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Sächsische Volkszeitung : 31.03.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-03-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192803313
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19280331
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19280331
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-03
- Tag 1928-03-31
-
Monat
1928-03
-
Jahr
1928
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 31.03.1928
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Dienst am Volk« wie die Politik im tiessten Grunde Dienst am Volke ist. Die nächst« Regierung wird, ganz gleich wie sie zusammengesetzt sein mag, einer ziel strebigen und Planmäßigen Landwirtschaft»- und BauernpaUtik die größte Sorgfalt ruzuw«nd«n haben. Der Anfang ist gemacht mit dem landwirtschaftlichen Notprogramm. Wenn das deutsche Volk starkneroig und gesund kleiden will, dann muß ein großer Teil desselden ständig mit den Natur elementen: Luft, Licht, Sonne und Erde, verbunden kleiden. Aus diesem Grund« wirb die Zentrumspartei alle Mittel und Wege prüfe», dir geeignet sind, Deutschland ein gesundes, ledrnsstarko und lebensfrohes Vauernoolk zu erhalte». Uebrr dieses Z'el gibt es in der Zentrumspartei nur eine Meinung; über wtiltel und Wege zur Erreichung desselben wird man sich im einzelnen auseinandersrtzrn müssen. Unter gesetzlicher Sozialpolitik wurde seither vielfach Arbeilerschutz und Arbeiterversicherung verstanden. Diese Art von Sozialpolitik dürfte demnächst im grof^n gesehen einen bestimmten Abschluß erreichen. Mii Ausnahme der Invalidenversicherung, deren Leistungen noch zu wünschen übrig lassen, wird neben dem Ausbau der ^ --— >- Vereinfachung und Ver- Seldstverwaltung. der organiiatori . . - - billigung der gesamten Sozialversicherung die größte Sorg falt zugewender werden müssen. Wenn demnächst die Arbeits zeit ihre endgültige Regelung erfahren hat, wenn das Arbeits- recht einheitlich zusammengefaßt ist, dann werden wir uns nicht mehr so stark mit staatlicher Sozialpolitik, sondern mit so zialer Staatspolitik im ganzen zu beschäftigen haben, und zwar mit einer organischen sozialen Staatspolitik, die alle Schicksten, auch di« soliden und aufwärts strebenden Kräfte im Mittelstacrd umfaßt. Es wird dafür Sorge getragen werden müssen, daß nicht an Stelle der zwei Dutzend früheren Dy nastien jetzt in Form von Kartellen und Trusts einige Dutzend Industrie-Herzogtümer entstehen, die den breiten Volksschichten sehr viel gefährlicher werden können als die früheren politischen Dynastien. Wir müssen insbesondere auch zu einer viel größeren Publizität der Wirtschaft kommen. Neben der politischen Demokratie, die sich erst in den Anfängen befindet, wird die wirtschasrliche Demokratie organisch ausgebaut werden müssen Das deutsche Bildungswesen steht noch völlig am Anfang seiner sozialen Aufgaben. Wir werden nie ein Volk werden und den Klaliengeist von unten nicht überwinden, wenn wir nicht von der Schule her den Kastengeist von oben nachdrücklich^ zurückdrängen, und zwar in allen Schularten, von d»r Volksschule angesangen bis zu den HandelshocHchulen, den technischen Hochschulen und den Universitäten. Auch wird der nächst- Reichstag Mittel und Wege zu suchen haben, wi« den tatsächlich Tüchtigen aus allen Volksschichten ohne Rücksicht aus die Vermögenslage der Eltern die Teilnahme a müeulschen Bi-Idungsaut in ganz anderem Umfange als in der Vergangenheit ermöglicht werden kann Ohne fo- ziale Ausgestaltung des Bildungswelens und ohne gegenseitige Toleranz insbesondere in kulturpolitischen Fragen werden die Deutschen, die die