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Nummer 261 — 26. Jahrgang erscheint emal wöchentlich mit den tllnstrterte» Wrattibetlagen »Die Welt" nnd .Fllr untere kleine» Leute', sowie den Leu- beilage» „Ti. Benno-Bloti", „llnlerdaltnng »nd Wissen". »Die Welt der Frau", »Aerztitcher Ratgeber". »DaS gute Buch". .FUmruiidschau". Monatlicher Bezugspreis S-- Mk. einscht. Bestellgeld. Einzelnummer 10 «s. Sonntagnummer SO 4- Haichtlchri,Heiter: Dr. G. DeSezyk. Dresden. SüchMe Freilag. -en 11. November 1927 »Inzeigexvreise: Die lgespaiten» Petttzeti» »O 1. Familie», an,eigen und Stellengesuche »0 4. Die Petitrellamczeite. «ü Millimeter breit. 1 Ofseriengebtihr SO 4. bet lieber« sendnng durch die Post außerdem Portoznschiag. Im Falle büberer «ewaU erlischt jede Verbiiichiung ans Liesrnmg sowie Erfüllung b. Slnzcigen-Ailllrügen n. Leistung v, Schadenersatz, iiicschüstiicher Teil: Arinr Lenz, Dresden. Oleschäftsstelle. Druck 11. Berka« - Mermania.il..«. iüc Verlag und Druckerei. Filiale Dresden. DreSde»-iI. I. Polieriirabel7. FcrnrnillwiS. PoiNcheckionlo Dresden 27»g Vanttonto Eeadtbn»" Dresden Rr Ni7>» Für christliche Politik und Kullur Redaktion der Sächsischen VolkSzettuna DreSden-Altstadl 1. Polieisiratze 17. Fernrui S071I »nd rivIS. M WMligell Mil «erl Ein reparalionspolilischer Ausschuh -er Reichsregierung — Anker Vorsitz Dr. Köhlers Chaos im fernen Ssten Von Dr. Walter Hagemann. In keiner Phase des chinesischen Bürgerkrieges waren die Aussichten für eine friedliche Lösung der inneren Kon flikte und eine Wiedervereinigung der getrennten Teile Chinas geringer als heute. Die von Süden ausgehende große nationale Bewegung, welche politische Zielbewußtheit und strategische Dynamik erkennen ließ, hat sich in einen Krieg Aller gegen Alle aufgelöst, in welchem die militärischen Satrapen mit dem Geld und Blut des unglück lichen Volkes ein bedenkliches Spiel treiben. Derweilen verfallen die Verkehrsmittel und -wege des Landes, der internationale Handel geht mehr und mehr zurück und die Ebbe in den Regierungskassen erlaubt es kaum noch, die notwendigsten Staatsausgaben für die Verwaltung und den fremden Zinsendienst zu leisten. Die nationale Wieder geburt Chinas liegt in weiterer Ferne denn je, und die jung-chinesischen Kreise sehen mit kaum verheltem Pessimis mus in die Zukunft. Der Zerfall der K u o m i n g t a n g - Bewegung geht in seinen Wurzeln bereits in die Zeit zurück, da Sun- yatsen in der kantonesischen Gemeindeverwaltung die Keimzelle eines künftigen nationalen China schuf. Damals wurde der russisch-kommunistische und der national-ge mäßigte Flügel der Partei durch die Wucht einer starken Führerpersönlichkeit und die gemeinsame Not zusammen gehalten, und in dem räumlich beengten Kwantung-Gebiet war zur Austragung ihrer Differenzen nur geringer Spiel raum vorhanden. Als jedoch die Strategie des genialen Schiangkaischek die kantonesischen Armeen bis an den Pangtse vorschob und die drei wichtigsten Städte Mittel chinas. Han kau, Nanking und Schanghai der Kuömingtang auslieferte, da zeigte es sich, wie schmal die Basis dieser Stadtrepublik und wie tiefgreifend ihre Dif ferenzen waren, und sehr bald erfolgte ein Zerfall der rie sigen eroberten Landgebiete. In eben dem Augenblick, als General Schiangkaischek zum entscheidenden Schlag gegen die geschwächte Nordarmee Tschangtsolins in Schantung ausholte, gelang es der neuen, in „Wuhan", d. i. Hankau. etablierten Nationalregierung, seine Absetzung unter dem Vorwurf reaktionärer Tendenzen zu erzwingen, und eben jener Mann, welchen die Nationalisten als den chinesischen Napoleon gefeiert