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Sächsische Volkszeitung : 02.08.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-08-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192408020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19240802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19240802
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-08
- Tag 1924-08-02
-
Monat
1924-08
-
Jahr
1924
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 02.08.1924
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Sonnabend, den 2. August 1924. Nr. 178. Seite - gur Vorgeschichte -es Weltkrieges Zum zehnjährigen Ge-Schlnls Do« Landgericht»»«» D. Bauer in Srsarl (Fortsetzung.) Kehren wir zu dem Jahre 1879 zurück. Objekt und Ziel der osteuropäischen Politik in dem nachjolgenden Menschen alter war die Verwirklichung der Bestimmungen des Berliner Kongresses und die Lösung der zahlreichen bei der Verwirk lichung sich ergebenden Konflikte. Um es gleich vorwegzu nehmen: Die Bestimmungen des Berliner Kongresses sind nie vollständig verwirklicht worden und die Lösung eines bei der Verwirklichung entstandenen Konfliktes gab den letzten Anstotz zum Weltkriege. Die Kriegsfanfaren, welche im Jahre 1879 der Steppen wind nach Westen trug, verloren sich in dem weiten Gebiet des neubegriindeten Zweihundes umso rascher, als ihnen von Frank- reich her in keiner Weise accompagniert wurde. Jules Ferry, Frankreichs leitender Staatsmann, hatte die Bildung eines fran zösischen Kolonialreiches in Angriff genommen und 1881 Tunis sowie das Nigergebiet, 1883 Anam in Hinterindien und 1885 Tongking in Indochina erworben. Bismarck schenkte diesen Unternehmungen sein Wohlwollen, weil sie Frankreich von der elsässisch-lothringischen Frage abtrieben. Die mit seinem Ein verständnis erfolgte Besetzung von Tunis zeitigte noch ein wei teres, ebenso unerwartetes wie erfreuliches Ergebnis: Italien warf sich 1882 dem Zweibund In die Arme. Frankreich war ihm bei der Besetzung von Tunis zuvorgekommen, wiewohl dort ge gen 60 000 italienische Staatsangehörige wohnten, und hatte ihm vor Augen geführt, dah es isoliert eine Macht zweiten Ranges sei, über deren Ansprüche man zur Tagesordnung übergeht. Deshalb suchte Italien, die ihm 1859 von Frankreich geleisteten Dienste vergessend, den Anschluß an Deutschland zu gewinnen, wie es 1866 mit großem Nutzen den Anschluß an Preußen ge wonnen hatte. Aber Bismarck lehnte ein deutsch-italienisches Sonderbündnis ab. Er verlangte den förmlichen Eintritt Ita liens in den Ziveibund. Notgedrungen entsprach Italien seinem Verlangen. Die Reibungsflächen, welche zwischen Oesterreich und Italien bestanden, die Irridenta in Südtirol, Istrien und Dalmatien, wurden hierdurch nicht beseitigt, der Dreibund ge langte deshalb nie zu voller Blüte und hat im entscheidenden Moment versagt, aber nichtsdestoweniger hat diese Schöpfung Bismarcks ein Menschenalter hindurch ihre Schuldigkeit getan: Der Dreibund bildete physisch zwischen Rußland und Frankreich eine Scheidewand: an deren Verstärkung und Erhöhung Bis marck unermüdlich arbeitete und er wirkte psychologisch wie ein kalter Wasserstrahl auf die kriegerischen Gelüste dieser beiden Mächte. Zu Beginn der 80er Jahre schienen diese Kriegsgelüste auf beiden Seiten erloschen. Frankreich war. wie erwähnt, in außer europäische Unternehmungen verwickelt. In 'Rußland mar ein Wechsel der leitenden Persönlichkeiten