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Rümmer 61 — 26. Jahrgang -mal «vöch. Bezugspreis für März 3.— einschl. Bestellgeld, Anzeigenpreise: Die Igesp. Petitzeile LOL, Stellengesuch« R» L. Dl« Petitreklamezeike, KS Ntlll« Meter breit, 1 ^l. Offertengedühren für Selbstabholer 20 .Z. bet Uebersendung durch die Post «mtzerdem Pyrtozuschlag. Einzet-Nr. 10 Sonntogs-Nr. 13 " is; go/efFohmanR,Dresden. Söckslsctie Sonntag, 14. März 1928 , gm Falle höherer Gewalt erlischt sed« Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigenausträgen U. Leistung v. Schadenersatz. Für undeutl. u. d. Fern, t ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Der« ruf übermitt. Anzeigen übernehmen antioortung. Unverlangt «ingesandt« u. m. Rückporto nicht versehen« Manuskripte werd. nicht aufbemahrt^ Sprechstunde d. Redaktion 8 bi» S Uhr nachmittag». Hauptschrtftlest.: Dr. Joseph Sl-ert. V««d«n. volrszeliuna Druck nud Verlua, «arouta- Buchdnokerkt «mbH., Dr«»den»N. 10, Halb einstrotz« 10. Fernruf 32723. Poslschtckkonko Dr«»drn IE Bankkonto: «affe«,» a Friss»«, Dreiden. Für chriskltche Poltttk und Knllnr ««dsttto» s«r «Schsttch«» Bott«,««tun, D«»d«n-Mtst. 1«, Holbrtnftrahe 16. Fernruf W72» und SSKR. Keine Kompromitzneigung Neue Krise in Genf — Der Dölkerbun-sral sott entscheiden Die andere Krise . Die politische Aufmerksamkeit Europas und der Welt hängt augenblicklich an Genf. Und zu einem ge wissen Grade mit Recht. Denn ganz gleich, wie die Ent scheidung ausfällt, es handelt sich dort um die augen blicklich weitreichendste politische Frage, um eine Ent scheidung von weltgeschichtlich erster Größe: Welche At mosphäre soll in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die internationalen Beziehungen der Völker beherrschen? Es ist aber auch richtig, daß Genf mit seiner abwechseln den Krisen- und Hoffnungsstimmung in erster Linie eine Sorge der andern ist, von der die deutschen Delegierten im Vorzimmer relativ wenig in Mitleidenschaft gezogen werden. Doch in diesem Vorziinmer mag die deutschen Delegierten eine andere Sorge vielleicht viel mehr drücken, die Sorge um die andere Krise im Reiche daheim, die sich in der unverändert schweren wirtschaft lichen Depression immer drückender geltend macht. Und trotzdem, hier daheim erlebt man inzwischen, daß alle die politischen Energien, die durch Genf noch nicht gebunden sind, durch eine künstliche „Volksbewegung" auf eine ein zige Frage abgelenkt werden, der diese Bedeutung in der Wertskala unserer Sorgen nicht entfernt zukommt. Man macht eine Volksbewegung in Sachen der Für stenabfindung. Und das in einer Zeit, wo die materielle Lebensgrundlage unseres Volkes, die gesamte Wirtschaft, wieder einmal aufs tiefste erschüttert ist, in einer Zeit also, wo man alle Energien, die überhaupt vorhanden sind, einzig und allein auf die Lösung der einen großen Frage verwenden müßte: Was hilft uns aus der verhängnisvollen Wirtschaftskrise her aus? Wenn es zu jeder Zeit auch verkehrt ist, lähmenden Pessimismus zu nähren, so muß man doch der nüchternen Tatsache hier ins Auge schauen, daß ebensowenig wie zu übertriebenem Pessimismus eine Berechtigung zu einer optimistischen Beurteilung unserer wirtschaft lichen Lage gegeben ist. Mit einem plötzlichen Umschwung und einer wesentlichen Besserung der Lage rechnet man in ernsten Wirtschaftskreisen durchaus nicht mehr. Zwar ist man überall von dem zähen Willen beseelt, auch die jetzigen Schwierigkeiten zu überwinden. Diese