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t, 1 <«l Fastenhirtenbrief -es hochw. Herrn Bischofs von Meitzen vvr. Ehrlslian Schreiber (Schluß aus Nummer 54) Schließlich schärft Jesus allen Menschen, insbeson dere auch den Kapitalisten, die Pflicht des Almosengebens und der werktätigen Liebe ein. Im letzten Ge richt wird er vornehmlich über die Beobachtung oder Nichtbeobaästung des Gebotes der werktätigen Liebe ur teilen. Die Uebertreter wird er ins ewige Feuer stürzen, die Erfüller wird er im Himmel ewig beglücken (Mt. 25, 34 ff). Gerade an die Kapitalisten richtet er die Mah nung: . Gebet Almosen. Verschafft euch Beutel, die nicht alt werden, einem unvergängliäien Schatz im Himmel, an den kein Dieb kommt und den keine Motten zerfressen." (Lk. 12, 33). Selbstverständlich soll das Almosengeben von der rechten Gesinnung sein. Dieses lehrt Jesus iin Beispiel von dem Scherflein der Witwe im Opferkasten (Mk. 12, 41 ff.). Der Reiche, der seine Almosen mit Protzentum gab, wird von Jesus verurteilt, trotz der Höbe seiner Gabe. Die Witwe wird von ihm belobt, weil sie mit Liebe spendet, wenn auch ihre Gabe ganz gering ist. Man hat die Stellungnahme des Heilandes zu den Reichen und Armen wiederholt getadelt. Die einen fin den, daß Jesus ein Feind der Reichen sei, die anderen sehen in ihm einen Feind der Armen. Die erstgenannten berufen sich auf die Worte Jesu am Ende der Bergpredigt: „Wehe euch, ihr Reichen, ihr habt schon euren Drost" (Lk. 6. 34). Sie weisen ferner darauf hin, daß Jesus den Reichen direkt das Himmel reich verschließt: „Wie schwer gehen jene, die Reichtümer besitzen, in das Reich Gottes ein" (Mk. 10, 23; Mt. 19,23). Wir antworten: Jesus hat hier nicht die Reichen überhaupt, sondern nur bestimmte Reiche im Auge, näm lich solche Reiche, die ganz und gar Gott abgewendet und irdisch gesinnt sind, solche, die ausschließlich im Reichtum ihren Trost (Lk. 6, 24), ihre Sättigung und ihren Genuß suchen (Lk. 6, 25). Solche Reiche sind selbstverständlich des Himmelreiches nicht wert. Bei Lukas 13. 24 ff. verschließt der Heiland den Reicken nicht den Himmel, sondern er macht aufmerksam aus die Schwierigkeit, die der Reichtum dem Weg zum Himmel bereitet. Ausdrücklich aber hebt er hervor, daß trotz dieser Gefahren und Schwierigkeiten Reiche in den Himmel kommen, weil eben auch ihnen die Gnade Gottes zuteil wird und sie mit der Gnade Gottes alle Schwierigkeiten zu überwinden fähig sind (Lk. 18, 27). Die Stellung Jesu zu den Armen ist keine feind selige. Im Gegenteil: Den Armen zu helfen ist ein Ver mächtnis Jesu an die Menschheit. Oder sagt er nicht bei Ioh. 12, 8 (und bei Mt. 26, 11): „Arme werdet ihr alleze't bei euch haben, nicht aber habt ihr mich allzeit bei euch." Er will sagen: Solange ich bei euch war, habt ihr mich mit Liebe umgeben. Wenn ich von euch geschie den bin, habt ihr die Armen an meiner Stelle: sie werden immer »m euch sein, und so sollt und könnt ihr ihnen immer Gutes tun. Manche Kritiker haben aus diesen Worten Jesu herausgelesen, daß Jesus die Armut verewigt wissen wolle. Das ist falsch. Jesus sagt hier nur die Tatsache voraus, daß es immer Arme geben wird. Er will nicht, daß die Armen in ihrem Elend gelassen werden, vielmehr ermuntert er ausdrücklich zur Wohltätigkeit gegen die Armen. Wie scharf hebt sich Jesu Lehre über Reichtum und Armut von den Grundsätzen ab. die heute so verbreitet sind! Nach Jesus ist Reichtum nicht das höchste Gut und Armut nicht das größte Uebel für den Menschen. Arme wie Reiche sotten deshalb ihr Herz nicht an den Reichtum hängen: die Armen nicht durch maßloses Verlangen nach Reichtum und maßlose Betrübnis über ihre Armut, die Reichen nicht durch maßlose Freude am vorhandenen Reichtum und maßloses Jagen nach neuem Reichtum. Vielmehr sollen beide zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit suchen und alles andere diesem Höherstreben unterovdnen (Mt. 6. 