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Sächsische Volkszeitung : 29.02.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-02-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192802295
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19280229
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19280229
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-02
- Tag 1928-02-29
-
Monat
1928-02
-
Jahr
1928
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 29.02.1928
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»«««er »S Süchfifche DolkszettunK 29. Febrnar M Unglaublich und unbelehrbar! Dresden. 28. Februar. Daß es dem Evangelischen Bund seiner ganzen Einstellung nach sehr schwer fallen würde, sich verstehend in die gemeinsame christliche Front, die Katholiken und positive Pro- leslanlen in der Sch ul frage verbindet, einzugliedern, war vorauszusehen. Jetzt erläßt der sächsische Londesverein des Evuigelische» Bundes eine öffentliche Erklärung folgen den Wortlautes: Das Reichsschulgesetz ist gescheitert. Dos bedeutet, daß in den maßgebenden politischen Kreisen das Evangelium noch nicht so beherrschende Macht ist, daß man ihr Parleirücksich- ten zu opfern vermöchte. Anderseits mag es ein Beweis sein für das Miß trauen, das man in protestantischen parlamentarischen Kreisen d e n> r ö m i sch en E r z i e h u n g sg e i st gegenüber hegt. Die Aussicht, durch einen einheitlichen Machiwillen des Lioates zu der sür unser Bolksgcdcihen unbedingt notwen dige» evangelischen Erziehung unserer Fugend zu kommen, ist sehr gering. Um so nötiger ist es. daß das Volk sich selber hilft und die evangelischen Belange kräftig wahrt. Fn diesem Sinne richtet das Lanüeskonsistorium einen starken Appell an das Volk und besonders die Elternscl>aft. Fn diesem Sinne ruft auch der Evangelische Bund von neuem zur Wahrung der d e u t s ch - p r o t c sta n t i s ch e n Fnteressen auf. Er ist jetzt die gegebene Organisation, de» evangelischen Volkswillen zu stärken und zur Geltung zu bringen. Es ist unglaublich, daß inan selbst in dieser Frage, die ein gegenseitiges Verstehen und Zusammenarbeiten so leicht macht, Abhtrauen zu säen versucht. Die ganze Erklärung enthält zwar hei» einziges Wort des Protestes gegen die liberal-sozialistische Intoleranz in Fragen der Schule. Dafür glaubt sich der Evan gelische B"nd berufen, das Schlagwort vom „römischen Er ziehungsgeist" in die Debatte zu werfen und dann statt zur Warnung der christlichen Fnteressen, zur Wahrung der „deutsch- proiestantnchen Interessen" aufzurufen. Wir bedauern eine derartig kleinliche und unsachliche Machenschaft auf das tiefste, weil sie immer wieder zeigt, wie wenig der Evangelische Bund die wahren Zcitübel erkennt und wie wenig er daher zu christ licher Ausbauarbeit berufen ist. Dolkslrauerkaq Die bekannte protestantische Zeitschrift „Die christliche W e l t", äußert sich zu der Frage des V o l ks I ra u e r lag cs sol- heiwcrwaßen: „Obwotzl die größere Hälfte unseres Voltes nickt weiß, was Fisching in. stürck sich jung und all aus sedew Autos; ins Vergnügen. D'iwbeu sommern wir über unsere Not — bc'onders wen» es gilt, politiich zu werden — und sehen einen Voitstrancriag an. linke Volt ist. wie ,.Mulmes ER'istemiim" mit Recht findet eines solchen Voit-'-imnertoges nicht inert. Ec- feiert Um sa garnickt. Der Tag icM sich im allgemeinen Empfinden nicht durch. Man iollie ans An';ichti'tcik Meder darauf verzichte». Schlechter, ok'Nioli'iker E> 'h sür den l'tholiützeu