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Sächsische Volkszeitung : 12.09.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-09-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192609120
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19260912
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19260912
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-09
- Tag 1926-09-12
-
Monat
1926-09
-
Jahr
1926
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 12.09.1926
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vis sekün« Vielt MWW»WW»»WWWW»»MWW»»MWWM>WW»WMWMMWMMWMW»>S>W»»W>WM»»«>»»«»>W»>»MUWWWSS«^^'^ ^ Nebelmeer oer pprenaen. Dunkel ist's um mich, stockdunkel, denn es ist erst halb S Uhr morgens. Ein unwillkommenes, mitleidlos-energisches Poltern an der Türe mahnt zum Ausstehen, da bald das Auto oon La Seo zur nächsten Bahnstation Tales gehen wird — eine lechsslündige Fahrt durchs Hochgebirge haben wir vor uns. Verschlafen und trotz der sommerlichen Jahreszeit fröstelnd steht man neben dem riesigen, gelben Auto-Omnibus, dessen Verdeck jetzt unter dem üblichen spanischen Redeschwall» und einem mit südlicher Lebhaftigkeit geführten Wortgefecht mit einer nicht cndenwollenden Unmenge von Gepäckstücken beladen wird. Daun kommen die Fahrgüsie daran, bis znr Unmöglich keit wird das Innere des Wagens mit ihnen vollgepfropft — isl's doch die einzige Vcrkehrsmöglichkeit dieser Bergeinsamieit mil der Welt da drangen, dem „Tiefland"! Bewundernswert ist die Geduld, mit der sich die Reisenden, Männer, Frauen mit großen Bündeln in blau- und rotkaricrten Tüchern, Kinder, junge Mädel mit Körben, Priester, niit dem geringsten Mag von Platz begnügen, vielleicht, weil sie es nicht anders kennen. Kein böses Wort fällt, wenn einer dem andern auf die Führ tritt, in Lachen und Scherzen löst sich alles auf. Mit der üblichen Verspätung, über die sich niemand auf- -cgt, kurbelt der Führer endlich seinen Motor an, und nun saust der übervolle Wagen mit einer Fahrt los, daß, Ser steht, über seinen Nachbar fällt, und wer sitzt, sich ihm aus den Schoß legt. Keuchend und prustend nimmt der Motor die starken Steigungen, um dann plötzlich haltlos in die Tiefe zu gleiten, dag man den Atem anhält! Dies wiederholt sich öfter, außer dem geht cs zur Nervenprobe immerfort in kurzen Kurven um die Fclsenecken herum. Man spürt cs am Schleudern des Wagens, wenn man auch draußen nichts sicht. Die Hinteren Räder tun anscheinend oft gar nicht mehr mit, das Hintere Wagenendc besonders schleudert uns bald rechts, bald links herum, wie einen Bund Flicken! Eine kleine Oelfunzcl im Wagen verbreitet eine schüchterne Helligkeit, die aber dem einen Spanier genügt, trotz der Enge eine Hand frei zu bekommen und kleingeschnittenen Tabak und Zigarettenpapier mühsam aus seiner Rocktasche heraus zu befördern. Mit an den Leib gepreßten Ellenbogen dreht er. trotz der drangvoll fürchterlichen Enge, mit der ihm angeborenen, ihn nie verlassenden Grazie die geliebte Zigarette. Ebenso gelingt es einer der schwarz haarigen, zum Teil init ziemlich starkem Bartwuchs behafteten Senora das Kunststück, den unentbehrlichen Fächer hervorzu ziehen und ihn trotz der scharfen Morgenkühle mit der bekannten Pssigcn Grazie