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Sächsische Volkszeitung : 03.02.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-02-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192802030
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19280203
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19280203
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-02
- Tag 1928-02-03
-
Monat
1928-02
-
Jahr
1928
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 03.02.1928
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Katholiken und LirlhersUm Der angeblich „angenehm überraschte" katholische Sachverslündige Eine notwendige Richtigstellung Nm 17. Dezember vorigen Jahres wurde in der Fiim- prüsungsstelle Berlin der Groß Film ..Luther" der Lob-Film E. m. b. H. von Hans Kyser geprüft. Nach Mitteilung der Zeitung „Der Film" Nr. 24 wurde der Film in einer mehr als fünf Stunden bis in den Nach mittag hinein dauernden Sitzung unter Vorsitz des Leiters der Filmprüsstelle. Herrn Negieruugsrat Mildner, und unter Mitwirkung der Frau Gehcimrat Reitz (Volkswohlsahrt) sowie der Herren Lichtspieltheater-Besitzer Koch (Film- lndnstric), Pastor Engelmann (Volkswohlsahrt) und Hascher (Kunst und Literatur) zur öffentlichen Vorführung zugclassen, und zwar auch vor Jugendlichen. Als Sachver ständige wurden vernommen die Herren Direktor Kuratus Wlenken. Oberkonsistorialrat Droschke (vom deutsch- evangelischen Kirchcnausschuß) und Dr. Ohle müller (vom Evangelischen Bund). Die Vertretung lag in den Händen, von Dr. Friedmann und Hans Kyser. Vertreten waren so- van» noch: als Jugendsachverständige Herr Leberecht fowie ver Inhaber der Herstcllungsfirma Herr Coboelcn und Direktor Wilm, Lutherdenkmal E. V. Wie bekannt geworden ist. hat die Prüfstelle auf Grund der Beanstandung des katholischen Sachverständigen im ganzen zehn Titel des Bildstreifens verböte;:. Im übrigen wurde der Film zur öffentlichen Aufführung zugelassen und erlebte am folgenden Tage, am 18. Dezember 1927, seine Uraufführung in Nürnberg. Es ist bereits in dieser Zeitung darüber berichtet, daß die katholische Bevölkerung Nürnbergs über die Vorführung des Filmes sehr empört war, weil sic sich in ihrem katholischen Empfinden verletzt fühlt«. Die katholischen Pfarrämter Nürn bergs haben sogar unter Führung des Herrn Ehrend»,nherrn Egenhöser eine öffentliche Erklärung in der „Bayeri schen Volkszeitung" veröffentlicht, worin sic Verwahrung gegen die Störung des konfessionellen Friedens durch den „Luther-Film" einlegen und zugleich auch die Erwartung aus sprechen. das; di« Katholiken Nürnbergs dem Filmwerk sern- bleiben. Die ablehnende Stellungnahme der Katholiken Nürnbergs kn der katholischen Presse veranlagte die „Evangelische Bildkammer" am 23. Dezember 1927 zu nachfolgender Er widerung: „Der „Lutherfilm" hat in der Oefsentlichkeit vier Zustimmung erfahren, sowohl in der Beurteilung durch die Tagespresse als auch in dem starken Besuche der beiden Kultursilmbühnen, welche den Film in diesen Tagen zeigen. Selbstverständlich ist auch die erwartete Kritik nicht aus- gebliebcn und hat sich in der Nr. 292 der „Bayerischen Valks- zeitung" vom 21. Dezember 1927 in recht deutlicher Weise Luft gemacht. Mr wollen heute dazu nicht weiter Stellung nehmen, sondern wir wollen den fraglichen Artikel dem Regisseur des