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Sächsische Volkszeitung : 11.04.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-04-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192604119
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19260411
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19260411
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-04
- Tag 1926-04-11
-
Monat
1926-04
-
Jahr
1926
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 11.04.1926
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. > v>. * i, ' Sonntag, dsn 11. April 1V2-, Nr. 7S. Seit« 7 Die Krisis -er Ehe P. Lippert S. I. macht im Aprilheft der „Stimmen der Zeit" gelegentlich einer Bespre chung des „Ehebuches" von Graf Keyserling be achtenswerte Ausführungen über die Lösung der Ehekrisis, aus denen wir hier die wesentlichen Sätze wiedergeben: Auch heiligen Christen wird hienieden der Ehestand immer auch ein Wehestanü und ein dornenvoller Kreuzweg werden: dos Christentum und die Gnade Gottes schassen das Leid nicht weg, sie helfen nur das Kreuz in sittlicher Weise tragen und zu einer Segensquelle zu machen Daraus ergibt sich nun schon, was zur Lösung der Ehekrisis zu sagen ist. Vielleicht ist mancher Leser des Ehebuches schiver enttäuscht über die Dürftigkeit der Vor schläge, die dort zu einer solchen Lösung gegeben werden. Sie sind in der Tat sehr dürftig und machen einen hilflos verlegenen Eindruck gegenüber der Größe des Problems: vesonders da sie sich mit einer gewissen Aengstlichkeit hüten, eine Rückkehr zu den Bindungen der Vorzeit zu empfehlen. Mer schließlich — es Hibtja auch keine rationale Lösung der Krise. Lebensfragen werden überhaupt nicht gelöst, sondern nur in rastloser Mühsal bearbeitet: sie werden „erledigt", wie Graf Keyserling sich ausdrückt, indem die in ihnen enthaltene „Tragik des Lebens akzeptiert wird". Wenigstens ein Teil der Erledi gung ist solches Akzeptieren. Erst recht für die Lebensfrage von so ungeheuer verwickeltem und in letzte Untergründe reichendem Gefüge, wie es die Ehe und ihre Krise ist, gibt es keine Rezepte, die man auf Papierchen schreiben kann. Wir können aber doch gewisse Hilfsmittel und Bedingungen angeben, welche diese Krisis erleichtern und zu einem Durchgang nach oben, zu einer Kraft des Aufstieges machen können. Selbstverständlich werden alle die mühsamen Arbeiten, die wir auf Besserung der wirtschaftlichen und sozialen Loge des Volkes verwenden, auf die Ueberwindung des Pa u p e r i s m u s, der Wohnungsnot, des Massenelends, auch der Gesundung der Ehen zugute kommen. Sodann ist die Bearbeitung der Ehe krisis vor allem eine Frage der E r z i e h u n g s k u n st: der Erziehung nicht etwa unmittelbar zur Ehe: da käme sie viel zu spät: sondern der Erziehung zu einem reifen und reinen, zu einem innerlich vornehmen und guten Menschentum. Die Ehe- srage ist wesentlich eine Frage der höheren Sittlich keit. Und gerade bei einer solchen seelischen Bewußtheit und Differenzierung, wie der geistige Fortschritt der Menschen sie mit sich bringt, vermag nur eine ganz ausgereifte und geläuterte Güte, ein lebendiges und selbsttätiges Wachsein von Güte, Ge duld, Selbstlosigkeit und Ehrfurcht über die zahllosen, oft haar scharfen. aber abgrundtiefen Spalte im Gemeinschaftsleben zweier Menschen hinüberzutragen, oder vielmehr über ihnen eine höhere Verknüpfung zu weben. Daß solch vornehme Giite in den Seelen wird, dazu muß noch vielmehr als bisher die Re