33). Viele Antikapitalisten sehen im Reichtum und im Wohlleben das höchste Ziel und in der Armut die un erträglichste Last. Sie sind in dieser Hinsicht von derselben lleberschätzung des Reichtums, von derselben Geldgier und Habslicht ersaht wie der entartete Kapitalismus. Man wird einwenden, daß Jesus direkt die Auf gabe des Besitzes verlangt. Er sagt ja zum reichen Jüngling: „Gehe hin und verkaufe, was du hast und gib cs den Armen, und du wirst einen großen Schatz im Him- mcl haben, dann komme und folge mir nach" (Mk. 10,21). Antwort: Jesus verlangt die Aufgabe des Reichtums nicht von allen Menschen. Wir haben ja bereits ge sehen, daß er sich schützend hinter den Besitz stellt und zur Vermehrung des Besitzes durch Arbeit auffordert. Auf gabe des Besitzes verlangt Jesus nur von den wenigen Menschen, die durch einen Ruf von oben zur besonde ren Nachfolge Christi in der Armut berufen sind. Ein solches Menschenkind ist der reiche Jüngling gewesen, ssesu Lehre vom Reichtum ist somit folgende: Entweder der Reichtum ist für jemanden kein Hindernis zwischen Gott und ihm. dann mag er ihn behalten und in stetem Kampf der Schwierigkeiten des Reichtums Herr werden: oder aber der Reichtum ist für jemanden das Hindernis des Verbundenbleibens mit Gott, oder ein Hindernis zur Ausführung eines Gottesrufes zur größeren Vollkom menheit, dann heißt es: Trennung, denn niemand kann zwei Herren dienen, Gott und dem Mammon (Mt. 6. 24: Lk. 16,13). Die Vertreter der Vergesellschaftung des Eigentums berufen sich für ihre Theorie, soweit Jesus und die Kirche für ihre Zwecke ihnen dienlich erscheinen, auf das Beispiel des Urchristentums. In der Apostelgeschichte (Apg. 2, 44 f: 4, 34 f.) erzählt uns der Evangelist Lukas in der Tat, daß in der Christengemeinde zu Jerusalem die Besitzer von Aeckern und Häusern ihr Hab und Gut ver kauften und den Erlös dafür zu den Füßen der Apostel niederlegten, damit diese den Erlös unter die Armen ver teilen sollten. Das ist aber keine Vergesellschaftung des Privat eigentums. Denn es lwndelt sich hier gar nicht um eine allgemein bindende Vorschrift, seinen Besitz zu ver kaufen und den Erlös dafür in den Dienst der Allgemein- heit zu stellen. Vielmehr ist hier die Rede von einer freien, dem Beweggründe christlicher Nächstenliebe ent nommenen Hingabe von Gütern. Diese Tatsache der Freiheit der ersten Christen zu Jerusalem in der Verfügung über ihr Besitztum ergibt sich aus den Worten, die der Apostel Petrus in Jerusalem an Ananias richtete, als dieser nur einen Teil des Erlöses aus seinem verkauften Acker brachte und vorgab. dieses sei der ganze Gewinn. Petrus sagt zu ihm: „Blieb es nicht dein eigen, wenn du es nicht verkauftest? Und wenn du es verkauftest, konntest du nicht frei über den Erlös verfügen?" (Apg. 5). Petrus spricht also volle Besitz- und Verfügungsfreiheit aus hinsichtlich des Grundbesitzes und des Geldes. Ferner: Es wurde nicht aller Besitz veräußert: es gab in Jerusalem auch solche Christen, die ihren Besitz be hielten. Der Zweck der Besitzentäußerung war auch nicht derjenige, den die Anhänger der Vergesellschaftung er streben. der Unterhalt der Gemeinschaft, sondern die Linderung der Notlage einzelner Christen. Das geht hervor aus dem Satz: Es wurde verteilt, „wie es eben not tat" (Apg. 2, 45). wie auch aus dem Satze, daß infolge der Verteilung „es keinen Bedürftigen unter ihnen gab" (Apg. 4, 34). Das Ganze war somit eine organisierte Armen pflege. die auf Grund freiwilliger Güterentäußerung der Neichen möglich war. Daß bei den Verteilungen an einzelne Christen nur die Armen berücksichtigt wurden, nicht die Allgemeinheit, ergibt sich schließlich aus der Erwähnung eines täglich stattfindenden Witwenmahles (Apg. 6, 1 ff). Bei durch geführter Vergesellschaftung würden alle Christen, wenn auch in verschiedenen Häusern, ihre Mahlzeiten gemein sam eingenommen haben. Nach all dem sind die Ausdrücke der Apostelgeschichte „Alle Gläubigen