Films, Hans Kyser. der de» Film aus Grund sehr eingehen der Quellstudien vorbereitet und aedrebt bat. zur Beant wortung übersenden. Für heute stellen wir nur folgende Tatsachen fest: 1. Die Prüfung des Filmes fand am 17. Dezember 1927 vor der Filmprüsstelle Berlin statt und ries dort eine ein gehende wissenschaftliche Diskussion zwischen den anweseirden evangelischen und katholischen Theologen hervor. Der Regisseur Hans Kyser konnte aber bei allen Einwänden stets die historische Wahrheit und Tatsächlichkeit der im Filme dargestellten Geschehnisse beweisen, so daß die Zensur uur einige verhältnismäßig unwesentliche Ausschnitte in einigen Titeln und Szenen verfügte, welche dem Schreiber dieser Zeilen genau bekannt sind. Der ganze Film ist also auf einer soliden Basis ausgebaut, wie das die selbstver ständliche Pflicht und Schuldigkeit bei einem so grandiosen Werke sein muß. Ucbcr die „unanfechtbaren Richtigstellungen der Lebensarbeit eines Deniil« und Grisar". von denen die „Bayerische Volkszcitung" schreibt, ist man in sachwigen- schaftlichen Kreisen sehr anderer Meinung als die ,.Bayerische Volkszcitung". Wir raten jedenfalls der „B. V.", ihre ge schichtlichen Kenntnisse Uber die Neforinationszeit nicht ein seitig aus diesen Quellen zu schöpfen, da sie allzu leicht widerlegt werden können. Hier stehen nicht Tatsachen gegen Tatsachen, sondern Tatsache» gegen Tendenz. 2. Der Prüfung des Filmes in Berlin wohnte von katho lischer Seite Kuratus Dr. Wynecken bei. Dieser erklärte am Cchlust der Prüfung mit dem Beifügen, das; man von seinen Aeusterungen auch in der Oefsentlichkeit Gebrauch machen dürfe: „Meine Herren, ich kam mit den grössten Befürch tungen zur Prüfung dieses Filmes, muß aber erklären, daß ich auf das angenehmste überrascht bin; ich must anerkenne», daß der Film vornehm gehalten ist." Was will die „Bayerische Volkszcitung" nach mit ihrer Kritik? Di« historischen Tatsachen wurden bei der Prüfung tlargestellt, und der katholische Vertreter erklärte bei der Zensur selbst, der Film sei vornehm gehalten und er sei von dem Film auf das angenehmste überrascht! Man hatte uns offenbar noch für schlimmer gehalten als wir sind; das tut uns doch recht wohl. 3. Warum die Uraufführung gerade in Nürnberg statt- fawd? Nun — so fragen wir — warum denn nicht? Man hätte sie auch in der Cchloßkirche in Wittenberg als eine hochosfizielle Sache aufziehen können und es wurde dieser Plan in ganz inoffizieller Weise auch schon besprochen. Man hätte dagegen gar nichts einwenden können; aber man hat es nicht getan. Was will man überhaupt gegen einen Lutherfilm sagen, wenn man selbst einen Papstfilm und einen Franziskusfilm vertreibt? Der crstere ist vor wenigen Jahren in Nürnberg gezeigt worden; warum soll man in Nürnberg nicht auch einen Lutherfilm laufen lasten dürfen, — wenn gleich diese Erreaung und E .g^im,cr bei d->- Bestellung der Urauifuyrnng nicht im mindesten mttgesptelt hat; darüber kann die Kusturfilmbiihne des Verkehrs- mnsenms am besten Auskunft geben. Der Franzisknssilm ist allerdings für Deutschland noch nicht zensiert, doch haben wir ihn kürzlich in der Verleihsirma »»beschriftet zu sehen bekommen. Daß er sich weder inhaltlich noch technisch mit dem Lutherfilm messen kann, ist nicht die Schuld des Luther films. Der Franziskussilm stammt aus Italien. Prägt sich