hatten, sah sich gezwungen, in das japa nisch e E x i l zu gehen. Nicht minder verhängnisvoll war es, daß die nationale Regierung nach diesem halben Siege der russischen Hilfe und Freundschaft entraten zu können glaubte und ihre russischen Ratgeber und Freunde zugleich mit deren chinesischen Parteigängern in die Moskauer Ver bannung schickte. Militärisch wie geistig nnterhöhlt, bracb das Befreiungswerk zusammen, und es war eine Ironie der Geschichte, daß gerade in der proklamierten neuen Haupt- ^adt des kommenden China die militärische Reaktion ihr verhaßtes Haupt erhob. Eine Weile schien es noch, als ob die Entlastnngsaktion Fengyusiangs, welcher mit frischen, in Rußland ge sammelten Kräften im nordwestlichen CRna auftauchte, diesem Verfallsschicksal Einhalt tun könnte. Dem „christ lichen General" gelangt es zur Ueberraschung aller Außen stehenden, den Schansi-Eeneral Jentschitschang, der sich in den bisherigen Verwicklungen streng neutral verhalten hatte, auf seine Seite zu ziehen und im Verein mit diesem die Anchouschun-, d. ist Verbündete, Nord-Armee in der Flanke zu bedrohen. Tschangtsolin mußte die innere Mongolei mit Kalgan räumen, und der Angriff wurde bis auf 30 Meilen an Peking herangetragen. Aber Japan, welches durch den überraschenden Einmarsch in Schantung bereits kurz zuvor Tschangtsolin an der Südfront vor dem Aeußersten bewahrte, hat auch vor den Toren Pekings seinem Söldling den Rücken gestärkt und den Fall der immer noch wichtigen Stadt, welche sich seit 18 Monaten im uneingeschränkten Besitz Tschantsolins befindet, verhin dert. Als rettender Umstand kam hinzu, daß in Hankau einer der Untergenerale Schiangkaischek», Tangtscheng- tschi, die Herrschaft an sich riß und den Bruch mit der nach Nanking verlegten Nationalregierung herbeiführte. Da er sich weigerte, den Marschbefehl Nankings gegen die Nord- nrmee auszuführen, so mußten für den Vormarsch auf Schantung bestimmte nationale Truppen in einer Stärke ron mehr als 60 000 Mann gegen Hankau abgeordnet wer den, um den rebellischen General zum Gehorsam zu bringen. Diesen hat seine Rebellion den Abfall vieler Truppenteile zur National-Armee gekostet, doch scheint ihm in dem plötz lich in Szetschuan wieder auftauchenden Wupeifu ein willkommener Helfer zu erstehen. Ob tatsächlich zwischen diesen beiden Generalen und Tschangtsolin eine Ueberein- kunft getroffen worden ist, welche das gesamte strategische Bild verändern würde, muß die nächste Zukunft lehren. Durch diesen Streit im inneren Lager sind jedenfalls der Nankingregierung vorläufig die Hände gebunden, um so mehr, als von Kanton keine Hilfe mehr zu erwarten ist. Hier kämpfen seit dem Abmarsch der Armeen und der Ver legung der Zentralregierung nach Norden die Radikalen und Gemäßigten um die Macht, und während der General Lichaichung seine Truppen aus der Kwantung-Provinz zu einem entscheidenden Schlage nach Kanton lufammenmebt. Berlin, 1(1. November. Das Reichskabinett stimmte in seiner gestrigen Sitzung dem vom Reichsminister der Finanzen bereits vor längerer Zeit unterbreiteten Vorschlag auf Bildung eines repara tiv nspolitischen Ausschusses der N eichs reg ierung zu. Dieser Ausschuß soll danach unter dem Vorsitz des Reichsministers der Finanzen, entsprechend dem interministeriellen handelspolitischen Aus schuß. aus Vertretern der für die Reparationspolitik im ein zelnen zuständigen Ministerien gebildet und mit der Ausgabe der Vorbereitung aller mit der Reparationspolitik zusammen hängenden Maßnahmen betraut werde». In dem Ausschuß werden neben dem Finanzministerium das Auswärtig« Amt, das W i r t s ch a f t s m i