Volltext Seite (XML)
5onnnig ir. SklNember UntcrtzalMng unü MWeri in Wort unü Bttü Nummer ro? äene iz Im Blumenladen Von A. K. Grund. Es war eigentlich kein richtiger Blumenladen, sonder eine Verkaufshütte aus dem Marktplatz. Die Händlerin stand vor dem Verkausstisch und ordnete Flieder in eine Vase. Sie war klein und mager: ihr großes, knochiges Gesicht sah mit der verwitterten Röte auf den Wangen und dem intensiven Veilchenblau in den Augen lustig aus. Neben ihr stand ein gelbwangiger, hochaufgeschossener Junge, der sich mit ungeschickten Händen bemühte, sterbensmatten Tuberosen mit Hilfe von Draht die müden Köpfchen zu stützen. Die Händlerin redete eben, als Ich an den Verkaufstisch heran trat, eifrig In den Buben hinein, gestikulierte, ermahnte, zeigte die Handfertigkeit vor und wandte sich schließlich mit einem schweren Seufzer und gottergebener Duldermiene an mich und meine Wünsche. „Geben Sie mir die Schere, Oskar!" befahl sie. Der Junge war nicht rasch genug, denn er reichte ihr eine Zange. Die Frau tippte ihm mit dem Finger leicht auf die Stirne und fragte ihn mit affektierter Sanftheit: „Ist das eine Schere. Sie Oskar, Sie?" und mit resigniertem Augenaufschlag sagte sie zu mir: „Dieser Mensch heißt Oskar! Sie werden es vielleicht nicht glauben, aber es ist so. Ich wollte kein Wort verlieren, wenn er Franzl oder Pepi, meinetwegen Schackerl hieß, aber nein, Oskar muß er heißen. Und dabei macht er alles verkehrt. Schick Ich ihn mit dem Brautbukett, dann gibt er's ab, wann die junge Frau längst auf der Hochzeitsreise ist. Die Kränz', die er liefern soll, kann Ich mir alle auf den Hut stecken, weil die Leich' längst vorbei tst, bis der ankommt — so macht er's, dieser Oskar." Während sie so sprach und Blumen band, kontrastierte sie mit Seitenblicken die Tätigkeit ihres Lehrlings, rügte ihn: „Was haben Sie denn schon wieder angestellt, Sie Mords-Oskar, Sie? Wie der die Tuberosen malträtiert, so ein Oskar. Es ist zum Durchgehen, wie dieser Oskar lang herumdrodelt —". Eine Kundschaft trat heran, ein Herr, der sich durch seine Aussprache als Sachse legitimierte. Er verlangte im verständ lichsten Sächsisch, das es gibt, ein Blumengewinde für einen Kon greßabend, der gleichzeitig eine Iubiläumsveranstaltung sein sollte. Die Händlerin ließ den Sachsen gar nicht ausreden und sagte: „Tut niir leid, so was haben wir net." Der Sachse wies verwundert auf den Vlumenreichtum rund um ihn herum und versuchte nochmals mit etivas zu rascher Zunge seine Wünsche klarzumachen. Die Frau erwiderte im Tone schlecht gebändigter Ungeduld: „Sö Herr, so lang sö net deutsch reden, versteh ich ihna net. Wir vom Stand reden nur deutsch, wir sein auf die Ausländer net eing'richt. da müssen 's schon auf'm Graben oder Ring gehn, und der Mensch da heißt Oskar, aber französisch kann er a net oder englisch, was halt is, das sö reden." Der Sachse lachte und ging. Indessen war mein Blumen strauß beinahe fertig. „Geben Cie mir das weiße Seidenpapier!" befahl die Frau ihrem Lehrling. Der reckte sich zu einem Brett empor, stieß an, so daß der ganze Papiervorrat auf seinen Kopf herunter fiel. „Und Sie wollen ein Oskar sein?" schrie ihn die Frau zornig an. „Sie sind der richtige