Grund- sti'mmung war auch, das ist anzuerkennen, auf der gro ßen Dresdner Tagung der sächsischen Industriellen durch aus gegeben. Der Wille zur Arbeit und die Hoffnung auf Arbeit lebt auch sicherlich in den Herzen der zwei Millionen Erwerbslosen, die dem Reiche allein heute monatlich 130 Millionen Mark kosten. Aber mit diesem Willen der einzelnen Fabrikanten und Arbeiter allein schafft man noch keine Aenderung. Und selbst wenn man darauf hinweist, daß die deutsche Wirtschaft schon grö ßere Stürme ausgehalten hat, so darf man doch nie ver gessen, daß jahrelange äußerste Kraftanspannung auch die zäheste Kraft allmählich zermürben muß. Ebenso wenig fällt uns diese notwendige Wendung zum Bes seren von außen her ohne unser Zutun als reife Frucht unseres Höffens und Würstchens mühelos in den Schoß. Vor solcher Betrachtung der Dinge ist auf jeden Fall zu warnen. Es muß etwas sehr Positives geschehen und, wo Einzelwillen und Einzelkräfte versagen, muß der Ge- samtwille des Volkes in die Dresche springen, um die Ueberwindung der Krise zu fördern. Was aber soll geschehen? Zu dieser Lebensfrage unserer Wirtschaft und damit unseres Volkes hat dieser Tage ein Gremium Stellung genommen, dem im deut schen Wirtschaftsleben immerhin einige Bedeutung zu kommt. die Hauptversammlung der sächsischen Industriel len. Man hat versucht, die Wege aufzuzeigen, die aus der gegenwärtigen, auf die Dauer unerträglichen Wirt schaftskrise herausführen. Man ging dabei sehr ricktig davon aus, daß die gegenwärtige schwere Depression ihrer Natur nach eine Absatzkrise ist. Es steht fest, daß das Schwergewicht des Absatzes im Inland liegt. rua xoKK v KI 0 K: von -.so KI«. LN. l»fs»k,*»as,v«-0«eS«n . . von I.so KS. an. K»»«nSr8n,o von -.20 KS. LN, Xammunlon - ee,8KIuns»n von 1.^ KS. an, .... von 1.20 KS. SN. Sei««1r. Lucbksnälunx. L»Ip,Ig, knciolistratze 3. London, 13. März. Reuter meldet aus Genf: In einer Unterredung mit einem Vertreter des Reuterbüros erklärte Chamberlain, er habe den Eindruck, daß die Ablehnung der letzten Vorschläge durch den Reichskanzler Dr. Luther alle Bemühungen zur Fortsetzung der Besprechungen nutzlos mache. Briand, der in den späten Abendstunden die fran zösische Presse empfing, erklärte bei dieser Gelegenheit, die alliierten Staaten hätten so weit nachgegeben, daß sie nicht mehr weiter könnten, als sie es getan hätten. Was sich morgen ereignen wird, wisse noch niemand. Jedenfalls müsse die Initiative von Deutschland ergriffen werden. (!) In den gestrigen Abendstunden herrschte in allen fremden Lagern völlige Ratlosigkeit. Die Delegierten ent wickelten eine fieberhafte Tätigkeit. Chamberlain begab sich nach dem Besuch Dr. Luthers zu Briand und daun zu dem Vorsitzenden des Rates, Graf Jshii. Im franzö sischen und im englischen Lager neigt man anscheinend dazu, mit den Besprechungen hinter verschlossenen Türe» Schluß zu machen und eine Entscheidung des Rates in offizieller Sitzung herbeizuführen. Genf, 13. März. In englischen Delegationskreisen war gestern abend dis Stimmung ganz außerordentlich ernst. Ungeachtet der von der englischen Presse und von der Oefsentlichkeit geäußerten Stimmung darf festgestellt werden, daß in der englischen Delegation in Genf seit gestern abend eine ausgesprochen deutschfeindliche Stimmung Platz gegriffen hat. Sire Austen Chamberlain hat bei dem Empfang der englischen Presse folgende Erklärung abgegeben: Nach den Besprechungen von Freitag früh schien es, daß