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Nummer iS — 27. Jahrgang »Achtln« »mal IvichenUich «u de» tllulirierte» »r«ti»deila,«„ Di» «e»' und .Für unser« »einen Leut«', lolot« de» »eit. Nagen .«t. Benna-BIatt', .liiiler-altun, und wissen', .Die Welt der Frau', .«erzilicher diatgeber'. .Da» gute Buch'. .Filmruiidscha»'. Monallicher B«»u,»p»«i» 8.- Mk. elnschf. Beslellneld- «injelnunnuer 1« ^ Sonntagnnmmcr j»v Haupllchrtsttetter! Tr. iS. TeSrzhk. Lrekden. SSM Donnerstag, 1«. Januar 192- ««»l»,»»»» » Tee»»«« «u,ei»eu»r«tlel Die igespalten« »etitieU« »U ^ Famllien- a»,eigen und Stellengesuche »0 Die Peiiireliauiezeil«, u» Milli,neier breit, t .« Ofseriengebühr iti» 4- Im Fall« HSHerer Gewalt erlischt jede Berpslichlung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigen-Anslrllgen u. Leistung v. Schadenersatz, »eschllslllchec Teil: Artur Len». Dresden. iUelchäft-ftelle, Druck».Aerlag; Germania. A.-i». iüc Berlag und Druckerei, Filiale Dresden. DreSden-A. l. Poli«rsiratzei7. FemrusLwlg. Losilcheckionto Dresden r7vZ. Banklont» Etadtbank Dre-den Nr Nl7iS Für christliche Politik und Kultur Dresden Redaktion der Sächsischen Volk»zei«n»a Sden-Altsiadi 1. Poiiersiratze >7. Fernrni S07N und r,M2. Die „SMrkr" -er Deutschen Vvtksparlet Die Stellung der Deutschen Volkspartei zum Reichs, schul ge setz war ursprünglich recht stark. Das böse Zentrum aber hat mit dem Austritt aus der Koalition ge droht. Das hat genügt, um die Stärke der Deutschen Polkspartei in Schwäche zu verwandeln. So ist dann die Deutsche Polkspartei bei den Beratungen im Ausschuß . die Gebende" gewesen. Ja, sie hat sogar einen liberalen Grundsatz über Bord geworfen und der Einsichtnahme der Kirche in den Religionsunterricht zugestimmt. Teuf lischer Wahn jener Protestanten, die in dieser Frage mit dem Zentrum einig wurden, und damit wieder einmal vergaßen, daß es in Kulturfragen keine Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche in Deutschland geben darf, weil Rom ja bekanntlich keine „Schwesterkirche" neben sich dul det, und weil daniit die andere Kirche der katholischen einen Dienst erweisen würde. Damit ist wieder einmal „die Gewissensfreiheit des Einzelchristen" in Gefahr. In diesen und ähnlichen Variationen ergehen sich erneut die „Leipziger Neuesten Nachrichten" über den bekannten li beralen Standpunkt zur Schulfrage. (Vergl. den Leitartikel ..Schwesterkirche" in Nr. 13). Der Diplomaten sprache entkleidet will dieser Leitartikel anscheinend besa gen: Der Protestantismus möge lieber auf die Veranke rung der christlichen Grundsätze im Reichsschulgesetz szu denen auch die Einsichtnahme in den Religionsunterricht gehört) verzichten, als diesen allgeinein-christliciien For derungen zustimmen, um nur ja nicht der katholischen Kirche eine Konzession zu machen! Das ist Liberalismus in Reinkultur. In diesen Aus führungen zeigt er seine altbekannten historischen Gesichts- ziige: Lieber die ganze Welt verderben, als etwas befür worten, was gleichzeitig der katholischen Kirct)e nützen könnte. Diesen Vorstoß gegen den gesunden Menschenver stand hätte inan sich getrost sparen können. Denn wenn man schon glaubt, daß sich die Deutsche Volkspartei bei den bisherigen Ausschußberatungen des Reichsschulgesetzes als ein schlechter Börsenmakler erwiesen hat. so übersieht diese Denkweise doch etwas sehr Wesentliches: Ein Schulgesetz mag für die L. N. N. eine Art von Börsen geschäft sein. Für uns bleibt es eine Frage der Welt anschauung und der G l a u b e n s ü b e r z e u g u n g. Wenn man so gern ganz allgemein Achtung vor der Glau- bensüberzeugung Andersdenkender