Oskar, habe die Ehre, vor so einem Oskar." Aergerlich schob sie den bestürzten Jungen vom Verkaufs tisch weg, nicht ganz sanft, so daß er in dem engen, mit allerlei Handwerkszeug angepfropften Raum um sein körperliches Gleich, gewicht besorgt wurde und sich rasch auf einen Stuhl hinter ihm niederfallen ließ. Die Händlerin erstarrte einen Augenblick zur Salzsäule und schien den Verstand verlieren zu wollen, als sie den Jungen so bumsest auf dem Sessel sitzen sah. auf dem sie sich vorher ihre ausgesucht schönsten Rosen zurecht gelegt hatte. „Moran 'd Anna", legt sie los, „heilige Muatter Gottes, der sitzt auf meinen Rosen — Sö Oskar, Sö, stehen S, doch auf, was sein denn Sö für a Oskar? Sö molln a Oskar sein und setzen Ihna auf dieRosen? So was tuat net amal a Brot-Schani, und dieser Mensch heißt Oskar!" Sie rang die Hände und verdrehte barock die Augen, eine ganze Menagerie von Oskars schien ihr noch auf der Zunge zu sitzen, während der arme Oskar mit einem roten Kopf da saß und nicht recht wußte, ob er den „Oskar" mit Esel, Schaf oder Kamel zu übersetzen habe. Bei einem nächsten Einkauf fand ich Oskar nicht mehr im „Blumenladen": auf seinem Platze saß ein Ferdl, mit dem die Frau anscheinend zufriedener war als mit dem Oskar. Bon der Wallfahrt »ach Filippsdorf. Die Teilnehmer der letzten großen Dresdner Wallfahrt vor der Basilika des GnadenortcS Filippsdorf (Böhmen). Das Gespenst Skizze von Franziska Bram. Wilhelm Martinas ging nach Geschäftsschluß nach Hause. Als er die innere Diele öffnete, kam ihm die Dienerin aus dem Eßzimmer entgegen mit dem Gesicht, das er schon kannte. Und während sie ihm beim Ablegen half, frug er: „Neues, Kathrine?" „Nur das Alte, Herr Martinas. Es geht wieder um." Es war die genaue Antwort, die er erwartet hatte. Er lächelte: sein 'stilles Lächeln. „Es ist Mondwechsel", dachte er. Da ging es in seinem Hause um, guckte hier und da herein. Und einmal hatte es ganz dicht hinter Kathrine gestanden ... in der Küche. Sie hatte nicht gewagt, sich umzudrehen. Wilhelm Martinus liebt keine Spökenkiekerei. Sein altes Haus schien ihm ohne das melancholisch genug. Und er schien nach keiner Gesellschaft darin zu verlangen. Der Kathrine aber sah er sie nach. Seine Dienerinnen wären ihm entweder fort- zelaufen, oder er hatte sie sortgejagt. Die Kathrine aber war nach mancherlei schweren Lebensschicksalen in das alte Haus wie in einen ruhigen Hafen eingelaufen, schweigsam und zuverlässig. Und er hatte sich gewöhnt, ihre Eigenheiten zu übersehen. Sie trug das Essen auf. das trotz aller Geisterseherei vor giglich zubereitet war. Als er sich bei der Tasse Kaffee die ZI- zarre anzündete, frug er leichthin: „Nun. wie war es denn henk«, Kathrine?" Sie trat neben ihn und sprach leise: „Es wandert, Herr Martinus. Heute war es unten im Parten. Als Ich kurz vor Ihrer Ankunft noch etwas Obst auf- hebcn wollte, nierkte ich es. In den W^^-n ->07 der Hecke, wo es schon ein bißchen schummerig wurde." .Da wäre ich einmal nackoeaonoe» ' Sie winkte entsetzt mit der Hand, griff nach dem Geschirr brett und verschwand. Er ging nach dem Garten. Die Dämmerung lag nun schon schwer in den Büschen. Weiche Septemberlust umgab ihn mit gelinder Traurigkeit. Manchmal