Mitte Europas bewohnen, nie ein Volk wer den, das sich in allen Lebenslagen verbunden fühlt. Es ist nicht richtig, was von liberaler Seite behauptet wird, daß b«im Kamps um das Schulgesetz es gegolten habe, die Schule nicht dem Klcrikalismus zu über- aniworten. Uns geht es im Kampf um die Schule um etwas anderes. Schon früher Hab« ich einmal an dieser Stelle aus geführt. daß die Deutschen seit der Reformation «in geistig gespaltenes Volk seien, und dag weiterhin in Deutschland der Schulzwang mit am schärfsten durckrgeführt sei von allen > Ländern der Welt. In solcher Lage müssen, wenn wir in Deutsch- s land zu einem Schulfrieden gelangen wollen, mehrere Schularten g leichberechtigl zugelassen werden. Wir sehen weiterhin insbesondere in der Volksschule nicht eine bloße Wissensvermiltlerin. sondern auch eine An st alt zur Volks erziehung, zur Volksgestaltung und zur V o I k s f o r m u u g. Und dies« Aufgaben sind nach unserer Auffassung, auf lang« Sicht geselzen, nicht lösbar, wenn nicht die letzten, tiefsten religiösen Kräfte bei dem Gesamtplan der Schule eingesetzt werden können. Aus dieser Einstellung heraus kommen ! wir zur konfessionellen Schule, die wir gleichberech tigt neben anderen Schularten zugelassen haben wollen. Weil alwr die Volksschule auch Nolkseinigungsanstalt werden soll, räumen wir dem Staat ohne weiteres für alle Schulen eine weitgehende Kontrolle ein Auch hinsichtlich der so zialen Ausgestaltung des Schulwesens ist die Zentrumspartei zu jeder erdenklichen Mitarbeit bereit. In neuerer Zeit setzen sich wieder viele Federn mit der Zen- trumspartei und mit Len in ihr lebendigen Strömungen auseinander. Von demokrarischer Seite wird dt« Mei nung verbreitet, wir seien zwar Staatsbürger, nicht aber Staats- bürgen, wir seien keine Garanten des Staates. Staatsbürge. Garant des Staates, Garant insbesondere auch der Demokratie, könne in Deutschland nur der Protestantismus sein. Wie sind sehr dafür, daß das ganze deutsche Volk Garant des Staates und der Demokratie wird, ohne Rücksicht ans dir Weltanschauung der einzelnen Gruppen; aber Einspruch müssen wir dagegen er heben. Laß der Katholizismus infolge seiner Struktur ins Lager der politischen Reaktion führen müsse. Wann sind die Katholiken in England im Lager der politi schen Reaktion gestanden? Wo und wann haben die Katholiken der Vereinigten Staaten von Nordamerika, die doch allerlei zn melden haben, der politisä-en Reaktion Vorschub geleistet? Wann und wo ist den französischen Katho- liken von maßgebender Seile gesagt worden, daß sie sich ins politisch reaktionäre Lager schlagen möchten? Das Umgekehrte war seinerzeit der Fall. Wo wäre in Deutschland in den letzten IN Jahren der deutsche Staat, di« deutsche Demokratie geblie ben ohne die Zentrumspartei? Wir reden in Deutschland viel aneinander vorbei. In den letzten Jahren ist Herr Wirth immer als VeUreter des politisch fortschrittlichen und ich als Führer des politisch reaktionären Flügels innerhalb der Zcntiumsparter hingestellt worden Dabei hat man gar nicht brach et. wie in all den kritischen Situationen ich Herrn Wirth immer wieder Drücken gebaut habe. Weshalb denn? Vielleicht aus politischem O-pportunismus? Nein! Ich war in den letzten Jahren häufiger mit Herrn Wirth nicht einverstan den. habe es aber deswegen nie zum Bruch kommen lassen, weil ich gesehen habe, dag in Herrn Wirth Kräfte lebendig sind, dis. wenn sie an der richtigen Stelle eingesetzt werten, für Deutschland in der Welt und für den deutschen Staatsaufbau von fundamentaler Bedeutung werden können. Im Ziele bestanden die großen Meinungsverschiedenheiten nicht, sie de ogcn sich vielmehr