zu handhaben. Offenbar geht die Straße in Serpentine» bald auf-, bald abwärts. Gespenstisch huscht der Lichtschein der große,, Laternen ab und zu über eine Felswand, die rechts von uns senkrecht in die Höhe steigt und die unser Auto beinahe streift, so nahe kommen wir ihr! Auf der anderen Seite dagegen herrscht Fin sternis, und ich bin auch nicht begierig, zu schauen, was sie „gnädig bedeckt mit Nacht und Grauen". Denn ich ahne, daß wir beständig an schwindelnden Abgründen dahinrasen, was andere Fahrtgewohnte auch bestätigen. Und in solch einem wahnsinnigen Tempo! Es löst das Gefühl aus, durchaus in die Hand des Schicksals gegeben zu sein, eine rollende Kugel, die von der ihr gewiesenen Bahn nicht abweichen kann. Daß bei dieser Höllenfahrt das kleinste Hindernis genügt, uns in die Tiefen zu schleudern, ist mir wohl bewußt. Ebenso aber auch, daß das Auto mir zu Gefallen keine andere Gangart cinschalten wird, noch daß ich aussteigcn kann. Nichts bleibt übrig, als sich mit genügendem Fatalismus zu wappnen. Kein einziges Mal läßt das Auto die Hupe ertönen, auch später nicht, als wir längst in bewohnter, verkehrsreicherer Gegend sind. Das Auto beherrscht diese Straße vollkommen, jeder weiß, daß es um diese Zeit angerast kommt und richtet sich danach, d. h., er geht ihm aus dem Wege und tut klug daran, denn dieser Höllenwagen weicht weder aus, noch ändert er sein Tempo. Ich segne das offene Fenster, an dem ich sitze, obgleich mir die feuchtkaltc Nachtluft in den vermummlen Nacken zieht. Sie bewahrt mich venigstens vor der Seekrankheit, die mein Gegenüber, ein junges Mädchen, ergriffen har. irrir i«yoo icy ryre grunncy bleiche Farbe auf das unsicher« Licht, aber plötzlich saust das Fenster bei ihr herunter und sie mit dem Kopf hinaus, noch gerade zur rechten Zeit! Aber was ist das jetzt draußen, was scheint sich da ganz, ganz leise vorzubereiten? So tiefschwarz ist der Himmel nicht mehr, ein dickes Dunkclgrau hängt wie ein schweres Tuch davor. Ist's wirklich das Morgengrauen? Nach einer neuen Kurve ist es schon Heller, Las einförmige Grau, und bei der nächsten weiß ich wirklich nicht: Ist's Traum oder Wirklichkeit? Da dehnt sich ja ein weites graues Meer — als ob wir am Meercs- ufcr fahren. Und Inseln ragen aus dem weißlicher werdenden Dunst. An die norwegischen Schären muß ich denken, Land zungen sehe ich sich in graue Flut erstrecken. Hat der Himmel sich dem Meer vermählt? Nirgends Begrenzung, in Unendlich keit fließen Himmel und Meer ineinander. Meer, ja — es ist doch kein Meer! Wir sind doch in den Pyrenäen! Die heimat liche, norddeutsche Föhrde taucht vor mir auf, wie ich sie sah an Tagen, an denen das Nebelhorn nicht einen Augenblick zur Ruhe kam. Es ist kein Meer, und doch suchen meine Augen un willkürlich nach Masten, Schornsteinen, Segeln! So vollkommen ist die Täuschung! Endlich steigt ein sanfter rötlicher Schein am Himmel aus, das Erröten des jungen Tages, der sich noch den Schlaf aus den Augen reibt. Eine Felswand schiebt sich aufs neue zwischen uns nnd die uns äffende Landschaft. Oh, was gäbe ich darum, wollte das Auto nur ein Viertelstllndchen Halt machen! Vergessen ist die Angst ums liebe Leben, vergessen die Furcht vor körperlichem Unbehagen, nur sehen, nur nichts