hatten alles miteinander gemeinsam" (Apg. 2, 44). /.Niemand nannte etwas non seinem Besitz sein eigen" (Apg. 4, 32) zu verstehen nicht im Sinne eines vollständigen Gemeinbesitzes, sondern im Sinne einer Gemeinsamkeit des freiwillig abgegebenen Besitzes. Durch diese Besitzabgabe wurde der Gemeinsinn betätigt. Denn es wurde dadurch das Recht ans Privateigentum freiwillig so eingeschränkt, daß die Besitzenden nicht mehr in einer die Armen verletzenden Weise etwas ihr Eigen tum nannten. Uebrigens bestand die Einrichtung bloß in Jerusa lem, nicht in der ganzen Nrkirche. Sie hörte bald wieder auf, da sie viele Mißstände zeitigte und praktisch auf die Dauer nicht durchführbar war. Der gesunde, menschenfreundliche Ka pitalismus ist nur eine von-den verschiedenen zweckdien lichen Formen des Wirtschaftslebens. Man hat andere Formen ausgedacht. Es entsteht die Frage, ob Jesus den gesunden, menschenfreundlichen Kapitalismus als die e i n z i g rechte Wirtschaftsform hin- gestellt hat. Diese Frage ist zu verneinen. Die Wahrheit ist diese: Wie Jesus den Menschen zum Beispiel die Wahl der Staatsform anbeimgestelft hat. so hat er auch bezüg lich der einzelnen Wirtschaftsformen den Menschen freie Hand gelassen, soweit und solange die betreffende Wirt- schaftsform bezw. Staatsform mit dem Sittengesetz in Einklang bleibt und die Aenderung von einer Wirtschafts form bzw. Staatsform zu einer andern den Vorschriften des Slttengesetzes nicht widerstreitet. Es ist Sache der Ver nunft und des am natürlichen Sittengesetze orientierten Gewissens, in Verbindung mit dem wirtschaftlichen bzw. politischen Weitblick, zu beurteilen, welche Wirtschafts- sorm bzw. Staatssorm den jeweiligen gesunden Bedürf nissen und Notwendigkeiten des Volkes auf dem Boden des natürlichen Sittengesetzes entspricht, und auf welche Weise eine Aenderung der bestehenden Wirtschafts- bzw. Staatsform, wenn sie vom Gemeinwohl gefordert werden sollte, auf dem Boden des Sittengesetzes durchgeführt werden kann. Leider hat der oben geschilderte A n t i k a p I ta l i s- mus den rechten Weg nicht gefunden: Das Programm seines Wirtschaftsaufbaues ist eine glatte Absage an das natürliche Sittengesetz. Denn dieses Programm hat zur Grundlage die materialistische Weltanschauung, zum min desten diL Ausschaltung Gottes aus dem wirtschaftlichen und sozialen Leben, sowie die Verletzung wichtiger Ge bote, die Gott den Menschen für ihr wirtschaftliches und soziales Leben auserlegt hat. Außerhalb dieses Irrweges bleibt die Frage offen ob die Umänderung des oben dargelegten gesunden, volks freundlichen Kapitalismus zum antikapitalistischen Wirt schaftssystem den Bedürfnissen und Notwendigkeiten der mit Unaufhaltsamkeit auf das Weltganze hinauslaufen- den Wirtschaft gerecht werden kann. Vielleicht haben die jenigen recht, die der Ansicht sind, daß das antikapitalisti sche WirtsäKstssystern nur für kleinere und einfachere Wirtschastsverhältnisse durchführbar ist. Solche haben wir aber nicht mehr. Wir werden sie voraussichtlich auch nie mehr bekommen. Auf alle Fülle ist zu bezweifeln, daß die Menschen allesamt von solcher sittlicher Selbstentäußerung sein werden, daß sie sich in das vergesellschaftete Wirt schaftssystem einordnen, daß sie im vergesellsclzafteten Wirtschaftssystem allesamt willig an dem Platz für das Gemeinwohl arbeiten werden, auf den die entscheidenden Instanzen sie stellen werden, zufrieden mit der Nahrung und Kleidung und allen übrigen Lebensverhältnissen, die ihnen von den obersten Stellen mit der Verpflichtung zur gemeinsäiaftlicken Lebensordnung Zugeteilt werden. Den katholischen Ordensleuten in der Klostergemeinschaft ist dies möglich. Denn die katholischen Ordensleute sind wenige auserlesene Seelen, die, mit besonderen Natur anlagen für das gemeinschaftliche Leben ausgerüstet und auf die Gnade Gottes bauend, sich freiwillig zu die sem Leben entschließen und von Gottes Gnade un terst