eingetreten. Alexander ll.. der Zarbefreier, würdig voss seinem Volke vergöttert zu wer den, wurde am 13. März 1881 ermordet. Alexander III. verließ den heißen Boden mitteleuropäischer Politik und wandte sich, dem Beispiele Frankreichs folgend, außereuropäischen, per- fischen und afghanischen Erwerbungen zu, nicht ohne hierdurch den heftigsten Groll Englands zu erregen und so den Dreibund noch mehr zu entlasten. Auch hinsichtlich der Balkanhalbinsel, ihre^ gemeinsamen Geliebten, gelangten die beiden Rivalen, Oesterreich und Ruß land, dank der versöhnlichen und behutsamen Haltung des Gra fen Kalnoky, des Leiters der österreichischen auswärtigen Po litik, im Jahre 1881 zu einer Verständigung, welche im Jahre 1884 unter Zuziehung von Deutschland erneuert wurde. Bul garien blieb der Schutzstaat Rußlands und sollte durch Ein verleibung Ostrumeliens vergrößert werden, wohingegen Ruß land die Einverleibung Bosniens und der Herzogewina durch Oesterreich billigte. Da ereignete sich ein Zwischenfall. Der Fürst von Bulgarien, Alexander von Battenberg, von der Valksströmung getrieben, verjagte den türkischen Statthalter aus Philippopel Schloß Lismvylr Erlebnisse in Irland von B. M. Croke r. Autorisierte Uebersetzung aus dem Englischen von Alwine Vischel. (Nachdruck verboten.) (49. Fortsetzung.) Madame lachte, und ihr Lachen reizte den alten Mann, der fortfuhr: „Einerlei, jedenfalls ist er gut gegen alt« Soldaten. Keiner kommt hierher, ohne daß er etwas zu ejse» bekommt, »ranchmal ein bissel Tabak. Ich bin doch auch mal in Indien gewesen, so wie er, und wenn er mich sieht, schenkt er mir immer ein freundliches Wort und manchmal sogar ein paar Schilling. Gott schenke ihm ein langes Leben und 'ne reiche Frau!" „Und dann schenkt er Euch vielleicht fünfzig Schilling, ein ganz schlauer Wunsch!" rief Madame. „Jetzt will ich Ihnen mal was fügen," fuhr er fort, indem er sich auf seinen Stock stützte und sie unter den zottnen Brauen wütend anstarrte, „ich weiß noch recht gut, wies auf diesem Gut auSgesehen hat, als Sie zum erstenmal hierher kamen — und das ist zwanzig Jahre her — und wenn ich mich zetzt umsehe" — er beschrieb einen Bogen mit seinem Stock — „Sie mögen mich 'nen Bettler schimpfen, und das bin ich auch leider Gottes — aber andrer Leute Vermögen Hab ich wenigstens nicht durchgeür.uht und alles an mich gerissen, was ich erwischen konnte, und Vater und Sohn in Schulden gsstürzt." „Der Kuckuck weiß, was Sie mir da vorschwahcn!" schrie Madame von der obersten Steinstufe herab, indem sie mit den feinen Händen herumfuchtelte. „Meiner Treu, einerlei ob Sie'S verstehen, alle and-wn Leute Wissens umso besser. ES war ein schweres Unglück für Mr. Niel »nd seine Schwester, als Sie alle Hebel in Bewegung setzten, um den alten Herrn einzufangen, und nun saugen Sie dem Sohn das Blut auD" „Ihr seid betrunken," schrie Madame blaß vor Wut. „Mar. tinl Martin! Wo sind Sie? Martin, kommen Sie rasch und jagen Sie diesen alten besoffenen Kerl fort!" Damit lief sie ins HauS hinein. Der alte Vetcrane hatte noch mehr Zuhörer gehabt, nämlich Dan, den Gärtner, Coneen mit dem narbigen Gesicht, Doatie und Rhoda. Letztere war wie gelähmt vor Entsetzen und Beschämung, denn die Anschuldigungen des alten Soldaten waren vollauf be gründet. So also urteilten die Bauern unter sich über ihre Tante. Sie flüchtete sich in den Lorbeergang, um ihr Erröten und ihre Erregung zu verberge»; Doatie dagegen hielt