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Nummer 215 — 25. Jahrgang „mal wöch. Bezugspreis für Septbr. 3.0V einschl. BesteUqelü. Anzeigenpreise: Die Igesp. Pelitzetlr 90^« Stellengesuche SV L. Di« PetitreklamezeU«, 8V Milli« neter breit, 1 Zt. Offertengebühren für Selbstabholer SO L, bet Uebersenbung durch di« Post außerdem Portozuschlag. Linzol»Nr. 10 Sonntogs-Nr. IS Z. geschäftlicher Teil: I. Hillebrand in Dresde» Söctlftsi Kn'8la1I unci Olss kür jeäel'afel 6. OIL8IO QrunserLtr. 23 Oresäen Mitlwocy, 22. September 1926 Im Fall« höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigenauftrüg«! u. Leistung v. Schadenersatz. Filr unüeutl. u. d. Fern« ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ver^ antwortung. Unverlangt eingrsandt« u. m. Rückporto nicht versehene Manusbrtpte werd. nicht ausdewohrU Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittag«^ HauptschrisUeU.: Dr. Joseph Albert. Dressen^ U>«t»atisk«Ue, Druck »uv Verlag, Laioum. Buchdrucker«, GmbH. Drebden-N. 1, Pollerllratze 17. geruriu 2IV12. PoMcheckkomo Dresden >4797 Bankkonto: Dresdner Bank, Dresden Für christliche Politik und Kultur -Nedakito» der Sckchstlche» VolkSzetlnng TreSden-iUlslodI 1. Polierürahe >7. ger,nnu Mil und 2IV12. Mf l.l MII : Dr-ksüvn-H. : fi'auenZik'avk 9 Legrüncket 1707 Die deutschen Forderungen Wohl einen der übersichtlichsten Berichte über die Grundlage der Geheimbesprcchungen zwischen Briand und Stresemann gibt der iri besonderen Beziehun gen zu Br Land stehende französische Journalist Sauerwein in folgender Form: „Was will Deutschland? Vor allein natürlich ver langt es die N ä uinung des Rheinlande s. Das ist ein Maximum. Vielleicht wäre es schon zufrieden, wenn die Besatzung geändert, verringert, abgekürzt wäre. Auf jeden Fall: Wenn Stresemann, der den Vorsitz im Völkerbund führen soll, verlangt, das; man mit der Besetzung aufhöre, die nicht mehr viel Sinn hat, kann man seine These bekämpfen; aber man mutz an erkennen, daß Stresemann nicht anders spre chen kann. Der Verzicht auf die Volksabstimmung im Saargebiet zusammen mit einer sofortigen wirtschaftlichen Verständigung, das Ende der Militärkontrolle, die Ertei lung von Kolonialmandaten an Deutschland, das sind ändere deutsche Forderungen. Stresemann hatte wirklich die Qual der Wahl für leine Bnand vorzulegenden Forderungen. Diesen For derungen werden sich bestimmt andere, fernerliegende anschließen, die teils sehr vernünftig, teils sehr disku tabel sind. Im großen und ganzen handelt es sich um eine Beschleunigung von Entscheidungen, deren Eintritt der Versailler Vertrag selbst vorsieht, und die in den meisten Füllen bis 1935 zu fällen sind. Ander seits hat aber der Versailler Vertrag nicht vorgesehen, daß Amerika nicht ratifizieren würde, daß Europa dieses Nachkriegsgesicht erhalten würde, und daß Verträge, wie die von Locarno mit Deutschland abgeschlossen wür den. Den Locarno-Verträgen sind wirtschaftliche Verträge von größter wirtschaftlicher Tragweite ge folgt. Es besteht eine enge Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Franzosen auf dem Gebiete der Kali-In dustrie und es werden ähnliche Verträge auf dem Gebiete der Schwerindustrie in einem oder zwei Monaten folgen. Weitere Verträge über Kohle und Erz und endlich Ver träge über chemische Erzeugnisse werden später kommen. Man