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Nummer 7 — 27. Jahrgang «y»«inl «mal wSchknINch «II den illustrierten »rattSdeilagen ,D>« Wett' und .Für untere kleinen Leute', towte den Teil, dettagen .«t. Bemio-BIatt'. .llnierhattung u»d Wissen' , .Die Well der Ara,,', .«erztltcher Ratgeber'. .Da» gut- Ruch". .Ftlmnindschau'. Monatlicher Be,u«»»r«i» S.- Mk. -tnschs. Bestellgeld. Linzelnummer 10 Sonnlagnummer!tu Handischriltlelter: Dr. w. DeSrihk, Dresden. SüchMe Dienstag, den 1». Januar 1»2« Vrrl«,i>o»t, Dreddeu ««»etgeupreisei Die Igespaltene Petttzctl« »« Familie», anzeigon und Stellengesuche «<» z>. Dle PelitreNaniezeN«. 80 Milllmeler breit. I Offertengebilhr ^ Im Falle tüherer Gewalt erlischt jede Vervllichttmg ans Lieferung sowie Erfüllung t>. Anzeigen, «uslräg-ii u. Leistung v. Schade,terlat». »elchttsllicher Teil, Artur Lenz, Dresden. V«schitft»ftell«, Driukn.Verlag, ilermania. «l.-G, für Verlag und Druckerei. Filiale Dredden. Dresden-K- l. Voliersir«be t7. FernrufLil»», Polllchecktonto Dresden rroz. vanslonto: Etadtdank Dreddeu Rr. »NI» Für christliche Politik« und Kultur «edakttan dar Gächflfch,» voUsgeituun Dre»den-SNtsta-t 1. 8smr>lf?07ii Kanada wird ..natz" Die neue Alkohol-Gesetzgebung. Von Dr. K. Reinharor. Bei der antzercmdenklichsn BeÄouckuW. welche dt, Nebelung der Alkoholfrwge bei den bevorstehenden Präsident!chaftswahlen in den Vereinigten Staateir hat, wird es iirteressieren zu hören, durch welchen Kompromih inan dieses Problem im Kanada zu lösen sucht. Winnipeg, Ende Dezember 1927. Besucher aus dem alten Europa lernt auf dem noroamerikanischen Kontinent eine neue Berufsgattung kennen: den „Vootlegge r". Der Name verursacht zu nächst einiges Kopfzerbrechen, da er sich sinngemäß nur verstehen läßt, wen man auf seine ursprüngliche Bedeutung zurückgeht. „Voot-leg" heißt Stiefelschaft, und „Boot legger" hieß man in den Geburtstagen der Prohibition ven Mann, der den verbotenen Alkohol im Stiefelschaft über die Grenzen schmuggelte. Und es ist heute so geblie ben: wo mail die Prohibition antrifft, da blüht unfehlbar auch das Gewerbe der „boot-legger". In den Bereinigten Staaten haben sich vielfach die Neger diesem sauberen Handwerk mit solchem Erfolg hingegeben, daß sie den Bar erlös in Grundstücken und Villen anlegen konnten und daß beispielsweise in Chicago das ehemalige Residenzvier- iel heute zum Dorado der schwarzen „Neureichen" geworden ist. „Boot-leggen" ist also ein einträglicher Berus. Aber es ist gleichzeitig ein Gewerbe, das von manchen Regie rungen nicht gern gesehen wird, zumal wenn es diesen Negierungen ernst ist im Kampf gegen den Mißbrauch gei stiger Getränke und wenn somit di« Teinperenzbewegung mehr darstellt als eine Farce. Das Dominium Kanada kann heute wohl auf dis reichste» Erfahrungen in bezug auf die Alkohol-Gesetzgebung znruckblicken. Die Alkoholfrage wird in diesem Lande durch die Provinzial-Parlamente geregelt. Während des Krie ges hatten alle Provinzen die Prohibition eingeführt. Aber der erhoffte Erfolg war nicht eingetreten. Wie in den Vereinigten Staaten schoß das Geschlecht der „boot-legger" üppig ins Kraut. Das Uebel der Trunkenheit nahm nicht ab, sondern äußerte sich nur zuweilen in besonders wider wärtigen Formen. Dem in den „trockenen" Vereinigten Staaten Reisenden wird die ungewöhnlich große Anzahl Betrunkener auffallen, die ihm in den großen Städten be gegnet. Ich bin an einem Sonntag-Nachmittag in den Hauptstraßen von Pittsburgh nahezu einem Dutzend völlig betrunkener Personen begegnet. Die Zeitungen be richten fortlaufend über Todesfälle durch Alkoholvergiftung. Um solche Schäden nicht einreißen zu lassen, ist man in Kanada nach dem Kriege von der Prohi bition allmählich zu einer