mutig stand und und eignete sich auf eigene Faust Ostrumellen an. Damit hatte er der russischen Politik einen Streich gespielt, den sie nicht hinnehmen wollte. Der Zar verlangte, daß die eben vorgenom mene Naht zwischen Bulgarien und Ostrumelien wieder auf- getrennt werden sollte und Kalnoky unterstützte dieses eigen tümliche Verlangen, um des lieben Friedens willen. Aber der Friede war bereits gestört. Serbien, auf den bulgarischen Ge bietszuwachs eifersüchtig und durch die Haltung der Großmächte ermutigt, erklärte Bulgarien den Krieg. Am 19. November 1885 wurde Milan von Serbien von Alexander bei Slionira geschlagen. Der Besiegte wurde nur dadurch vor Gebiets-Ver- lüsten bewahrt, daß Oesterreich seinen schützenden Arm über Serbien hielt. Aber Alexander behielt Ostrumelien. Nicht lange, denn die russischen Intriguen ruhten nicht. Im fol genden Jahre wurde er von Verschwörern gefangengenommen, nach Rußland gebracht und zur Abdankung gezwungen. Ruß land bot den Bulgaren den General Ignatiew, einen Haupt vertreter des panslaoistischen Gedankens, als Fürsten an. Die Bulgaren unter der starken Führung Stambulows wiesen dieses Anerbieten zurück. Und jetzt rückte selbst Kalnoky von Ruß land ab. Er erklärte, daß Oesterreich ein Protektorat Ruß lands über Bulgarien nicht anerkennen könne und drohte mit einer „entscheidenden Stellungnahme" der Monarchie. Die Delegationen bewilligten 52 Millionen Gulden für Heereszwecke. Da gab der Zar nach. Ferdinand von Koburg, bis dahin Husarenleutnant in einer ungarischen Garnison, wurde Fürst von Bulgarien. Die entschiedene Haltung Kalnokys in der bulgarischen Frage ist um so höher zu bewerten, als ihn Bis marck in dieser Krisis im Stiche ließ. Er erklärte, um die rus sische Freundschaft besorgt, Bulgarien wäre ihm „Hekuba" und die Knochen eines pommerschen Grenadiers nicht wert. Im gleichen Jahre 1887 lief der Dreibundvertrag nach öjähriger Geltung ab und es begann das diplomatische Spiel um seine Erneuerung. Es bedurfte aller Energie Bismarcks, um die Verlängerung durchzusetzen. Nach Artikel 3 des Vertrages waren, wenn ein Bundes genosse von zwei Großmächten — im Zweibundvertrag von 1879 war nur von einem die Rede — „ohne direkte Provo kation" angegriffen wurde, die beiden anderen zur Waffenhilfe verpflichtet. Nach Artikel 4 ivaren, wenn ein Bundesgenosse genötigt war, den Krieg zu erklären, die beiden anderen zu wohlwollender Neutralität verpflichtet. Hinsichtlich des Bal kans verpflichtete sich Oesterreich gegenüber Italien — Bismarck wollte um Rußland willen mit dem Balkan nichts zu schaffen haben — im Falle einer Gebietserweiterung infolge einer et- ivaigen Aufteilung der Türkei Italien zu entschädigen. Damit hatte Italien einen bedeutenden politischen Erfolg errungen und die Bestimmungen des Wiener Kongresses durchlöchert. Im selben Jahre 1887 lief, wie erwähnt, der zwischen Oesterreich und Rußland bezüglich Bulgarien im Jahre 1881 abgeschlossene und 1884 unter Hinzunahme Deutschlands ver längerte Vertrag ab. Dieser Vertrag hatte sich infolge der Ab schwenkung Kalnokys von Rußland zu Bulgarien erledigt. Aber Bismarck nahm seinerseits den Vertrag aus und schloß mit Rußland den vielberufenen Rückversicherungsvertrag, nach welchem Rußland für den Fall eines französischen Angriffs auf Deutschland — damals gefährdete der operettenhafte General Boulanger ernstlich den Frieden zwischen Frankreich und Deutschland — sich