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Sächsische Volkszeitung : 03.09.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-09-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192209031
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19220903
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19220903
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-09
- Tag 1922-09-03
-
Monat
1922-09
-
Jahr
1922
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 03.09.1922
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Sonntag, de» 8. September IV2L Nr. 204. Seite' 2 So sind die Verfassungen der Staaten tatsächlich auf Erden Verschiede», so gibt es auch für die Staatsgewalt, das heißt für die oberste Autorität und gebietende Macht im Staate verschie dene Träger und Inhaber. Doch auch hierbei besteht trotz for meller Verschiedenheit eine Einheitlichkeit und Gleiclxirtigkeit ne Wesen. Trotz jener verschiedenen Träger ist die Staatsgewalt im Grunde überall dieselbe; stammt sie doch nach christlicher Lut- fassung nicht von unten, aus dem wechselnden Bedürfnis der Zeiten, aus der Willkür der Massen oder der Mächtigen, son dern aus Gott. Die Staatsgewalt dient den höchsten Lebenszwecken» die Gott der Menschheit gesetzt, der Ruhe und dem Frieden der Ge- sellschaft, der öffentlichen Zucht und Ordnung; sie dient diesen Zwecke» auch dann, wenn ungläubige Staatshäupter nicht» da von ahnen. So sagt denn mit Recht die spätere kirchliche Wiffen- sei)aft: Alle wertschassende Arbeit, auch die apostolische Arbeit, alle Kuüurtätigkcit, auch der Gottesdienst und die Licbcstätigkeit der Kirche, sie können nur gedeihen, wo Recht und Sicherheit herrscht, wo äußerer und innerer Friede waltet. Das Gesamt wohl des Volkes ist der höchste und innerste Lebenszweck des Staates: «Salus populi snprema lex!" Diese HLchststclluiig des öffentlichen WohteS ist für de» christlichen StaatSgedanken besonders seit Thomas von Aquiu unbestritten; auch Leo XIll. betont sie immer wieder und leitet aus ihr dce eigentliebe Staatsgewalt ab: «Das Ge samtwohl ... ist das schöpferische Prinzip und das erhaltende Element in der menschlichen Gesellschaft; daraus folgt, daß alle wahren Staatsbürger cs um jeden Preis wollen und fördern muffen. Ja. aus dieser Notwendigkeit, das Gemeinwohl zu sichern, ersticht wie aus der eigentlichen und unmittelbaren Quelle die Notwendigkeit einer bürgerlichen Gewalt, die sich selbst aus das höchste Ziel cinzustelleu und das vielfältige Wollen der Untertanen weise und standhaft ihm einzuordnen hat." Die christliche Staats,der zieht aber auch der Macht des Staates eine deutliche Schranke: Die Staatsgewalt ist „Gotte- Dienerin", nickt Gott gleich; sie ist «Gottes Dienerin zum Gu ten", nicht zum Bösen! Dem vollen, tiefen -Ja" der christlichen Staatsidee steht ein ebenso starkes, unerbittliches Nein gegen über. De Christen der ersten Zeit rühmen sich als die treu sten Staatsbürger, aber sie bekannten auch laut den Grundsatz: «Man mach Gott mehr gehorchen als den Menschen!" AuS dieser festen Grundstellung heraus hat die christliche Staatslehre im t8. Jahrhundert die große Irrung und Täu schung NoiisseanS zurückgewieseu. im 19. Jahrhundert die offene Vergötterung des Staates durch Hegel bekämpft; von dieser Stel lung ans lehnen wir heute ebenso nachdrücklich die auf materia listischer Basis errichtete Staatskoustruktion des Sozialismus und Kommunismus als verhängnisvollen Widerspruch zur christlichen Staatsidee und echter Bürgerfreiheit ab. Als wichtige Folgerung ergibt sich auö der christlichen Staatsordnung die Ilncrla: btheit der Revolution, das heißt der gewaltsame» Störung