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Sächsische Volkszeitung : 04.01.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-01-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192801044
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19280104
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19280104
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-01
- Tag 1928-01-04
-
Monat
1928-01
-
Jahr
1928
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 04.01.1928
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8«« «er » Sächsische Dolkszeitung 4. Iaii««r Die ErklSrunesverluche Vr. Slephanr Der Chefarzt der Medizinischen Klinik des St. Marien- rrankenhauses in Frankfurt a. M., Dr. R. Stephan, der nicht katholisch ist, hatte „im Auftrag bischöflicher Be hörden" die Vorgänge in Konnersreuth beobachtet und untersucht und in zwei Artikeln der Frankfurter Zeitung zunächst über seine Beobachtungen berichtet und dann deren natürliche Erklärung versucht. Wir haben unseren Lesern s. Zt. darüber berichtet. In der Augsburger Postzeitung erwidert jetzt Dr. A. Schmitt aus Freiburg i. B. auf Dr. Stephans Versuch die Enthaltung Therese Neu man ns von Nahrung wissenschaftlich als etwas Natürliches zu erklären. Wir geben seine Ausfüh rungen hier wieder: Die Enthaltung von Nahrung fett fast einem Jahr «imint Dr. Stephan als Tatsache an, sicher aber ist nach seinen eigenen Beobachtungen, daß Therese Neumann während den Bisionen von Donnerstag abend bis Freitag mittag etwa sieben Psund abnimmt. Diese Gewichtsabnahme „ist bereits im Laufe des Spätnachmittags wieder ausgeglichen und aufgeholt", aber ohne das, das Mädchen Speise oder Trank zu sich nimmt! .Der gesamte Blutverlust ist selbstverständlich quantitatio nicht meßbar: er erscheint dem Laien grosl. ist aber in Wirklichkeit ge ring, ich schätze ihn auf nicht mehr als ungefähr 100 Kubikzenti meter." So lauten die Worte des Arztes. Mit den beiden letzten Feststellungen, die Dr. Stephan selbst beobachten konnte, die er also nicht auf die Aussagen anderer Leute hin macht, wollen wir uns im folgenden allein beschäftigen. Bei der Frage, ob etwas ein Wunden sei oder nicht, haben wir immer zwei Dine« zu beachten: einmal tue Sicherstellung der Tatsache und dann das Urteil darüber, ob das Ereignis durch die Kruste der Natur gewirkt sein kann oder nicht. Wenn man nicht den eigensinnigsten Zweifel sich zum Grundsatz machen will, so mutz man doch wohl aunehmen, datz die beiden zuletzt ge nannten Erscheinungen wirkliche Tatsachen sind. Es bleibt also die Frage: Können sie natürlich erklärt werden oder nicht. Dr. Stepban glaubt beides aus natürlichen Ursachen erklären zu können Wie es damit steht, das wollen wir uns etwas genauer noch ansehcn. Therese meint sie werde noch leben bis 1935. Dr. Stephan sagt, datz nach medizinischer Berechnung auch die Vorratsstosfe ihres Körpers gerade noch so lange ausreichcn werden. Er behauptet also, dag der Energiebedarf für alle Le- benstätigkciten des Mädchens gedeckt werde durch die in ihrem Körper enthaltenen Stoffe. Ueber die Art und Weise, w i e diese Berechnung angestellt wird, äutzert er sich nicht. Bei der Leidensvision verliert das Mädchen nach Angabe des Arztes 100 Kubikzentimeter Blut, das sind 105 Gramm. Da die Lei densvision regelrecht alle Freitage durchgemacht wird, bedeutet das einen Gewichtsverlust von fünf Kilogramm im Jahre. Eigentlich den Verlust des gesamten Blutes, aber man kann ja annehmen, datz immer wieder neues Blut aus den Neserve- stosfen des Körers gebildet wird. Dazu kommt noch, datz