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Nummer SV» — 2«. Jahrgang Eriche»» enial wöchentlich mit den illustrierten braltSbeitage» »Die Wett" und ,Hür untere ttetne» Leute", towie de» Tert. bellalle» .St. Lenno-Btatt". .llinerdaltiing und Wissen". .Die Weil der grau". .?lerzttichcr Ratgeber". .DaS gute Buch", .Hilmrmidfcha»". Monatlicher Be^ugbvretS Mt. einschl. Bestellgeld. Eluzetninnnwr IN z Sonntagnummer SU Haichtschrislteiter: Dr. <S. DeSezyk. Drebden. SüchMe Freitag, den 3«. Dezember 1927 4» erlag »orte Dresden A«,etg«ndreite, Die tgewalteiie Petttzetle »U Z. gamlkie». an,eigen und Stellengesuche St» 4. Die BeMreklamezeil«, 8» Millimeter breit. 1 ^ Offer'engebllbr »<» 1 Im Halle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung fowt« Erfüllung v. Anzeigen-Auflrllgen >1. Leistung d Schadenersatz, «eschllsiiicher Teil. Slrtnr tienz. Dresden. volksseituns tSeschitstSftell«, Drucku.Verla, 1 Germania.«..», für Verlag und Druckcret. Filiale Dresden. DreSden-il. 1. Polterstratzel7. Fernnlslliair. Posttchecklonto Dresden »7V». Bankkonto- «tadtdau» DreSden !»r. «171» Für chrksNiche Politik und Kultur Dresden Medaltta» der Sächsischen V»k««,ettuna Sden-illtstadt 1. Potie> strotze ,7. Fernruf Mil und ,l0l2 Poincares Wahlprogramm Burgfrieden zwischen -er bürgerlichen Rechten und Linken in Frankreich für die Wahlen von 1928? Mlschasispiirlei und Leamken- besolduug Immer wieder der Januskopf' Man ist es von der W i r t s cha f t s pa r t e i allmäh» lich gewöhnt, daß sie zwischen der Scylla der Verwirk lichung ihres Agitations-„Programms" und der Lharyb- dis der praktischen Politik in einer Weise durchlaviert, daß ernsthafte Politiker für diese Methode nur noch ein Achsel zucken übrig haben. Alle bisherigen Leistungen dieser von skrupelloser Ausnutzung der wirtschaftlichen Notlage leben den Partei sind aber übertrumpft worden durch ihr Ver halten zur Frage der Beamten besold ung. Man könnte über diese Tragikomödie ein Buch schreiben. Im Nahmen eines Zeitungsartikels mutz man sich leider auf die wichtigsten Feststellungen beschränken. Bekanntlich zählt die W i r t s ch a f t s p a rt e i im Reichstage elf Abgeordnete, Ilm Fraktionsgeltung zu er reichen, mutzte sie sich mit anderen kleinen Gruppen zu sammenfinden. Zu den elf Wirtschaftsparteilern gesellten sich sechs Bayerische Bauer nbündler und vier D e u t s ch h a n no v e r a n e r, so datz eine Fraktion von LI Mitgliedern entstand, deren Vorsitz die stärkste Gruppe, also die Wirtschaftspartei, in der Person ihres Partei- Vorsitzenden. des Abgeordneten Drewitz (Berlin), stellt. Von Herrn Drewitz hat die „Deutsche Mittelstandszeitung", Monatsausgabe Nr. 10. geschrieben: „Die Geschichte wird einst den Namen Hermann Drewitz zu ihren besten Namen zählen: denn dieser Mann hat Geschichte ge macht und ist der Ausdruck und der Begriff einer Be wegung, die auf dem Marsche ist. die grotze. liberale, bürgerliche Partei der mittelständischen Schichten zu werden." Man kann ruhig sagen, datz Herr Drewitz mit seiner Fraktion in der Beanitenbesoldungsfrage allerhand Ge schichten gemacht hat, aber keine, die den vorstehenden nicht gerade von zarter Bescheidenheit zeugenden Satz recht- fertigen. Nach den Vorbesprechungen in der wirtschafts- parteilichen Presse mutzte erwartet werden, datz die Be- amteiibesolduiigsvprlage im Reichstage schärfster Op position von seiten der Wirtschaftspartei begegnen werde. Um so mehr überraschte die sanfte Erklärung, die der Abg, Drewitz bei der ersten Lesung der Vorlage im Reichstage am 21. Oktober abgab (Sten. Bericht S. 11616), Die Fraktion der Wirtschaftlichen Vereinigung hielt da mals eine Neureglung der Benmtenbesoldung für dringend erforderlich und betrachtete die von der Regierung vorgelegte Besoldungsordnung als eine dazu ge eignete