von dem wundervollen, hehren Schauspiel verlieren, das sich van Minute zu Minute steigert. Glühend rot erscheint jetzt der Sonnenball, als ob seine Glut ihn selbst verzehren müsse, und seine roten Strahlen küssen die „Inseln" im Wattenmeer, daß sie leuchten wie im Alpenglühen! Und nun beginnt das Nebelmeer zu atmen, ein Heben nnd Senken, ein Wogen und Wallen setzt ein, ein Brauen und Quirlen. Unvergeßlich, unverlierbar saugt sich dieser Anblick im Gedächtnis fest, geschaut mit den Augen des Leibes und der Seele zugleich. Unbarmherzig rast der Kraftwagen weiter, bis plötzlich Durst ihn zuni Halten zwingt. Während er Benzin schluckt, ge nießen wir das Schauspiel in dem drängenden, brodelnden Kessel neben uns, aus dem, golden überstrahlt, sich einzelne Berghäupter heben. Wie hoch mögen sie sein? Gewißlich Riesen von unten geschaut und von hier oben gesehen wie Klippen! Geht es nicht oft auch so im Menschenleben? Wenn man nur erst einmal einen höheren Standpunkt errungen hat, wie klein, unwichtig und nichtig erscheint da, was von unten gesehen, uns durch sein scheinbares Ricsenmaß erschreckte. Jetzt hat uns eine Nebclrvolke eingefangen. Wie undurch sichtige Vorhänge hat sie plötzlich ihre grauen Schwaden nm uns zusammengezogen. In diese Tarnkappe fahren wir jetzt, das Auto „sucht im Nebel seinen Weg", hat sich aber, Gott sei Dank, zu einer langsameren Gangart entschlossen. Mit einem Schlage gibt uns die Wolke wieder frei. Weggezogen ist der Schleier — Welt, wie bist du schön! Vor uns liegt wieder das Wellen meer, ragen die Gipfel, jetzt sinken die Wolken, der Nebel weicht, an Bergeshäuptern hängen letzte, weiße Wolkenfetzen wie Schaumflocken. Rotglühend ragen die Berge im bläulichen Morgenäthcr. Jetzt die Straße wandern dürfen, zu zweit, einer des andern Verstehens gewiß, auch im Schweigen! Wie mächtig der Bergzauber doch wirkt, selbst im übervollen Auto! G. S. 70H-Iahrseier -er Staöt Sorten i. N. Die alte Vischofsfeste Borken in Westfalen, entstanden durch eine Pfarrgründung des Sachscnherzogs Widutind, wird am 12. September festlich den Tagen begehen, an dem vor 700 Jahren Bischof Dietrich III. von Münster das Dorf Borken zur Stadt erhob und damit die Vorbedingungen für die macht volle spätere Entwicklung schuf. Die Erhebung zur Stadt hatte eine glückliche Aufwärtsentwicklung zur Folge. Der Anschluß an ven gerade entstandenen Hansa-Bunv vermittelte ein begucmes Absatzgebiet für heimische Erzeugnisse. Besonders in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges wurde'die Stadt von den Söldner heeren geplündert und zerstört und dadurch um Jahrhunderte in ihrer Entwicklung zurückgeworfen. Ein neuer Ausschwung trat im vorigen Jahrhundert mit dem Siegcszug der Maschine ein,' diese Aufwärtsentwicklung, die langsam aber stetig sich Bahn brach, hält bis heute noch an. Die Jahrhundertfeier wird am Sonnabend, den 11. Sep tember abends durch Festgeläute und Völlerschießen eingeleitct, darauf soll ein großer Fackclzug staltfindcn, und zugleich sollen die Hauptgebäude der Stadt, sowie die Reste der Befestigungen festlich beleuchtet werden. Der eigentliche Festtag, Sonntag, Lei 12. September, bringt zuerst einen Festgoltesdienst in allen Kirchen. Anschließend ordnen sich die Birkener