Aicherwi'twoch! Der bat wenioncns Tri- diüon. lind der macht wcuinsteiis Schluß. Wann wird bei »ns SMnß^ Diese Sähe treffen nur zu sehr de» .Kern der Sache. Solange unser Volk de» Ernst der Fastenzeit nicht webr vcrstcbl. so'ange es also den Weg aus Genuß und Vergnügen, zu innerer Ed,kehr und Smmlmig nicht sin'dct bleibt die gan;c Gwsesgeißel „Weltkrieg" ei» loffäckcknk auch scclisch vcrlorcnes Spicl. Eiuc Schule zur Ausbildung >veib>ichcr Hilfskräfte für die Scclsorge in Deutschland bcslcbt in F rcib n r g i. Br. Sic entstand ans der Erfahrung, pgß Zue bloß proltischc Einsülnuiig in die Seel- sorgsarbei' oder eine glänzende Ausbildung von Fürsorgerin»,:» zun, seclsorglichen Hilssbcruf nicht genügte. Dic Freiburger Schule will die Genicindclielferiiinen fähig wachen zitr Miiarbcit in der eigent lichen Seelsorge, besonders der Familieiffcelsorge, zur sozialen Fa- miiienpflegc, zitr Täligkcii in kirchlichen Organisaiionen und Slan- desvereine». und zur Arbeit in kirchlichen Justituieii, die seclsorg- licbe» Zwecke» dienen, wie Ererzilic,»,8»scr. Arbciterinnenbeiine. Konnnnnikanienanstalten usiv. Die Scbnlzeil beträgt ztvci Jahre. Ein grotzziigiger Plan Die Elektrifizierung -er Strecke Regensburg - Kof gefordert Dresden, 29. Februar. Ans Einladung des Vcrkehrsverbaudes Hof und angrenzende Gebüte e. P. und des Industrie- und Haudclsgrcuiums Hof fand am Sennabcud in Hof i. B. unter Leitung des Oberbürgermeisters De. Buhle eine Versammlung staii, die von Stadtverwaltun gen Handelskammern. Verkcbrsvercinen »!'d -vcrbäuoe» und wirt schaftlichen Vereinigungen beschickt war nno sich mit der Frage der Elektrisierung der Strecke Rcgciisburg—Hof beschüstigte. Für Dres den l ohn, der Vorsitzende des VcrkechrSansschuiseö des Dr:sduer 'Ver- kebtsvercins, Amisgerichisrat Dr. Bartsch, teil: im übrigen waren ans Sachsen noch Planen i. V. und die Kaule skammer Leipzig ver irrten Van de» beiden großen Verkebrslime» zwischen München und Berlin (die ältere über Regensbnrg—Hof—Reick,cnb,ich i. V — Leipzig, die »euere über t>!ür,ibcrg—Proüstzc>la-Saalic:d—Halle' ist bisher mir die crstere auf der Teilstrecke München —2andS!,ui--Re- gei.Sburg (118 Kilometer gegenüber 6.7! Ki'o„i:ter ehcianitstreckc) eletli isiert, und außerdein noch die kurze Strecke von Leipzig bis Bittcrseld, deren Elektrisierung aber sür den Durchgangsverkehr München—Berlin kam» in Betracht kommt Tie Elektrisierung der Teilstrecke Regensbnrg—Hof i879 Kilometers und sogar der weiteren Teilstrecke Hof—Reick,cnboch i. V. (Anschluß nach Dresdeli!)—Leip zig <l7> Kilonieters war bereits in das El'ffirii'ernngsprogr-'.:,!,» ans. genommen, doch ist cs von der Durchführung in der letzten Zeit völlig still geworden und die RcichSbahngesellschas: betreibt seist in Bewein nur d,e weitere Elektrisierung der von München ansgehenocn Slrek- ken u„t zivar zunächst dic der Linie München—Augsburg-ffim. Gegen diese Zurücksetzung der großen S.recke München--Rei ck »lock, i. B. (Dresden)—"sterün ivanote wa.' >ie>> in der Verstumm liiiig mit allem Nachdruck. Blau machte geltend, daß an der Wciter- sühnlilg des elektrischen Betriebes von Regensbnrg zunächst bis Hos und dann über Rcicheiibach i. B. nach Leipzig nicht nur das östliche Bayer» (Oücrpsolz, Obcrsrankcn), sondern auch ganz Sachsen und insbesondere dic großen Städte Plauen i. V. und Leipzig einerseits und E h e ii> » i tz und Tresse n andererseits das le'>l>astestc Jii- tercssc hälien. Der früher einzige» Linie Berlin-München über Leipzig—Rcichcnbach i. B.