Grundlage. Man werde im Ausschüsse an dem Entwurf Mitarbeiten. Die Deckungsfrage werde, wie es der Herr Finanzminister schon betont habe, hierbei eine grotze Rolle spielen. Wie alle Parteien, behielt sich auch die Wirtschaftliche Vereinigung ihre endgültige Stellungnahme vor. Abg. Drewitz sprach zum Schlüsse die bestimmte Hoffnung aus, „datz die bestehenden Schwierig keiten überwunden und die berechtigten Forde rungen eines berufstüchtigen und pflicht getreuen Beamtentums ohne wirtschaftliche Er schütterungen und ohne einseitige steuerliche Belastungen erfüllt werden können," Also: Anerkennung der Be rechtigung und Notwendigkeit der Besoldungsreform, be reitwillige Mitarbeit! Diese Mitarbeit war im Hauptausschusse des Reichs tages zu leisten, in dem die Fraktion der Wirtschaftlichen Vereinigung mit zwei Mitgliedern vertreten ist, die von den beiden stärksten Gruppen der Fraktion gestellt wurden. Die Wirtschaftspartei ersetzte ihren ständigen Ver treter Abg. Drewitz durch den Oberpostsekretär Lucke, den sie eigens zu diesem Zwecke aus dem Woh- nungsausschusse herauszog. Der Bayerische Bauernbund entsandte sein Mitglied Eisenberger, der von Anfang an eine Linie verfolgte, die mit der des Abg. Lucke nicht nur nicht parallel, sondern ganz nach der entgegen gesetzten Richtung lief. Eisenberger rechtfertigte dieses Gegeneinanderarbeiten von zwei Pertretern derselben Fraktion in seiner burschikosen Art mit der Feststellung, datz die Wirtschaftliche Vereinigung „die Fraktion der heiligen Dreifaltigkeit" sei. Der Wirtschafts parteiler Lucke hielt zwar in der zunächst einsetzendcn großen wirtschasts- und finanzpolitischen Debatte eine Rede, die, ganz im Stile der wirtschaftsparteilichen Presse, zu der im Plenum abgegebenen Erklärung Drewitz patzte, wie eine Faust aufs Auge. Wahrscheinlich war das Echo dieser ent gegenkommende» Erklärung in der Neichspartei des deut schen Mittelstandes nicht sehr freundlich gewesen. Deshalb zog Herr Lucke alle Register wirtschaftsparteilicher Agi tationsforderungen und stellte die Sorge um die Deckungs frage in den Vordergrund. Als es dann aber an die Einzelberatung ging, kannte der Eifer desselben Ver treters des Mittelstandes, die Gehälter der Beamten der unteren und mittleren Gruppen über die Regierungs vorlage hinaus zu steigern, keine Grenzen mehr. Er mutzte sich von den Regierungsparteien und der Regierung selbst bescheinigen lassen, datz seine Anträge die finanziellen An- forderunaen der Veioldungsreform um mehr als hun « Paris, 2g. Dezember. Wie bereits berichtet, hat Ministerpräsident Poincar» es sich zur Ausgabe gemacht, die Mitglieder seines Kabinetts aus ein gemeinsames Programm siir den Wahlbamps zu einigen. Nach Meldungen der Pariser Presse fand am Diens tag einee gemeinsame Besprechung zwischen Poincarö und den linksgerichteten Mitgliedern des Kabinetts Briand, Painleva. Herriot und 2arraut statt. Die rechtsgerich teten Minister ivaren zu der Besprechung nicht geladen worden. Die Liberia will wisse», datz Poincark- dabei de» radikalen und republikanisch-sozialistischen Ministern in grossen Zügen sein Programm entworfen habe, das aus die Er haltung des politischen Burgfriedens abziele. In einer der kommenden Kabinettsbesprechungen wird Poincare seinen Standpunkt dem gesamten Kabinett unter breiten. Der Kongretz -er Sozialisten Paris, 27. Dezember. In der Nachmittagssitzung des außerordentlichen sozialisti schen Parteitages wurden, nachdem bereits vormittags der Ab geordnete Zyromski lebhafte Kritik am Versailler Vertrag und am Völkerbund geübt hatte, zum Teil auch außenpolitische Fragen angeschnitten, auf die des näheren Leon Blum und Paul-Boncour eingingen. Blum bezeichnet« als Pfeiler der internationalen sozialistischen Aktion das Gen fer Protokoll und die Abrüstung. Sobald die Rhein