kann Parteigänger einer Entente mit Deutschland sein oder nicht, wenn man es nicht ist, darf man nicht für eine so enge Politik der Zusammenarbeit eintretcn. Diese Politik ist nnr wirklich wertvoll, wenn sie bis zu ihren letzten logischen Konsequenzen vurchgeführt wird. Halbheiten sind hier nichts wert. Man kann sich seinen Associ» wählen, yat man ihn aber gewählt, dann kann man nicht gut seinen Besitz als Pfand in der Hand behalten." Ueber die Frage, ob zwischen Deutschland und Frank reich ein Bündnis zustande kommt, und wie es sich aus wirken würde, verbreitet sich derselbe Journalist in fol gender Form: „Angenommen, es käme ein Bündnis zwischen Frankreich und Deutschland zustande, so wäre es schwer, *eine Macht zu überschätzen. Hundert Millionen Men- chen, die, wie man es während des letzten Krieges ge- ehen hat. sich nötigenfalls zu schlagen wissen, auf fran zösischer Seite ein mächtiges Kolonialreich, ein unver gleichliches moralisches Ansehen, das Vertrauen der aus dem Versailler Vertrag hervorgegangenen neuen Staa ten, deren Interessen selbstverständlich in keiner Weise verletzt und deren Wachstum nicht behindert werden dürfte, ein Ackerbau treibendes Land, das fast seinen gan zen Bedarf selbst deckt, eine sparsame Bevölkerung, Kohle, Kali und Erze und auf deutscher Seite Kohle und Kali, die stärkste industrielle Organisation nach der ame rikanischen, arbeitsliebende kinderreiche Menschen, welche die Erzeugung und Ausfuhr einander anzupassen ver stehen! Die beiden Länder würden in der Welt ein neues Gleichgewicht schaffen. Sie sind allen Staaten, so groß sie auch sein mögen, gewachsen. Wenn auch die Hindernisse groß sind — Frankreich hegt die natürliche Befürchtung, gewissermaßen mit eigenen Händen zur Wiederaufrichtung der Macht Deutschlands beizutragen, und Deutschland wünscht, alle Folgen des Versailler Ver trages auszulöschen, — so darf man sie doch nicht über treiben. O Es trifft nach anderen Informationen zu, daß zwi lchen Briand und Stresemann weiter« Zusam- Worüber in Thoiry gesprochen worden isk — Die Rückgabe des Saargebie s und Eupen-Maime-ys — Ais Gegenleistung Mobilisierung der Ei enbahn-Obligaliousn Genf, 21. September. Nach Pariser Informationen, die offenbar auf gu: unterrichtete Kreise zurückgehen, beziehen sich die Neuein barungen, die zwischen Briand und Stresemann in der Gehciinnnterrednng festgeleat worden sind, auf folgende Punkte: 1. solle» die BcsckkunqstrnPPcn fortschreitend weiter herabgesetzt werden, in Verbindung damit sollen schon jetzt Maßnahmen entsetzen, die eine sogenannte Nnsichtbar- machung der Truppen zum Ziel haben. Jedenfalls sollen auf keinen Fall die militärischen Instanzen von nun an irgendwie in die deutsche Verwaltung eingreifen dürfen. Sodann ist die Räumung der zweiten «nd dritten Zone so vorgesehen, daß sie mit Dezember 19 2 7 oe « n dc t ist. Zum dritten soll die Rückgabe des Saar gebiets an Tcntschlan» ebenfalls im Fahre 1927 svlel- leicht schon im Frühjahrs erfolgen. Frankreich läßt die Forderung der Bolisabstimmung f,!lrn. 4. soll die die M i l i t ä r k o n t r o l l e ab ge schasst nnd die Kontrolle über die Reicksnnchr »nd die Schntz- Poiizci dem Völkerbund übertrag.» iveedcn. Werter ist die Mobilisierung eines Teiles der deutsche» E i s c » ba h n o b l i g a t i o n c n zugunsten Frankreickss