und Umwälzung der verfassungsmäßigen Ordnung. Im weiteren Sinne gehört hierher neben der Aufleh nung des Volkes gegen die StaatSgetralr auch die Unterdrückung der Volksrechte durch die Obrigkeit, die sogenannte Revolution von oben. In beiden Vergehen seht sich die physische Gewalt, der nackte Wille zur Macht, an die Stelle des Rechtes, der sittlichen Ordnung. Ein solcher Gewaltakt kann, auch wenn er siegreich ist, nicht Unrecht in Recht verwandeln. Und wie stellt sich dieser Grundsatz zu der Tatsache, daß doch so viele Staatswcscn in älterer und neuerer Zeit durch Re volution oder Ncchtsbruch hindurchgegangeu sind, und dennoch bald nachher vom Völkerrecht anerkannt, ja auch von der Kirche wie rechtmäßige StaatSgebüde behandelt worden sind? Auf diese Frage antwortet Leo Xlll. durch zwei bedeutsame Rundschreiben des Jahres 1892. in denen cr die Bischöse und die Katholiken Frankreichs anssordert, sich „ohne Hintergedanken und mit voller Loyalität der Republik anzuschließcn. Er weist darauf hin. daß Vs« »a« Gvtt de« Staate »«gebe« Gewalt nicht zugleich eine« ewige», unveränderlichen Bestand der historischen und positiven Rechtsformen garantiert; er weist hi» auf di« geschichtlichen Lendewwgen, die sich in Frankreich seit 100 Jahren vollzogen hatten, und fährt dann fort: «Solche Aen- derungeu find keineswegs in ihrem Anfasw immer rechtmäßig, ja es hält schwer, daß sie eS seien. TermAh bewirkt der höchste Gesichtspunkt de» Gemeinwohles und der öffentlichen Ruhe die Pflicht, die neue, im Besitzstände befindliche Negierung anzuer- kennen, anstatt der alten, tatsächlich nicht mehr vorhandenen. T» ist nicht meine Ausgabe, die genannten Grundsätze christ licher Staatsauffassung des näheren auf die heutige Lage un- seres Vaterlandes auzuwendeu; jede Politik soll meiner heutigen Rede, di« allein auf das Ethische zielt, fernbleiben. Aber weil wir Katholiken rm Sittlichen so einig und geschloffen find, be deuten wir auch tatsächlich ein« Macht der Einigung für die heu tige Zeriffenheit unseres AolkeS. Und weil diese großartige Ta gung nnS aus der Fülle katholischen Glaubens und Lebens her- aus in allen guten Vorsätzen für die sittliche Erneuerung der Zeit bestärken will, dürfen und sollen wir un» heute auch fragen, welche praktischen Folgerungen wir aus den vorgetrageuMi Grundsätzen iür unsere Staatsgesinnung zu ziehen Das Erste und Elementarste, das wir von un» selbst zor- der», ist ein lebendiges Interesse am Staat im allgemeinen. Jeder von uns muß sich die innere Anteilnahme am StaatSlebea bewahren — trotz so vieler Eindrücke, die den politischen Sinn abzustumpfen geeignet sind. Wir Deutschen find von Natur un politischer angelegt als andere Nationen; und die furchtbaren Enttäuschungen, die wir durchgemacht, haben in vielen das letzte Fünkchen der Teilnahme am öffentlichen Leben erstickt. War das früher schon ein Fehler, so wäre es sündhaft und verhängnisvoll bei der heutigen demokratischen Staatsform. Demokratie ist un denkbar. Dennekratie wird notwendig zum reinen Zerrbild, wenn die Tüchtigen, die gewissenhaften Männer und Frauen sich vom Staatsleben zurückzishen und in private Sorgen einfpinnen. Wir können «Ms dem entsetzliche» Zusammenbruch nicht wieder rmporkommen. wenn nicht alle Einzelnen als lebendige, gesunde Zellen im OrganismnS sich für Vas Ganze rinsetzen mrd verantwortlich fühlen. Heute stehen wir Deutsche unter starker Versuchung, di« Stellung zum Staate von leidenschaft lichem Empfinden beherrschen zu lasten. Die Hochspannung der patriotischen Gefühle im Kriege, die darauf einsetzende Trauer und Verzweiflung haben allzutief die Volksseele erschüttert. Uul so notweickigcr