fordert — auch der Liberalismus tut das —, dann sollte man erst recht bei Be urteilung der Verhandlungen im Bildungsausschuß de Reichstages Maßstäbe anlegen. die nicht den: Requisit eines Tuchhändlerladens oder einer Kohlenhandlung ent nommen sind. Soviel zu der Mentalität des Liberalismus. Aber er irrt noch mehr, wenn er bei dem jetzigen Stand der Din ge eine restlose Befriedigung der katholischen Schulwlln- sche zu erkennen glaubt. Es gibt bekanntlich unverrück bare Grenzen für unser Entgegenkommen. Eine Nach giebigkeit darüber hinaus haben die liberalen Parteien niemals zn erwarten gehabt. Insofern hatte allerdings der Liberalismus die Macht in den Händen. Es lag an derDeutschen Volkspartei. die Einigung zu er möglichen. die jedem das Seine gibt, und die sowohl mit der Reichsverfassung als auch mit wahrem liberalen Den ken durchaus vereinbar wäre. So läuft der ganze End kampf schließlich darauf hinaus, ob sich der Liberalismus bereit finden wird, rückhaltlos auf den Boden der Ge wissensfreiheit zu treten. Von Zentrumsseite ivird in keiner Weise verhehlt, daß der Entwurf in seinem jetzigen Stadium die Wünsche des katholischen Volksteiles noch keineswegs restlos befriedigt. Das geht u. a. daraus her vor, daß das Zentrum die Neufassung der Bestimmungen über die Einsichtnahme in den Religions unterricht nicht niit unterschrieben hat. Zivar ist iin Gesetz das Delegationsrecht der Bischöfe einwandfrei fest gelegt, damit wäre für Sachsen bereits ein kleiner Fort schritt zu verzeichnen. Es ist aber bekannt, daß Teile der Deutschen Volkspartei auch gegen diese neue Fassung dieses Elnsicktparagraphen noch heftig Sturm laufen mit dem Ziele, diese Frage überhaupt aus dem Neichsschul- gesctz auszusondern. Die vom Liberalismus und Sozialis mus im Bildungsausschuß durchoesetzten Bestimmungen über den Begriff des geordneten Schulbetriebes liegegnen weithin dem größten Mißtrauen. Zu einem Prüfstein entscheidender Art ist aber besonders der Paragraph 20. der letzte des Entwurfes, geworden, der Sonderbestim mungen für die Simultan sch ulländer vorsieht. Der „Zwiespalt" im Zentrum Dt« heutige Nummer enthält die Beilage „Unterhal tung und Wisse n". Ueberslüssige Privatbriese Die Presse ist wieder einmal erfüllt vom Geschrei über einen neuen Zwiespalt in der Zentrumspartei. Zweimal ini Tage weist die liberale Presse darüber Neuigkeiten zu be richt». Die Zcntrum-xinhäna.erschaft ist dieses Schauspiel nach gerade gewöhnt, sie lasst sich dadurch nicht irre machen. Dennoch empfiehlt es sich, gegenüber den zum Teil geradezu grotesken Uebertreibungen der Gegner die Tatsachen klar zu stellen. Meinungsverschiedenheiten gibt es in jeder Partei. Eine solche Meinungsverschiedenheit war im Zentrum entstaiioen bei Verabschiedung der B e s o l d u » g s r e s o r m. Wir haben darüber berichtet. Eine Anzahl von Zentrumsabgeordneten glaubte Ser Erhöhung der Beamtengehälter nur zustimmen zu könne» wenn gleichzeitig die Berwaltungsreform siä-ergestellt wiiroe. Diese Auffassung ivar sachlich durchaus zu verteidigen, nicht zu verteidigen aber war es, daß ö«r Abg. Stegerwald cüien sehr mißverständlichen Privatbrief an eine Magdeburger Zeitung schrieb, in dem absprechende Urteile über die Leistun gen der Beamten so zitiert waren, daß man meinen konnte, der Briefschreiber identisiziere sich mit diesen Urteilen. Der alte Windthorst hat immer wieder erklärt, man solle keine Privatbriese schreiben. Auch dieser Privatbries ist selbstver ständlich veröfsentlicht worden, wir haben das wesentliche f. Zt. daraus wiedergegeben. Stegerival- selbst hat gegenüber den Angriffen die er i