ritzt in diesem Leben sich demgemäß wohlfiihlen. Von ihnen hat Jesus gesagt: „Bei Menschen ist es unmög lich, aber bei Gott ist alles möglich" (Mt. 19, 26). III. Geliebte Diözesanen! Die dritte Frage, die von dem Widerstreit der Meinungen in unserem Volke umtobt wird, ist die Frage nach der rechten Weltanschau ung s f o r m. Viele haben sich dem Materialismus in die Arme geworfen. Dieser ist erstens die Leugnung alles Geistigen: Die Leugnung eines geistigen Gottes über uns, einer geistigen Seele in uns und eines geistigen Jen seits bei Gott für uns: er ist zweitens die Leugnung der Willensfreiheit, also die Leugnung dessen, worin sich die Geistigkeit der menschlichen Seele mit Vorzug bekundet; er ist drittens die Annahme der materialistischen Entwick lungstheorie: er ist viertens die Betonung der zwingen den Allherrschast und Allgewalt der wirtschaftlichen Fak toren auf das gesamte politische, wirtschaftliche, soziale, sittliche und religiöse Leben der Menschheit. Eine ganz naturgemäße Folgerung aus dieser ma terialistischen Auffassung sind die folgenden Sätze und Forderungen: Die Religion ist Privatsache: alle Aufwendungen aus öffentlichen Mitteln zu kirchlichen und religiösen Zwecken sind zu streiä)en: die Schule ist rein weltlich zu gestalten. Jesus hat diese Lehren in jeder Form abgelehnt. Selbst in der scheinbar harmlosen Form, wonach die Reli gion zur Privatsache erklärt wird. Jesus verkündet Kraft seiner höchsten göttlichen Ge walt vielmehr das volle Oeffentlichkeits recht der Religion. Kurz vor seiner Himmelfahrt sagt er zu den Aposteln: „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. Darum g e h e t h i n u n d l e h r e t a l I e Völker. Taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie alles hal ten. was ich euch geboten habe. . . . Seht, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt" (Mt. 28. 18. 29). „Geht in alle Welt und predigt das Evangelium a l l e n G e s ch ö p f e n. Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet werden; wer aber nicht glaubt, wird ver dammt werden" (MK..16, 15 bis 17). Mit anderen Wor ten sagt Christus: Aus der Fülle meines göttlichen Ho- heitsrechtes über den Verstand, die Vernunft und den freien Willen aller Menschen gebe ich euch den Befehl der Verkündigung des Evangeliums und der Spendung der Taufe auf der ganzen Erde in der vollen Oeffent- l i ch k e i t. Ichverpflichte alle Menschen, diesem Be fehle Folge zu leisten, die Ausführung dieses Befehles nicht zu hindern, vielmehr eure Evanaelinmsbotschaft und Sakramentensvendung aufzunehmen, wenn sie ewig selig werden und nicht verdammt werden wollen. Wer (euren Worten) glaubt und sich tauten läßt, wird selig werden, wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden." Christus verlangt also, daß seine Religion öffentlich gevrc« d i g t u n d ö f f e n t l i ch g e ii b t w e r d e.v Damit ist das Oeffentlichkeitsrecht der christlichen Religionsverkiindi- gung und Religionsiibung in alle'' Form ausgelvrochen und direkt auf das Hoheitsrecht Christi über alle Men schen gegründet. Noch mehr: Christus verlangt, daß die Apostel die Getauften nicht bloß belehren, sondern auch zur Beobach tung der Gebote anhalten. also sittlich erziehen sollen: „Lehret sie alles kalten, was ich euch gesagt habe." Hier mit ist den Avosteln und ihren Nachfolgern bis zur Voll endung der Weltzeit ein unmittelbares und direktes Recht auch auf die religiös-sittliche Erziebuna aller Getauften in der ganzen Oeffentlickkeit. zum Beispiel auch in der Schule, durch Christus ausgesprochen worden. Aus beidem folgt: Erstens: Daß die Religion, näberhin die Verkün digung und Hebung der christlichen Religion, nach der Forderung Christi nicht Privatsache, sondern Oessentsich- keitssache ist. Zweitens: Daß diese Verkündigung und Hebung der christlichen Religion, wo nur immer sie gegenüber ge tauften Christen zu leisten ist und geleistet wird, sei es