land- und Saarfragen durch die Räumung liquidiert seien, müsse Frankreich nach dem Beispiel Belgiens die Dienstzeit her - absetzen und die nationale Miliz einführc». Panl- Boncour wies darauf hin, daß die Besetzung des linken Rheinufers auf Grund eines Abkommens bestehe, dem Deutsch land selber beigetreten sei und das die Räumuna abhängig mache dert Millionen Mark erhöhen würden. Dieses Vorgehen des Abg. Lucke, das die Rücksichten auf den Geld beutel des steuerzahlenden Mittelstandes vergaß, gab im Ausschüsse Anlatz zu stürmischen Auseinandersetzungen und lietz für die Beratung der Vorlage im Plenum allerhand erwarten. Und diese Erwartungen erfüllten sich in reichlichem Matze. Die Fraktion der Wirtschaftlichen Vereinigung hatte inzwischen den Dreh gefunden, der notwendig war, um die aufgeputschten Mittelständler und bayerischen Baucrnbündlern zufrieden zu stelleil. Die Besoldungs- Vorlage sollte von den beiden Gruppen abgelehnt wer den mit der Begründung datz sie den untere,r und mittle ren Veamtengruppen nicht genug bringe, und in den Län dern und Gemeinden Steuererhöhungen notwendig mache. Datz diese Begründung stark der Logik mangelte, focht ihre Väter nicht an. Es wurde ihnen aber später gründlich von anderer Seite gesagt. Der Abg. Lucke hatte die nicht gerade beneidenswerte Ausgabe, die Ablehnung der Vor lage bei der zweiten Lesung im Plenum zu vertreten. Er begann mit folgender Anbiederung bei der Beamtenschaft: „Ich möchte namens unserer Fraktion vor allen Dingen er klären. daß wir festen Willens sind, insbesondere zunächst den unteren und mittleren Beamten zu helfen. Wir haben das größte Interesse an der Erhaltung eines unabhängigen Berufs- beamtentums, und diese Erhaltung kann ja nur gesichert sein, wenn das Beamtentum vor Anfechtungen schädigender Art ge- ichützl ist und in voller Hingabe, Pitichiersüllung und Treue den Dienst für Volk und Staat versieht. Es ist in der Oeffentlichkeit, vielleicht nicht ganz ohne Ab sicht, der Wirtschaftlichen Bereinigung angedichtct woroen. sie sei in gewissem Sinne beamtenfeindlich. Ich kann aus vollem Herzen meine Freude darüber Ausdruck geben, daß gerade in der Wirtschaftlichen Bereinigung für das Beamtentum das beste Wohlwollen besteht. Es kann wohl kein Zweifel sein, daß gerade diese Kreise des Mittelstandes, die wir zu vertreten haben, auss engste mit dem Beamtentum verwachsen sind. Denn die Beam ten lassen vielfach ihre Söhne Kausleute, Handwerker oder Land wirte werden, oder es ist das Umgekehrte der Fall. Ferner ist es gerade für uns Mittelständler von größter Bedeutung, mit den mittleren und unteren Beamten in bester Fühlung zu sein, weil gerade die Gewerbetreibenden die Beamten sehr oft als Stütze für ihre verschiedenartigen Belange brauchen. Wir haben aber auch volles Verständnis für die Interessen des höheren Be amtentums. wissen wir doch, daß gerade die höheren Beamten mit ihrem hohen Verantwortungsbewusstsein dem Staat bei der Leitung größerer Betriebe außerordentlich nutzen können." Steno graphischer Bericht S. 12 011. Und dann redet« er dreioiertel Stunden lveiter, ver darb de» unteren und mittleren Beamten di« Freude an von ver Organisierung d«r Stcherhelt III der entmilitarisierten Zone mittels der Kontrolle eines internationalen Ausschußes. Im übrigen warnte er vor der übereilten Forde rung auf Revision der Verträge, weil diese der Funke zu einem neuen Weltbrand werden könne. Man müsse die Zeit arbeiten lassen. Der Völkerbund sei die ge gebene Instanz. Wenn der Völkerbund eine Krise durch mache. so liege das nicht an ihm selber, sondern an der Verschie denheit der in ihm vertretenen Regierungen. Erst wenn die demokratischen oder proletarischen Parteien die Regierungs- gewatt übernommen hätten, werde der Völkerbund gerettet sein. Im entgegengesetzten Falle gebe