hier nicht charakteristisch ausländische (italienische) und deutsche Arbeit, und zugleich cvangcliscbe und katholische Ar beit aus dem Gebiete des Filmes aus? Der Luthcrfilm schildert Tatsachen, Tatsachen, die allerdings im deutschen Volke zum Teile nicht mehr sehr bekannt sind und darum für unglaublich gehalten werden, die aber deswegen doch nicht aufhörcn. Tatsachen zu bleiben. Von einer Störung des weihnachtlichen Friedens durch den Luthersilm kann keine Rede sein; denn man wird es uns in dem zu zwei Drittel evangelischen Nürnberg doch nicht verdenken können oder wollen, auch an Weihnachten von Luther zu reden und seine Lieder zu singen. Man sollte und könnte sich auch auf katholischer Seite mit dem Lutherkilm gut absindcn mit dem Urteil: „Das alles, was geschildert wird, war einmal; gut, das; cs nicht mehr so ist." Daß es freilich nicht mehr so ist, ist ganz wesentlich auf das Konto der Lebensarbeit Luthers zu buchen Evangelische Bildkammcr. I. Kelber." Passus 2 dieser Erwiderung wurde, wie nicht anders zu erwarten stand, von der evangelischen Presse gern ausgenommen und gegen die protestierende katholische Bevölkerung Nürnbergs ausgcnutzt So schrieb die „Fränkische Wacht" Nr. 1 vom S, Januar 1928 u. a. folgendes: „Eine ungeheure Aufregung im römischen Lager ist an- läfstich des Lutherfilms in der Oefsentlichkeit hervor getreten. Wir greifen aus der Fülle der betreffenden Aus sätze und Kundgebungen das wesentliche heraus. Im Auf träge der katholischen Pfarrämter Nürn bergs erließ Herr Ehrendomher Egenhöfer in Nr 39» der „Bayerischen Volkszeitung" vom 31. Dezember 1927 eine öffentliche Erklärung. Er behauptet darin: „Der Luthersilm in dieser Form verletzt das reli giöse Empfinden der Katholiken." Der amtliche Ver treter der katholischen Kirche in der mah- »ebcnden Filni prüfstelle Lu Berlin bat in deren Sitzung am 17. Dezember 1927, in der über den Luthersilm entschleden worden ist, das Gegenteil gesagt. Dieser Herr, der Kuratus D r. Wynecken, hat nämlich mit dem ausdrücklichen Bei fügen, daß man von seiner Aeußerung in der Oefsentlichkeit Gebrauch machen dürfe, bemerkt: „Ich kam mit den größten Befürchtungen zur Prüfung dieses Films, muß aber erklären, daß ich aus das angenehm st e überrascht worden bin; ich muß anerkenne», daß der Film vornehm ge halten ist." Diese Tatsache war dem Herrn Ehrendom herrn Egenhöser, als er seine „öffentliche Erklärung" ab- faßte, aus einer ZeilungsmUteilung des Leiters der evange lischen Bildkammcr, Herrn Pfarrer Kelber, bekannt. Er hat sich dadurch aber nicht weiter stören lassen, sondern sein« aufgeregte „Verwahrung gegen diese Störung des konfessionellen Friedens" ruhig in die Welt geschiclt. Er greift darin die beiden Kullursilmbühnen, die den Luthersilm vorgesiihrt haben, sowie die evangelisch« Bildlaminer, die seinen Wert anerkannt hat, an, übersieht also, daß seine Beschwerde, wenn sie berechtigt wäre, nur gegen den Vertreter der Papstkirche in der Fstmvrllsstelle gerichtet werden könnte, lim zu vermeiden, daß di« amt lichen Vertreter der zwölf katholische» Psarrgemcindcn Nürn bergs künftig wieder Entriistungsstürme veranstalten, die sich sachlich gegen die Entscheidung des amtlichen Vertreters der katholischen Kirche in der Filmprüsstelle richten, wird nichts übrig bleilnn, als die Errichtung einer .Aller obersten