ligion helfen. Die Religion, das Christentum, der Katholi zismus muß heute mehr als je sich bemühen, die objektiven Tat sachen und Heilskräfte psychologisch wirksam werden zu lassen in der Darstellung wahrhaft guter Menschen Es ist heute schon ge wiß, daß die Menschheit den Dogmen, den Sakramenten, dem Kirchenwesen des Christentums unaufhaltsam und unwiderruf lich den Rücken kehren wird, wenn nicht die Früchte des christ lichen Wandels, die Erscheinungen eines wahrhaft erlösten Menschen typus sich zeigen. Und alle juristische Organi sation. aller liturgischer Kult, alle festlichen Symbole, olle dog matische oder vielmehr theologische Geschlossenheit des katho lischen Kirchenkörpers kann nicht entschädigen für das Ausblei ben ethisch hochwertiger Lebensformung, die nicht bloß Erfüllung eines Gesetzes, sondern spontaner, lebendiger Herzensdrang zum Guten ist, zur Geistigkeit, wr weit gefühlten und frei erfüllten Verantwortung, zu solidarischer Hilfe, zu Opfermut und Selbst- Hingabe. Aber die psychologische Erfahrung wie der innerste Sinn der christlichen Offenbarung machen cs gewiß, daß die Seelen subjektiv nicht gut werden und nicht gut bleiben, wenn sie nicht ausgenommen sind in eine göttliche Objektivität, in die Metaphysik einer göttlichen Welt. Und was die Frage der Ehe und ihrer Gesundheit und Dollsinnigkeit angeht, so eröffnet gerade das katholische Ehedogma eine Welt von solcher Weite und Fülle, einen so leuchtenden Himmel, in dessen Raum die ein zelne Ehe eingehen und sich bergen kann jenseits aller irdischen Unzulänglichkeit, daß es wirklich eine Lebensfrage für das Eheleben der Menschheit ist. ob die Völker zurückfinden oder, besser gesagt, jetzt endlich hineinfinden in die ganze Bedeutung des paulinischen Wortes: „Die Ehe ist ein großes Mysterium in ihrem Hinweis auf Christus und die Kirche." in ihrer lebendigen Symbolkraft für das letzte und tiefste Geheimnis des Daseins, das Geheimnis der Liebe Gottes zu seinem Volke, das er sich er schaffen. Freilich, aus dieser objektiven Welt ergeben sich absolute unlösliche Bindungen, und wie die Menschenseelen in ihrem Durchschnitt nun einmal sind, können diese Bindungen nur in Form unverbrüchlicher Gesetze angelegt werden. Baronin Leonie Ungern-Sternberg, die Schivester des Grafen Keyserling, gibt in ihrem Beitrag: Die Ehe der Zukunft, die Bedeutung, die Tschechischer Faschismus Prag, Anfang April. Wenn je ein Volk, so verdankt das tschechische seine staat liche Freiheit der Demokratie. Mit dem Augenblick aber, in dem das tschechische Volk seinen größten Sohn, Masaryk, einen Borkämpfer der Demokratie, an die Spitze des Staates gestellt hat, ist in der demokratischen Entwicklung oer Tschechoslowakei eine bemerkenswerte Zäsur zu erkennen. Sie hat mit Masaryk nichts zu tun, aber sie deutet auf ein verhängnisvolles psycho logisches Versagen seiner Jünger. Ihre Abkehr vom ursprüng lich eingeschlagenen Weg bezeichnet das Martyrium der Su detendeutschen feit den Tagen des Umsturzes, sie wird aber in diesen Tagen gekrönt durch den Mißerfolg eines Par lamentarismus, der der Demokratie untreu geworden ist und nur ihre Formen mißbraucht. Seit Monaten siechen die beiden gesetzgebenden Körperschaften an der Moldau, das Ab geordnetenhaus und der Senat, dahin und kommen zu keiner positiven Arbeit. Von den 300 Abgeordneten stehen 14V im Lager einer permanenten Opposition. Aber auch die Zusammen setzung der Regierungskoalition war bisher kompliziert genug. Sechs