er nicht viel sür das Friedens werk des Völkerbundes. Der Verwirklichung der gewünschten Fortschritte stehe oft die heimliche und zähe Aktion der Kanz leien und Botschaften im Wege, die, anstatt den verantwortlichen Regierungen zu dienen, ihnen bisweilen sogar entgegen- arbeitelen. » Die Haussuchungen im Lisas Paris, 28. Dezemoer. Der Straßburger Korrespondent des „Echo de Paris" berich tet zu den Haussuchungen bei den Autonomisten. daß gestern ein Lastauto mit in Straßburg beschlagnahmt«!! Dokumenten, deren Sichtung 18 Stunden gedauert habe, nach Mülhausen abgegan- gcn sei, wo die Papiere dem Untersuchungsrichter übergeben werden sollen. Die Staatsanwaltschaft in Straßburg habe in der Wohnung der Korrespondenten der „Kölnischen Zeitung" und der „Frankfurter Zeitung" sowie bei einem Forscher, der vor oem Kriege in den deutschen Kolonien geweilt habe und kürzlich nach dem Elsaß znriickgekehrt sei, Haussuchungen vorgenommen. In den Bürorämnen der „Zukunft" sei alles ausgeräumt morden. oem großen Besoldungsreformwerke, indem «r in dema gogischster Verhetzung sagt«, es sei eine Art Diktat, das sie in der Verzweiflung, in höchster Not annehmen würden, und kam zu dem Schlüsse, datz seine Fraktion dem Be soldungsgesetze ihre Zustimmung nicht geben werde. „Sie fordert aber auf (!), datz die von ihr gestellten Anträge .ins Einsparung an den höheren Gehältern und am Reichs- kaushalt angenommen werden." Diese beispiellose Provokation — eine ver- nhwindend-kleine Minderheit lehnt das Gesetz ab, verlangt aber von der Mehrheit, datz sie das Gesetz nach ihren Wün- ichen gestalte! — fand bei den folgenden Rednern das ge bührende Echo. Nicht nur bei Regierungsparteien, sondern auch bei der Opposition. Schon vor Herrn Lucke hatte der oemokratische Abgeordnete Dietrich (Baden) der Wirt schaftlichen Vereinigung ins Stammbuch geschrieben: „Besonders hübsch mug es wohl bei der Wirtschafts- Partei gewesen sei», von der zwei Herren im Ausschuß gewesen sind und von denen der eine Verbesserungen für die Beamten beantragt hat. währe-,d der andere es sür nvlwendig gefunden hat. sich auf den Standpunkt zu stellen, diese Menschen lebten heute schon gut genug, und es sei nicht notwendig, ihnen noch etwas dazuzugeücn. Allerdings soll es bei der Wirlschafis- partei so gewesen sein, daß Herr Abg. Lucke eines Tages sehr unsanft zurückgepfiffen wurde, nachdem die Regierung aus gerechnet hatte, daß Herrn Linkes bescheidene Anträge zur Besser stellung der mittleren und unteren Beamten einen Kosten aufwand von elw 200 Millionen Mark ersordern würden, llm diesen Schaden zu reparieren, hat man beantragt, bei den höheren Beamten etwas abzusetzen, was aber. Gott sei es ge klagt, nur eineinhalb oder zwei Millionen Mark Ersparnisse ge bracht hat. Sie sehen also, die Wirtschaftspartei wird im Wahl kampf draußen in den Fragen der Beamtenbesoldung einen nicht io ganz leichten und einfachen Stand haben, wie sie es sich viel leicht oorgestcllt hat." Stenographischer Bericht S. 11900. Wesentlich deutlicher wurde im Verlaufe der Debatte der Zentrumsabgeordnete Groß, der unter lebhaften Hört- Hört-Nufen folgende Feststellungen machte: „Ter Abgeordnete Lucke hat am Ausschuß Anträge gestellt, die eine Mehrbelastung für das Reich. Eisenbahn und Post — diese drei Verwaltungen allein zusammen genommen — van 12t Millionen Mark ausmnchen. Er hat dann, als man in seiner Fraktion eingefehen hat, daß man mit dieser Tnkuk draußen nicht mehr agitatorisch wirken und Hetzen könne, den Plan geändert, und zwar zu dem Zeitpunkt, wo es an die höhe ren Beamten ging. Er stellte dann eine Reihe von Abbcsserungs- anträge. Diese Abbcsserunasanträg« machen nach den eindeuti gen, genau errechnten Beträgen durch di« Regierung 2t Mittio» nen Mark aus. Es bleibt atro dabei, daß der Abgeordnete Lucket