auf die Methode, aus die Art und dis Tempo des Vorgehens. Es ist daher auch total falsch, wenn in einem aus Berlin datierten Artikel der Kölner „Rheinischen Zeitung". „Der Verrat an Wirth. Sieger wald im Hintergrund..." geschrieben wird, ein Artikel, der wohl Herrn Abg. Soll mann zum Verfasser hat. Ich kann Herrn Sollmann in aller Offenheit sagen: «inen Tag vor der Freiburger Delegiertenoersammlung habe ich dir Dänische Zentrumspartei in Verbindung mit Herrn Ioos wissen lallen, daß, wenn einig« sachliche und disziplinär« Sicher briten -geschossen würden, ich die Wiederausstellnng des Herrn De. Wirth wünsch«. Aber das nur nebenher; das entscheidende ist folgendes: In den geistigen Grundlagen zwischen christlicher und sozialistischer Arbeiterbewegung geht es letzten Endes doch nicht dnrum. ob „ein katholischer Proletarier Heringe in einem sozialdemokratischen Konsumverein kaust", und um ' Lloß« „soziale, ökonomische und politische Verhältnisse" oder um Ausklang mil Schlägerei SoMtemokrale« »»» Samnuuüslen im haidgemeuge Im Reichstag kam es Donnerstag in den Abendstunden zu einer Schlägerei, von der nicht zu viel behauptet wird, wenn man sie selbst unter Berücksichtigung früherer gewalttätiger Vor gänge in Art und Ausmaß als wirklich noch nicht da- ge wesen bezeichnet. Die Tätlichkeiten, die sich bei einer Rede Landsbergs, eines seinen und gemäßigten Redners, zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten abspielten hatten sogar nicht unerhebliche Verletzungen zur Folge. Sind das Vor zeichen des Wahlkampfes, dann müßte man allerdings auf manches gefaßt sein. Wie stark die Spannung zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten gewachsen ist, haben die gestrigen außerordentlich bedauerlichen, di« Würde des Parla ments absolut abträglichen Vorgänge deutlich gezeigt. Der sozialdemokratische Abgeordnete Landsber g sprach über die Amnestie und rechtfertigte die Haltung seiner Freunde. Als er davon sprach, daß er die Angriffe des Herrn Höllein auf die sozialdemokratische Partei als eine wohltuende Abwechslung von den Umschmeichelungen empfinde, die seine Partei in den letzten Tagen durch die Kommunisten erfahren habe, stürzte, nachdem die Kommunisten bereits während der Rede dauernd lärmende und beleidigende Zwischenrufe gemacht hatten, der Abg. Höllein zur Rednertribüne. Ihm folgten im zusammen geballten Haufen die Parteifreunde. Eine Reihe sozialdemokra tischer Abgeordneter trat ihnen entgegen. Dabei kam es zum Handgemenge. Beide Parteien begannen einen Faust kampf unter tobendem Lärm, einen Kampf, wie er bisher so wohl an Zahl der beteiligten Personen wie an Dauer im Reichs tag bisher noch nicht dagewesen ist. Die Sozialdemokraten, die an dem Faustkampf beteiligt waren, standen namentlich auf den Stufen zur Estrade. Die Kommunisten darunter. Von wirkh Abg. Dr. Wirth (Ztr.) begrüßte diese Aussprache, die nicht bloß Wahlagitation, sondern ernste Auseinandersetzungen über die politischen, sozialen, ökono mischen und kulturellen Faktoren in unserem Volke. Es ist von einer „kapitalistischen Weltanschauung" gesprochen worden. Wenn es eine kapitalistische Weltanschauung gibt, wenn dieses Räderwerk, das über Menschen und Völker hinwe^gegangen ist, das uris unter dem ungeheuren Druck der kapitalistischen Welt mächte den Versailler Vertrag ausgeHwungen hat, wenn dieses System des Kapitalismus das Wesen und den Sinn unseres Lebens bedeuten würde, dann wäre wahrhaftig das Leben nicht wert, gelebt zu werden: der Kapitalismus kann uns keine Welt anschauung geben. Der Kapitalismus konzentriert sich internatio nal. Gegenüber den die Staaten und Nationen aufhebenden