Bürger nach ihren Vereinen zu einem Zuge nach dem Volksgarten, wo dar Jahrhundert,»«! und das Eesallcnen-Denkmal enthüllt werde» wird. Den Höhepunkt des Festes wird der große historisch > Festzng bilden, der in über 20 einzelnen Gruppen cir Spiegelbild der Geschichte der Stadt geben soll. Ueber 500 Per. soncn werden sich an dem Festzuge beteiligen, der in seinen Darstellungen aus prähistorischer Zeit durch das Mrcc-cniier und die Neuzeit bis in unsere Tage reichen wird. Herbst am Neer. Die Reisezeit des Sommers dehnt sich mehr u»v meyr nach beiden Seiten aus. Immer mehr Großstädter schließen an die Fahrt zu Ostern oder Pfingsten die ganze Urlaubszeit an und widmen sich den Schönheiten des wundcrseligen, nordischen Frühlings mit seinen frischen Farben, seinem immer lebhafter erwachenden Leben in Wald und Feld, mit der regenerierendem Kraft seiner ansteigenden Sonne. Auch das Meer lockt von Jahr zu Jahr schon im Frühling seine Liebhaber zu einem Besuch, zumal diejenigen, die den Wunsch haben, von dem Eroß- stadttrubel, der sich ja auch in den Bädern und Kurorten zur Hauptsaison entwickelt, aus dem Wege zu gehen. Um so mehr muß es befremden, daß zu diesem Zweck nicht auch der Herbst ausgenutzt wird. Es ist eine Eigentümlichkeit der Küste, daß das Wetter, z. B. was die Beständigkeit anbelangt, ohne Frage im September am zuverlässigsten ist. Wieder ist die Luft durch sichtig wie im Frühling, und doch so ganz anders! Was im Frühling an übersprudelndcr Lebenskraft und Freude elektri sierend auf Geist und Nerven wirkte, daß leuchtet jetzt in einer ungeahnt tiefen Verklärung, in einer Schicksalserfiillung ohne Gleichen und ist wie kaum eine andere Stimmung in der Natur geeignet, dein nervösen und verarbeiteten Menschenherzen die Ruhe und Ausgeglichenheit zu übertragen, die ihn auf eine höhere Marte dem Kleinkram des Alltags gegenüberstellt. Eine gewisse Melancholie löst nur die Heide im Herbst aus, wenn ihre Farben düsterer werden, das Leuchten der Erika mehr und mehr verblaßt und der Sturm Wolkensetzen über einen un ruhigen Himmel jagt. Späte, zierliche Blumen kichern darein und selbst die Sterne scheinen sich doppelt anzustrengen, diese stillen Nächte mit ihrem schönsten Glanz zu verklären, so sehr, daß ihre Sehnsucht sie manchmal in ganzen Schwärmen zur Erde zwingt. Hin nnd her schießen die leuchtenden Garben über das samtne Firma ment, zu lautlosem Feuerzauber geeint und rahmen das Märchen ein, das der Herbst am Meere dichtet, das Märck.-^ daß Licnhard von den Birken singt: Leiszitternde Birken, hat euch der Herbst geNIßt? Es rinnt ein Beben schlanke Stengel entlang —. Windstill der Hang — Ihr wißt, daß ihr in Bälde sterben müßt Doch sterbt ihr gern und unvergrollt, Ihr habt verwandelt, was euch der Frühling gao, In leuchtend Gold, Das streut ihr lächelnd nun aufs eigene Grab . . . — und kein Schlummerlied der Welt ist schöner als das, da» das Meer seinen Lieblingen singt! —sen. Lin vergestenesLanö aus der Steinzeit*) Von Frank Hurlsy. Das nördliche Stück der Torrcsstrabe ist wie die Schwelle ocs Reiches der Verzweiflung. Durch zerflatternde Nebel er hascht der Blick die flüchtigen Umrisse einer niederen Küste, düsterer Gewässer und Schlammbänkc, wie die Vorahnung un erklärlichen