Temperenz- gesetzgebung übergegangen. Die Provinzen Quebec und Britisch-Kolumbien sind vorangcgangen, die übrigen sind nachgefolgt. Die Einzelbestimmungen in den Provinzen sind verschieden, die Grundtendenz der Gesetz gebung ist in allen dieselbe: Man ist bestrebt, die Bevölke rung möglichst vom Genüsse schwerer geistiger Getränke ab zuhalten und ihr den Genuß von Bier und leichten Weinen zu erleichtern. Darum sind die Preise für Whisky und Schnäpse sehr hoch, die Wein- und Vierpreise dagegen ver hältnismäßig niedrig angesetzt. In der Provinz Quebec, die bekanntlich fast ausschließlich von französischen Kana diern bewohnt ist, können auch in konzessionierten Hotels Wein und Bier zu den Mahlzeiten verabreicht werden. Zn den anderen Provinzen wird kein Alkohol zu den Mahl zeiten abgegeben, aber man kann sich in die Wohnung oder auf Reisen in sein Hotelzimmer hinreichende Quantitäten senden lasten. Der Verkauf der alkoholischen Getränke er folgt meist durch eine Regierungsstelle der betreffenden Provinz. Ueoer die Gründe, die zur Aushebung des Prohibi tions-Gesetzes in Kanada geführt haben, äußert sich ein angesehener kanadischer Korrespondent wie folgt: „Immer wird ein mächtiger und organisierter Widerstand gegen eine solche Gesetzgebung zu finden sein. Es wird immer eine gewaltige Zahl von Menschen geben, die in dem Alko hol-Konsum kein moralisches Laster erblicken können und die sich weigern, zur Verurteilung derer die Hand zu rei chen, die ein Gesetz brechen, das gegen den Willen der Ma jorität zustandegckommen ist. Ein solches Gesetz beeinträch tigt in unerträglichem Maße die persönliche Freiheit, es ist ein Zwangsgeietz dem Geiste nach und tyrannisch in der Praxis." Es war somit die logische Folgerung für ein Land, oas auf demokratische Gesetzgebung und Verwaltung hält, die Votksmeinung zu befragen. Das ist in den einzelnen Provinzen der Reihe nach geschehen mit dem Ergebnis, daß eine nach der anderen von der Prohibition zur Tem- perenzgesetzgebung übergehen mußte, zuletzt noch Ontario im Mai 1927. Mäßigung, nicht Prohibition ist also der rusaelvrochene Wille der kanadischen Bevolkeruna lind es Sar „Nationale Zentrum" (Von unserem Korrespondenten.) k. v. B. Nom, 1. Januar Der römisch« „Corrlere d Italia", das Blatt de< „Nationalen Zentrums", d. h. eines Verbandes italienischer Ka tholiken, die innerhalb der faschistischen Partei eine Verwirk lichung ihrer religionszwlitischen und vaterländischen Ziele suchen, veröffentlicht heute eine» Artikel „Die Katholiken und das Regime", in dem nochmals Rechenschaft ilbe^ die politischen An schauungen dieses Teiles der italienischen Katholiken abgelegt wird. Das „Nationale Zentrum" hat jetzt einen neuen Verwal- tunxsrat an die Spitze seines Verbandes gestellt, der aus Ver tretern von ganz Italien besteht. Man erfährt aber leider nichts über die zahlenmäßige Stärke des Verbandes. Würde man sic an der Zahl der Abgeordnctenmandate in der faschistischen Fraktion abschätzen, so wäre das Ergebnis wahrlich nicht ein drucksvoll. Auch aus der Nam«nslist« des neuen Direktoriums lasten sich kaum Anhaltspunkte gewinnen, welche geistigen und politischen Einzelfaktoren das Nationale Zentrum im Faschis mus zur Geltung bringen kann. Ueberragende Persönlichkeiten findet man nicht darin., jedenfalls keinen Mann vom Zuschnitt ves früheren sozialpolitischen Führers der italienischen Katho liken Prof. Toniolo. sondern nur einen guten Durchschnitt von Beamten, Juristen, Medizinern usw., daneben einige Adels- namen von altem Klang, aber nicht die eieentliche Elite der Deburisaristokratie, die sich zumeist von der aktiven Beteiligung an der hiesigen Politik zuriickhält. Die Beteiligung adliger Fa milien am Italienischen Nationalen Zentrum