—Regensbnrg sei seinerzeit durch den Erwerb der Saalbatz» seitens der Preußischen Eisenbalmvermaltung sie Konknrrenzlinie über -Halle-Jena—Saalscld—Nürnberg cr- ivachsen, die von der Preußische» Üezw. Preußisch-Hessischen Eisen- lwimverwaiinng iiitiner besonders bevorzugt ivorde» sei. Dies wstke sich sogar setzt noch ans, da die Sckstanvagenznge, soivie die FD- Züge über Halle—Nürnberg gekniet und auch die anderen Schnell züge der! besonders raick, gefahren würden. Zwar siebe die Elektri sierung der Amchlnßilrecke Reichend ach i. V—E l, c m n i tz— D r c s d e n noch nickt i» absehbarer Zeit bevor (obivoist sie gerade wegen der vielen Sleignnzen dreier Strecke ganz besonders erwünscht wäre;, aber onch ohne diele unrde schon die Elektrisierung von Re gensbnrg bis Hos dein Durchgangsverkehr von SD- und Südwestdcnt'chlaiid und dem angrenzenden Ausland (Tirol, Ost- ßkiveiz, Italiens über Hos—Dresden—Görlitz nach Schlesien und Polen sehr zugute kommen und vermöge einen Teil des Verkehrs, der sein über Berlin führt, ans die südlichere und kürzere Linie über Dresden herüber.zu.ziehcn. besonders sobald dic in Aussicht genom- mene Elektrisierung der Strecke Dresden—Görlitz—Breslau Tatsache Werve. Am Schlüsse der Versammlung wurde eine Entschließung angenommen, in der die alsbaldige Inangriffnahme der Elektrisie- rnngsglbeiten sür die Strecke Regensbnrg—.Hof bcziv. Hof—Leipzig entschieden gefordert wurde. Ein viergliedriger Ausschuß toll bei der Grnppcmxrwalinng Bayern der Tentiche» Reick,sbahngesell'chait in München vorstellig werden, auch will man mit den Restkslags- abgeordnetcn der beteiligte» Reichsteile in Verbindung trete». Alle Anwesenden sicherten dauernde Mitarbeit der von ihnen vertrete nen Stellen an den Bestrebungen zur Herbeiführung des elek trischen Eisenbahnbetriebes Affinchen—Hof—Reichenbach i. V.— Berlin zu. Der Reekenichaflsberichi für den sächsischen Siaaishaushatt 1926 Dresden, 28. Februar. Dem S ü ch s i sch e» La nd ta g ist soeben der Rechen s ch a f t s b e r i ch t über de» Staatshaushalt für den Freister» Sachsen ans das N e ch n u n g sjal, r 19 2 6 zusammen mit dem Be richt des Staalsrechnnngshofes über die Ausführung des Planes zu- gegange». In dem Bericht des SiaatSrechnungshoses tvird erklärt, daß der Staaisrechnniigsbof aus Grund seiner Prüfung die Ueberzeu- gnng gewonnen bat. daß der Haushallplan für das Rechnungsjahr 192t! ordnungsmäßig ausgcffihrt ivorden ist. Er empfiehlt dem Landtag, dic ans dem Rcchenschasisbericht und dem Bericht des StaatSrechnnngshoses ersichtlichen Planübcrschrcitungen und außer planmäßigen Ausgaben zu genehmigen und die Entlastung der Re gierung auszusprcchcn. Aus dem Inhalt des Rechenschaftsberichts sind folgende Haupt ergebnisse des Staatshaushalts im Rechnungsjahr 1928 hervorzu- hcbcn. Bein; Haushalt der Ueberschüsse stellt sich der rechnungsmä ßige Ertrag ans 226 82162.7.16 RM.. mithin gegen die AnichlagS- sninme von 218 820 610— NM. wenigcr. Dieser Mindcrcrlrag er klärt sich dadurch, daß hei dem Kapitel Einnahmen der allgemeinen Kasscnvcrwallnng, bei dem lediglich dem Abschluß des HauShalt- planes dienende» Betrag von 89 270000 RN!, keine Einnahme gegcnnbersteht, weil der Fehlbetrag des ordentlichen Haushalts Im Hanplabsehlnß des Rechenschaftsberichtes nachgewicsen mild. Wird dieicr Rechnnngsvorgaiig außer Betracht gelassen, so errechnet sich ei» Mebrertrag von 21 271 017.16 RM.. der mit 1 919 487 78 RM. ans die Nutzungen des Slaaisvcrwögcns und der Staatsanstasicn und mit 19 881 729.82 RM. aus