verpflichtete, Frankreich nicht beizu stehen, und demzufolge Deutschland für den weniger wahrschein lichen Fall eines österreichischen Angriffs auf Rußland sich ver pflichtete, Oesterreich nicht beizustehen. Bismarck hat ein Jahr vor seinem Tode in den Hamburger Nachrichten diesen Geheim vertrag veröffentlicht und seinem Nachfolger die Kündigung dieses Vertrages zum Vorwurf gemacht. Mit Unrecht. Nur er war imstande, mit seinem Kürassierstiefel die Tür, welche vom französischen Kabinett zum russischen Kabinett führte, zuzu- Keule vor zehn Jahren Berlin. 2. August 1914. (Bericht der „S. ».") Heute nacht hat ein Angriff der russischen Patrouille gegen die Eisen bahnbrücke über die Warthe bei Eichenried stattgefunden. Der Angriff ist abgewiesen worden. Der Stationsoorstand von Io- hannisburg und di« Forstverwaltung von Biala melden, daß heute nacht starke russische Kolonnen mit Geschützen die Grenze bei Schwiddern überschritten haben und daß zwei Schwadronen Kosaken auf die Richtung Iohannisburg reiten. Die Fern- fprechverbindung Lyck—Biala Ist unterbrochen. Hiernach hat Rußland deutsches Reichsgebiet angegriffen und den Krieg eröffnet. halten. Als er am 20. März 1890 mit rohem Ellbogen von seinem Platze gestoßen wurde, ohne Not. ohne Sinn und Ver stand, stand die gefürchtete Tür offen, und Frankreich machte, ohne einen Augenblick zu verlieren, von diesem märchenhaften Glücksfall Gebrauch. Am 23. Juli 1891 erschien eine fran zösische Flotte in Kronstadt und am 22. August 1891 wurde das französisch-russische Bündnis abgeschlossen. Das Schwert ivar an Ort und Stelle angebracht. Es war nur eine Frage der Zeit, wann es auf das Haupt Deutschlands nieder^ sausen würde. (Fortsetzung folgt.) Vermischles — Der Augsburger Dom, zu dessen Instandhaltung wäh rend der Inflationsperiode kaum etwas getan worden ist, soll jetzt weitgehender Restaurierung unterzogen werden, und zwar in drei Perioden in den Jahren 1924 bis 1926. Die Arbeiten an der Südseite des Domes und der Sakristei sowie dem süd lichen Teil des westlichen Querschifses sind bereits im Gange. Im kommenden Jahre soll der Südturm und ein Teil des Ost chores repariert werden. 1926 die Nordseite und der nördliche Teil des Chores; gleichzeitig mit diesen Instandsetzungsarbeiten wird ein genauer Grundrißplan des Domes, der bisher nicht be stand, angefertigt. Bei den Ausbesserungsarbeitcn wurden über den gotischen Gewölben bisher unbekannte Gemölüe von hohem Kunstwert entdeckt. — Die Katholiken im britischen Reich. Nach der neuesten Statistik zählt das ganze britische Reich jetzt 141- Millionen Katholiken. England, Schottland und Wales zusammen rund zwei Millionen. Insbesondere ist die Zahl der Katholiken in Schottland während der letzten zehn Jahre von 327 000 aus 601000 gestiegen. Während die Gesamtbevölkerungszahl nur um zweieinhalb Prozent zugenommen hat. ist diejenige der Ka tholiken um 15Z-L Prozent gewachsen. In Glasgow bilden die Katholiken nahezu ein Viertel der Bewohner. Der Katholizis mus zeigt überall, besonders in der angelsächsische» Welt, eine wunderbare Lebenskraft. — Der Regcnpatcr von Santa Clara. AuS Ncuyork wird uns gemeldet: Die Kolumbusritter von Kalifornien haben jetzt die Beschaffung eines Fonds begonnen, der bestimmt sein soll, eine neue, mit den modernsten Mitteln eingerichtete Wetterwarte für P. Jerome Ricard S. I., den volkstümlichen „Ncgenvater" an der katholischen-kalifornischen Universität von Santa