. Ich war mir vvllkominen klar, wie dies auch von Lössiw und Seisser stets betont wurde, welche unheilvolle Folgen ein bayrischer Marsch nach Berlin sür Bayer», für den Bestand des Reiches, uno für die ganze nationale Be wegung haben müßte. Es mußte überdies mit einer militäri schen Aktion Frankreichs, der Tschechoslowakei und Polens ge rechnet werden. Ter Vormarsch Hitler müßte nach unserer An schauung zu einem zweiten Kriege von 1866 werde» und oazu führen, daß das einzige durch jahrelange mühevolle Arbeit des Generals von Seeckt und seiner Ossiziere ausgebaute In strument der Reichswehr zerschlage» würde. Ich habe nach Uebernahme des Geueralstaatskommissariats die Vertreter sämtlicher vaterländischer Verbände am 7. September §u mir eingeladen. Es war dies die erste Be sprechung, die ich in dem neuen Amte hatte. Ich habe keinen Zweifel daran gelassen, daß die S t a a t s a u t o r i t ä t wieoer zu ihrem Rechte kommen mußte, nnd daß ich gegen Ausschreitun gen Vorgehen würde. Als die vierzehn .Hitierversanimlungeil verboten wurde», lehnte cs Hitler ab, sich von Seisser zu mir bringen zu lassen und bemerkte, daß ich, ohne es zu wisse», i m B a ii n e d e r K u rir stände. Meine Kreise gingen nach Rom. seine nach Benin. Anfang November verdichteten sich die Gerüchte, daß in oen vaterländische» Verbänden Explosionsstimmnng herrschte, und über eilte Schritte gegen Sachsen und Thüringen zu erwarten seien. Um die Verbände soweit als möglich i» die Hand zu bekommen, berief ich am 6. November die Führer zu einer Besprechung. Tort brachte ich mein Mißtrauen zum Ausdruck über den Mißbrauch der Namen Lossow nnd Seijker, die man ohne Fühlungnahme mit den Herren unter Schriftstücke gesetzt habe. Ich erklärte, die bayrische Reichswehr und die Lanvespolizri würden niemals einen Putsch mitmachen. Lossow gab dieselbe Erkcärung für die Reichswehr ab. uno verurteilte -chart einen mit seiner Uiterschrltt gefälschten, aus dem Kampf- bnnd stammenden Befehl, In dem oie Losung cntlia>rrn war: ..Auf nach Berlin!" Am 8. November fand eine Besprechung mit Ludendorii in Gegenwart von Lossow und Seisser statt. Tic Frage, eines Direktoriums im Reiche kam zur Sprache. Lndsn- dorss bemerkte, daß sich in Nocodeiitschland niemand dafür finden werde. Lossow erwiderte ihm: Ja, was woli'e» denn die Leute, sie können ooch nicht gegen die Reichswehr kämpfen. Sic täuschen sich, wenn Sie an nehmen. die Reichswehr läuft von ihrem Führer fort. Tie Unterredung wurde ohne weiteres Ergebnis abgeschtoisen. v. Kahr kommt dann ans die Ereignisse im Bürgerbränkeller zu sprechen, die wenig Neues bringen nnd sich im wesentlichen mit den Aussagen v. Loyows decken, v. Kahr erklärte u. a.: „Ich hatte das Gefühl des Ingrimms und des Ekels vor einem Ueberfall auf eine nationale Versammlung gegen natioiialgeiinnte Männer. Andererseits befiel mich auch tiefe Trauer und Sorge darüber, daß oieicr Akt innen- uno außenpolitisch für Bayern uns das Reich o.e schwerste Katastrophe herbeibringen tönne. Trotz aller auf mich rmstürmcnden Gefühle blieb ich ruhig, und in mir entstand der Gedanke, durch ein scheinbares Mitspielen möglichst rasch meine Freiheit wieüerzugcwinnen. Mit meiner Erklärung im Nebenzimmer habe ich zurüctgchaltcn. gab aber nach jüngerem Trängen die Erklärun g ab: ..Ich bin bereit, di« Leitung der Geschicke Bayerns a«S Statthalter Ser Monarchie zu überncymen." Ich wählte diesen Ansoeuck, um eine möglichst neutrale und von der Aktion .Hitler un abhängige Erklärung abzugebe», und um z» vermeiden, daß irgendein Einverständnis von dieser Aktion abgeleitet werden könne. Ich hatte nur den Gedanke», möglichst bald wiener ins dieser mir widerlichen Situation heranszukomnien. Davon, d'.