Tendenzen des Kapitalismus, habe ich mich im Reichsbanner be müht. die Massen zu gewinnen zur Liebe zum Staat zu unserer deutsckfcn Republik. Es ist nicht die Starke, sondern die Schwäche des Bürgertums, daß sich zu diesem Staat mehr die großen Massen der Linken als die aus den anderen Lagern bekannt haben. (Lärm u. Zurufe rechts.) Ich halte es für eine der größten Ausgaben, daß wir di« Arbeitermasscn, die am alten Staate »erzweiselten, davor bewahren, daß sie auch am neuen verzweifeln. Das Wesen politischer Arbeit ist vielmehr, daß sie diesen Staat als Instrument eines politischen. sostalen und kulturellen Fortschritts benutzen. Wir stecken noch in den Kinderschuhen des demokratischen Staates. Sonst wäre es unmöglich gewesen, daß heute Gras Westarp in seiner Rede die Richtlinien und Manifeste der Rcchtsrcgierung nicht nur widerruft, sondern zugidt, daß die Deulschnalionaleu nur auf diesem Wege mit einer gewissen Ge schicklichkeit den Zugang ,zur Negierung erreichen konnten. (Un ruhe und Lachen rechts.) Des Wesen der Demokratie hebt man aus, wenn man die Verantwortung für die Politik ablehnt, die man selbst initgcmacht hat. Wir haben für die oft sehr unpoou- oben über das Treppengeländer und von unten hinauf prasselte:, hageldicht die Fäuste gegeneinander. Don oben wurde auch ein Tintenfaß in die unten stehenden Kämpfer geschleudert. Es blieb auch nicht ganz ohne einige blutige Folgen, wenn es auch nur Schrammen gewesen sein mögen. Der amtierende Vizepräsident Esser verließ während des Kampfes seinen Sitz und unterbrach damit die Sitzung. Noch eine ganze Weile danach dauerte der Zusammenstoß an, bis schließlich Beruhigung eintrat. Nach etwa fünf Minuten der Unterbrechung erschien Vizepräsident Esser wieder aus Lew Präsldentenplatz, erklärte die Sitzung wieder eröffnet und be merkte: Ls ist mir mitgeteilt worden, daß der Abg. Iadasch (Komm.) die soeben stattgefundene Tumultszene verursacht hat. Ich fordere den Abg. Iadasch auf, den Saal zu verlassen, Nach diesen Worten setzte erneut Lärm bei den Kommu, nisten ein. Der Abg. Iadasch machte keine Anstalten den Lau! zu verlassen. Vizepräsident Esser forderte den Abg. Iadasch nochmals auf den Saal zu verlassen. Als auch diese zweite Aufforderung mit lärmenden Zurufen von den Kommunisten bcantworiet wurde, erklärte der Vizepräsident, daß er die Sitzung unter breche. Daraus trat der Aeltestenrat zu einer Besprechung zu sammen. Im Aeliestenrat wurde festgestellt, daß der tälliche Angriff von dem kommunistischen Abg. Iadasch ausgegangen sei. Ilm 21 ^ Uhr wurde die Sitzung wieder eröffnet. Vizeprä sident Esser stellt fest, daß der Abg. Iadasch seiner Aufforderung den Saal zu verlassen nicht entsprochen habe, infolgedessen war man außerstande weiter zu verhandeln. Da der Abg. Iadaßb den Saal nicht verläßt, wird er für acht Tage von den Sitzun gen ausgeschlossen. Der Vizepräsident schlägt dann Vertagung der Sitzung vor. spricht läre Politik, die wir in den ersten Nachkriegssahren mack-en mußten, die volle Verantwortung getragen. (Lachen retzi-j Wir mußten, um die ersten Neparations.jahlungen leisten zu können, die Arbeiterschaft mit einem empiindlichen Lohnabzug belasten. Daß die Gewerkschaften aller Richtungen diesen itehn- abzug zu-gestimmt haben, darin liegt die sittliche Größe der Ar beilerschaft. Die Besitzlosen, die ärmsten Söhne unseres Voltes, haben uns in dieser schwersten Zeit mehr geholfen, als dir Be sitzenden, die Bildung und Besitz nur für sich in Anspruch nehme«. (Beifall links u. i. d. Mitte. Lachen rechts.) Minister Luest mann, der von der Rechten kam, hat gezeigt, daß eine andere L? die von uns eingeleitete Politik