Filmprüsstelle" unter der Leitung des Herrn Ehrendomher in Egenhöser. Um ernsthaft zu reden: der Herr Ehrendomher und die Seinen haben sich offenbar in eine krankhafte Empfindlichkeit verrannt, die es ihnen unmöglich macht, die Dinge so zu sehen, wie sie sind, ja die sie in eine vollkommene Begriffsver wirrung hineintrcibt." Mit Recht fragt mau sich katholischerseits, wie angesichts der Tendenz des Filmes und seiner Darstellungen in Bilder» und Zwischentiteln eine solche Aeußerung des katholische» Sach verständigen in der Filmprllfsielle möglich gewesen sei. Da erschien auch schon eine Berichtigung des katholischen Sachver ständigen für verschiedene evangelische Zeitungen folgenden Wortlautes: „1. Es entspricht den Tatsachen, daß ich bei der Prüfung des Bildstreifens .^Luther" am 17. Dezember 1927 in der Filmprüsstelle Berlin als Sachverständiger gehört worden bin. 2. Ich habe am Schluß der Prüfung keine Erklärung abgegeben und konnte es auch nicht, da ich vor Beendigung der Beratungen der Prüfkammer die Räume der Filmprüf- stelle verlassen habe. Erst zwei Tage nach der Prüfung de» Bildstreifens „Luther" habe ich mich dann bei dem Vor sitzenden der Prüfkammer »ach dem Ergebnis der Prüfung erkundigt. 8. Ick) habe nicht erklärt, daß ich auf das „angenehmste überrascht bin; ich muh aber anerkennen, daß der Film vor nehin gehalten ist". Es scheint hier eine Verwechslung vor« zuliegen. Wenn ich mich recht entsinne, hat Herr Ober konsistorialrat Troschke, der als Sachverständiger der evauge- lischcn Kirche vernommen wurde, i» diesem Sinne gesprochen. Mein Gutachten hat ganz eindeutig den Bildstreifen „Luther" wegen seiner Tendenz abgelchnt. und zugleich eine Anzahl von Titel» und bildlichen Darstellungen im Film als das religiöse Empfinden der Katholiken verletzend bezeichnet. Ich bitte, unter Berusung aus H II des Rcichsprcsse- gesctzes diese Berichtigung den Lesern bekannt zu geben. gcz. Wienken. Direktor." Der „Fränkische Kurier", der diese Berichtigung seinen Lesern zur Kenntnis brachte, sägt« ergänzend hinzu: „Unsere frühere und oben angegriffene Notiz wird uns auf fernmündliche Anfrage von Dirctior Wilin-Berlin „Lutherdenkmal E. V.", als inhaltlich richtig bestätigt, so daß Aussagen gegen Anssagen stehen. Weitere Erhebungen sind ciiigelcitct. gez I. Kelber." In einer späteren Erklärung des Herrn Direktors Wilm, „Lutherdenlmal E. V." heißt es dann n. a.: „Ich habe mit verschiedenen der damals anwesenden Herren gesprochen uns bestätigt erhallen, daß Herr Wienken gesagt hat, er sei mit ernsten Befürchtungen hingekommen, aber von dem Film aufs angenehmste enttäuscht. Zur Be gründung fübrte er dem Sinne nach noch an, daß die unbe streitbaren Mißstäude der damaligen Zeit immerhin dir Möglichkeit zn ganz anderen Darstellungen gegeben Hütten, und daß er die geübte Zurückhaltung anerkennen müsse. An den Zusatz, daß wir davon Gebrauch machen können, ver mögen sich die andere» Herren nicht so bestimmt zu erinnern wie u es ist al»«r auch gleichgültig, weil die Aeußerung Der sibirische Expreß Ein Roman auS der Inflationszeit. Von Frank Heller (Sop/rizitt Hz, Georg Müller, Verlag München) (27. Fortsetzung.) Der Mann in der Sammetjackc zuckte die Achseln und kegle sich aus den Rücken, die Zeitung demonstratio über das Gesicht gebreitet. Es ist schwer, seinen Wunsch nach