ß ich gesagt hätte, man hätte warten sollen, ich hätte ein Gleiches etwa 14 Tage später unternommen, kann keine Rede >ei». Diese Behauptung ist vollkommen ans der Luft gegriffen. M.stne Amcrikmjchk Mknlilitiit «ad deutsches Taktgefühl Von Hedwig Dransfeld ^ Wenn man die amerikanischen Zeitungen liest, die zum Flag» genzwischenfall in Washington beim Tode Wilsons Stellung nehmen, so mag der Unkundige mehr als einmal in Helle Ver- wnndevU'Ng ausbrechen. Ueberall Zorn und Aufregung. Und doch wußten wir. daß der frühere amerikanische Präsident, der so der- hängnsvoll in den Gang des Weltkrieges eingegrffen hat. und dessen Teilnahme am Werk von Versailles die grauenvolle Vernichtungs- lendenz dieses Werkes in besonderer Weise vertiefte und befestigte, schon bei Lebzeiten in seinem Lande und Volke ein toter Mann war. Als er nach den Tagen von Versailles den Friedensvertrag mit nach Hause brachte, empfing ihn — der vor kurzem noch der geistige Führer seines Volkes gewesen war. der eS fertig gebracht hatte, die Kriegsbegeisterung in einem aus allen Rassen und Nationen zusammengesetzten Volkes einheitlich zu entfachen — eisige Ablehnung. Das Parlament weigerte sich, den Friedens vertrag zu ratifizieren. Dabei traf die allgemeine Verurteilung nicht etwa den furchtbaren Betrug der sogenannten vierzehn Punkte und die damit verbundene Unmenschlichkeit gegenüber den Besieg ten, sondern jenen Teil des Vertrages, der die LebenSider Wilsons enthielt, den Völkerbund. Um dieses sein liebstes Geisteskind zu retten, hatte Wilson in Versailles alles getan: seine vor den ringenden Völkern als Friedensbedingungen feierlich aufgepflanz. ten vierzehn Punkte Stück für Stück losgeschlagen und die ebenso feierlich proklamierte Mission Amerikas, Recht und Gerechtigkeit zur Grundlage der neuen Weltgestaltung zu machen, sang- und klanglos awfgegeben. In Wahrheit: es war für Wilson, dem ganz zweifellos «Idealismus eignete und dessen größte Schuld vielleicht seine Schwäche war, «in teuer erkaufter Völkerbund. Erkauft mit allem was die Kraft und die Ehre einer Persönlichkeit ausmacht. Und Amerikas Haltung gegenüber dem Völkerbund blieb schroff ablehnend. Wilson, der Gefeierte des Weltkrieges, wurde nicht nur draußen, sondern im eigenen Volke Gegenstand härtester Kritik. Er brach körperlich und geistig zusammen. Und dann nach einem kurzen Aufflackern seiner Lebenskräfte, ist er als erster der drei.Weltrichter von Versailles vor seinen ewigen Richter getreten. Daß der deutsche Botschafter in Washington bei seinem Tode nicht rechtzeitig die Flagge senkte, war zweifellos — «in Irrtum (es soll absichtlich kein sclstirferes Wort gebraucht werden). Gewiß sollte und konnte er sich auch in jenen, tragischen Moment als der Vertreter des von Versailles namenlos betrogenen und geknech teten Volkes fühlen; gewiß mußte er den Protest gegen das Unrecht des FricdenLvertrages und die klare Fordevmig nach dem Recht auch deS Unterlegenen aufrecht erhalten. Aber eine internationale Höflichkeit ist kein historisches Urteil, und vor allem darf und wird niemand aus dem Erweis einer solchen Höflichkeit eine Aenderung dieses Urteils, einen Wechsel der grundsätzlichen Stellungnahme herauslesc». Höflichkeiten sind Formen, sind Akte der Pietät, durch die man sich in eine bestimmte .äußerliche Lebenshaltung und landesübliche Gesittung einfügt. Man unterschätze sie nicht. Freilich ist Gesittung noch nicht Sitt lichkeit; aber sie liegt auf dem Wege zur Sittlichkeit, denn sie prägt Form und G-'äß sür innere Seeleiibastung. Und beim Erweis internationaler Höflichkeiten darf nicht daS eigene Sentiment, vor allem nicht daS Nesentiincnt eine Nolle spielen. Hier ist der letzte Wegweiser die Mentalität des Volkes, bei dem man zu Gaste ist, und diese hat der deutsche Botschafter zweifellos nicht in Rechnung gestellt, als er beim Tode WilsonS nickt sofort, wie die übrigen Botschafter cs getan haben, die Flagge senkte. Er mußte es voraussehen, welch tiefe Erregung diese Unterlassung im ganzen amerikaniscken Volke Hervorrufen würde, und wie schwer die Reaktion gegenüber dem eigenen Volke sein konnte. . Gewiß hat das Amerika jene» Wilson, der