gar nicht möglich war Wi: müssen endlich zu dem klaren Verhältnis kommen: Hier Regie ruiig — hier Opposition! Wer in eine Regierung eintriu mr) gewisse Vorbehalte macht, der muß sie mindestens in der erst» Kabinettssitzung aussprechen. Die Auseinandersetzung, die wir bente zwischen Gras Westarp und Dr. Stresemann gehört haben, hätte in der ersten Sitzung des Reichskabinetts geführt werden müssen. Meine Oppositionsstellung gegen die Rechtsregieruiig ist durch die heutige Rede des Grasen Westarp vollkommen ge rechtfertigt worden. Ich habe mit dieser Oppositionssiellui:; das Risiko übernommen, dem nächsten Reichstag im Rahme,'. Ls Zentrums nicht anzugohören. Die Zentrumspartei, der ist «» gehöre, hat schon gegen Bismarck die demokratischen Bürger rechte vertreten. Sic hat dem neuen demokratischen Stau: . ablässig gedient. (Lachen rechts.) Ich habe mich grfr-m:. st Dr. Stegerwald in seiner heutigen Rede endlich das Won strist Vas ich von seinen Lippen so gern Hörle, daß auch er und die ist» nahestehenden Christlichen Gewerkschaften Garanten ocs Len:- schen demokratischen Staates sein wollen. Dieses Wort, zur lis tigen Stunde gesprochen, ist ein wertvolles Mtivu-m der Psst.st (Lachen rechts.) Ihr Lachen ändert nichts daran, daß die Welle der Reaktion bei den kommenden Wahten vollständig üb.u wr - den wird. (Lcbch. Beifall links u. i. Zlr., — Lachen und Hurru- Rufe rechts.) angeblich veraltete Orgonisaiionsapparate. Worum es geht, habe ich am 4. März in Duisburg in folgenden zwei Sätzen ausgesprochen: „Wenn wir uns christlich-nationale ArbeitnehmerLewe- gung nennen, so bringen wir damit zum Ausdruck, daß wir uns nicht nur als Klasse, sondern als Bestandteil des großen deutschen christlichen Kulturkreises und des deutschen Ge- samtvolkes fühlen . . . Die christliche Arbeiterbewegung ist geschaffen worden einmal, um den materiellen Aufstieg der Arbeiterschaft zu ermöglichen, dann aber auch um christlichen und religiösen Geist in der Arbeiterschaft zu erhalten und von unten herauf damit das öffentliche Leben zu befruchten und zu erneuern." Weil es nicht bloß um Heringe und soziale und wirtschaft liche Dinge, sondern um den Deist geht, der für die Gestaltung des deutschen Volks- und Staatslebens bestimmend sein soll, sind viele meiner politischen Freunde in den letzten Jahren weni ger mit dem Wollen als mit den Auswirkungen der Tätigkeit unseres Herrn Kollegen Wirth nicht einverstanden ge wesen. Es ist in den letzten Jahren das Reichsbanner gegründet worden, das sich wohl zu mehr als 90 Proz. aus So zialdemokraten zusammensetzt. Die überwiegende Mehrheit der Mitglieder des Reichsbanners hat in ihm lediglich eine Kampf gruppe gegen rechts gesehen. Wirth wollte aus dem Reichs banner nnchr gemacht wissen: er glaubte, in dem Reichsbanner auch eine Plattform sehen zu sollen, von der aus die sozialistischen Massen positiv an den Staat herangebracht werden können. Ich habe nie an diese Möglichkeit geglaubt. Wenn heute Herr Kollege Wirth in einer Massenversammlung redet und nach Sollmann von den sozialistischen Massen umjubelt wird, und wenn dann die sozialistische Agitation und Presse an :M Tagen des Jahres aus einem ganz anderen Geist heraus zu ihren Massen redet, dann kann die Wirtsche Ausrüttelungsarbeit, so weit di« sozialistischen Masten in Frage kommen, nicht von Er folg sein. Ich glaube nicht daran, daß ohne oder gar aeaen den sozialistischen Parteiapparat in nächster Zeit die sozialistischen Masten von außen hrr zu einer anderen Denkweise und Haltung gebracht werden können. Und darum bin ich der Meinung, dag Herr Wirth in den letzten Jahren vielfach am falschen Platz und