n i st e « rium und das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft vertreten sein. Diese Aemter werden ihre zuständigen Sachbearbeiter in den Ausschuß entsenden, in be sonders wichtigen Füllen iverden die Minister selbst an den Beratungen teilnehmen. Amerika und das Memorandum Neuqork, 10. November. Senator B o r a h erklärte, daß Deutschland wie jede andere europäische Nation nicht mehr Anleihen aufnehme, als es erschwingen könne. Parker Gilbert scheine sich, als er sein Memorandum der Oeffentlichkeit übergeben Hobe, nicht klar darüber gewesen zu sein, wohin seine Kritik füh ren könne. Er sei der llebcrzeugung. daß die Eigentums rückgabe Deutscbland außerordentlich helfen würde, das ge rade jetzt mit starkem finanziellen Druck belastet sei. Er wartet vor den Toren Tschangfntkwai auf einen günstigen Augenblick, um die Macht an sich zu reißen. Der lachende Dritte ist Japan. Mit begreiflicher Sorge hat man in Tokio den nationalistischen Vormarsch verfolgt und die Meldungen vernommen, welche von den Hebelgriffen chinesischer Truppenteile und Ortsverwaltun gen gegen jaMnische Staatsbürger über die Vinnenlandsee drangen. Fast alle japanischen Unternehmungen südlich des yangtse, darunter bedeutende Bergwerke, erlagen dem chinesischen Ansturm, und die japanischen Interessen in Schantung sind nur durch das schnelle Eingreifen des japa nischen Landungskorps in Tsingtau und Tsinanfu gerettet worden. Japan darf sich vorläufig in China als Sieger fühlen und wird dank seiner intimen Kenntnis chinesischer Dinge seinen Vorteil wahrzunehmen wissen. Demgegen über hat England eine passivere Nolle gespielt trotz des ungeheuren Aufsehens, welches die Entsendung seines Schanghai-Geschwaders in der Welt erregt hat. Die eng lischen Truppenteile sind viel zu spät auf der Bildfläche er schienen, als daß sie im Ernstfälle eine schnelle Wirkung hätten tun können, und wieder einmal zeigt sich mit frap panter Deutlichkeit, wie sehr eine europäische Macht infolge des langen Anmarschweges durch den Suez-Kanal bei Ver wicklungen im Pazifik gegenüber dessen Anliegern sich im Nachteil befindet — ein Grund mehr für die englischen Imperialisten, auf einen beschleunigten Ausbau des Kriegshafens Singapore zu dringen. Amerika hält sich wie immer vorsichtig zurück, was nicht hindert, daß der Dollar ebenso wie das Pfund und der Pen im chinesischen Glücksspiel als beliebter Einsatz dient. Wieder ist Ehina »er Spielball fremder Interessengruppen geworden, in deren Sold das Land aus vielen Munden sein Blut ver gießt. Wo bleibt der Richter in diesem Streit, wo ist der starke Arm. welcher das von Kriegsschauern geschüttelte Land zum Frieden zurückfllhrt? Was sagt der Völkerbund zu diesen Vorgängen, welche die Ruhe der anderen Hemi sphäre unaufhörlich bedrohen und den Grundsätzen der Menschlichkeit Hohn sprechen? Das Ergebnis -er Kiri-enburg-Spen-e Berlin, 10. November. Zu einer Mitteilung des Kysf- häuseröundes, wonach sich das Ergebnis der Hindenburgspende auf rund 7 Millionen Mark beläuft, bemerkt« die „Tägliche Rundschau", daß sich zurzeit genaue Angaben über das Er gebnis noch nicht machen lassen, da -er Abschluß erst Mitte November erfolgen wird. Man könne aber annehmcn, daß die Summe von 7 Millionen Mark ungefähr das Richtige trifft. hoffe, daß in der nächsten Kongreßsession die Eigentumsrück gabe beschlossen iverden würde Die Vossische Zeitung meldet aus Neuyork. daß die amerikanischen Bankiers im allgemeinen die kommende Ruhepause auf dem deutschen Anleihemärkte begrüßen, weil das Tempo reichlich heftig und der Markt mit neuem Ma terial Übersicht worden