in R e i ch s t a g deshalb erfuhr, im Reichstag erklärt, es habe ihm ferngelegen, den Beamten irgcnowie zu nahe zu treten. Im gleichen Sinne hat nun der Reichskanzler Marx, leider ebenfalls in einem Privatbriefe, kürzlich auf eine Beschwerde geantwortet, die der katholische Lehrerverband wegen der Aeußerung Stegerivalds bei ihm eingercicht hatte. (Auch darüber haben wir kürzlich berichtet.! Der Reichs kanzler hat in diesem Briefe auch folgenden Satz gebraucht: „Die stärkst« Ablehnung des von Herrn Dr. Stegenvald und e-nigen Gewcrkschaftssekretären eingenommenen S-and- p.mktes hat sich doch wohl darin gezeigt, daß der Reichstag mit einer so überwältigenden Mehrheit die Besoldungsvor lage angenommen l)at und daß auch in der Zentrumsfraktion nur wenige Abgeordnete gegen die Vorlage gestimmt haben." Dieser Sah hat merkwürdigerweise Herrn Stegenvald uno andere Vertreter der christlichen Gewerkschaftsbewegung sehr verstimmt. Das Organ der christlichen Gewerkschaslen „DerDe » tsche" griff den Reichskanzler an. ebenso der sonst mit Stegenvald keineswegs immerr übereinstimmende Abge ordnete Imbusch (diese Aeußerung geben wir an anderer Stelle wieder), auch der erweiterte Vorstand der christlichen Gewerkschaften hat gegen Marx Stellung genommen. Sieger- wald hat dem Fraktionsvorsihenden v. Guörard mitgeteilt, daß er sein Amt als zweiter Vorsitzender der Fraktion solange nicht ausüben könne, solange sie zwischen ihm und dem Reichs kanzler schwebenden Differenzen nicht bereinigt seien. Der Reichspartelvorstand der Zentrumspartei ist nun aus den 21. Ionuar und der Reichsparteiausschuß aus den 29. Januar nach Berlin berufen worden, ui» zu dieser Angelegenheit Stel lung zu nehmen. Aus diesem Tatbestand ist klar, saß es sich um eine per. söul' che Differenz t>andelt. die bei einigem guten Willen auf beiden Seiten sicher leicht beseitigt werden kann. Wenn die liberale Presse im Anschluß an diese Vorgänge Sensaiionsmel' düngen brachte etnx» derart., daß die Stellung des Kanzlers schwer erschüttert sei, so ist das in den Tatsachen ans keine Weise begründet. Man hosst auf diese Weise lediglich, das Zen trum obzulenken von den schwierigen Fragen, die gegenwärtig in der Regiernngskoalilion zu lösen sind, vor allem seine Stel lung -,n der Schulsrage dadurch zu sch.vääM. Wir möchten sür unseren Teil der Meinung Ausdruck geben, daß auch die Stellung des Parteichefs Marx durch diese Vorgänge in keiner Weise berührt wird. Wenn man >n den Kreisen um Stegerivald sich besonders über die Wendung in dem Privatbriefe des Kanzlers „Stegerivald und einige Ge- wer!stä>aftssekretare" entrüstet hat. so möge man doch beden ken. daß Stegerivald die ganze Auscinandersttzung seinerseits durch einen Privatbrief verschuldet hat. in dem viel mißver ständlichere Aeußernngen enthalten waren. Daß eine Ent schließung des Vorstandes der christlichen Geiverkschasten und Kundgebungen von christlichen Gewerkschaftsführern in dieser Frage erfolgen, statt daß man diese Angelegenheit zunächst ein mal Sen Porteiinstanzen zur Entscheidung vorgelegt hätte, er scheint uns als ein weiterer Mißgriff. Es ist ganz unleidlich, daß man es so darstellt, als sei die Ehre der ganzen christlichen Arbeiterschaft verletzt worden, weil einige Führer sich in ihrem Selbstbewusstsein verletzt fühlen. Wir gebe» der Ueberzeugung Ausdruck, daß die Partciinstanzen keinem Versuch von außen her einen Druck auszuüben nachgebeu werden, sondern denen, die den völlig überflüssigen Konflikt verschuldet haben, ihre Meinung mit aller Schärfe und Klarheit um Ausdruck bringen werden. Die Deutsche Volkspartei vertritt