der Körper zur Ausrechterhaltung seiner Temperatur fortwährend Stoffe verbraucht, ferner zur Vollendung anderer Tätigkeiten ebenso Ganz abgekehen von dem Gewichtsverlust, der infolge dieser Lcbenstätigkeiten eintreten mutz und der etwas schwer zu berechnen ist, mutzte das Mädchen schon wegen des Blutver lustes jährlich 10 Pfund abnchmcn. Und so soll es bei aleichbleibenden Verhältnissen gerade noch bis 1935 auf natürliche Weise leben können! Was cs dann noch wiegen würde, kann der Leser selbst ermessen. Nach Aussage des Arztes hat das Mädchen im Laufe des letzten Jahres abgenommen, aber „zahlenmätzig ist der Verlust freilich gering". Wir haben gesehen. Latz schon der Blutverlust bei den Visionen eine Abnahme von zehn Pfund bedingen würde. Hier ist die Sack)« also doch nicht so ganz natürlich, wie der Artikel in der .Frankfurter Zeitung" glauben machen will. Die fast plötzliche Gewichtsab- und -zun ahme während der Vision am Freitag? Auch das ist na türlich zu erklären, sagt der Arzt: ..Der Ablauf der Entrückung ist von einem autzerordentlichen LLasscrverlust durch Transpi ration und extrem vermehrte Atmung begleitet. — Gewichts sturz durch Wasserabnahme. ein medizinisch hinlänglich bekanntes Geschehen." Auch die grotze Menge von sieben Pfund? Leider wird es schwer oder unmöglich sein, die durch Transpiration und oermchrt« Atmung, abgegebene Wassermenge zu messen. Dl« Wiedergewinnung des Gewichtes von sieben Pfund cm Lause des Spätnachmittags? Hören wir di« natürliche Erklärung: „Der Organismus ist unter den völlig veränderten Stoffwechsel- bcdingungen befähigt, die Schleimhaut der Lungen nach Wahl zur Aufnahme wie zur Abgabe im Wasserstoffwechsej zu zwingen, eine Umkehr der Funktionsrichtung, wie sie uns aus anderen Beispielen der Pathologie ganz geläufig ist." Also die Lunge soll statt Wasserdamps mit dem Atem abzugeben, wie sie es gewöhnlich tut, während der unmittelbar auf dl« Vision fol genden Stunden ihre Tätigkeit umkehren und Wasserdamps aus der eingeatmeten Luft aufnehmen. Wir wollen an dieser medizinischen Behauptung nicht rütteln, sondern nur unser Bedauern darüber aussprechen, datz man das ein fache Experiment nicht gemacht hat. die ausgeatm«te Luft der Therese Neumann auf ihren Feuchtigkeitsgehalt zu untersuchen: diese Luft müsst« wesentlich trockener sein als die eingeatmet», wenn diese Umkehr der Funktion wirklich stattfindet. Aber an genommen, man hätte es xeinacht und es hätte llch bestätigt ge funden, datz die eingeatmete Luft ganz trocken, also in der Lunge all ihres Wassers beraubt worden sei. Was dann? Auch dann wäre die gegebene Erklärung nicht stichhaltig. Das beweist eine Rechnung, die jeder ohne große Kenntnisse aus der Mathematik machen kann. Nach einer Angabe, die ich dem Handwörterbuch der Naturwissenschaften entnehnrq, macht der Mensch normalerweise etwa zwölf Atemzüg« in der Minute — und Therese sei nach der Vision „nach zw«i Stunden wieder munter, außer Bett und neuen Besuchern aufgeschlossen". Wir werden also auch annehmen dürsen, datz ihr Atem regelmäßig ist Aber auch, wenn er etwas schneller und tiefer als gewöhn lich wäre, so würde das an dem Ergebnis der folgenden Berech nung nichts Bedeutendes ändern. Also 12 Atemzüge in einer Minute, 12 X 00 in einer Stunde, 12 X 60 X 12 in 12 Stunden: das sind im ganzen 8610 Atemzüge. Mit jedem Atemzug wer den 500 Kubikzentimeter Luft ausgenommen im Mittel. Es werden also durch das Atmen in einem halben Tag« 8610 X 500 -4 320 000 Kubikzentimeter Luft durch die Lungen geführt, oder 1,32 Kubikmeter. Ein Kubimeter Luft von 20 