sei. Die Bankiers verzeichnen aber demgegenüber aus der Passivseite, daß das Memorandum Gil berts eine der wichtigsten Abflußmöglichkeitcn des überflüssi gen Kapitals in Amerika mehr oder weniger verstopft habe. Die amerikanischen Bankiers vertreten die Ansicht, daß die Anleihen einen Vorrang vor den Reparationsverpflichtungen haben, und man hofft, daß das Staatsdepartement sich zu der Ansicht der Bankiers bekehren werde. Nur auf diesem Wege sehe man in Neuyorker Bankkreisen die Möglichkeit, das ganze Reparationsproblem im Zusammenhang mit dein Schuldenproblem anzuschneiden und eine allgemeine Konferenz über oas S ch u ld e n p r o b le m. die ja einmal kommen müsse, dem Staatsdepartement schmackhafter zu machen. Innenpolitisch — amerikanisch gesprochen — be deute die Aktion Parker Gilberts den einstweiligen Sieg der politische» Führung Washingtons, das die ganze Frage bi» nach den Wahlen von 1S28 vertagen wolle. Der amerikanische Finanzdikialor für Polen Warschau, 10. November. Das Gehalt des amerikanischen Finaiizkontrollcnrs. der etwa in zwei Wochen in Warsäm» eintreffen wird, wird monatlich 20 000 Zloty betragen. Ins gesamt werden die Ausgaben des polnischen Staates für den Finanzkontrolleur auf beinahe 30 000 Zloty monatlich beziffert. Paris, 8. November. In Paris ist eine Fälscherasfüre aufgedeckt worden, die viel Aehnlichkeit mit der Angelegenheit der falschen Tansendsrankscheine hat, die vor längerer Zeit di« ungarische Oeffentlichkeit in starkem Maße beschäftigte. Obwohl die Gerichts- und Polizeibehörden das größte Stillschweigen be wahren, ist so viel durchgesickert, daß in Paris drei Ver haftungen vorgcnommen sind. Unter den Verhafteten soll sich der angeblich aus Berlin stammende Bankier Blumen» st e i'n befinden. Wie es heißt, sollen die drei Verhafteten nach Frankreich ungarische Papiere ein geführt und dort in betrügerischem Absicht umgestempelt haben, um sie dann auf dem französischen Markt unterzubringen. Zahlreiche Fäl schungen sollen beschlagnahmt worden sein. Die Angelegenheit dürfte großes Aufsehen erregen, zumal sie politische Hintergründe hat. Auf Grund des Trianonvertrages muß nämlich der ungarische Staat den Nachfolgestaaten der Doppcl- monarchie die Zinsen der früheren öffentlicheu österreichisch- ungarifchen Schuld verschieden bezahlen. Handelt es sich um Papiere, deren Eigentümer aus österreichischem oder ungari schem Gebiete wohnen, so muß der ungarische Staat die Zinse» in Papierkroncn bezahlen. Handelt es sich dagegen um Papiere, deren Eigentümer in anderen Ländern ansässig sind, so müssen 32 Prozent des Goldwerks als Zinsen gezahlt werden. Die Verhafteten sollen nun aus Ungarn Papiere mit ungarischem Stempel ausgeführt haben, die dann in Paris durch geschickte Fälschungen mit Aufdrucken französischer oder englischer Banken versehen wurden. Dadurch wurde es möglich, die Papiere zu erhöhtem Zinsfuß zu verkaufen. Die ungarische Regierung fall bereits Klage erhoben haben. Der Herzog von üalibor frelgesprorhen Ratibor, 8. November. Nach zweieinhalbstllndiger Beratung des Gerichtshofes wurde heute nachmittag gegen 4 Uhr Herzog Viktor von Natt- bor mangels genügender Beweis« für eine Fahrlässigkeit auf Kosten der Staatskasse f r e ige f p r o ch e n. Der Staats anwalt ball« vier Monate Gefängnis beantragt. Opfer seines Berufe». In Köln wurden dem Schaffner Fritz B. auf dem Uebergabcbahnhof des Bahnhofes Eifeltor der rechte Arm und das rechte Bein abgefahren. Der Unfall ereignete sich während des starken Verkehrs, der auf dem Bahnhof infolge der Braunkohlen» und Zuckerrübenbesörde» runa berrÄt. WslheraMre in Paris