die Stenern entfällt. Beim Hausbalt der Zuschüsse ergibt sich ein einrcch» nnngsniäßigcr Aufwand von 288 012 926 70 RN!., mitbin gegen die Anschlaossnmitte von 288 820610,— RM. ein Weniger von 6 807 683.70 RM.. das sich errechnet an? 81 917 328,87 RM. Minder- auswan'd und 87 607 687.37 RM. Mehraufwand bei den einzelnen Kapiteln. Ans der Endvergirichiing de? Haushalts der Ileber- schnsse und des Hanslmlls der Zuschüsse ergibt sich beim ordentlichen Haushalt ein rechnungsmäßiger Verlust von 11 691 301,88 RM. d. Tot nnsgcsnndeii. Am Sonnlagnachnüliag bemerkte in Hei denau der Straßenn'.cister im Mühlgraben eine ans dem Wasser beransragende Hand. Die sofort benachrichtigte Polizei barg eine Leiche, i» der ein 68 Jahre alter Maschinenfntzrer Börner erkannt wurde. Börner »rar wahricheinlich in der Dunkelheit vom Wege abgckommen und in den Gl-ulum gefallen. d. Keine Autostraßen in der Sächsisch»«,, Schweiz. Wie die Dresdner Nachrichten hören, hat sich das Ministerium gegen den gepinnten Ban von Autostraßen in der Sächsischen Schweiz ent schiede». da keine Mittel hiersiir zur Verfügung stehen, zumal die Mittel des Staates durch die Unwetterkatastrophe im Müg- litz- und Gottlcubatal sowie durch Straßcnverbesserungen und Ausbauten im ganzen Lande schon stark in Anspruch genommen sind. Es werocn jetzt mehrere Umgehungen bei Bannewitz, bei Werdau—Krimmitschau und bei Großenhain—Folbern aus- geführt. die für den Autoverkehr wichtiger sind als Straßen in der Sächsischen Schweiz. WeNerberlcht oer Dresdner Wetterwarte Witterungsaussichten. Teils wolkig und neblig, teils zeit weise aufklarcnd. Leichter Nachtfrost. Tagsüber im Flachland wenige Grade über Null. Gebirge leichter Frost, zeitweise ziem, lich lebhafte Winde aus östlichen Richtungen. Das Majorat Eine Erzählung von E. T. A. Hoffman». Dem Gestade der Ostsee unser» liegt das Stammschloß der Frei- berrlick von N . . scheu Familie, N . . sittc» genannt. Die Gegend iß rauh und öde, kaum cnk'prießi hi» und wieder ein Grashalm dem bodenlosen Triebsandc, und statt des Oiartens, wie er sonst das Her renhaus z» ziere» pflegt, schließt sich an dic nackten Mauern nach der Wiwscitc hin ein dürftiger Föbrcnwald, dessen ewige, düstere Trauer de» bunten Schmuck des Frühlings verschmäht, und in dem statt dcS irötilichcn Jauch,zens der zu »euer Lust erwachten Vögclcin nnr das schaurige Gekrächze der Raben, das schwirrende Kreische» der sturm- vciknndeiide» Mövc» widcrtwllt. Eine Viertelstunde davon ändert sich plötzlich die Natur. Wie durch eine» Zanbcrschlag ist man in l'tnbendc Felder, üppige Aeckcr und Wiese» versetzt. Man erblickt ta? große, reiche Dorf »nt den, geräumigen Wohntwnsc des Wirt- schansinsvektors. An der Spitze eines freundlichen Erlcnbiischcs sind oie Fundamente eines großen Schlosses sichtbar, das einer der vormaligen Besitzer aufzubaucn in, Sinne hatte. Die Nachfolger, ans ibren Güter» in Kurland hausend, ließen den Bau liegen, und auch der Freiherr Roderick von R.. der wiederum seine» Wohnsitz ans dein Stammgute nahm, mochte nicht weitoebaucn, da seinem finster», incwchc»sche»c» Wesen der Aufenthalt in dem allen, einsam ltcgcn- dcn Schlosse zusagtc. Er lies; das verfallene GeNlude, so gut cs ecben wallte, Herstellen, und sperrte sich darin ein, mit einem gräm lichen HanSvcrwallcr und geringer Dienerschaft. Nur selten sab ihn im Dorfe, dagegen ging und ritt er oft am Mecrcsstrande bin und bcr, und inan wollte aus der Ferne bemerkt haben, wie er in ktzc Wellen hineinsprach und dem Brausen und Zischen