Unheils. Ein Gefühl finsterer Bedrücktheit brütet über der Gegend und man schwankt zwischen dem Verlangen, zu seligen Inseln im Sonnenschein zu fahren und der Lockung, weiter vorzudringen und hinter der unergründlichen Wollen- hülle die Geheimnisse zu lüften, die dahinterliegen. Wenn nachts die volle Wut des Tropengewitters über das Land hin- wegbranst und der Blitz die Wolken mit funkelndem Flackern zum Leuchten bringt, schien es mir, als führe mein schwanken des Fahrzeug auf den tosenden Wassern vor den Pforten einer verschollenen Welt. Dies seltsame Land, eine der letzten, geheimnisvollen Ge genden der Welt, steht unter der Oberhoheit des australischen Staatenbundes. Von den etwa 150 000 Eeviertkilomctern seines Flächeninhaltes ist erst die Hälfte erschlossen. Hinter dem Küstcnstrcifen und den Gewässern, die in der mächtigen Owen- Stanlcy-Kette entspringen, die das ganze Land durchzieht, liegt das unbekannte Gebiet. Wilde bewohnen cs, die so gesetzlos und ursprünglich dahinlcbcn wie bei der Erschaffung der Welt. Gelegentlich dringt eine kleine Schar von Regierungsbcamten mutig in dies unbctrctene Reich vor, kommt mit dem Einge borenen in Berührung, sichert das Ansehen der Weißen und auf dein Wege widerstandsloser Eroberung wird ein Gebiet und ein Stamm nach dem andern unter die Botmäßigkeit von Gesetz und Ordnung gebracht. Die zerklüftete und undurchdringliche Natur des Landes macht die Arbeit des Forschers zx schwerer Mühsal. Will man freundschaftliche Beziehungen zu Menschenfressern nnd Kopf jägern durch freundliches Zureden, Elaspcrlenkctten und Eisen äxte Herstellen, so erfordert solches Unternehmen Mut, Geschick *) Aus „Perlen und Wilde" von Frank Hurley, Verlag Brockhaus, Leipzig. s und Nichtbeachtung alltäglicher Begrüßungen von Pfeilhageln ! und Stcinteulenwürscn. Manchmal geht auch ein neugieriger Wanderer im Außengcbict seines Kopses verlustig: aber da der Schädel in der Walhalla des Stammes mit ähnlichen Sieges zeichen ehrfurchtsvoll aufbewahrt wird, so mag solch ein unge wöhnliches Ableben, daß einen plötzlich von einer Null im Leben zu einem berühmten Märtyrer im Tod macht, nicht ohne Trost und Nachruhm sein. Vor noch nicht allzu langer Zeit reizten die Verheißungen der Kirchcnlehre die Menschenfresser noch ganz und gar nicht. Sie fanden greifbarere Freuden in der Nachfolge ihrer ur sprünglichen Scclcnhirten. Der Missionar von heute ist aus zäherem Holz geschnitzt und findet zudem genug in den sicheren halberschlosscnen Gegenden zu tun, wo er vernünftigerweise lieber von den Eingeborenen lebt statt umgekehrt. Die wich tigste Sorge der Regierung von Papua ist die Erhaltung der Eingeborcnenrassc, denn bei solchen Urvölkcrn ist cs stets der Fall,'daß die Nasse zerfällt nnd rasch nusstirbt, sobald sie unter die Botmäßigkeit der Weißen kommt und auf einmal gezwungen wird, viele ihrer alten Gebräuche auszugcben. Zunächst gibt man — wie in allen britischen Kolonien — den Eingeborenen gleiche, wenn nicht sogar Vorzugsrechte gegenüber den weißen Eindringlingen und man tut alles mög liche, um die Rasse init merklichem Erfolge zu erhalten und zu pflegen. Nicht nur ist das Land in seiner Obcrflächengestaltung verworren und setzt der Erschließung tausend Schwierigkeiten