ist es, daß wir uns zu nüchterner, unbestech licher Rechtlichkeit im Urteilen und Handeln zwingen, daß Wut auch bei allen Fehlschlägen unserer Hoffnung niemals den Kopf verlieren. Wir müssen die rauhe Wirklichkeit sehen und nehmen wie sie ist; wir können sie nicht meistern mit Gewalttaten, Kraft worten und Hurrarufen, auch nicht mit leeren Wünschen und Wehklagen, sondern nur durch eiserne Pflichterfüllung nach den Grundsätzen christlicher Staatstreue. Dies gilt vor allem der Jugend von heute; ihr liegt es besonders nahe, das Politische vom Standpunkte romantischer Neigung zu beurteilen. Aber wie oft muß die eherne Pflicht in allen Dingen der Sprache, der Neigung und Schwärmerei entgegcntretenk Trotz allem, was nicderdrückend wirkt auf Ihren Jngendmut, rufe ich Ihnen zu: Bcrzweisrln Sie nicht an der Gegenwart, urteilen Sie nicht nach vorschneller Empfindung, lassen De sich nicht in den Schmollwinkel drängen. Sie können die große Ausgabe, die Gott Ihnen stellt in dieser Zeitenwende, nur er füllen durch männliche Selbstüberwindung, durch tätige, opfer freudige Einordnung in das Ganze des öffentlichen Lebens! ' Und weiter sage ich: Wenn mich der Staat nur Achtung und Gehorsam verlangt: das Volk verlangt Liebe! Wenn wir nicht zufrieden sein wollen mit küblcr Ncchtsgesinnung, so er wärmen i.ud begeistern wir uns für Volk und Heimat, für Vater land und Mutterland! Auch das ist echte Staatsgut nnung. Staat und Volk sind ja nicht zwei getrennte Dinge; das Volk ist der lebendige Inhalt des Staates, der Staat die rechtliche Organisation des Volkes. Diese Einheit von Volk und Staat ist uns Deutschen leider nicht so ins Bewußtsein gedvungen, wie anderen Völkern, den Schweizern, Italienern, Franzosen usw.; dort wäre ein starkes völkisches Hoch, und Ehrgefühl unverständlich ohne energisches Bekenntnis zur geltenden Staatsordnung. Zu seiner christlichen Ueberlieserungl Die katholische StaatStheorie erblickt das Ideal des Staates in einer Rechts- und Wohlfahrtsordnung, die unbeschadet der Freiheit aller Bür ger doch von christlichem Geiste durchtränkt ist, in einem Staate, der sich als Ganze» zum katholischen Glauben bekennt, daher in wichtigsten Kulturfragen mit der Kirche einträchtig Hand in Hand geht. Diese» Staatsideal gehört heute fast überall der Vergangenheit an. die neueste Entwicklung hat auch in Deutsch'and zu einer weiteren Lockerung jenes Freundsckwftsverhältnijscs ge- führt. Allein, wa» der Staatsform an positiv-christlicher Prä gung abgeht, da» kann und soll bei einer demokratischen Berfas- sung vom Volkswillen möglichst ersetzt werden, durch freie Ge staltung des Volks- und Gesellschastslebens neugeschaffen wer den. Solche demokratische Möglichkeiten sind auch heute ge geben. Scheuen wir nicht, an solche Aufgaben heraiMtretcn, christlich-katholisch« Gedanken. edlstrS Erbgut unserer alte« Kultur in» Leben des neue» voMstaatr» hinrinzutragen! Der Boden ist gelockert, die Furchen find gezogen, die deutsche Erde harrt des SäemannS. Eine gewaltige Schicksaksstunde ruft uns zur Arbeit; vielleicht kehrt nie ein Augenblick wieder, wo wir so Großes für Kirche und Vaterland grundlegen könnenl Gott sei Dank besitzen wir freie Organisationen aller Art, die nach dieser Richtung hin großzügig arbeiten können und zeit, gemäß arbeiten wollen — das Programm dieser Tagung biete nicht so viele Stunden vom Morgen bis Abend, daß sie alle nach ihrer Eigenart und Bedeutung zu Worte kommen. Möge ihr heiliger Weiteifer eine allmähliche christliche Erneuerung unse rer Volkskultur zuwege bringen, möge ihre geschlossene Phalanx den berufenen politischen Parteien den notwendigen Halt und Nachdruck verleiheu, um