der Bran- dmn: zuborchic, als vernehme er dic anlwortcndc Stimme des Mecr- c.eißcs Auf der höchsten Spitze des Wartturmcs halte er ein Kabinett eumchlcn und mit Fernrohre» — mit einem vollständigen astrono- mnchen Apparat versehen lasse»: da beobachtete er tags, »ach dem Mcer binansschaucnd, die Schiffe, die oft gleich weißbcschwingtcir Mecevögcln am fernen Horizont vorübcrslogcn. Sternenhelle Nächte brockte er hin mit astronomischer, oder, wie man wissen wollte, mit astrologischer Arbeit, worin ihm der alte Hausverwalter belstand. Ü berhaupt ging zu seinen Lebzeiten die Sage, daß er geheimer Wnien'ckxrft, der sogenannten schwarzen Kunst, ergeben sei, n»b daß rii'.c verfehlte Operation, durch die ein Hobes Fürstenhaus auf das mipsindlichstc gekränkt wurde, aus Kurland vertriebe» habe. Die leiseste Erinnerung an seinen dortigen Aufenthalt erfüllte ihn mit Entsetzen, aber alles sein Leben verstörende, was ihm dort geschehen, ick rieb er lediglich der Schuld der Vorfahren zu, die die Ahnendurg löslich verließen. Um für dl« Zukuicht wenigstens das Haupt der Familie an das Stammhaus z» fesseln, bestimmte er cS zu einem Majoratsbesitztum. Ter Landesherr bestätigte die Stiftung um so lieber, als dadurch eiuc, an ritterlicher Tugend reiche Familie, deren Zweige schon in das Ausland berüberranktcn, für das Vaterland ge wonnen werden sollte. Weder Roderichs Sohn, Hubert, noch der jetzige Masoratsberr. wie sein Großuaier Rodcrich geheißen, mochten indessen in dem Stammschlosse Hausen, beide blieben in Kurland. Man mußte glaube», daß sic, bcftcrcr und lebenslustiger gesinnt, als Ser düstere Ahnherr, dic schaurige Ocde des Aufenthalts scheute». Freiherr Rodcrich halte zwei alten, unverheirateten Schwe stern seines Vaters, dic mager auSgcstattct in Dürftigkeit lebten, Wohnung und Unterhalt ans dem Gute gestattet. Diese saßen mit einer bejahrten Dienerin in den kleinen warmen Zimmern des Nebenilügels, und außer ihnen und dem Kock», der im Erdgeschoß ei» großes Gemach neben der Küche innc hatte, ivanklc in de» hohen Zimmern und Sälen des Haupigebävdcs nur »och ein ab gelebter Jäger umher, der zugleich dic Dienste des Kastellans ver sah. Die übrige Dienerschaft wohnte im Dorfe, bei dem Wirtschafts- inspcktor. Nnr in später Hcrbstzeit, wenn der erste Schnee zu fallen begann, und die Wolfs-, die Schweinsjagde» aufgingen, wurde 'das öde, verlassene Schloß lebendig. Dann kam Freiherr Rodcrich mit seiner Gemahlin, begleitet von Verwandten, Freun den und zahlreichem Iagdgcfolge herüber aus Kurland. Der be nachbarte Adel, ja selbst jagdlustige Freunde aus der naheliegen den Stadt sanden sich ein, kaum vermochten Hauptgebäude und Ncbenflügcl die znströmenden Gäste zu fassen, in allen Oefen und Kaminen knisterten reichlich zugcschürtc Feuer, vom grauen Mor gen bis i» die Nacht hin schnurrten di« Bratenwender, Trepp au> Trepp ab liefen hundert lustige Leute. Herren.und Diener, dort erklangen angestoßene Pokale und fröhliche Iägcrlicdcr, hier die Tritte der nach gellender Musik Tanzenden, überall lautes Jauchze» und Gelächler, und so glich vier bis sechs Woche» hindurch das Schloß mehr einer prächtige», an viclbesahreucr Landstraße liegen den Herberge, als der Wohnung deiOGutsherr». Freiherr Rodcrich widmete diese Zeit, so gut cs sich nur tun ließ,, ernstem Geschäfte, indem er. zurückgezogen aus dem Strudel der Gäste, die Pflichten des Majoralshcrru erfüllte. Nicht allein, daß er sich vollständige Rechnung der Einkünfte legen ließ, so hörte er auch jeden Vorschlag