Clara zu errichten. P. Ricard ist durch seine wissenschaftliche Wetter voraussage. die er seit vielen Jahren unentgeltlich für die ganze Pazifische Küste abgibt, einer der volkstümlichsten Männer Amerikas geworden. Man rühmt seinen Prognosen, die erstaun lich genau sind, nach, Laß sie den Farmern der Pazifischen Küste viele Millionen von Dollars erspart haben. Sie werden vom Volke der Weststaaten mit einem fast religiösen V.riräucn aus. genommen. Der Jesuitenpater, der sein ganzes Leben der meteorologische» Wissenschaft gewidmet hat, wird durch den geplan ten Bau, der für immerwährende Zeiten seinen Namen erhalten soll; wie Professor Ryan von der Santa-Clara-Universität erklärt, vielleicht in die Lage verseht werden, seine Wetterprevhezeiungen über das ganze nordamerikanische Festland auszudehnen. Die Kosten des Observatoriums sind auf sieben Milliarden cster- reichische Kronen geschäht. — Tic Schwebebahn ans den Jcschken. Wie schon be richtet, ist eine Schwebebahn auf den 1010 Meter hohen Ieich ten, den höchsten Berg des Lausitzer Gebirges, gevlant. Die Firma Bechert (Leipzig) käme als Aussnhrenoe in Frage. Die bis an ' Fuß führende elektrische Bahn von Reichenberg- Stadt müßte um 500 Meter verlängert werden und er hielte daun Anschluß an die Schwebebahn, die auf dem nach Süoost gelegenen merkwürdigen Felsen, dem „tzockans" ende» würde. Im Projekt ist nur eine Stütze für die ganze Strecke vor gesehen. — Beschädigte tschechische Münzen im Grenzvcrkenr. Das tschecho-slowakische Finanzministerium teilt mit, daß in letzter Zeit wiederholt in Grenzorten tschechische Münzen auftauchen, die beschädigt sind. Solche werden bei Einzahlung in den Aemtern b e > ch l a gn a h in t und nicht ersetzt. schrie dem alten Mann, der die reine Wahrheit gesprochen hatte, die schärfsten Drohungen und Beschimpfungen nach, bis eine Weg- biegnng ihn ihren Blicken entzog. Währenddessen war Rhoda langsam im Garten umhergegan- gcn und hatte sich bemüht, ihr Gleichgewicht wieder zu finden. Als sie ihre dritte Runde machte, gewahrte sie Bryda, die mit etwas müdem Ausdruck auf sie znkam. „Ich hoffte, dich hier zu finden an diesem schönen warmen Nachmittag. Es ist doch wundervoll, wie lange Heuer die Rosen blühen!" Rhoda nickte zustimmend, und ihren Arm unter den der Freundin schiebend, fuhr Bryda fort: «Ich habe tüchtig gearbeitet heute nachmittag — sechs Hühner Hab ich abgeschickt und sechs Eierkistchen. Die Eier werden immer rarer, ich werde meine Preise erhöhen .... und. . ." „Bryda," warf Rhoda dazwischen, „ich möchte eine etwa? heikle Frage an dich richten." „Na, was denn für eine? Warum siehst du so .... so komisch aus? Aber frage nur drauf loS." „Gut. Sage mir. warum erlaubt Niel meiner Tante Katleen hier zu wohnen? Sie hat doch ihr Wittum und könnte sich anderswo niederlassen." „Das ist richtig," stimmte Bryda bei. „Und Madame steht es auch frei, zu gehen, wann es ihr beliebt, ab-r es hat von jeher so eine Art unbeschriebenes Gesetz gegeben, daß es der Frau, die daS Recht hat, sich Madame Conroy zu nennen, freisteht, ihren Aufenthalt in Lismoyle zu nehmen. Und Niel hält ja, wie du weißt, mit ungeheurer Zäh-gkeit an allen Familientraditionen fast — es ist also nichts dagegen zu tun. Alles bl übt beim alten, bis eines von den beiden heiratet — und Niel wird eS nicht sein — jedenfalls kann eS noch Jahre anstchen." „Dann glaubst du also nicht . . ." begann Rheda und hielt vielsagend