tschechische Parteien: Sozialdemokraten, Nationalsoziali sten, Klerikale, Nationaldemokraten, Agrarier und Gewerbe- parteiler verwalteten die Geschicke des Landes. Kein Wunder, wenn diese bürgerlich-sozialistische und agrarisch-industrielle Re gierung eines Tages an das Ende ihrer Wissenschaft kommen muhte. Als sich der Bradschin diesmal so schnell für eine Beamtenregierung entschloß, dachte man vielleicht im tschechisch nationalen Lager eine Zeitlang an Neuwahlen. Man hat sich aber davon überzeugt, daß auch Wahlen keine großen Ver schiebungen bringen könnten, höchstens nach links durch einen weiteren allen unerwünschten Zuwachs der Kommunisten. So aber steht denn die tschechische Politik an einem ent scheidenden Wendepunkt. Die zwei Wege der teil- weisen Versöhnung, wenn schon nicht den dritten einer all gemeinen Ausschaltung des Nationalitätenkampfes, wollen die Tschechen nicht betreten. Sie wollen weder einen Ausgleich mit den Deutschen, noch eine Versöhnung mit den Slo waken. Gerade dm allerletzten Erscheinungen im politischen Leben haben erwiesen, daß die Kräfte hinter der Beamtcn- regierung stehen, die mit den schärfsten Mitteln der Gewalt die absolutistische Herrschaft der Tschechen aufrechterhalten wol len. Sie treiben aber die Dinge notwendigerweise nach dem letzten Ausweg. Der Faschismus ist auf dem Marsche, die alltschechische Diktatur soll auch den Scheinparlamen- tarismus beseitigen. Man l>at in Prag auch in deutschen Kreisen bis noch vor wenigen Tagen den tschechischen Faschismus für eine Unmög lichkeit gehalten. Dis Vertreter dieser Richtung beschränkten sich ja tatsächlich nur auf einen ganz kleinen Kreis jugendlicher Elemente, die ohne Führer bedeutungslos waren. Nur hie und da machten sich die Anhänger der „naroüni hnuti" durch Stra ßenkundgebungen bemerkbar, die aber nicht viel Beachtung fanden. Die großen tschechischen Parteien und auch die großen Sokolorganisationen verhielten sich den Schwarzhemden gegen über passiv. Besonders die Arbeiterschaft lehnte die Bewegung entschieden ab. Nun ist in dieser Beziehung in den letzten Wochen eine deutliche Wandlung eingetreten. Unter dem Eindruck der poli tisch vollkommen verfahrenen Verhältnisse in der Tschechoslo- ivakei wendet sich eine große und maßgebende Partei, die auch über zahlreiche Anhänger im Mittelstände und in der Arbeiter schaft verfügt, der faschistischen Bewegung zu. Es ist dies die tschechische Nationalistenpartei, an deren Spitze der ehemalige Landesverteiüigungsminister Georg Striberny steht und auf deren Programm auch der allmächtige Außen minister Dr. Bene sch gewählt wurde. Sie ist aus der frü heren tschechisch-nationalsozialistischen Partei im alten Oester reich hervorgegangen und beginnt sich plötzlich der faschistischen Bewegung zu bemächtigen. Dabei ist die Partei im Lande über aus einflußreich. Sie verfügt über Sen Gemeinderat von Prag und stellt auch den Bürgermeister der Hauptstadt, und fast alle größeren tschechischen Städte stehen in ihrem Lager. Ihr un terstes und sicherstes Fundament bilden die ehemaligen Legio- näre, deren wirtschaftliche Existenz man geflissentlich gesichert hatte. Auch in der Armee verfügt sie über eine große An hängerschaft. sie führt die Sokolvereine und besitzt eine stark ausgebaute nationale Gewerkschaftsbewegung. Auf alle diese Elemente gestützt, glauben die Führer der Partei in der nächsten Zeit den Wurf wagen zu können und all das im Wege Ser alltschechischen Diktatur zu lösen, was im