von Versailles urückkehrte die Nachfolge verweigert, ihn aufs härteste kritisiert, ein Lebenswerk abgewiesen. Aber trotz allem: Wilson batte nun .einmal das höchste Amt des amerikanischen Volkes geführt, er Mar Präsident gewesen, und zwar in einer der ereignisreichsten »Zeiten der amerikanischen Geschichte. Und wenn man auch den Friedens-Vertrag ablehnte, so hatte er doch daS Sternenbanner sieg reich über den Ozean getragen und e§ zu den höchsten Ehren g»- bracht. Und nun war er seinem Schicksal erlegen. DaS ganze »große Geschehen der letzten Jahrzehnte wurde an seiner Bahre jleb-ndig. Was den Amerikaner aeqenüber den alten Völkern aus- zeichnet, ist eine viel größere Pietät im Familienleben, wie iin privaten Leben überhaupt. Und seine Stellung zu», Präsidenten iß potriackalisch, ist famisienhaft. Er sieht in ihm wirklich die Repräsentation seines Volkes, und selbst bei politisch schärfster Gegnerschaft würde er jeden als Volksfeind betrachten, der an der Autorität des Präsidenten rüttelte oder ibm die schuldige Achtung versagen wollte. Und sobald der Präsident das Mittel maß irqendwie^-überragt. wird sogar eine Art Heldcnverehrung mit ihin getrieben. Wie kaum ein anderes Staatsoberhaupt bat der amerikanische Präsident sein Volk nickt nur rechtlich, sondern auch seelisch und erzieherisch in seiner Hand. Di-o amerikanische Volksseele ist eb-n volitisch wenig kompliziert und — es sei wiederholt — auf starke Urtriebe faiiiilieubafter Pietät gegenüber bestimmten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens eingestellt. Die amerikanische Hcldcnvcrchrung bildet eine der stärkste» Eindrücke für jeden, der zum erstenmal nach Amerika kommt. Man batte sich dieses Volk fast als aus'ckließlich aeschäftS tüchtig Und aeschäftS nüchtern voraestcllt. Und nun begegnet man den Beweisen eines nationalen Selbstbecwußtseins i„ hundert Denk- mäler» der kurzen Geschickte, die von starken Atem familien- hafter Liebe und Dankbarkeit umwittert sind. Den > in Neuyark Landenden begrüßt am Uftr des HudionS das feierlich gekuppelte Grabmal- Grants, des SieaerS im Sezessionskriege, das die er greifende Inschrift trägt: Led nö habe Peace. Philadelphia «st wie ein überfließendes Gefäß der Erinnerungen an die Hcro- ^ncnzeit der ersten Einwanderungen. Und erst Washington, die Landeshauptstadt! Mit seinen Genergldeiikmalern an jeder Stra ßenkreuzung stellt es Berlin und Potsdam in den Schatten. Ein. zigartig ist der ins Himmelsblau steigender Obelisk des ersten Präsidenten, bautcchnisch ein Wunder der Statik; einzigartig ist die Erir.nerunaShalle LinrolnS in riesenhaften Ausmaßen und märchenhafter Pracht des Materials: wie überhaupt Washington und Lincoln die Ganzgroßen und Heißgeliebten deS amerikanischen Volkes sind. Aus einer solchen Mentalität heraus ist die Empfindlichkeit beim Tode Wilsons wohl zu verstehen, und der deutsche Botschaf ter hätte sie voraussehen müssen. Die Befürchtung scheint nicht in Erfüllung zu gehen, daß das große Hilfswcrk des Generals Allen, dem Stvesemann in seiner letzten Rede solch warme Worte der Anerkennung gewidmet hat, unter jener verletzten Empfind lichkeit des amerikanischen Volkes leiden könnte. Allen hat sich — und cS war von seinem Standpunkt der Menschenliebe aus physiologisch kl>»b — an die Witwe Wilsons gewandt: er hege die Hoffnung, daß in der kritischen Lage des Flaggen-ZwischenfalleS ein MeinnngSauSdruck von ihr die zornigen Gemüter beruhigen und die Mitarbeiter am großen Hilfswerk zu weiterein Schaffen und Spenden veranlassen könne, »m das Leben Tausender von deutschen Kindern zu rette». Und sie hat geantwortet, daß ihr verstorbener Gatte jeden Groll abweisen würde, der das Leben unschuldiger Kinder gefährdet, und daß sie deshalb dem Hilfs werk auch fernerhin großmütige Unterstützung wünsche. Dieser Briefwechsel ist für uns zweifellos beschämender und demütigender, als eS das rechtzeitige Senken der Flagge auf der deutschen