eine,» ungestörten Privatleben deutlicher zu unterstreiche». Er war gerade im Begriff cinzuduselu, als cr brutal in die Wirklichkeit zuriickgerusen wurde. Die Sonne seinen gerade in seine grünen Fischaugcn. Sein Nachbar hatte ihm ohne wciiereS die Zeitung vom Gesicht gerissen und verschlang die Notizen der letzte» Seite niit weit aufgcrissencm Munde. „Mein Herr!" sagte der Mann in der Sammet sacke, vor Empö rung zitternd. .Ihr Betragen ist derart daß ma» sich fragt, ob Sie den vollen Gebrauch Ihrer Sinne habe». Wolle» Sie noch mehr Auskünfte über den ausgebrochenen Narren haben? Sollte cr am Ende ei» Verwandler von Ihnen sein?" „Habe ich sic aufgeweckt?" fragte der Mann aus der Sand. Höhle reuig. „Ich bitte Sie vielmals um Entschuldigung. Aber Cie Hallen die Zeitung mit dieser Seite nach oben gelegt, und als ich sic las, da fiel mir eine Notiz auf. Haben Sic gesehen, was hier sicht?" „Nein. Hat Ihr ausgcbrochcucr Verwandter sonst »och etwas «»gestellt?" Der Ntann aus der Sandhöhle hörte nicht zn, „Haben Sic gesehen, was hier steht?" rief er, „Der Dollar kcnte clshunderl! Was bedeutet das? Sagen Cie mir: Was be deutet das?" Ter Mann In der Cammctjacke kniff seine Fischaugcn zusam men und sagte langsam: „Tagen Sic mir eine Sache, mein eigentümlicher Freund: Wo komme» Sic eigentlich her?" Sein Nachbar zuckte zusammen. „Ach, ich bin auf Reisen gewesen", sagte er kmstig, „aus weiten Reisen, vor drei Tagen kam ich heraus, ich meine heim, und ich bin noch nicht so recht im Bilde. Ich finde, die Welt ist so sonderbar. Ich dachte, das; Sie —" „Daß Ich Ihnen sagen ivüich«, nuis cs bedeutet, daß der Dollar ans clshundcrt steht? Freuen Sie sich! Für jeden Dollar, de» Sie Hobe», bekommen Sic in der Bank clshuirdert Mark." „Elshuudcrt Mark! Für eine» Dollar! Das ist unmöglich Sie halten mich zum besten! Früher einmal war der Kurs vier Mark" „Heute bekommen Sic elshnndcrl Mark, in einer Woche bekom men Sie zweitausend, und in vierzehn Tagen drciiausciid. Nichts ist sicherer und ivahrcr," Der Mann aus der Sandhöbke starrte stumm, betäubt seinen Nachbar au Der Sainmcllnaiin lächelte verachtungsvoll. „Sie scheinen etwas schwer von Begriffen. Ich werde Ihnen di- Sache leichter machen. Sagen Sic mir eines: Was mußten Sie für Ihre belegten Brote bezahlen?" „Fünfzig Mark das Stück, Aber ich glaubt« daZ sei eine Frech heit von den Jungen, die sic mir gelaust halten. Darum bezahlte ich. Ich kan» nicht nein sagen, wen» die Leute nur frech genug sind." „Das war keine Frechheit, Ein helcglcs Brot kostet sünszig Mark, lind zu sagen, daß ein Brötchen sünszig Mark kostet und ein Dollar clshundcrt. ist ein und dasselbe. Wenn Sie ein bißchen unterhalb des Kurszettels nachschauen, iverdcn Sie eine andere Liste in der Zeitung sehen. Was stellt da?" , „Fleisch dreihundert Mark das Kilo, Mehl huudcrtfünszig, Eier sünsund,zwanzig Mark das Stück, Butter siebenhundert Mark das Kilo. — Das ist nicht wahr! Das ist Lüge, grobe Lüge!" „Das ist taghelle Wahrheit, merken Sic wohl: des heutigen Tages, nicht des morgigen Morgen koste! das Fleisch vierhundert, das Mehl zweihundert und die Butter achthundert. Um so bester!" „Nein — das ist unmöglich, unmöglich! Wie sollten die Leute solche Preise bezahlen können?" „Das können die Leute auch nicht." „Tann hungert inan also?" „Ziemlich viele Leute hungern heule. Morgen