nicht selten in falscher Front gekämpft bat, und daß, wenn Herr Wirth in den nächsten Jahren die po litischen Ausgaben mit leinen engeren politischen Freunden im einzelnen bespricht, in Zentrumsversammlunge» redet, in der Zentrumsprest» schreibt, mit der christlich-nationalen Arbeiter bewegung engere Fühlung unterhält, er im ganzen gesehen dem deutschen Volk- und dem deutschen Staatsleben größere Dienste leisten und größere Erfolge erzielen kan», wie das in den letzten Jahren in teilweise anderer Front möglich war. Politische Parteien sind nicht Selbstzweck. Die Zentrums- partei ist der Meinung, daß sie nicht nur ihren Wählern, son dern auch dem deutschen Volke im ganzen am besten dient, wenn sie auch unter dem veränderten parlamentarischen Regiciunz?- system ihrem Wesen nach das bleibt, was sie von feher war. Sie ist der Auffassung, daß mit dem Pancien- syscem, wie wir es in Sachsen. Thüringen usw. haben, wo .ie verbindenLe Mitte fehlt, bei der Zcrrisjenheii oc? deutschen Volkes die gewaltigen Ausgaben der deustchen Polin! in der Welt und im Innern im letzten Jahrzehnt nicht halte» durchgesührt werden können und sich auch in den nächsten ^ob ren sich nicht bewältigen lassen. Es ist eine letale falsche Auffassung zu glauben, daß wir bereu? über den Berg seien. Wir stehen noch vor ungeheure» Ausgaben gegenüber der Geltendmachung Deutschlands in Lr Well gegenüber der Festigung und Sicherung der deutsche» Wirischaft und gegenüber der Sickerung der Lauernden Leben- Möglichkeiten des deutschen Volkes. Die Zentrumspartei wird sich bemühen, ihr geistiges und politisches Eigenleben so klar wir möglich herauszustellen und es zu vertiefen. Politische Arb.i.?- gemeinschaften, politische Zwcckgcmeinschaften vermögen - ganz gleich, ob sie mit rechts oder mit links eingegangen wer.en müssen —, an dem Charakter und dem Eigenleben der Zentrumspartei nichts zu ändern. Wir bleiben eine christlich und sozial orientierte Partei, deren Bestreben es ist, das gaipr Volt mit dem Staat verwachsen zu lasten und das deutsche Volk in seiner Gesamtheit nach den trüben Erlebnissen des lebten Jahrzehntes wieder besseren Tagen entgcgenzusühren. (Leih Beifall.) Abg. Dr. Scholz (D. Dp.) ührte aus, die Grundlinien der Stresemannschen Außeiipoinik eien jetzt Gemeingut des deutschen Volkes geworden, auch Sc: Deulschnationalen im Gegensatz zu ihrer früheren Haltung. Tn- Ziel des Einheitsstaates müsse allmählich erreicht werden. Bis marck könne nicht als Kronzeuge für den ewigen Bestand der bundesstaatlichen Verfassung angerusen werden. Von Bisinaui sollte man aber auch lernen, daß bei der Errichtuna de? Ei» hcitsstaates die süddeutschen Länder mit der nötigen Vorsicht be- handelt werden müssen. Die sozialpolitische Arbeit der KM Negierung sei anzuerkennen, es dürfe aber nicht vergessen wer den, daß die Grundlagen jeder Sozialpolitik eine gesunde Wirt schaftspolitik sei (Beifall). Abg. Sollmann (SozZ beschäftigte sich dann mit der Neda des Abg. Stegerwald. In der falschen Front habe nicht Tr. Wirth gekämpft, sondern Stegerwald, der auf die Rcchl?- koalition hingearbeitet habe. Wenn Dr. Wirth trotz der Geg nerschaft vieler Parieiinstanzen gegen chn auf die Reichsliste ge setzt wird, so sei das wohl nur dein Respekt vor der Rebellion der christlichen Arbeiter zu verdanken. Ein« Christianisicrinig des kapitalistischen Unternehmertums sei unmöglich. Die soziale, geistig« und kulturelle Kluft zwischen den christlichen Unterneh mern und christlichen Arbeitern sei größer als die zwischen christlichen und sozialistischen Arbeitern. (Lebh. Beifall b. o. Soz.)
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