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Nr. S8 >8. Iahrg. Sonnabend, de» 15. stebr. >»>i» avenvs X »,t tdustr. veUaa» vteeteNSbr«» »^>» M In Dreeden unb aanj Deut, Häu» ».»« F» b> 0 >.»« eftrueich Inn» «re« «^«X. «»««»», » dterteltdhrllch ».L8 ^». In De»««»» und gang Deutichland frei -au« U,— tn venerreich fi.8« X. «n»rl - Rümmer I« «««chstfche «,a«,eUuna erscheint »achentagrn nachmMag». analen Geschäftsstelle «rid SteL»»1so«» Dresden «N. 16, HoGest»ste«,tz^ All Kernsprecher LI SSL Voftscheckkonlo Leipzig «». 117S Aa»etg»» > Annahme von »elchästsaiuetaendt« Ivvhr von gamMen-m-eigen bi» »I Uhr »mm. Prei« für die P»tti. SvaUzeile mil.en.Stnj LS z.im NeU-. ;ür undeutlich geschriebene, sotvte durch Fern- vrechcr auigcgebcne Anzeigen Wunen »» di« verantworUlchkeit für die Richtigkeit deS Lepe» nicht übeniehmen. Kprtchlninde der Redaktion: ll—IS Uhr vorm Einzige Kacholische Tageszeitung « Anrgab« mit illustrierter Uutrrgaltuugrdellage »ad reu, Organ der Zentrumspar,et. W-cheudetla,» Feteradeud. Ausgabe a mir mit der Wochenbett«»«. sMenbscd ?M4en> Oer llaiisnslveczammlung. Koalition. H Es fängt gut an. Nämlich mit einer Hetze gegen das Zentrum. Man bläst von rechts und von links zum Sturm. Auch in Sachsen. Das Wort „ultramontan" ist schon am vorigen Sonntag in den freisinnigen „Dres dener Neuesten Nachrichten" (Nr. 39) in einem Kampfartikel gegen Erzberger gefallen. „Darüber muß in Weimar schleunigst Klarheit geschaffen werden." So schrieb das Blatt in bezug auf Erzbergers Tätigkeit in der Wafsenstillstandskommission. Und sie ist bereits ge schaffen worden. Erzberger hat sich, wie wir gesehen haben, am Donnerstag in der Nationalversammlung so deutlich wie möglich ausgedrückt. Es gibt kein leichteres Arbeiten, als jetzt diesem Manne die Schuld an den schweren Be dingungen des Waffenstillstandes zuzuschieben. Wir hätten einen leichteren haben können. Auch einen besseren Frieden. Daß dies nicht der Fall ist, ist nicht die Schuld Erzbergers. Er ist geblieben an dieser Verantwortung^, vollen Stelle auch beim Ausbruch der Revolution. Dafür gebührt ihm Dank. Statt dessen schreiben die „Dresdner Neuesten Nachrichten": „In acht Tagen läuft wieder eine der famosen Wafenstillstandstermine ab. Man darf gespannt fein, was Herr Erzberger dann wieder für ein glänzendes Geschäft abschließen wird, um die Stirnrunzeln des Mar schalls Foch zu glätten." Das sind billige Mätzchen, mit denen »ns auch die „Neuesten Nachrichten" verschonen sollten. An den verpaßten Gelegenheiten ist wahrhaftig niemand un schuldiger wie Herr Erzberger. Inzwischen hat sich Erz- berger sehr klar über die Schiffsangelegenheit ausgesprochen — aber wir zweifeln nicht daran, daß die Hetze weitergehen wird. Es stört nämlich recht viele Leute sowohl auf der Rechten wie auf der Linken, daß das Zentrum die stärkste bürgerliche Partei geblieben ist. Das geht auch aus dem Berichte der mehr rechts gerichteten „Dresdner Nach- richten" (Nr. 44) hervor, die über Gröbers Rede schreiben: „Er fühlt wohl auch das Bedürfnis, die Tat sache, daß das Zentnim sich wieder den alten Weggenossen angeschlossen hatte, und trotz allem, was sich mittlerweile ereignet hatte, zu erklären, fast möchte man sagen, zu ent- schuldigen." Wir haben wirklich nichts zu entschuldigen. Der Aufklärung scheinen allerdings die von den „Dresdner Nachrichten" sehr zu bedürfen. Nämlich, daß heute Prak- tische Politik getrieben werden