noch mehr. In einigen Monaren Hunger» alle mstcinandcr." „Aber Ivarum? Wie kann das möglich sein? Wie kann man das zulassen? Sagen Sie mir: Wie kan» das möglich sein?" Der Cammctmaii» sah seinen Nachbar mit wirklichem Inter esse an „Mein bester Herr", sagte er. „Sie sagen, daß Sic «uf Reisen gcivescn sind. Sollte» sich Ihre Reise» so weit erstreckt i)abc», daß Sie niebts vom Krieg gehört haben?" „Vom Krieg! Ah. das ist her Krieg?" „Ja, das Ist der Krieg. Aber nicht der Krieg mit Kanonen. Der ist aus. Das ist der Krieg nach dem Kriege, den man auch den Frieden nennt." Der Mann aus der Sandböhlc bereitete seinem Nachbarn eine Ueberraschung. Er fuhr aus dcm Saude in die Höhe und begann aus allen vieren Rad zu schlagen, Rad z» schlagen, so daß der Sand wie Hagel über die Sammcljackc und seine Zeitung prasselte. Eud- lieh sank cr aus seinem Platze nieder. .Mas ist das für eine Weit, in die ich hiiiausgckounuc» hin?" ries cr. „Ist der Friede wirklich so?" Der Sammclmaim bcobachlelc ih» sichtlich belustigt, „Mein bester. Freund", siiglc cr, „Hobe» Sic nie von den Schwcincfshlächteri: in Ehikago gehört? Nisten Sie, tvas man von ihnen sagt?" ..Nein." „Man sagt, daß sic alles vom Schwein verwerten bis ans daS Todcsgchenl." „Ich verstehe Sic nicht." „Ich meine, daß der amerikanische Kapitalismus im Begriffe ist, den europäischen abzuschiachle» und daß er alles verwerten kann, außer das vrotcslicrcndc Todesgehenl." „Ich bc —" „Während des Krieges", sagte der Sammclmau», der offenbar ein geborener Prediger war, „während des KanonenkricgcS, borgte sich ganz Europa Gold in Amerika. E-5 ums: i» Gold zurückbeza''lc». Aber wo bekommt man Gold? Nach dem Kriege bekommt ma» eS nur in Amerika. Folglich lostet das Gold genau, waS Amerika will! Das ist nicht Wucher, das ist kapitalistische Friedenspolitik. Folglich kostet ein Dollar in Gold dreizehn Frauke» in Frankreich, iüusuud- zwanzig Lire in Italien »nd elsl'iiiidcrt Mark in Deutschland, da Deutschland de» ganzen Krieg für die anderen bezahlen „ins;! Wenn Amerika nachgäbc könnte» die andcren »achqcbeu, aber Amerika gibt nicht »ach. Amerika will sein Pfund Fleisch habe» Amerika hat eine» großen Vorrat aus viele Jahre, mit Zinsen und Zinses zinsen! Habahaha! Wer hat doch gesagt: Du Narr, du hast einen große» Porral gnf viele Jahre — aber i» dieser Nacht, du Narr, oder vielleicht morgen nacht, wird man dein Gold und deine Seele von dir fordern — haha ha ha ha! Das Todcsgchenl widerd-i", ,i»S dem ganzen curopüischcu Schweiuestall. aber Elukago kann alles ver werten. bis aus das Todcsgchcui! Ilm so besser " „Hungern alle Menschen in Europa?" fragte der M,rn„ au? der Sandhöblc und warf einen scheuen Blick aus sein letztes Bnllcrbroi. „Bis o >s weiteres uur zwei- oder dreihundert Millionen, die im Kanoneiikricg besicat wurden. Aber die andere» kommen bald nach! Sehr lurld, Ihr Otterngezüchte, lulltet ilw gehofft, dein künftige» Zorn zu ciiigehe»? Niemand wird ilm, entgehen, keiner! Europa ist fertig. Füuster Akt, letzte Czene. Niemand baut neue Stockwerke auf eine alle Baracke. Das Haus muß Angerissen wer den, das besorgt Amerika jetzt, Daun muß es verbrannt werden, das wird Europa selbst besorgen. Wenn das geschehen ist, daun ist die Zeit für Rußland gekommen." (Fortsetzung folgt.)
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