zeigt, dag diese Kreise in dem Verbände eine Anlehnung an gewisse konservative Tendenzen des Faschismus sucht, weil diese Popolaripartei nach ihrer Meinung sich zu schnell an bodenrcsormerische Neuerungen heranmachen wollte. In der Tat scheint auch der sozialpolitisch orientiert« Flügel beim Nationalen Zentrum schwach entwickelt zu sein. Es bleibt diesem schließlich nichts anderes übrch., als das faschistische Korporationssystcm anzunehmen und allenfalls zu versuchen, die Berührungspunkte mit einer christlich-sozialen Gesellschasts- und Arbeitsordnung zu unterstreichen. Ln dem Bemühen, d e ni faschistischen System mvg» lichst viel christlichen Geist einzufößen, besteht eine Seite der politischen Aufgabe, die sich das Nationale Zeir- trum vorgenommen hat. Es verficht die Meinung, daß die Tak tik der Italienischen Volkspartci, sich in die Aventinopposition zu begeben, ein verhängnisvoller Fehler war, weil man sich bei den zunehmenden inncrpolitischen Siegcsaussichten des Faschis mus damit selbst ausgcschaltet habe. Die Kraft der italienischen Katholiken ist dadurch nach dem Dafürhalten der nationalen siyemr in der Tat, daß damit eine besonders glückliche Lösung dieser schwierigen Frage angedeutet ist. Eine Nation zur Selbstdisziplin zu erziehen, ist schließlich wich tiger. als sie in Fesseln zu schmieden. Das gilt in dieser wie in anderer Beziehung. Das jüngste Ereignis in der kanadischen Alkohol-Gesetz gebung ist der neue „Liquor-Act" in der Provinz Mani toba. Die friedlichen Bürger dieser Prärie-Provinz konn ten es nicht länger begreifen, daß man ihnen den glasweisen Ausschank von Bier in öffentlichen Schanklokalen vor enthielt. Bisher durfte Bier nämlich nur im Flaschenver- sand direkt von der Brauerei nach den Wohnungen be stellt werden. Es fand also im Sommer dieses Jahres eine Bolksabstimmung statt, die durch di« Beteiligung aller durstigen Kehlen von Manitoba in den wohlbekann ten Refrain „Bier her! Vier her!" ausklang. Bei einem solchen Ereignis hätte einem jeden braven bayerischen Bür ger und Brauer das Herz höher geschlagen. Die Negierung von Manitoba mußte also wohl oder übel ein neues „Vier- Gesetz" machen. Es sollte etwas ganz besonders Feines werden und auf den Erfahrungen der übrigen Provinzen basiert sein. Darum war es zuvörderst notwendig, ein gehende Studien zu machen. Man las auch schon bald, daß sich der Premierminister mit einem Stab von „Experten" zum Studium der Alkoholfrage zuerst nach den Ostprovinzen und dann nach den Westprovinzen begeben habe. Seit dieser Zeit wirft das n«ue Biergesetz gespenstische Schatten voraus, und das Interesse dafür konnte allenfalls durch die Ernteberichte und die Nachrichten über die großen Indu strie-Projekte im Nordland der Provinz vorübergehend ge dämpft werden. Nunmehr li-at der Gesetz-Entwurf in seinen allgemeinen Ilmristen vor Zentrumsgrupp« gespalten worden. Dle letztere wollte d«i jedÄt weiteren Entwicklung unbedingt mit dabei sein, um bei d«r faschistischen Eroberung des Staates Unheil oder Vernachlässigung der Interessen des Katholizismus und der Katholiken zu ver hüten. Sie bezeichnet daher das Verhalten der Popolari heut« mit harten Worten als eine geistige und politische Entgleisung, als einen Stumpfsinn des Geistes und des Herzens. Es ist selbst verständlich, daß die Anhänger der aufgelöste» Popolaripartei dieses Verdikt nicht gelten lasten werden, londeni abwarte» wolle», wie weit der Einfluß des Nationalen Zentrums bet der Regierungspartei reicht, und was schließlich die praktischen Früchte dieses Münchens sind. Schon früher haben wir darauf hingewiesen, daß der Kreis des Nationalen Zentrums keineswegs nur aus politischen Schwächlinge» oder schlaubercchnenden Konzesjionsschulzcn