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Sächsische Volkszeitung : 13.04.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-04-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192604137
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19260413
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19260413
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-04
- Tag 1926-04-13
-
Monat
1926-04
-
Jahr
1926
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 13.04.1926
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Zur Reichsgesunüheilswoche Fürsorge — Vorsorge von Prof. M. Ncisscr, Frankfurt a. M. Da» sprachqerichtliche Schicksal der Wörtchen .für" und «vor" ist mnnnigfaltifl gewesen, und cs hat Zeiten gegeben, in denen beide Wörtchen dasselbe bedeuteten. Heute haben sich „für" und „vor" in ihrer Bedcnlung getrennt, heute ist „für" und „gegen" ein eben solcher Gegensatz wie „vor" und „nach". Diese Jetüstvsrständitthkeilen brauchten hi.r nicht gesagt zu werden, wenn nicht heute die „Fürsorge" di« Losung und auf allen Gebieten menschlicher Not und menschlichen Lebens in ganz anderen Umfange als früher zur öffentliche n Ausgabe geworden wäre. Dadurch ist man aber hier und da über die Grenzen dessen, was Fürsorge im Verhältnis zur Vorsorge leisten will und kann, nicht ganz klar geblieben. Vorsorge bedeutet Behütung vor einem Uebel, Fürsorge hat die hohe Aufgabe, dieses Uebel, das nun einmal da ist und nicht ohne weiteres beseitigt werden kann, tragbar zu machen, seine Schwere zu erleichtern. Fürsorge kann da noch viel leisten, wo dem Unheil Weder vorgebeugt, noch wo cs seiner Heilung zugeführt werden kann. Es ist kein Widerspruch, eine Fürsorge sür Unheil bar« cinzurichtcn oder für Unglückliche, die von Unvermeidbaren be troffen waren. Vorsorge sucht Vermeidbares abzuwenden. In diesem Sinne hat cs Fürsorge immer und überall gegeben, aber neu ist, daß man di« Fürsorge an die leitende Stelle gesetzt hat und sie bewußt auch die Rolle der Vorsorge übernehmen läßt. Dazu muß gesagt werden, daß man Vorsorge auf zweierlei Weise treffen kann: indem man nämlich gegen das Unheil unmittelbar vorgeht (Blitzableiter gegen Blitzgcfahr, Heizung gegen Abkühlung) oder aber indem man den Menschen gegen das Unheil unempfäng lich macht ((Schutzpockenimpfung gegen die Packen, Abhärtung gegen die Erkältung). Der letztere Fall ist meistens nur durch di« un mittelbare Einwirkung aus den Willen dcs Individuums möglich, und da wird das Gebiet der Fürsorge insofern berührt, als die Für sorge ja etwas ganz Persönliches ist, das nur von Mensch zu Mensch wirksam ist. Man hat nun den Weg zur Seele dcs Menschen, um ihn ver ständnisvoll und willig für Maßnahmen der Vorsorge zu machen, am ehesten und leichtesten auf dem Umweg über die Fürsorge gefunden. Denn daß die Fürsorge ihm und nur ihm gilt, das wußte jeder, so wurde er vertrauensvoll und zugänglich auch sür Lehren der Vorsorge, die vielleicht nicht immer ihm, sondern an deren (seiner Familie, ja der Allgemeinheit) galten. Das ist in kurzem ein Stück Geschichte dcs Kampfes gegen die Tuberkulose. Nur als Maßnahme der Vorsorge ent standen die französischen Dispensaires, bis sie in Deutschland F ü r - s o r q e stellen mit prophylaktischen Einschlag geworden sind. Wenn eine solche Fürsorgcstclle nicht als Fürsorge betreibt, so ist sie eine karitative Einrichtung, von der nicht einzuschcn ist, warum sie nur den Tuberkulösen zugute kommen soll, treibt sic nur Vorsorge, so wird sie bald leer stehen. Es hat keinen Sinn darüber zu streiten, was wichtiger ist, Für sorge oder Vorsorge, so wenig cs Sinn