Wege des demokratischen Parlamentarismus einfach uner- reichbar geworden ist. Der Faschismus wird sich natürlich gleichzeitig nach zwei Richtungen hin bewegen: einerseits gegen die Deutschen und gegen die anderen nationalen Minderheiten, andererseits gegen den sozialistisch-kommunistischen Block, der sich unter diesen Umständen notgeorungen immer enger wird zusammenschließen müssen. Jedenfalls aber wird der tschechische Faschismus vor ganz anderen Problemen stehen, als etwa der italienisch«, dessen Wirkungskreis auf ein fast einheitliches na tionales Gebiet beschränkt ist. Hier stehen ihm aber eine wohl organisierte Sozialdemokratie im deutschen und im tschechischen Volke gegenüber, ferner eine starke Kommunistische Partei, wie das Ergebnis der letzten Wahlen gezeigt hat, hauptsächlich aber der Widerstand aller nichttschechischen Völker: 3!4 Millionen Deutsche. 2 Millionen Sloivaken, 1 Million Magyaren und eine halbe Million Karpatho-Russen, also mehr als die Hälfte der Bevölkerung des 13-Millionen-Staates. Diese Zahlen allein sprechen gegen den Versuch einer faschistischen Diktatur der tschechischen Sozialisten, aber die Mentalität, die diese Kreise beherrscht, läßt sich nicht durch Erwägungen, sondern nur durch die Gewalt der Tatsachen belehren. Deshalb find in der Tschecho- slowakei in den nächsten Monaten ernste Zeiten zu ge wärtigen. deren Folgen auch nicht annähernd vorausgesag. werden können gesetzlichen Bindungen in der Derhangenheit hatten, zu: „So lange die Ehe eine gegebene Form war, konnten ihr Streit, Launen. Brutalität und Eigensucht wenig anhaben". Aber „in der Zukunft", meint sie, „kann die Ehe nur fortbestehen, wenn ein persönliches Verhältnis von Mensch zu Mensch sie trägt. Diese neue Ehe wird in mancher Hinsicht schwieriger sein als die der Vergangenheit. Denn ihre Anforderungen werden nicht nur der passiven Tragfähigkeit des Menschen gelten, sondern der so viel selteneren Gabe lebendiger Gestaltungskraft... In der Zukunft wird sie sdie Ehe) eine täglich erneute Ausgabe sein, nur von dem zu lösen, welcher strenge Selbstzucht übt". Aber wann wird die Menschheit in ihren breiten Massen fähig sein zu der „so viel selteneren Gabe lebendiger Gestaltungskraft?" Wann wird sie sich zu „einer täglich erneuten Aufgabe, welche strengste Selbstzucht erfordert", bequemen? Bis jetzt haben nur wenige Genies und Heilige diese Höhe erstiegen. So wenig be friedigend eine bloße Legalität auch sein mag — man sieht das in abschreckender Weise an der sogenannten Gesellschaftsmoral, die einfach einen Firnisüberzug mit bestimmten Standes- und Gesellschaftsregeln darstellt — so viel Hohlheit und Heuclielei die Legalität auch im Gefolge haben mag. das alles sind die ge ringeren Uebel gegenüber der grenzenlosen Anarchie, welche über die Menschheit käme, gerade auf dem Gebiete des Ge schlechtslebens. wenn alle gesetzlichen Bindungen aufgehoben oder allgemo - erachtet würden. Die Krisis d.r heutigen Ehe kommt in ihrem hoffnungslosesten Teil gerade von der Verachtung oder allgemeinenNichtbeachtung. der die Ehegesetze des Staates wie der Kirche — nicht ohne schwere Schuld des Staates anheimgcfallen sind So verdient die katholische Kirche den heißen Dank aller wahren Menschen freunde und aller Liebhaber geistigen Aufstiegs, weil sie mit lo unbarmherziger Strenge über die Ehegesetze wacht. Alle Ehe- gesctze des Staates wie der Kirche müssen den untilgbaren Ein druck in die Seelen hineinhämmern, daß eine geschlossene