muß. .Hätten das nur gewisse konservative Kreise schon längst getan, die Dinge wären vielleicht nicht soweit gekommen. Wir erinnern nur an die Wahlrechtspolitik der preußischen Konservativen. Heute heißt es den Dingen klar in die Augen sehen, heute heißt eS, praktische Politik treiben und zu retten, was zu retten ist. Mit Recht hat Gröber gesagt, daß wir vom Zentrum „nicht Mitglieder einer sozialistischen, sondern einer Koalitons - regierung" sind. Wir sind uns über die letzten Ziele der Sozialdemokratie keinen Moment im Unklaren. Wir wissen, daß Friedrich Engels in seiner „Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft" (Seite 63) die Parole ausgegcben hat: „Das Proletariat ergreift die öffentliche Gewalt, und verwandelt kraft dieser Gewalt die den Händen der Bourgeoisie entgleitenden gesellschaftlichen Produktionsmittel in öffentliches Eigentum." W i r wollen keine sozialistische Republik, sondern Demokratie, denn das Zentrum ist, wie Gröber betonte, stets eine -emo- kratische Verfassungspartei gelvesen. Der Zentrumsredner hat auch keinerlei Zweifel darüber gelassen, was das Zen trum will und anstrebt. Wir sind keine „alten Weggenossen" der Sozialdemokratie, aber es wäre der größte Fehler ge wesen, wenn das Zentrum sich nun abseits gestellt hätte und eine Groll- und Schmollpolitik treiben würde, wie das die rechtsstehenden Parteien im trauten Verein mit den Unab- hängigen zu tun im Begriffe sind. Und darum erklären wir uns mit der Koalition einverstanden, solange und und weil das im Interesse des Volksgonzen liegt. Der Bolschewismus droht uns völlig zu vernichten. Und allein kann die Mehrheitssozialdemokratie ihn nicht mit Er- folg bekämpfen. Hier muß alles Mitwirken, waS wirklich vaterländisch denkt und fühlt. Und darum war und ist es Haupterfordernis, die Nationalversammlung arbeits- fähig zu machen und zu erhalten und sich für die Durch führung der Verfassung mit aller Kraft einiuseben. Die Organe, die daher nach altem Muster beute Zen- IrumShetze treiben, entfernen sich von sachlicher Politik und scheinen — wir nehmen das noch zu ihrer Ebre an — die Tragweite ihrer .Handlungsweise nicht zu überleben. Durch Len Eintritt des Zentrums in die Regierung sind jetzt mehr als drei Viertel der Nationalversammlung in der Regie rung vertreten. Das ist eine Tat, die jeder versteht, der die Zeitverhältnisse ohne Scheuklappen betrachtet. Das Zentrum hat verhindert durch seinen Eintritt, daß wir eine rein sozialistische Regierung bekamen und ein rein sozia listisches Programm. Und deshalb hat sich das Zentrum als ein eminent nationaler Faktor von neuem gezeigt. Es wird sich für die D u r ch f ü h r u n g des K o a I i ti o n s pro- g r a m m e s mit aller Macht einsetzen zum Wohle des Vater, landes und — solange Demokratie und Sozialdemokratie dieses Programm nicht durchbrechen. lml. Die Nationalversammlung. Auf der Tagesordnung steht zunächst die Wahl des Präsidenten der Nationalversammlung. Die Wahl wird durch Stimmzettel vollzogen. De, Namensaufruf beginnt mit dem Buchstaben F. Als dcic der A-fgerufenen gibt der Abg. Fehrenbach :uen Stimmz-Uel ab Vizepräsident Haußmann: Die Wahl hat .