entgegen, sondern auch die Leute sind höchst merkwürdig: selten verlassen sie in ihrem urweltlichen Zustand den Bezirk ihres eigenen Dorfes aus Furcht vor feindlichen Nachbarn: sic hängen noch an den rohesten Gepflogenheiten und seltsamsten Verrich tungen, die ebenso art- nnd wesensvcrschieden sind wie die end losen Mundarten, die sie reden. Hinter der weiten, flachen Ausbuchtung des Golfes von Papua — selbst kaum mehr als ein veränderliches Delta von Schwemmland und nieder» Inseln, wo ein Dutzend großer Flüsse ihre schlammschwcrcn Wasscrmassen ins Meer ergießen — ist der eigenartigste und ursprünglichste Teil von Papua zu c finden. Hier besteht die Bevölkerung meist aus Menschcn- s fressen» nnd Kopfjägern mit vielen seltsamen Bräuchen und Sitten: Aünenvereüruna und Sckmdelkult babcn hier noch eine Stätte. Im großen und ganzen kann man die Bevölkerung de» großen Insel in drei Hauptgruppen einteilen: 1. die oben er wähnten Stämme, die in und hinter dem großen Delta, sowie in AKsipapua leben: 2. die Zwergvölker, eine sehr kleine, dunkelhüutige, wollhaarige Nasse, die die Berge im Innern be wohnt: 3. die Kiistcnbcwohncr, die den ganzen Südosten und ein paar Stellen längs der Nordküste einnchmcn und die durch hellere Hautfarbe und gewaltige Haarkrause aufsnllen und zweifellos vor Jahrhunderten aus Melanesien eingewandert sind. Wie begeistert zollte ich dem gesunden Verstand der Re gierung Anerkennung, die das Tragen von Kulturlumpcn völlig verbietet! In diesem einzigartigen Bereich von Eingeborencn- sürsorge liefert die Natur noch die hauptsächlichste Kleidung des Menschen. Die Art der Tracht ist je nach dem Stamm ver schieden: Muscheln, Erasschürze, Fascrröckchcn und kleidsame Kunstwerke aus geklopfter Rinde, die der Phantasie ebenso Spielraum lassen wie den Mücken. Was die Sittlichkeit be trifft, so -in ich überzeugt, daß der Grasschurz nicht so ver führerisch wirkt wie die halb verhüllenden, halb enthüllenden Missionsgcwändcr, die man überall in der Südsee antrisft. I» gesundheitlicher Hinsicht ist das nachthemdähnliche Kleid eine wirkliche Gefahr und sollte darum allgemein verbannt werden. Dies märe einiges über Neuguinea — ein Land, wo es über dem unergründlichen Wald brütet wie schweigende Er wartung, wo das unermeßliche Sternenzelt in Gran zergeht, wenn die Morgenröte die Baumspitzen färbt, wo die Sumpf wälder erklingen von den jubelnden Weisen der ungezählten ge fiederten Sänger, die aus voller Kehle ihr Preislicd erschallen lassen. Die großen, trägen Flüsse gleiten in goldenem Schweigen vorbei. Die düsteren Schatten der dichtbewachsenen Ufer wan deln sich in rankenumschlungcne Massen von scharlachroten Blumen, wenn die Sonne über der Bergeskuppel aufgeht und schwarz« Umrisse in Einzelteilchen von leuchtender Farbe löst. Vom Bergesgipfel zur mecresumspülten Küste ist mehr Pracht und Schönheit in diesem Zauberlande, als ich mir auf dieser Erde erträumte. Noch hat der Dämon Handel die Gestade so gut wie nicht berührt. Der Vernichter des Waldes hat die Vögel noch kaum gestört. Das Land ist io wie die Natur es schuf:: möge es noch lange so bleiben! Xatli. kuckliaiMox k. 8climii1t (ln!i. k. keck) Dressen - Seklovslrske A
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