in -lnssicht genommen. Das ist der Punkt, mit welchem die deutsche wirtschaftliche und finanzielle Hilfe für die Stabilisierung der französischen Währung verknüpft ist. Endlich sagt Frankreich wohlwollende Neutralität zu bezüglich der Regelung der Frage Eupen-Malmedy, die ja in erster Linie eine deutsch-belgische Angelegenheit ist. Endlich ist zwischen den beiden Staatsmännern die Frage der Anerkennung des Rechtes an Deutschland, über K o l v n i a l m a n d a t e zu verfügen, gesprochen worden. Für den Rückkauf der Saarbergwcrkc ist auf der Grundlage euies Preises von etwa 200 Millionen Mark verhandelt worden. Die Höhe der Eilenbahnobligationen, die moüilrsicrr wer den sollen, ist auf etwa zwei Milliarden beziffert, soll aber bis auf etwa sechs Milliarden laufen. Das Aus maß der Mobilisierung wird abhängig davon sein, daß Frankreich an einer internationalen Regelung der Kriegs schulden mitzuarbciten sich verpflichtet. Eine solche Kon ferenz ist bereits für den Dezember in Paris in Aussicht ge nommen. Ob diese Informationen in-allen Einzelheiten rich tig sind, kann im Augenblick nicht nachgeprüft werden. Man wiro aber zugeben müsse», daß die Besprechungen sich in der Hauptsache in der Richtung der gekennzeichneten Liine bewegt haben. Paris, 21. September. M Havas veröffentlicht mit Bezug auf den Henrigen i n i st e r r a t, in dem Briand über seine Genfer Be sprechungen, insbesondere über die mit Dr. Stresemann, Bericht erstatten wird, folgende Erklärung: „In gewissen Pariser Kreisen ist heute das Gerücht im Umlauf gewesen, daß innerhalb und außerhalb der Regierung Nnstimmig- kcitcn hinsichtlich der von Briand eingeleitcten Verhand- handlnngen gegeben hat. Briand hat bisher lediglich dem iMnistcrPräiiVknten >>n Lanfe einer kurzen Unterredung die großen Linien der Besprechungen von Genf nnd Thoiry dargelegt." London, 21. September. In maßgebenden Kreisen w.rd die von gewisser Seit« auf dem Kontinent verbreitete Ansicht, die in den letzien Tage» erfvlgte Annäherung Deutschlands nnd Frankreichs sei der britischen Negierung keinesfalls angenehm, da sie eine Spitze gegen England enthalten könnte, als „voll kommen absurd" bezeichnet. Es wird betont, daß ein großer Teil der Tätigkeit Ehamberlains derl Erreichung dieses Zieles gewesen sei und her- vorgehvben, «in wie großes Interesse England besonders jetzt, wo es durch die Locarnuverträge an die Schicksale Europas gebunden fei, an allem hat. was zur Förderung des cnropäischen Friedens und zur Beseiti gung einer Kriegsgefahr aus dem Kontinent beitragen kann. Abrüstungskonferenz im September 1927 Gens, 21. September. Die dritte Kommission für Abriistungssragen beschloß in ihrer gestrige» Sitzung, die Abriistungskonserenz, wenn nicht materielle Schwierigkeiten eintrete», bis zum September 1321 cmzuberuscn. Dieser Beschluß bedeutet einen Sieg des sranzöfi- schen Standpunktes gegen den englischen und italienischen, der eine weitere Hinausschiebung der Konferenz gern gesehen halte. De Ionvenel begründet den sranzösischen Standpunkt mit folgenden Worten: ..Uebernchmen wir die uns zukonnnends Verantivortung. Ich bin bereit, in: Namen der sranzsischen Dele gation meine Verantwortung zu übernehmen. Unsere Sachver ständigen sind fertig. Locarno ist ratifiziert. Deutschland ist da. Lassen Sie uns den Zusammentritt der