den christlichen Kiltturgedanken in Staat «und Reich zur vollen Freiheit und Kraft zu verhelfen! Dos alles wird schließlich mir gelingen, wenn wir einig find, einig mit allen Glaubensgenoffen »i jener kirchlichen Treue und Bruderliebe, die allen Streit der Stände überwindet, alle Herzen zu Milde und Freigebigkeit öffnet; einig aber auch mit andersgläubigen Volksgenossen im aufrichtigen Streben nach Deutschlands Wohl und Größa^ Die Wahrung der nationalen Einheit in Friedenszeiten ist, wie die Geschichte zeigt, für uns Deutsche lange nicht so leicht, wie das geschlossene Drausgehen im Kriege; möge uns das Beispiel anderer Nationen auch nach dieser Rich tung ein Vorbild sein! Möge aber vor allein der eine Gedanke uns vor Argen schweben: die nationale Einheit ist die einzige große Errungenschaft und Erbschaft, die wir gerettet haben aus dem politischen Zusammenbruch! Die heutige einmütige Offenbarung katholischer Kultur und Brüderlichkeit möge aber auch den Volksgenossen, die draußen stehen, die infolge moderner Glaubens- und Knldurverworren- heit der christlichen Gesellschaftsordnung feind sind, als ein Zei chen und als ein Fchedensgruß erscheinen, der sie entladet, an dern Leid und Streit der Zeit ihren Blick emporzurichten zu den ewigen Leitsternen und Verheißungen, die uns Katholiken in aller DicSscitSarbeit trösten und ausrcchterhalten! Der Zufall, oder besser, di« Geschichte hat es gefügt, daß die beiden deutschen Ströme, die zuerst eine große christliche Kultur geschaut haben, der Rhein und die Donau, bis heute in ihrem Stromgebiet noch von katholischer Bevölkerung umsänint sind. Ausgehend vom Südwestpfeiler des Reiches, aus der Nähe des „deutschen Meeres", ziehen sie dahin nach Nord und Ost, an Die große Hoffnung Originalroman von Erich Ebenste!» Urheberrecht durch Greiner u. Comp., Berlin W. 30 (21. Fortsetzung.) IedeSmal, wenn solche Gerüchte au i Gersdorfers Ohr klaugen. gab es ihr einen Stich in der <ru;c. Nur das nicht mit ansehcn zu müssen, daß Eälia das Glück machte, das Annchen so leichtsinnig verscherzt hatte! Frau Agnes Effcnberger halte sich auch bereits getröstet. Kurz »ach Weihnachten stand ihre Vcrtobuug mit Rittmeister von Woresch im Schlohstädtcr Tageblatt. Als Frau GcrSdorfcr es Gustav brühwarm in einem Briefe milteilte, und einige halb bedauernde, halb vorwurfsvolle Be merkungen daran knüpfte, kam umgehend eine Ansichtskarte von ihm zurück: „Besten Dank für die Neuigkeit. Meine Antwort darauf: Gott sei cs getrommelt und gepfiffen!" Sonst schrieb er seiten und kurz an die Mutter, während Annchen ab und zu einen langen lustigen Brief von ihm bekam. Als das zweite Weihnachten nach Annchcns Verlegung her anrückte, entschied sich endlich Trolls Schicksal. Er war zu einem Grcnzrcgimcnt versetzt, dessen Oberst sein Onkel war. Gleich nach Weihnachten sollte nun geheiratet werden, denn Troll mußte an seinem ncnen Dienstort abgehen und eine lange Trciinima, erklärte er, nicht aitShalren zu können. Frau GcrSdorfcr hatte nichts dagegen einzuwcnden. Inner lich war sie sogar froh, das verliebte Brautpaar loszuwerden, dessen Anblick ihr immer noch geheimen Acrger bereitete. Außerdem hoffte sie bestimmt, daß Gustl, dessen Eskadron gegen alle Voraussetzung immer noch in München lag, nun Weihnachten daheim verbringen und dann noch über Annchens Hochzeit bleiben würde. « ?lbcr acht Tage vor Weihnachten kam plötzlich eine De ckte von ihm: „Sind nach Posen verlegt, komme heute abend für eintägigen Urlaub heim. Gustav." Schon wenige Siinidcn später war er da. Hübsch, sorglos, elegant und fröhlich wie immer schien er allen Groll vergessen zu halwn und umarmte die Mutter