inne. „Du meinst Lhddy? Nein, niemals." > „Aber wenn Niel nun ein leidlich nettes Mädchen kennen lernte, und daS du auch gern hättest, mit einem großen Ver mögen?" Rhoda blieb auf dem Kiesweg stehen und stellte sich ihrer Freundin mit höher gefärbten Wangen und einem schüchtern fragenden Blick gegenüber. „Nun denn, meine Liebe, da du mich fragst, so kann ich nur sagen, die müßte erst geboren werden." „Aber . . ." wollte die andere weiter in sie dringen. «Da gibts kein Aber," sagte Bryda, und faßte die Freundin unter. Komm mit ins Gewächshaus und halte mir die Leiter, dann schneide ich ein paar Trauben znm Mittagessen." Zwanzigstes Kapitel Es war jetzt Mitte Uovcmber; die Jagdsaisou war i» vollem Gange und brachte eine gänzlich neue Lebensweise mit sich. Pferde und ihre Reiter, der Verlauf der einzelne» Jagden mit ihren Erfolgen und Unfällen, nicht zu vergessen der Sportklatich, verschlangen jedes andere Interesse. Rhoda begleitete Niel und Bryda, die die Jagden natürlich mitritten und mciit ganz vornean waren, bis zum Sammelplatz. Sie selbst aber mußte, La sie noch Neuling war, sich damit begnügen, auf der Landstraße, auf Hek. kenwegen oder durch offene Gatter den andern nachzureiten. NimtS. destoweniger machte ihr die ganze Sache viel Spaß, und ab und zu wagte sie eS sogar, ein kleines Hindernis zu nehmen. Ge legentlich nahm eine von den Moores sie unter ihre bewährte» Fittiche, und bald hatte sich zwischen ihr und Gabbq eine herzliche Kameradschaft heransgcbildet. Die stets gut berittenen Mocrez gehörten unleugbar zu den Hauptpersonen, und Rheda sah aller, dings nur dann etwas von ihnen, wenn eine der Schwestern mal einen schlechten Start oder irgend ein unliebsames- Abenteuer ge habt hatten. Auch mit Conroy, der häufig als Master tätig war, traf sie selten zusammen. Unter vielen andern befanden sich natürlich auch Mrs. Donovan — mit zwei Pferden — der argen tinische Millionär, Pedro Brander, Tom Bingham ans einem langschwänzigen Vollblüter, der Pfarrer mit seiner Fra» ans Rä dern und viele Offiziere aus der nächsten Garnison — und selbst von Cork — unter der Gesellschaft. Außer diesen natürlich alle diejenigen, die daS herkömmliche Kontingent stell!«», die jedes Loch und jedes Hindernis kannten und rücksichtslos drauf los ritten. Kurz, die ganze sogenannte „diesseitige" Gesellschaft war versammelt, sei eS nun zu Pferde oder in Autos, und alle waren mehr oder weniger bei der Sache. Zu den wenigen Ausnahmen gehörten Madame und ihr« Tochter; Parforcejagden waren nicht »ach ihrem Geschmack, nicht einmal daS Fahren zu den Sammelplätzen, oder Las Folgen cer Jagd längs den Straßen, wobei sie den Bekannten doch mal einen Gruß zurufen, und sich gelegentliach mit ihnen hätten unter, halten können, machte ihnen Vergnügen. „Tom", da? Pferd, da» sozusagen für den .Hausgebrauch benützt wurde, war nämlich auch Jagdpferd gewesen und schien der Ansicht zu sein, daß sein richtige, Platz bei den Jägern und nicht an der Deichsel sei. Nachdem e, die beiden Damen mehrmals zu Tode erschreckt hatte und, kürchicv lichen Angedenkens, einmal sogar mitsamt dem Wagen und besser Insassen über einen Graben gesetzt hatte, verzichteten Madamj und Doatie darauf, der Jagd zu folgen. Da die Jagd jedoch da» Hauptgesprächzthema und auch daS Hanptvergnügen des Winterl bildete, so langweilten diese Schmetterlinge sich tödäch. (Fortsetzung folgt.)-
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