Abrüstungskonferenz be schleunigen. Ich bin der festen Ueberzeugnua, daß wir nicht den Weltkrieg erlebt hätten, wenn wir rechtzeitig die notwendigen Maßnahmen getrosten hätten. Es gibt keine technischen und keine politischen Schwierigkeiten mehr. Lassen Sie uns mit der Arbeit beginnen" Danzigs Finanzlage Deutschland macht seinen Einfluß zugunsten Danzigs geltend Gens, 21. September. In der gestrigen Nachmittagssitznng des Völkerbundsraies wurde auch die Finanzlage der Freien Stadt Danzig er. örtert. Präsident Eahm erklärte, das; Danzig erst nach Fertig, steilung des Budgets für das lausende Jahr davon in Kenntnis gesetzt wurde, daß cs mit der Ratenzahlung für die seinerzeit überwiesenen BesatznngsKoslen beginnen möchte. Mit der be willigten Anleihe von NO Millionen Gulden reiche Danzig nicht aus. — Der polnische Außenminislm empfahl der Siadt Ersparnisse auf dem Gebiete der Verwaltung und erklärte, Pole» sei bereit. Danzig für die Zukunft ein Minimum an Zoll- einnahmen znzusichern. Der deutsche Außenminister Dr. Stresemann erklärte, Deutschland habe bei seinen besonderen Beziehungen zu Danzig ein besonderes Interesse daran, daß die Freie Stadt Herr ihrer finanziellen Schmierigkeiten werde. Die Schwierigkeilen für Danzig beruhten zum großen Teil auf der Arbeitslosigkeit, die ein europäisches Problem sei. Es müsse Danzig ermöglicht werden. Ende des Jahres eine neue kurzfristige Anleihe auszu nehmen. — Von seiten des belgischen und englischen Vertreters wurde daraus erklärt, das; eine solche Anleihe selbst verständlich aufgelegt werden könne, wenn dafür genügend inier- nationalcr Kredit zu finden sei. — Präsident Sa hin dankte für diese Erklärung und stellte in Aussicht, daß sich Danzig init dem Vorsitzenden des Finanzkomitees beim Völkerbund in Verbindung setzen würde, wenn es vor dein 1. Dezember einer Anleihe bedürfe. menkünfte in der nächsten Zeit verabredet sind. In der Tat werden die jetzt zwischen den Regierungen selber auf der Grundlage der Besprechungen zwischen Briand und Stresemann einzuleitenden Verhandlungen eine un mittelbare Fühlungnahme der beiderseitigen Staatsmän ner von Zeit zu Zeit notwendig machen. Da die poli tischen und die Wirtschaftsfragen auf das engste mit einander verknüpft sind, und da voraussichtlich der Ab schluß eines Wirtschaftsabkommens zwischen Deutschland und Frankreich der Regelung der politischen Beziehungen voran gehen wird, dürfte als erster Lou - cheur nach Deutschland kommen, und dort nicht nur mit Stresemann, sondern auch mit den maßgeben den Wirtschaftspersönlichkeiten eine Aussprache sichren. Es kann ferner ganz unzweifelhaft damit gerechnet wer den. das; in absehbarer Zeit auch Stresemann sich nach Paris zu persönlichen Verhandlungen mit Briand begibt. Da Deutschland nunmebr im Völker bund ist, nnd nach einer gewissen Gepflogenheit die Rats sitzungen des Völkerbundes abwechselnd in den europäischen Hauptstädten stattfinden, so ist es durchaus nicht ausgeschlossen, daß eine der nächsten Ratssitzungen auch in Paris stattfinden wird. Diese Ratssitzung dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach unter dem Vorsitz S t r e s e m a n n s stehen, was schon daraus sich ergibt, daß der eigentlich jetzt schon in Genf Deutsch land zustehende Vorsitz von Stresemann zugunsten der Tschecholloivakei abaetreten worden ilt