mit der alten Herzlichkeit. Natürlich hatte er auch wieder etwa? zu beichten. „E'.n paar kleine Rückstände nur, die aber vor der AbrwO beglichen werden müssen. Uebrigens brauchst du kein so ers.' es Ge sicht zu macke». Mutter, cs sind diesmal nur lülM »tuet." Sic lächellc schwach. „Trotzdem! Wenn du so weiter machst. Gustl, gehen wir zu gründe!" , „Ich hoffe, in Zukunft besser auSkommen zu können. Posen «soll billig sei». Auch will ich mich dort auf ei» möbliertes Zim- stncr beschränken und meine eigenen Möbel vor der Abreise ver kaufen. Eine Juiiggesellenwohnung mit allein Drum und Dran kostet immer eine Menge Geld. Wohne ich bei fremden Leuten, brauche ich niemand einziiladcn. Schon das erspart viel. Unv 30 vjftlrr kreise MäM ttonfkrkiirflle dann, Mutter . . ." er lachte sie schelmisch an, „werde ich ja doch auch endlich die gute Partie machen, die ich mir vorgenomme» habe und auf die du schon so urchcduldig wartest. Tan» sind wir beide fein heran?." Frau Gersdorfer fuhr wie elektrisiert in die Höhe. „Hast du eine in Aussicht. Gustl? Ist . . ." „Nein, nein, Mutter," unterbrach er sie lachend, „rege dich nicht auf. Noch ist gar nichts im Werke, und „diejenige, welche" verbirgt sich noch völlig in der Zeiten Hintergrund. Aber es wird schon werden, nur Geduld. Ich komme ja jetzt in die gesegnete Polakei, wo es reiche Russinnen und Polinnen genug gibt. Da suche ich mir die Allcrreichste und Allcrschönste aus." Die Mutter war enttäuscht auf ihren Stuhl zurückgesunken. „Ach... die Polinnen! Darauf wartest du? Die sind d«M alle verschuldet! Da hättest du es hier wahrlich bequemer haben können, Gustl! Warum bist du damals nicht nach Schloh- städt gekommen, so lange Agnes Effcnberger noch frei war» Ich schrieb dir doch, wie viel sie hat und daß sie dich unsinnig gern hat. Jung und hübsch ist sie auch . . ." „Alles zugegeben, Mutter," sagte der junge Offizier, so fort wieder ernst weichend. „Nur — ich liebe Agnes Esfen- berger eben nicht und barmen kam sie für mich nicht mehr in Betracht, nachdem ich mir darüber klar geworden war." «Das ist überspannt! Du warst doch auch früher gar nicht so, Gustl I" „Entschuldige — eine Frau ohne Liebe zu heiraten, bloß um des Geldes willen, ist gemein. So viel war mir immer klar. Nur daß ich früher der irrigen Ansicht war, äußeres Wohlgefal. len genüge, um Liebe zur Entwicklung zu bringe». So dachte ich bei Nadine und eine Zeitlang bei Agnes Effcnberger. Seit dem bin ich reifer geworden." Frau Gersdorfer stand unwillig aus. „Ich bitte dich, verschone mich mit diesen überspannten Tiraden! Von Liebe habe ich im letzten Jahre wahrlich genug mit ansehcn und hören müssen. Wohin das führt, haben wir ja bei Annchen leider zur Genüge sehen können." Und sie begann dem Sohne noch einmal zu erzählen, was er aus ihren Briefen schon zur Genüge wußte: welches Glück sich Annchen durch diese törichte Liebe verscherzt habe und wie sie Troll dafür haßte. Schweigend hörte Gustav zu. Aber während sie sprach, war es, als senke sich zwischen ihr und ihm abermals etwas Trennendes, Unbegreifliches nieder, das wie eine Wand da stehen blieb. „Du bist sehr . . . seltsam, Mutter," sagte Gustav endlich, nachdem sie schwieg. „Andere Mütter freuen sich an dem Glück ihrer Kinder und empfinden cs mit. Du aber zürnst Anuchen, weil sie glücklich ist, und haßt den Mann, der ihr alles ist. Gib acht, daß diese unnatürliche Härte sich nicht eines Tages rächt und du dich gerade nach Annchen sehnst, die du jetzt gewaltsam von dir entfernst." Frau GcrSdorfcr antwortete nicht gleich, sondern starrte eine Weile vor sich hin. Plötzluh warf sie sich den: Sohne leidenschaftlich an die Brust. „Ich