Ehe eine Tatsache, eine Gegebenheit, eine Unwiderruflich, keit ist so gut wie irgendein Naturgesetz, daß mit dieser Ge gebenheit nun für immer gerechnet, daß sie erlebt, getragen und gelitten werden muß. daß auch nur der leiseste Zweifel sich da ebensowenig heranwagen dars wie an die allgemeine Gelninx irgendeines alltäglichen Naturgesetzes, etwa der Schwerkraft die nur durch ihre unbarmherzige Ausnahmslosigkeit die Welt zusammenhält. Koni m u n ION g«§c>ienlte Hs Maxell - keulellZsel-ieii ki-ieflZZcl-iei-i 5>k1ikel iül- 1.5IHK7. 1073 l_3uetigi-3beti I^l. 10 Bei -en „Leibern" Von Hermann Schlittgen. Hermann Schlittgen, der langjährige Mit arbeiter der „Fliegenden Blätter" schildert in humorvoller und anheimelnder Art seinen Werde gang als Mensch und Künstler in den „Erinne rungen", die soeben bei A. Langen in München erschienen. Wir geben hier einen Abschnitt wieder, in dem geschildert wird, wie sein Künstlertalent just während seiner Militärzeit beim Jnsanterie- Leibregiment entdeckt wurde. Der Frühling kam, und wir Rekruten waren Soldaten geworden. D'.e Kompanie marschierte auf dem Hof herum und machte ihre mechanischen Formvariationen mit der Exakt heit einer Maschine. Die Unteroffiziere schimvften nicht mehr soviel, die armen Schwachen hatten nun endlich nach monatelangem Drill begriffen, wohin sie ihre Beine zu setzen hatten, wenn ein Kommandoruf erscholl. Sie waren im zweiten Glied untergebracht, wo sie etwas ver deckt waren und man ihre zappeligen Bewegungen nicht so scharf bemerken konnte. Der Dienst war nun weniger streng, es begannen die Felddienst- und Schießübungen im Freien, eine in dieser Langeweile interessante Abwechslung. Der Hauptmann hatte mich in letzter Zeit öfter über meinen Beruf ausgefragt, wobei er große Teilnahme zeigte. Da erschien er nun einmal plötzlich in unserem Mann schaftszimmer, gefolgt vom Feldwebel, der ein buntes, bar barisches Oeldruckbild trug, das ich schon über dem Sofa der Frau Feldwebel gesehen hatte. ES stellt vor, wie ein Turko in der Schlacht bei Wörth über die Mauer eines Weingartens fliehen will, ein bay rischer Soldat hat ihn hinten bei den weiten Hosen ge faßt und zieht ihn herunter; der Turko schreit gottsjämmer lich, der Bayer lacht. mann Dieses Bild wurde vor mir hingestellt und der Haupt- t fragte: „Können Sie das abzeichnen?" „Zu Befehl, Herr Hauptmann." .Machen Sie es in Schwarz recht schön groß für den Kompanierayon. Aber der Soldat mutz einer vom Leib» regiment sein." Als Atelier wurde mir im Handwerkerzimmer ein Derschlag angewiesen, an dessen Wänden in Stellagen bi». oben hinauf Helme ohne Raupen untergebracht waren, die, frisch lackiert, hier trocknen sollten. Der Raum wurde etwas künstlermätzig hergerichtet, mit angehefteten Studien und Skizzen. — War die Kompanie unten im Hof zum Exerzieren aus gestellt. und der Feldwebel befahl: „Handwerker abtreten," und ich blieb stehen, rief er mir unwillig zu: „Hören Sic nicht? Handwerker abtreten!" So marschierte ich mit den Schustern und Schneidern ab. Das Bild war fertig, wurde im Gang aufgehängt und fand allgemeinen Be.fall. Der Hauptmann stand oft davor und freute sich. „Können Sie auch etwas Eigenes machen?" fragte er mich kurze Zeit darauf. „Zu Befehl, Herr Hauptmann, alles." „Können Sie die Heldentaten der Kompanie aus dem Kops zeichnen?" „Zu Befehl, Herr Hauptmann." Er gab mir nun einen Stoff an aus der Kompanie» geschichte des Jahres 1870, die Tat eines tapferen „Leibers" beim Sturm auf