es möglich sein werde, die Besprechungen weiter fortzu setzen. Nach den vom Reichskanzler: Luther gemachten Mit teilungen sehe die englische Delegation weitere Berspre- chungen für nutzlos an und wolle dafür emtreten, daß die Frage dem Rate überwiesen werde. In englischen Kreisen wird hierzu folgendes Kommen tar gegeben: Das Versprechen der Natsmächte, Deutsch land in den Völkerbund aufzunehmeu und ihm einen ständigen Ratssitz zu erteilen, müsse eingehalten werden, doch gebe es unter den zehn Ratsstaaten einen, der diese Zusicherung nicht erfüllt hätte. Dieser Staat wäre Brasi lien. Der nur zum Teil veröffentlichte Schriftwechsel der brasilianischen Regierung an die Reichsrcgierung hatte be reits damals darauf hingewiesen, daß die Zusage eines ständigen Ratssitzes nicht von einer der Regierungen der Natsmächte erfolgen, sondern nur von dem Rat beschlossen werden könne. Damit hätte sich Brasilien die Möglich keit Vorbehalten, im Notfälle auch gegen Deutschlands Eintritt zu stimmen. In der öffentlichen Ratssitzung Werk es sich nun erweisen, welche Stellung Brasilien euinehmen werde. Sollte Deutschland unter diesen Umständen und» ohne vorherige Bindungen eingegangen zu sein, in den Rat ausgenommen werden, so würde eine Ausnahme für das Deutsche Reich einen schwarzen Tag bedeuten (!). » Der Kompromißvorschlag, der Deutschland im Verlauf der gestrigen Besprechung der Locaruomächie ge macht worden ist, batte folgenden Jnhalt:1. Sofortige Zu teilung eines ständigen Ratssihes an Deutschland. 2. Verschiebung der Behandlung der Frage der übrigen ständigen Natssitze auf die September unter dem Vorbehilt der Bildung eines Ausschusses zur Bearbeitung der hier über eingereichtcn Berichte und Anträge. 3.' Sosornge Zuteilung eines nichtständigen Ratssitzes an Polen. — Darauf wurde von Deutschland der Gegenvorschlag ge macht, alle Anträge auf Zuweisung von weiteren Rats sitzen einem Ausschuß zu überweise», Vorder September tagung des Vvlkcrbundrates ein Gutachten zu unterbreiten hätte. Der Havasvcrtreter in Gens berichtet: Es scheint, daß die Deutschen eine Antwort auf ihren präzisen Vorschlag erwarten. Die Deutschen wissen jedoch, daß ihr Vorschlag, der im Grunde genommen auf die Vertagung jeder Erweite rung des Rates, außer der Zulassung Deutschlands, abzielt, von Anfang an auf den Widerstand ihrer Verhandtungs- gegner gestoßen ist und heute nicht in Betracht gezogen werden kann. Infolgedessen kann man nur wiederholen, was Briand gestern abend, nachdem er mit seinen alliierten Kollegen verhandelt hatte, erklärte, nämlich, daß Teuutsch- land die Verantwortung übernehmen müsse dadurch, daß es den Kompromißvorschlag, der ihm gestern gemacht wor den ich, annimmt oder ablehnt. Auch vor dem Kriege ging nur etwa ein Viertel unserer Gesamtproduktion ins Ausland. Freilich haben wir den Wert des Vorkriegsexports bei weitem noch nicht wie der erreicht, und es ist bekannt, daß auch die endlich seit Dezember 1925 erreichte Aktivierung unserer Handels bilanz keineswegs auf einer merklichen Erhöhung unserer Ausfuhr, sondern vielmehr auf einer Verminderung der Einfuhr beruht. Jedermann weiß auch, daß die Auf nahmefähigkeit des Weltmarktes nicht nur durch einen allgemeinen Rückgang der Kaufkraft, sondern auch durch eine erhebliche Verschiebung des Schwergewichtes zugun sten der Vereinigten Staaten non Nordamerika, für deutsche Waren wesentlich geringer geworden ist. Es ist bislang noch wenig Aussicht vorhanden, die