habe dich, Gustl! Du Mrrst immer mein Liebling und List es heute mehr als je zuvor. Annchen ist mir fremd geworden und ich werde später erst recht nie vergessen können, daß sie Trolls Frau ist und mich so tief enttäuschte. Mein Leben mü> Glück bist du allein!" Die tiefe Inbrunst, mit der sie sppach, rührte den Sohn erschreckte ihn aber auch zugleich. Und wahrend er der Mutter schönes graues Haar gleichsam beruhigend streichelte, sagte cr leise: ' ^ «Uitd wenn nun muH ich dich eines Tages enttäuschte. Mutter? Ohne Absicht . . . nur weil es eben das Schicksal manchmal so fügt . . . würdest du dann auch aufhören, mich lieb zu haben?" Einen Augenblick starrte sie erschreckt zu ihm aus. Tann schüttelte sie lächelnd den Kopf. „Du wirst mich ja nie enttäuschen, Gustl, du bist klug und wir haben beide dieselben Ansichten vom Leben . ,, wenigstens in den Hauptpunkten." Er schwieg. Hatten sie die wirklich? Am nächsten Mittag reiste er ab. Erst nach der alte» Gar nison zurück und von dort zwei Tage später nach seinem neuen Vcstimnmngsort. Er hatte der Mutter fest versprochen, ihr von Posen aus regelmäßige und ausführliche Briefe über sein Leben dort zu schicken. „Denn du weißt ja, mich interessiert alles, jede Kleinigkeit!" schärfte sie ihm beim Abschied noch einmal ein. Am 9. Januar heiratete Annchen. Im letzten Augenblicke war Otto doch noch gekommen, obwohl er anfangs schrieb, er werde keinen Urlaub bekommen. Nun war er der «Schwester Brautführer. Leutnant Ehrhardt war Trolls Trauzeuge, Thilde Hobinger und Meta Merz, deren Vater sich wider Erwarten gänzlich von seinem Schlaganfall erholt hatte, Annchens Braut jungfern. Gartz Schlohstädt war auf den Beinen und die Kirche so voll, daß man keinen Apfel hätte werfen können. Annchen sah aber auch wunderschön aus in ihrem dusligen weißen Brautkleid mit dem Myrthenkronz im goldenen Haar r-nd dem halb bräutlich bangen, halb glückstrahlenden Ausdruck im lieblichen Gesicht. Trotzdem war es keine fröhliche Hochzeit. Herr Gersdorfer fühlte sich wieder nicht recht wohl und klagte schon ain Tage vor her über Gliederschmerzen und Herzklopfen. Seine Frau suchte vergeblich die nervöse Aufgeregtheit, die sich ihrer bemächtigt hatte, hinter lärmender Geschäftigkeit zu verbergen. S«e war gar nicht zu Bett gegangen die Nacht vorher, hatte gebacken, ge kocht und gebraten, die Tafel selbst gedeckt, Annchens Reisekosfer in Ordnung gebracht und bei Morgengrauen mit der Schneiderin die frischen Myrthensträußchen an das Brautkleid genäht. „Nur nicht denken!" sagte sie sich beständig vor. Todmüde und abgespannt stand sie dann am Altar und starrte mit leerem Blick vor sich hin. Und nun kamen die Gedanken doch. Immer wieder mußte sie denken, wie zärtlich sie Annchen geliebt, wie stolz sie auf sie gewesen war und daß sie nun foct- ging aus dem Elternhaus für rmmer. Leer und tot würde es dort sein morgen. Dann dachte sie wieder, wie anders alles hätte sein können, wcnit dieser Troll nicht in Annchens Leben getreten wäre! Dann, wäre Annchen hier geblieben und die ganze Stadt hätte sie be, neidet, und sie selbst wäre die glücklichste Müller der Welt > gewesen. Fortsetzung folgt. MerclielL V/elkieb-lsrutlrftertl 6s» deckeutssiuste »ut «kenn <Zsbi«I 6er ttitefienteueruns kockt — bratet — bockt — riöirt — sterilisiert — liekert ckrnicrnck keilles V/asser — beckork keiner steaukieiitixung — grolle Erspar nis «u Lreniistokk — ikeinliebkeit — keine »„gebrannten Speisen einkaclio kebanckluug — keinerlei ^usclünstmigen stereitvilligsl« Voriütirifngen in cler lmbriknlecleslags 0res6en-tt. nur § S7S liiliLbcr Ouri klUiLsck.
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