Grad kann nach den Lehrbüchern der Physik höchstens 17,3 Gramm Wasser in Dampsform in sich enthalten. Wir wollen annchmen. daß die Luft im Krankenzimmer den höchsten Grad der Feuchtigkeit hätte, der überhaupt möglich ist: dann würden der Lunge zur Aufnahme in den Körper bei umgekehrter Funk tion 4,32 X 17,3 Gramm Wasser zugeführt werden in 12 Stun den, das sind 71,7 Gramm. Die Gewichtszunahme des Mächens betrügt aber in dieser Zeit 7 Pfunds das sind 3500 Gramm! Für 74,7 Gramm hätten wir also eine natürliche Erklärung, d. h. wen,, die Umkehr der Lungenfunktion nachgewiesen wäre. Aber die anderen 3,1 Kilogramm, woher kom me n d i e ? Dafür bleibt uns die Medizin auch bei Umkehr der Richtung der Lungenfunktion noch die natürliche Erklärung schuldig Es ist daher unverständlich, wie der Verfasser seinen so schönen Artikel mit dem Schluß belasten kann: „Jedenfalls er lauben alle bisherigen Beobachtungen, mit Gewißheit zu sagen, daß die genaueste Analysierung der biologischen Geschehnisse am Organismus der Therese Neumann in keinem Punkte die Wissen schaft zur Waffenstrcckung zwingt." Ueberdies wäre es gar keine Waffcnstreckung der „Wissenschaft", wenn sie erklären müßte, daß keine natürlichen Ursachen angebbar seien für die geschil derten Vogänge. sondern nur die Wasfenstieckung einer in die Irre gegangenen, also falschen Wissenschaft, die sich mit dem Dogma des Monismus beladen hat, datz Uebernatürliches nicht geschehen oder von uns nicht erkannt werden könne. Wir ver stehen nicht, wie am Schlüsse des Artikels so siegesgewiß ge sprochen werden kann: „Von einer Durchbrechung der uns be kannten Naturgesetze ist nichts zu finden. . . . Nichts fordert die Annahme übernatürlicher Wunder heraus, nichts will durch parapsychologische oder gar spiritistische Umschreibungen erklärt werden . . . Die große Schranke nach dem Uebernatiirlichen, di« viele suchen, keine finden, bleibt auch in Konnersreuth hoch aufgerichtet." Zu solcher Sprache geben die vom Arzt« angegebenen Erklärungen kein Recht. Mehr wollen wir mit unserem Ar tikel nicht behaupten. Wir Katholiken find für jeden natürlichen Erklärungsversuch aufgeschlossen; nnr muß er besser sein als die uns hier gebotenen; wir lassen uns aber auch nicht das Auge verbinden, das nach dem Uebernatiirlichen schaut. Die Einheit der Kirche Am kommenden Montag, den 9. Januar, wird der Let- ter oes katholi'chen Erziehungsheimes in Hellerau, D r. Baum, im Künsllerhaus einen Vortrag halten, der zweifellos weitgehendes In teresse der Dresdner Katholiken finden wird. Die religiöse Bewe. gung, von der die ganze Christenheit seit den furchtbaren Erschütte rungen des Krieges erfaßt ist, hat ihre vielleicht schönste Frucht darin gezeitigt, daß der Gedanke der einen heiligen, christlichen Kirche wie der in zahllosen Herzen lebendig geworden ist. Ueberall, wo in der Welt christliches Bewußtsein reg« ist, wird heute auch der Schmerz empfunden, daß die, die sich zum Glauben an den einen Herrn JesuS bekenncn, in viele» Kirchen, Konfessionen und Gruppen zerrissen sind, und überall ist das Bewußtsein dmchgcbrocben, daß dieser Zu stand der Zersplitterung und Zerspaltung ein Mitzstand und eine Not ist, die zu überwinden alle arbeiten müssen, die guten Willens sind. Nicht nur, datz in der alte» katholischen Kirche des Ostens, die nun schon fast ein Jahrtausend von der römischen Kirche getrennt ist. in folge der großen geistigen und politische» Umwälzungen der Wunsch nach einer Einigung mit der Mutterkirche (mit der man im Glau ben immer einig gewesen ist) allenthalben empfunden wird, auch