hartnäckig die über spannte Forderung, daß in den Ländern Baden. Hessen und Nassau die Simultanschule auf die Dauer ohne jede Frist erhalten und geschützt bleiben müsse. Das Zentrum kann sich mit dieser Forderung nicht abfinden. Sie würde die Katholiken der genannten Länder unter ein Minder- recht stellen. Vor allem sieht man aber auch die Gefahr, daß auch andere Länder das Bestreben tragen, unter die sen Schlitz der Simultanschulländer aufgenomen zu wer den. Unter ihnen ist ja bekanntlich einer der bedeutend sten Anwärter der Freistaat Sachsen. Das Schicksal un serer wenigen katholischen Schulen hier in Sachsen ist also mit der Festigkeit des Zentnimspartei in diesem Punkte auf das engste verbunden. Es hat wenig Reiz, bei dem unberechenbaren Stande der Verhandlungen über das endgültige Zustandekommen oder Nickstu'st'udeka'i'nu'u de- Gesetzes zu philosophieren. Im Zentrum ist man sich sehr klar darüber, daß sich die Deutsche Volksportei nach n v w ? ^ j ,, der zwei te n L e s u n a wird entschließen müssen, ob sie das Reichs- schltlgesetz will oder ob sie es nicht will. Diese Entschei dung liegt also nur noch bei der Deutschen Volkspartei. Uns will aber scheinen, daß diese Lage von der Deutschen Volkspartei weniger als Stärke, denn als drückende Sor ge lind unangenehmer Zwang zum Farbebekennen emp funden wird. Wir haben stets betont, daß wir aus na tionalen und ans Gewissensgründen heraus das größte Interesse an der Verabschiedung des Reicksschulgesetzes haben. Keinen Augenblick aber haben wir dabei die Ver handlungspartner darüber im unklaren gelassen, daß für uns das Gesetz sofort unannehmbar werden würde, wenn es die Krundforderungen der Gewissensfreiheit nicht er füllt. Das heißt aber, wenn wir den Bestimmungen über Bekenntnisschule, Religionsunterricht und Elternrecht aus Gewissensgründen unsere Zustimmung versagen müßten, wenn in den Simultanschiilländern die Bekenntnisschule nicht ermöglicht würde, oder wenn die unveräußerlichen Rechte der Kirche in Fragen des Religionsunterrichtes preisgegeben werden müßten. In allen diesen Punkten gibt es für uns keine Verbandst,»gen im Sinne des Han delns und Feilschens. Und sollten die lins nahe stehenden Parteien wirklich den Mut ausbringcn, das Gesetz an sol chen Grundfragen zum Scheitern zu verurteilen, dann wäre das ein trauriger Schlag für Volk und Reich. Wir wünschen nicht, daß es dazu Kaminen möge. Wie die Dinge liegen, würde aber das katkalischc Volk die Hal tung der ZentrumssTartei sebr wohl verstehen, ebensogut wie es eine Preisgabe unabänderlicher Gewissensgrund- sätze nie verstehen würde. Dann müßte, so schwer beson ders uns ln Sachsen diese Lösung fallen würde, unsere ge genwärtige Devise: „W irwolleneinReichsschul- g e s e tz u n d z w a r e i n g » t e s !" dem neuen Gebot der Stunde weichen: Lieber kein N e i ch s s ch u I g e s e tz als ein schlechtes? Die Entscheidung liegt also auch beute nach bei der Deutschen Polkspartei, mag sie diese Tatsache nun als ihr« Stärke empfinden oder als Schwäche. Sie hat die Wahl, entweder auf ihren Fordernnaen zu behar ren, damit gegen die vitalsten lniltnrpaliiischen Inter»sst>„ des Reiches zu verstoßen, und dadurch eine gesunde Fort entwicklung des deutsche» ValksschiilwestiiH mg Jahre hinaus zu unterbinden, oder aber ihre Auffassung von der ..Gewissensfreiheit des E i n z e l ck r i st e n" im Sinne des jetzigen Entwurfes z» revidieren. Wenn es der Deutschen Polkspartei um diese Gewissensfreiheit des Einzelchristen ganz ernst sein wird, dann erst besteht die Hoffnung auf endgültige, harmonische Lösung der deut schen Schillfrage. ^ O.