Höhe des Vorkriegsexportes wieder zu erreichen, eine Frage, die im übrigen stark von äußeren, unserem unmittelbaren Einfluß entzogenen Faktoren abhängt. Unter diesen Umständen bleibt als Grundforderung für die Lösung der Wirtschaftskrise die Hebung des Inlandsabsatzes, der vor dem Kriege etwa 75 vom Hundert der gesamten deutschen Produktion aus machte Aus den Reden und der Entschließung der In dustriellentagung konnte man entnehmen, daß man die ses Ziel, die Hebung des Inlandsabsatzes, auf zwei ver schiedenen Wegen erstrebt. Einmal durch eine Hebung der Kaufkraft Eine allgemeine Lohn- und Ge haltserhöhung hält man allerdings zu diesem Zwecke für ausgeschlossen, wofür sich sicherlich Gründe anführen las sen. Demgemäß plädiert man für Maßnahmen, die die Kaufkraft der Landwirtschaft auf einen normalen Stand zurückführen sollen. Man geht dabei also von der an sich richtigen Tatsache ans, daß auch die Landwirtschaft weitgehend in die allgemeine Krise mit hineingezogen ist. Die Preise der landwirtschaftlichen Produkte liegen zum großen Teil unter den Weltmarktpreisen. Man darf freilich nicht übersehen, daß dieser Zustand in der eigenartigen Struktur dieses Wirtschaftszweiges seine natürliche Begründung findet! In der Landwirtschaft wirkt sich die Krise nicht so zwangsläufig wie bei der In dustrie in Restriktionsmaßnahmen aus. Die relativ er giebige Ernte des vergangenen Wirtschaftsjahres müßte somit zur Folge haben, daß die Abnormität der Wirt schaftslage, die sich in der Produktion nicht.ausdriickt, in den Preisen der Produkte zum Vorschein kommt. Wollte man durch künstliche Maßnahmen die Wirkungen der allgemeinen Krise auf die Landwirtschaft ansschalten, so wäre das naturgemäß nur durch eine entsprechende Erhöhung der allgemeinen Lebenshaltungskosten möglich, also auf die Kosten der 70 Prozent Lohn- und Gehalts empfänger, die Deutschland ausweist. Wir können uns nun, selbst abgesehen von sozialen Forderungen, durch aus nicht denken, daß dadurch die allgemeine Kauskraft gehoben werden kann, daß man der Landwirtschaft gibt, was man den Lohnempfängern nimmt! Ebenso bedeutet es natürlich nur eine Verschiebung innerhalb der Berufs stände, wenn man sagt (was vielleicht an sich richtig ist), die Verschlechterung der Kaufkraft der Lohnempfänger müsse durch eine Verringerung der teil weise unverhältnismäßig hohen Händlergewinne ausge glichen werden. Eine allgemeine Erhöhung der Kauf kraft können wir in solchen Experimenten durchaus nicht sehen. Dieses Mittel verbürgt also auf keinen Fall eine merkliche Besserung unserer Wirtschaftslage, sondern bleibt eine schöne, aber dadurch nicht minder falsche Doktrin. Der zweite Weg. auf dem man die Hebung des Ab satzes erstreben möchte, geht aus von der Verringerung der Produktionskosten. Hier berühren sich also zwei an! sich widerstrebende Tendenzen: die Tendenz nach mög lichst hohen Löhnen zwecks Steigerung der Kaufkraft einerseits, mit der Tendenz möglichster Niedrighaltung auch der Lohnquote in den Produktionskosten. Es ist ganz einleuchtend, daß für die Klärung dieses Problems die prozentuale Bedeutung des Arbeitslohnes für das Ge samtprodukt von entscheidender Bedeutung ist. Man wird aber gerade aus dieser Verkettung widerstreitender Faktoren wohl oder übel sich zu dem Schluß bequemen! müssen, daß die Probleme der Wirtschaftskrise von der Lohnfrage aus zu «Alerletzt zu lösen sind. Weder Herab-, setzung noch Erhöhung der Löhne kann hier zum Ziele