in vielen protestantischen Religionsgemeinschaften fühlen heute gerade die besten die Unzulänglichkeit der nationalen oder regionalen M- grenzungcn. Zum ersten Male wird im Weliprolestantismus die Ten denz zu einer Annäherung, zu einem Zusammenschluß spürbar. Das Ideal der „»na sancta ecclesia", der einen und einheitlichen Kirche, leuchtet gewaltig auf. Zwei große Manifestationen hat diese Ver- einigungstendenz der protestantischen Christenheit — vor allem durch die Initiative des Erzbischofs Nathan Söderblom — erlebt: Die Konferenzen von Stockholm 1925 und Lausanne 1927. Die erste hatte in bescheidener Begrenzung ihrer Ziele nur von der Möglich keit eines Zusammengehens in den praktisch-sittlichen Fragen der christlichen Lebensführung handeln wollen („lise and Work"); die zweite Konferenz hatte darüber hinaus auch die Möglichkeiten abzu tasten versucht, inwieweit unter den verschiedenen christlichen Reli gionsgemeinschaften eine Uebereinst-mmung in Glauben. Kult unt Kirchenzucht bestände („faith and order"). Auf beiden Konferenzen, die sich somit als austerordentlich wichtige und erfreuliche Ereinnissc in der christlichen Welt darstclle». war die römische Kirche offiziell nicht vertrc'en. Da Rom die Bedeutung dieser Konlerenzen gewiß nicht unterlchöht lxit und da andererseits niemand ernster und auf richtiger die Wiedervereinigung der Christenheit wünschen und er streben kann, als die römische Kirche, so hat man In diesem Verhalten Roms wohl mit Recht eine ganz bewußte Stellungnahme erblickt, die jedoch vielfach auch von Katholiken nicht richtig verstanden und richtig gedeutet worden ist Jedenlalls ist es für einen bewußten Katholiken in dieser Zeit notwendig, über diese wichtigen und folgenschweren Vorgänge in der Christenheit informiert zu sein und vor allem ein klares Bild von der Stellung seiner Kirche z» diesen Ereignissen zu haben. Es ist kein Zweifel, daß die Katholiken der Diaspora, denen sich täglich Gedanken und Probleme über das Verhältnis ihrer Kirche zu den anderen Konfessionen anldrängen. von einer Gelegenheit Ge brauch machen werden, sich über diesen ganzen Fragenkomplex in einem einheitlichen Vortrag zu unterrichten. Der Vortrag von Dr. Baum wurde aus Anlaß der diesiäh- rigcn Tagung der katholische» Akademiker in Breslau, die unter die sem Leitgedanken stand, in der Dresdner Akademikervercinigung gehal ten Auf Wunlch der damaligen Zuhörer wird er nun der ganzen christlichen Ocffentlichkeit unserer Stadt zugänglich gemacht/ Wir Dresdner Katholiken dürsen am 9. Januar im Künstlerhaus nicht fehlen. Wer pitt als Kleinrentner? Auf die aus den bc'eiliglen Kreisen in der letzaen Zeit vielfach erhoben« Frage, wer als Kleinrentner zu gelte» hat, erteilt di« Wohl fahrts-Korrespondenz die folgende ffw von zuständiger Stelle zuge- gangcne Auskunft: Die besondere Stellung der Kleinrentner in der öffentlichen Fürlorge beruht reichsgeschlich auf de» Grundsätzen über Voraussetzung. Art und Maß der öffentlichen Fürsorge vom 4. De zember 1921 (Reichsgcsehblatt I S. 765 ff.). Dort ist in 8 11 der Begriff des Kleinrentners dahin festgestcllt. daß als Kleinrentner an- zuschen sind alle oder erwerbsnnfäbige Personen, die infolge eigener oder fremder Vorsorge ohne die eingetretene Geldenttvertung nicht auf die öffentliche Fürsorge angewiesen wären. Als erwerbsunfähig ist ein Kleinrentner dann anzuseben. wenn er infolge körverlicher oder geistiger Gebrechen nicht nur vorübergehend außerstande ist, sich durch Arbeit einen wesentlichen Teil seines Lebensbcdarses zu beschaffen. Ob bei einem Hilfsbedürftigen