klatschte eine Frucht schwer auf den mütterlichen Boden. Alle Laute klangen stärker wieder. Nach dem Flusse fiel der Garten mit einer grünen Hecke gegen ein Weidenvorland ab. Der Mann stand verborgen da und wartete, während am Horizont eine blasse Mondsichel Ge stalt gewann. Manchmal strich ein Nachtvogel durch das Däm mern. Jetzt wohl ein ganz großer . . . Und jetzt trat der Mann plötzlich aus seinem Versteck hervor in die offene Türe. Ein Schrei ... ein ganz irdischer! Die Gestalt einer Frau sank wie ein Linncnstück in seinen Armen zusammen. Auch die Kathrine schrie auf, als ihr Herr mit der schlaffen Last ins Haus trat. Sie mußte schwer sein, denn er war toten blaß. Er ging in ein rückwärtiges Zimmer, das sonst unbenutzt war und legte die Ohnmächtige auf den Diwan nieder. Sah in das weiße Gesicht unter den dunklen Haaren und nickte, als wenn er etwas Langerwartetes gesunden hätte. Die ehemalige Herrin dieses Hauses schlug die Augen auf unü fand sich in ihrem Gemach, genau, wie sie es einstmals ver- lassen hatte, um ihrem Glück und ihrem Stern nachzugehen. Es war nicht schwer, zu sehen, daß sie es nicht gefunden halte. Er hielt ihr ein Glas an die Lippen. „Du sollst nicht spreche». Noch nicht. Bleibe ruhig liegen. Trinke ... Ich wußte, daß ich dich finden würde zu irgendeiner Abendstunde... an irgendeinem Tage. Alles ist für dich bereit." Sie lag eine Weile mit geschlossenen Augen. Dann wurde sie unruhig, blickte sich um. „Alles noch wie einst. Wie schön ist cs bei dir . . . Die alten Möbel . . . Aber, wo ist Here? Sie toll mir die Ficke wärmen. Mir ist kalt." „Dein Hund ist tot." sagte der Mann. „Er hat sich tot nach dir getrauert." Er wußte nicht, ob sie ihn verstanden hatte. Dann begann sie wieder leise: „Ich habe euch viel Kummck gemacht, Wilhelm, dir und dem Hund. Denen, die mich am mei sten liebten. Warum? Ich weiß es nicht." „Vielleicht warst du noch zu iung für dieses Haus und seine» Herrn." Sie schüttelte den Kopf. „Du warst zu gut. Das ist es eher gewesen. Man dars nicht für jede Frau die Türe so weit offen lassen! Eines Tages möchte es sie sonst gelüsten, herauszugehen. Du ließest lie weit oste» für mich stehen." Sie seufzte. „Im letzten Jahre bin ich oft hier gewesen." „Ich weiß es. Du warst das Gespenst, das Kathrine sah. Das Gespenst, welches das Haus unü seine Eingänge so wohs kannte." „Ja, ich war es Ach, dieses letzte Jahr . . . Krankheit und Kummer! Und Hunger, Wilhelm, Hunger. . . Nur die Lena war mir treu, bei ihr fand ich Zuflucht. Sie hat selbe? nichts als Hunger . . ." Sie lag eine Weile ganz still. Auf ihren Wangen erschiene» rote Flecken „Nur in einem warst du zu hart. Du willigtest in keine Scheidung! Nun bin ich verdorben. Tief gesunken." Er preßte die Lippen zusammen. „Es gibt immer wieder ein Aufcrstehcn. Du bist noch mein Weib, für das ich verantwortlich bin! Bist in deinem Hause. Brauchst niemals mehr über die Schwelle zu gehen! Bist auch nicht gefangen. Der Hunger soll dich nicht halten. Nur dein eigener Wille . . . Alles hat dich erwartet." Sie öffnete zum ersten Male die Augen ganz. „Wilhelm, dein Haar ist ja grau," sagte sie erschrocken. Er griff nach ihrer Hand, sühlte ihren Puls. „Komm, ick