Bazeilles, wo die Kompanie sich aus gezeichnet hatte. Das machre mir nun schon mehr Freude. Ich bat den Hauptmann um Modelle, und sie wurden in mein Atelier abkommandiert. Wenn es draußen stürmte und reg nete, kamen die Kameraden und baten: „Kannst mi net brauchen?" Der Feldwebel überwachte mich. Ich machte zuerst flüch. g«. Entwürfe, an denen ich herumwischte und korri gierte. Dann warf ich's weg. und nahm einen neuen Bogen. „Dös gibt'S fei net," sagte er, „glei richtig, sonst melde ich's dem Herrn Hauptmann." Das Bild wurde fertig und gefiel mehr als das erst«. Am Eingang einer Villa ln Bazeilles stehen sich zwei Unter offiziere gegenüber, ein bayrischer und ein französischer, die nach kurzem Bajonettkampf beide fielen, «in historischer Vorgang. Die Offiziere kamen, auch von den andern Kompanien, sahen sich's an und sprachen mir ihren Beifall aus. Der Hauptmann beriet mit mir, welche'Episoden sich am besten für Bilder eigneten; es machte ihm Freude, und er fing an, sich kür mich mehr zu interessieren. Er sand Gefallen au mir, da er sah, daß ich etwas leistete; er machte Mich von den Hebungen frei, soweit es ging, und er kam täglich in' mein Verließ und sah mir zu. Viele Taten der tapferen Soldaten vom Leibregiment habe ich noch während meiner Dienstzeit verewigt, die Bilder hängen noch heute, nachdem die Lechlkaserne verschwunden ist, in der Prinz- Arnulf-Kaserne an der Türkenstraße. Hier in meinem Atelier, inmitten der Schuster und Schneider, entstanden auch meine ersten Zeichnungen für die „Fliegenden Blätter" Wenn draußen bei den Handwerkern ein: „Still- gestanden!" erscholl, das Zeichen, daß ein Offizier eintrat ließ ich schnell mein Reißbrett im Tischkasten verschwinden und machte mich flugs an mein Schlachtenbild Der Hauvt- mann ahnte wohl die Existenz dieses Gehe w aches, abe, er drückte ein Auge zu. Als ich einige erlebte Soldatenschcrze mit Illustrationen an die Redaktion einaesandt hatte, fragte sie bei mir an ob ich als ständiger Mitarbeiter bei ihnen eintreten wolle. Ich war gerade auf der Residenzwache und schrieb an Braun u. Schneider, ich sei Soldat und müsse Posten stehen: den ersten freien Tag käme ich zu ihnen. Den Brief gab ich einem Kameraden zum Besorgen mit, und denselbei Tag kamen die beiden Herren Schneider und erkundigen sick am Eingang des Wachtlokals bei einem Unte . ftzie, nach mir. Der zeigte auf das nächste Schilderhaus: „Dort steht er." Dann blieben sie an der Feldherrnhalle stehe- unk besahen sich ihren neuen Mitarbeiter, wie er stramm die Honneürs machte, wenn ein Offizier vorüberkam. Bei meinem ersten Besuch und Vorstellung sagten sie lachend: „Wir haben schon das Vergnügen." Meine ersten Zeichnungen erschienen und fapden viel Beifall, namentlich meine Typen aus dem Militärleben. Offiziere und Soldaten. Hatte ich sie doch gut kennen ge lernt, vor und hinter den Kulissen, nichts war mir ent» gangen. Auch die Offiziere freuten sich, daß einer kam, de» sie nicht mehr in schlottrigen Uniformen mit unmilitärischen Bewegungen darstellte, sondern echt, wie sie waren, steif und schneidig. Sie waren stolz darauf, daß ich es war, der das machte, ein „Kind des Regiments". Es hieß später oft, die Offi ziere des Regiments hätten mich entdeckt, ich habe nicht widersprochen, um ihnen die Freude zu lassen. Und dev gute Hauptmann hatte doch ein großes Verdienst, daß er mir erlaubte, hiev an Ort und Stelle meine Studien zu machen.
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