die Vorausfetzuuge» der Kleinrentncr- eigenschast gegeben sind, kann hiernach nur nach sorgfältiger Prüncng des Einzelfalles entschieden werden. Auch ein Sozialrentner kann in Kleinren'nerfürsorge stehen, wenn er di« besonderen Voraussetznn. gen dieser Fürsorge erfüllt. Zeitgenossen Von E. H. Hillekamps. Auch s i e sind es. Ganz besonders sind si e es. Iw vorigen wahrscheinlich Arbeitslose, vielleicht auch Nichtstuer und Aben teurer, aber solche mit sympathischen Zügen, mit einer gewissen gewinnenden Frechheit. Gott weiß, was sie sich dabei denken: bisweilen ist es wohl nur «in Sport, vielleicht aber auch bitter« Not. Wie andere, vor einem Jahr etwa, hungerten — dreißig, vierzig, fünfzig Tage lang — so machen auch sie in Rekord: Sie gehen. Sie gehen rund um die Welt. Bescheidener: Quer durch Europa oder quer durch Deutschland Das richtet sich nach dem Maße der Bescheidenheit, es ist sozusagen ein Gradmesser dafür. Vor einem Jahre also waren es di« Hungerkünstler, die in Rekord machten. Herr Jolly in Berlin wurde sogar bekannt, eine Berühmtheit in Europa und in den Staaten; in Berlin hungerte er, und als er ausgehungert hatte, fuhr er nach Amerika und ließ sich für Geld sehen. Und aß sich allmählich wieder eine normale Figur an. Er halte Nachfolger. Männer und Frauen, die für Geld hungerten wie er: aber di« meisten betrieben das Geschäft nicht ehrlich. Man schmuggelt« etwa Hühnerbrühe und Schokolade in ihr« Glaskästen, das Publikum erfuhr und tobte. Von da an zog das Hungern nicht mehr. Es kamen Dauertänzer. Dauerschwimmer. Dauerraucher, Daucresser, Dauertrinker. Ein deutscher Mann überquert den Kanal in soundso viel Stunden, er braucht ein paar Stunden weniger als sein Vorgänger, und gewinnt den Rekord: aber ehe man ihn genug gefeiert hat — Politiker, Parlamentarier, respektable Oberbürgermeister großer Städte bemühen sich um ihn —, hat er den Rekord schon an einen andern Dauerschwimmer verloren. M« schade! Aber es gibt ja neu« Rekorde. Rekorde sterben nie aus. Wie gesagt, das Dauerwandern. Hin und wieder kam schon früher einmal ein Kauz auf dir romantische Idee, zu Fuß «in« große Reif« zu machen, das heißt, etwas anderes tun als di« Mehrzahl seiner Mitmenschen, di« dafür irgeitdein Vehikel, sei «s Automobil. Waae» oder Eisenbahn, benutze». Aber da» waren Ausnahmen. In den Zeitungen stand dann eine Lokal notiz. Heute haben sich mit einem Male diese Ausnahmen ge mehrt: es gibt so merkwürdig viel« Käuze, die romantische Ein fälle haben. Die Dauerwanbcrcr begegnen sich aus den Siraßen. der eine kommt aus dem Westen und will zum Osten, der andere aus Bayern und sagt, daß er an die Nordsee geht. Oder nach Dänemark, Schweden. Norwegen. Sie verkaufen Ansichtskarten mit ihrem Bild, auf dex Rückseite steht ihre Biographie. Sie besmhen auch die Redaktionen der Zeitungen, aber im lokalen Teil erscheint kein« Notiz niebr; sie müßte sonst jeden Tag er« scheinen, oder an jedem Tag ihrer mehrere Manche kommen auch zu dreien oder vieren, sie haben dann einen Wagen, in dem sie wohnen, schlafen und essen, und vorn« hängt etwa ein Schild. Drei rheinische Jungen ziehen diesen Wagen durch Deutschland, - oder: Vier Bayern wollen um di« Weltreisen. Es ist eine neue Art. di« Zeit hinzubringen und Geld zu ver dienen: sie unterscheidet sich von den Formen aiiderer Dauer tätigkeiten nur durch den Grad der Hygiene: sie ist nämlich be deutend gesünder. Es braucht nicht gesprochen zu werden von der Mannigfaltigkeit der Eindrücke, dem ständigen Wechsel von Wald, Feld, Wies«, Straße. Dorf und Stadt, Luft und Klima und Menschen. Uns