-IgendeS c-mbnis: Abgegeben sind 334 Stimmen, davon gültige Stimmen 302, weiße Stimmzettel 32; die absolute Mehrheit KmUMiig Ln UW» Presse. Die sächsische Pressekonferenz hat folgende Kundgebung beschlossen: Die Ernähr ungs not des Freistaates Sachsen zwingt die sächsische Presse als die Vertreterin der öffentlichen Meinung zu folgender rückhaltlosen Kundgebung: Das sächsische Volk hnngert seit Jahren nnd ist jetzt am Ende seiner phvsische» nnd moralischen Kraft. Aerztliche Urteile bezeugen übereinstimmend: allgemeine Unterernäh. rung, mangelnde körperliche Widerstandskraft nnd vermin derte Arbeitsfähigkeit, starke Ausbreitung gefährlicher Volks krankheiten, hohe Sterblichkeit. Zugleich vollzieht sich un- aufhaltsam ein seelischer Niederbruch des Volkes. Ge schwächte Willenskraft und verminderte Arbeitslust bereiten im Verein mit der fortschreitenden Erschöpfung der Gesamt wirtschaft den Boden für anarchische Znstände. Die säch sische Presse appelliert an das Gewissen der Welt, erhebt im Namen der Menschlichkeit und zur Abwehr der immer deutlicher hcrvortretrnden bolschewistischen Ge fahr für die gesamte Zivilisation bei der Waffenstillstands, kommission in Spaa die dringende Forderung, so- fort die verhängnisvolle Absperrung Deutschlands von der Nahrungsmittelzufuhr anfzuhebcn. Die Waffen ruhen! Völker der Erdegebt Brot! ist also 152. Erhalten haben Abgg. Fehrenbach (Zentr.) 205, Haußmann (Demokrat) 2, Dr. David (Soz.) 2, MergeS (Unabh.) 1, Dr. Spahn (Zentr.) 1, Dr. Stresemann (D. Bp.) 1, Frau Zietz (Unabh.) 1 Stimme . (Große Heiterkeit.) Damit ist der Abgeordnete Fehrenbach zum Präsidenten der National versammlung gewählt. Ich frage ihn, ob er die Wahl anniinmt. Abg. Fehrenbach: Ich nehme die Wahl an. Vizepräsident Haußmann: Tann lade ich ihn ein. den Vorsitz zu übernehmen. Präsident Fehrenbach: Sehr verehrte Damen und Herren! Ich übernehme das Amt des Präsidenten dieser verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung mit aufrichtigein Tanke für das mir durch die Wahl bewiesene Vertrauen. Ich werde bestrebt sein, wie im alten Reichstage, mit persönlichem Wohlwollen gegen jedes einzelne Mitglied der Versammlung ohne Unter schied der Parteirichtung und mit streng sachlicher Unpartei, lichkeit meines Amtes zu walten, aber auch die Ordnung und die Wurde des Hauses zu wahren. (Lebh. Beifall.) Ich habe eine Pflicht des Dankes zu erfüllen, von der ich glaube, daß sie dem Empfinden der ganzen Versammlung entspricht, die Pflicht der Anerkennung und des Dankes gegen un seren zurückgetretenen ersten Präsidenten Herrn Dr. David für die umsichtige, ausgezeichnete Leitung der Geschäfte während der abgelanfencn Woche. (Beifall.) Es folgt die Wahl des Vizepräsidentcii. Das Ergebnis der Abstimmung ist die Wahl des Abi. Schulz« Ostpreußen (Soz.), der von 233 abgegebenen: gültigen Stimmen 279 erhält. Vier Stimmen sind zer» splittert, 31 ungültig, darunter 33 weiße Zettel. Abg. Schulz-Ostpreußen nimmt die Wahl an.- ' - - > Darauf setzt die Nationalversammlung die Besprechung der Erklärung der neuen Regierung fort. Reichsministrr des Reicheren v. Brvckdvrsf Rauba«: - Meine Damen und Herren! Die Erbschaft, die daS zu« sammengebrochene alte Svstem der neuen Negierung hinter« lassen hat, ist eine Konkursmasse, und doch weiß ich, daß ich vor der Geschichte regreßpflichtig gemacht werde, auch wenn ich diese Masse nicht nach freier Entschließung, sondern nach dem Willen der Gläubiger liquidieren muß. Ich kann die Ausgaben der deutschen Außenpolitik in zwei Gruppen znsammenfasscn: Die Beseitigung de< Kriegszustandes und die Herstellung normaler Beziehungen zur Völkergemeinschaft. Die Beseitigung des Kriegszustan des ist ein