Botschaft gewesen wäre. Der Amerikaner tritt aber nicht nur mit Begeisterung und empfindlichen Ehrgefühl für sein eigenes Land und Volk ein, sondern er gesteht dem Ausländer die gleichen Rechte zu. Ja, er empfindet diese Rechte auch sür den Ausländer als sittliche Pflich ten. Nnd verständnislos, vielfach sogar init herber Geringschätzung steht er einem WesenSzug so mancher Deutsche» gegenüber, die heute „zur Aufklärung" nach Amerika gehen: sie suchen ihre Objektivität zu beweisen und damit die Gunst der Fremden zu gewinnen, indem sie das eigene Volk anklagen, die Kriegs-Ver brechen „bekennen", alle Wunden unserer heutigen seelischen Not und Verwirrung schamlos bloßlegen »nd einmal daS alte Deutsch land, ein anderes mal die heutige Regierung für unser Unglück verantwortlich mache». Der Amerikaner will den Deutschen von heute, dessen Kindern sein großartiges Hilfswerk gilt, natürlich nicht mit den, nationalistischen Säbel sehen. Aber cS hat ein feines Empfinden dafür, ob er sein Schicksal als Unterlegener des Weltkrieges mit klarer, ruhiger Würde »nd nationalem Selbst- bewußtseiii trotz aller Not zu tragen weiß. Jedenfalls mindert eS die ohnehin so tiefgesnnkene Achtung gegenüber Deutschland und dem Deiilschtun, überhaupt, wenn auch in dieser Beziehung sich unser einsacheS Taktgefühl der Mentalität deS Auslandes nickst anzupassen vermag. G Anmerkung der Redaktion: Hm Anschluß an den letzten Teil dieses Artikels sei aus einen Aufsatz von I. Ä. Elve» in Cincinnati hingcwiesen. der unter den, Titel: „Mehr Ver ständnis! Gute und schlechte deutsche Propagan- disten in A »> crik a". zur Zeit durch die deutsche Presse geht. Es heißt dort: Man hat drüben schwerlich eine Vorstellung davon, wieviel stille zielbewusste Arbeit cs gekostet hat, um hier den Umschwung herbeizusühren, der heute in der Bereitwilligkeit aller Kreise des amerikani'chen Volkes, die aintlichen Kreise eingcschlosseii. Deutsch land zu helfen, zum Ausdruck kvmmt. Hätte man cS, dann würde man es trüben nicht bloß in der Kritik von Vorgängen, deren innere Zusammenhänge man nicht versteht, auch nicht verstehen kann, vorsichtiger sein Man würde uns vor allem nicht fort, gesetzt Leute hcrüberschicken, die durch ihr taktloses Verhalten immer wieder zerstören, was an AuftkärungSarbeit mühevoll auf- gebaut wurde Da weilt beispielsweise seit einiger Zeit ein Mitglied deS Reichstag? Frau Adele Schreiber hier und hält Vorträge Die Dame gebürt der sozialdemokratischen Reichstags fraktion an. Sie hat zunächst einen schlechten Eindruck nicht ge macht, denn sie wurde sogar vom Senat cingeladcn, vor dieser exklusiven Körverscka't eine Ansprache zu halten, was von jeher als seltene Auszeichnung betrachtet worden ist. Diese Auszeich nung scheint sie falsch auSgelegt zu haben, denn offenbar bat sie sie als Ermunterung betrachtet, kräftig auf das Deutsch land, daS einmal gewesen ist, auf de» deutschen Militarismus, auf die deutschen Fürsten und ihre Gott- gläubigkeit zu schimvfen. Sie hat das nickst im Senat getan, denn dort würde man sich das wokl verbeten haben, sondern vor Mit glieder» politischer und bürgerlicher Organisationen der Bundcs- bznptstadt. Vor länaerer Zeit schon waren einmal zwei weibliche Mitglieder des Reichstages hier, Frau Hedwig Dransfeld und Fra» Helene Weber. Sie kamen im Interesse der deut schen Kinder hierher, und haben hier den allerbesten Eindruck hinterlass-'n. Sie wussten, wie man sich in einem Lande, in dem inan zu Gast ist. zu beu-hnieu hat. und jedenfalls wußten sie auch, daß cS auf anständige Menschen auch dann einen peinliche» Ein druck macht, Landfremde auf ihr Vaterland schimpfen zu hören, wenn man mit demselben vor nicht allzulanger Zeit Krieg geführt hat. Fram Adele Schreiber weiß daS osfenbar nickt. Vor allen« weiß sie nicht, daß gerade der Amerikaner für Vögel, die sh, eigenes Nest beschmutzen, nur geringe Verwenduna bat."
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