Pflastertretern fehlt das alles. Wir gehen jeden Tag um dieselbe Stunde an unsere Arbeit, um dieselbe Zeit an den Mittagstisch, haben auf die gleiche Minute Feier abend, und erst was dann kommt, ist unsexein Ermessen anheim- gestellt. Ueber das alles braucht nicht gesprochen zu werden. Es ist nur eiir« Frag«, inwieweit jenen Dauerwandcrern ihr „Geschäft" wirklich bloß Geschäft ist, und inwieweit noch Freude am Vielfältigen, Bunten, Bewegten es ist. was dies« Zeitgenosse» auf die Landstraßen treibt. Ein« Frag« also nach den Motiven fwie eigentlich jede Frag«), die schwer zu beantworten ist. Aber sie ist entscheidend: Denn gingen sie stumpf und dumpf durch di« brennenden Schönheiten und di« interessanten Häßlichkeiten der Erde, dächten sie nnr an ihre Postkarten und an den Erlös au» ibrem Verkauf, wäre da» Ganz« nur ein Sport, — und nicht einmal ein Amateursport, sondern Berufsspiel, wie man da» wohl zu nennen pflegt i» «är« diese Zeitgenosse» die lchlimmsten. di« « aib» Wir sind jedoch so human, anzunehmen, datz dem nicht so ist Namentlich, weil ihr« sympathische Frechheit, von der schon ein mal gesprochen wurde, es schwer macht, so von ihnen zu denken. Der Dresdner Presseball 1928 am 14. Januar. Bon jeher haben die Säle des städtischen Ausstellungspalastes eine durch aus a;x>rte künstlerische Ausschmückung erfahren, wenn der Presseball die Dresdner Gesellschaft in sämtlichen Räumen ver einigte. Man ist diesmal von dem Gedanken ausgegangen ihn dem Konzertsaal anzuähneln, d. h. den Barockstil dieses Saales aus den großen Saal zu übertragen. Rings herum werden sich Baldachine an Baldachine reihen, deren zartsarbige Stoffdecken von schräg gestellten Gestängen getragen werden, deren Spitzen Büschel von Straußfedern krönen, wie man auf Stichen aus der Zeit Augusts des Starken sicht. Jedes Bal- dachincnzelt erhält seine Beleuchtung. Lorbeerbüsche werden die einzelnen Baldachinenzelte abgrenzen. Von der Mitte fallen sodann in weiten Bogen Bänder nach den Seitenwändcii, außerdem wird von ihr an Bändern ein kleiner und ein großer Kranz von mehreren Meier Durchmesser herabhängen. Die Kränze tragen in sich Hunderte von elektrische» Birnen. Neben weiß sind nur d:e Lieblingssarben der Barockzeit ver wendet worden. Ueber der Gesamtdekorat'on wird eine niedri ger gehaltene Stoffdccke gezogen, wodurch dem großen Saal ein intimer Cliarakter gegeben wird. Der K o n -> e r t s a a l wird sich in seinem neuen Gewände zeigen, das ihm gegeben wurde, ohne ihm den bisherigen Reiz des augustäischen Barock inik seinen Watteaubildern zu nehme». Das Podium erhält einen besonderen Schmuck für die künstlerischen Aufführungen, soweit sic in diesem Saale staltsinden. In den übrioen Räumen soll nur durch gärtnerischen Schmuck ein festlicher Charakter er zielt werden. — Es wird sich empfehlen, Teilnehmercm'eich- nung und Kartencntnahme bei der Konzertdirektion Ries (F. Piötncr) recht bald zu bewirken. Das Tanzkabarett Belvedere, das aus früheren Jahren den Dresdnern in bester Erinnerung ist, hat ain Neujahrstage seine Pforten ouss neue geöffnet. Damit ist eine Stätte ge schmackvoller Kleinkunst für Dresden zurückgewonnen. Gleich der erste Abend zeigte durch einen Rekordbesuch, wie empfäng lich das Publikum für wirklich wertvolle Neuerungen auf diesem Gebiete ist. Die neue Ausstattung des Brühlschen Saa les. dem e>ne geschickte Innendekoration Vornehmheit und intimen Retz zugleich gegeben hat. gibt einen würdigen Rah. men sür Kabarett und Fünfuhrtee. Eine Neuheit sür Dresden
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