dringendes Bedürfnis der ganzen Welt. Leider hat Deutschlands freiwillige Entwaffnung die Feinde nicht milder gestimmt, sondern ihnen nur die Möglichkeit gege'-en, durch wiederholte Drohungen mit Erneuerung der Feind seligkeiten weitere Zugeständnisse von uns zu erweisen. Neuerdings haben sie den Versuch gemacht, ans diesem.Vm? Fragen z» regeln, die unzweifelhaft zu den Gegenständen des Friedensschlusses gehören nnd die sie unter dem Druck der Waffen einseitig zu unserem Nachteil zu lösen gedachten, während sie nach den Pereinbarten FriedenSgrnndsätzen auf dem Boden der Gerechtigkeit und Gegenseitigkeit zn lösen, waren. Ich habe diese Versuche zurückgcwiesen und wistd« auch künftig solche Versuche znrückweisen. Man kann uns Gewalt antnn, man kann uns aber nicht zwingen, Gewalt als Recht anziierkenuen. Deshalb werde ich mich von den Punkten des Wilson« scheu Friedens pro gram ms, wie sie von beiden Seiten anerkannt waren, nicht abdrängen lassen. Wir er- kennen an, daß die Stellung, die Deutschland bei der Haager Friedenskonferenz in den beiden grundlegenden Fragen, beS internationalen Schiedsgerichts und der Abrüstung, einge nommen hat, eine historische Schuld in sich schloß, für die unser ganzes Volk jetzt büßen muß. Dieses Bekenntnis schließt aber keineswegs das Geständnis ein, daß das deutsch« Volk im Sinne feindlicher Behauptungen allein den Weltkrieg verschuldet und baß es ihn mit e .ier Barbarei geführt habe, die ihm ausschließlich eigen sei. Wir haben uns über jahrelange KriegSp>äne unserer Gegner unir über schwere Grausamkeiten ihrer Kriegführung zu bellegen und sind bereit, über die Schuld am Kriege nnd die Schuld im Kriege unparteiische Männer urteilen zu lassen, die das Vertrauen aller Kriegführenden genießen. Deshalb halten wir an den Wilsonschen Grundsätzen fest, daß dein Sieger keine Kriegslasten zu bezahlen und keine Gebiete der Be siegten abzntreten sind. (Beifall.) Verpflichtet und bereit sind wir, die Schäden wieder gntznmachen, die in den von uns besetzten Gebieten der Zivilbevölkerung durch unseren Angriff entstanden sind. Wenn wir aber in diesen Gebieten das Zerstörte wieder aiifbancn, so wollen wir dies durch unsere freie Arbeit tu». (Sehr richtig!) Wir verwahren uns dagegen, daß man solche Arbeit »«sere Kriegsgefangenen als Sklaven verrichten läßt und den Kriegszustand verlängert, um einen völkerrechtlichen Vorwand für diese Fronarbeit zu haben. (Lebhafte Zustimmung.) Unsere Gegner verdanken den Sie,, zuin überwiegend großen Teile nicht der militärischen, soa- dern der wirtschaftlichen Kriegführung. (Sehr richtig >> Daraus folgt, daß der Friede nicht nur ein politischer, son- dern wesentlich auch rin wirtschaftlicher Frieden sein muß. Es ist klar, daß auch eine nur zeitweilige Differenzierung Deutschlands auf dein Gebiete des Handels und Verkehrs für uns unannehmbar wäre. (Beifall.) Man darf ein Volk wie dasdentschenichtalsVolkzweiter.Klalse behandeln. (Sehr richtig!) Mit bureankratischen Mit teln lassen sich die wirtschaftlichen Beziehungen der Völker die durch den Krieg tief zerrüttet sind, nicht wiederherstellen. (Sehr richtig!) Wollte man aber Deutschland zwinge», ohne Handelsflotte in den Völkerbund einzntreten, so bedeutete das eine gewaltsame Umkehrung seiner Wirtschafts- entwicklnng (Lebhafte Zustimmung), die eine spätere Be drohung des allgemeinen Friedens bedeuten würde. Eben sowenig kann Deutschland ohne Kolonien in den