irgendeiner Verbesserung, sowie die kleinste Beschwerde seiner Unter tanen an. und suchte alles zu ordnen, jedem Unrechten oder Un billigen zu steuern, wie er cs nur vermochte. I» diesen Geschäften staivd ihm der alte Advokat V„ von Vater auf Sohn vererbter Ge schäftsträger des R . . sehen Hauses und Justitiarius der in P. liegenden Güter redlich bei, uitd V. pflegte daher schon acht Tage vor der bestimmten Ankunft des Freiherrn nach dem Majoratsgute abzureiseu. Im Iah« 17S— war die Zeit gekommen, daß der alte V. nach N . . sitten reisen sollte. So lebenskräftig der Greis von siebzig Jahren sich auch fühlte, mußte er soch glaube», daß eine hilf reiche Hand im Geschäft ihn; wolrltu» werde. Wie im Scherz sagte er daher eines Tages zu mir: ..Vetter" (so »annt: er mich, seinen Großneffen, da ich seine Vornamen erhielt) „ick, dächte, du ließest dir einmal etwas Seewind »in die Ohren sausen und kämst mit mir »ach R . sitten. Außerdem, daß du mir wacker bei- stehe» kannst in meinem manchmal böse» Geschäft, so magst du dich auch einmal im wilden Jägerlebcn versuchen und znschen. wie, nachdem d» einen Morgen ein zierliches Protokoll geschrieben, du den anderen solch trotziges Tier, als da ist ein langbehaarter. gräu licher Wolf, oder «in zahnsletschender Eber, ins funkelnde Auge zu schaue», oder gar eS mit einem tüchtigen Büchsenschuß zu erlegen verstehest." Nicht so viel Seltsames von der lustige» Jagdzeit in R . .sitten hätte ick schon hören, nicht so mit ganzer Seele dem herrlichen alten Großonkel anhängcn müssen, um nicht hocherfreut zu sein, daß er mich diesmal mitnehmcn wolle. Schon ziemlich geübt in derlei Geschäften, wie er sie vorhatte, versprach ich mit tapfcrcni Fleiß ihn, alle Mehr und Sorge abzunehmen. Andern TagcS saßen wir in tüchtige Pelze cingchüllt im Wagen und fuhren durck, dickes, de» cinbrcchcndcn Winter verkündendes Schneegestöber nackt R..sitten. Unterwegs erzählte nnr der Alte manches Wunderliche von dem Freihcrrn Roderich, der das Majorat stiftete und ihn seines Jüng lingsalters ungeachtet zu seinem Justitiarius und Tcstinicntsvoll- zichcr ernannte. Er sprach von dem rauhen, wilden Wesen. daS der alte Herr gehabt, und das sich aus die ganze Familie zu ver erben schiene, da selbst der jetzige Majorats-Herr, den er als sanft mütige», beinahe weichlichen Jüngling gekannt, von Fohr zu Jahr mehr davon crgrisscn werde. Er schrieb mir vor, wie ich mich keck und unbefangen betragen mühte, »m in des Freiherr» Augcn >vas wert zu sein und kam endlich auf dic Wohnung im Schlosse, dic er ein für allemal gewählt, da sic warm, bcoucm »nt, so abgelegen sei, daß wir uns. wann und wie wir wollen, dem tolle» Getöse der jubilierenden Gesellschaft entziehen könnten. In zwei kicinen, mit war,neu Tapeten bchangciien Zimmern, dicht neben den, gro ßen Gcrichtssaal im Seitenflügel, dem gegenüber, wo die alten Fräuleins wohnten, da wäre ihm jedesmal seine Residenz bereitet. Endlich »ach schneller, aber beschwerlicher Fahrt kamen wir in tiefer Nacht nach R.. sitten. Wir fuhren durch das Dorf, cs war gerade Sonntag, im Kruge Tanzmusik und fröhlicher Jubel, des -^irP schafisinspektors Haus vo» unten bis oben beleuchtet, drinnen auch Musik und Gesang: desto schauerlicher wunde die Oooe, in die wir nun Hineinsuhren. Der Seewind heulte in schneidenden Jammer» tönen herüber und. als lxrbc er sie ans tiefem Zanberichlaz geweckt, stöhnten die düster» Föhren ibm »ach in dumpser Klage. (Fortsetzung folgt.)
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