be steht, sondern auch aus Männern, die, weil sie an die Uebermacht des Faschismus glaubten, die Parole an ihre Freunde aus- gaben: Man mutz für den Katholizismus soviel bei dieser Situation wie möglich Heraus schlag cn. — Der Gedanke der parlamentarischen Freiheit im Sinne einer natürlichen Auswirkung der zahlenmätzigen Kräfte der politischen Parteien hatte im Italien der Nachkriegszeit jedenfalls kein« genügende Wurzeln geschlagen, um sich gegen eine Ilcbcrwältigung durch den Faschismus mit Erfolg zur Wehr zu setzen. So ist es vielleicht, im grötzeren geschichtlichen Zusam menhang betrachtet, kein Uebel, daß ein Teil der politisch ruh rigen italienischen Katholiken seine Stimmen in de» Reihen der faschistischen Regierungspartei verwendet, während ein anderer politische Enthaltung mit den Parteigängern der Demokratie und Sozialdemokratie übt. Diese Kreise leugnen nämlicb, daß auch sie eines Tages ins Kielwasser des Faschismus einschwenlen werden, sondern hoffen, daß einmal die Stunde der Wieoer gebürt des Parlamentarismus im landläufigen europäischen Sinne wicderkommen wird. Wann dies aber sein wird, vermag niemand zu sagen, und die meisten sind gute Patrioten genug, um diesen Tag nicht um den Preis einer außenpolitischen Kata strophe herbeizumünschen. Vor der Hand wagt es Las Nationale Zentrum jedenfalls noch nicht, sich zum Wortführer aller italieni schen Katholiken aus-urusen. sondern cs bekennt in seinem vor genannten Leitartikel im „Eorriere d'Ltalia", daß cs aus der Wacht sein müsse, damit die italienschen Katholiken nicht in neue politische Irrtümer verfielen. Als Arbeitsprogramm für die Zukunft präsentiert cs die Mitarbeit am weiteren Ausbau des faschistischen Körperschartssystcms, ani Entwurf des neuen Stragcsetzbuches und an der Besserung der Beziehungen zwischen Kirche und Staat. Zn letzten» Punkte hofft es. daß die Sehn sucht der Katholiken Italiens nach einer friedlichen Beilegung des Zwiespaltes zwischen dem Heiligen Stuhl und Italien zu einer großen geschichtlich«» Tatsache werden würde. Es werden also sogenannte „B e e r - P a r l o r s" in konzessionierten Hotels eingerichtet. Gut und schön. Aber minder gut und schön ist es. daß Männer und Frauen in getrennte Räume gebannt sind. Zwar ist die Provinz Al berta mit dieser Bestimmung vorangcgangen. aber deshalb ist die Idee nicht sinnvoller. Was würde der Münchener dazu sagen? Wir wollen der Phantasie keine Schranken setzen. Aber nach deutschen Erfahrungen wird man wohl sagen dürfen, daß immerhin der Bierkonsum durch die An wesenheit der besseren Ehehälfte zuweilen in Schranken gehalten wird. Weitere Bestimmungen des Gesetzes sind: An Sonn tagen und Feiertagen bleiben die Parlors geschlossen. A n Jugendliche unter 21 Jahren darf kein Bier verkauft werden. In 2." Distrikten, die bei ver Abstimmung für „trocken" gestimmt haben, soll durch lokal« Abstimmung entschieden werde», ob Bier-Parlors eingerichtet werden sollen oder nicht. Der Höchstpreis für Bier beträgt 10 Cents (10 Pfg.) per Glas und 20 Cents (80 Pfg.) per Flasche. Dazu kommen noch folgende allge meine Bestimmungen über den Alkohol-Perkauf und Kon sum: Das System der Erlaubnisscheine (Permits) bleibt bestehen. Neu eingefiihrt werden kann das sogenannte „Cash and Carry"-Smtem. d. h. der Inhaber eines Be zugsscheines kann seinen Alkohol gegen Barzahlung direkt von der „Liquor Commission" in Empfang nehmen, wäh rend bisher nur der Versand nach der Wohnung oder dem Hotelzimmer gestattet war. Privilegien der Brauer, direkt an Permitinhaber zu verkaufen, werden aufgehoben. Schnaps kann nur von der Liquor Commission gekauft wer den. Die Regierung bat das Recht, eine Brauerei oder Destillerie zu kaufen oder zu erbauen und zu betreiben.