hätte, zu entscheiden, was für die Entwicklung eines Kindes nötiger sei, Erziehung oder Liebe. Die Erhaltung der Volksgesundheit verlangt ebensosehr eine über legende, weitblickende Vorsorge wie eine tatkräftige, mitfühlende Fürsorge. Dresden Der Luflposwerkehr Die Nachrichtenstelle der O b e r p o st d i r e k t i o n teilt min» Am 12. April wird der Luftverkehr auf den Flug strecken Dresden-Plauen—Fttrth/Nürnberg — Stuttgart — Basel und Dresden-Leipzig—Halle—Magdeburg-Hamburg ausgenommen. Zwei weitere Strecken, die sür Dresden wichtig sind, nämlich Dresden-Berlin—Lübeck—Kopenhagen —Malmö und Breslau—Görlitz—Dresden—Leipzig—Halle a. d. Saale sollen am 1kl. April in Betrieb genommen werden. Die Belange Dresdens sind also bei Festsetzung des dies jährigen Flugnetzes weitgehend berücksichtigt worden. Das Flugzeug der Linie Dresden—Basel verläßt Dres den um 8.25 vormittags, während der Flug Dresden—Ham burg um 8.80 vormittags beginnt: in der Gegenrichtung treffen die Flüge um 6.20 und 4.-^5 nachmittags auf dem neuen Flugplätze auf dem Heller ein. Sämtliche Verbin dungen werden zur Postsachenbetörderung mirbenntzt. Zur Beförderung sind zugelasscn: a) Im Inlandvcrkehr und nach der Freien Stadt Danzig: Gewöhnliche und eingeschriebene Briefsenduugen jeder Art, gewöhnliche Pakete, die in keiner Ausdehnung 60 Zentimeter überschreiten und Zeitungen. b) Im Verkehr mit dem Auslände: Gewöhnliche und eingeschriebene Briefsendungen jeder Art, gewöhnliche und dringende Pakete sowie Zeitungen nach besonderer Bekanntmachung. Für Luftpostsendungen wird neben den gewöhnlichen Gebühren ein Luftpostzuschlag erhoben, der äußerst niedrig ist. Er beträgt zum Beispiel im JnlandSverkehr sür Post karten und Briefe bis 20 Gramm 10 Pfa., im Auslands- Verkehr 20 Pfg.; im übrigen ist er nach Gewicht abgeslnfr. ES empfiehlt sich, zum Freimachen der Luftpostsendungen Lnftpostmarken, die bei allen größeren Postanstalten zu haben sind, zu verwenden. Alle Luftpostsendungen müssen die deutliche Angabe ,Mit Luftpost" oder „Mit Flugpost" tragen. Besondere Klebezettel mit diesem Aufdrucke werden von allen Post ämtern unentgeltlich abgegeben. D e Sendungen werden bei allen Postanstalten an genommen. Gewöhnliche Briefsendungen können auch durch die Briefkästen aufgel'efert werden. Zur Beschleunigung empfiehlt es sich, sie in die gelben Luftpostbriefkästen am Hauptbahnhof, am Nenslädrer Bahnhof und auf dem Flug plätze oder in den besonderen Einwurf beim Postamt 1 (Popplatz) einzulcgen. Für die am 12. April beginnenden Flüge Dresden— Basel und Dresden—Hamburg sind die Schlußzeiten sür die Auslieferung von Luftpostsendungen wie folgt festgesetzt worden: Postamt 24 (Hauptbahnhof) 6.55 vorm., Postamt 1 iPostplatz) 7.00 vorm., Postamt 6 (Albertstratze) 7.25 vorm., Postamt 25 (Neustädter Bahnhof) 7.85 vorm., Flugplatz f,Heller) 8.15 vorm. — Die Schlutzzeiten für die übrigen Flugstrecken werden später bekanntgegeben werden. Tagung sächsischer Bauinnungen Dresden, 12. April. Am Sonnabend fand im Künstlerhause unter Teilnahme von Baumeistern aus allen Teilen Sachsens eine Versammlung -des Bezirksverbandes sächsischer und reichl icher Bauinnungen statt, an der auch zahlreiche Vertreter der staatlichen und städtischen Behörden, des Landtages, sowie industrieller und gewerblicher Körperschaften sich eingefunden hatten. Nach Borträgen über t»'s neue sächsische Baugesetz und das Bodcnsperrgesetz fand eine Aussprache über eine Reihe bau- 'wirtscl-asllichcr Fragen statt. Es wurde eine Entschließung an genommen. in der der Abbau ^:r Zwangswirtschaft für das Baugewerbe gefordert, angemessene Verwendung der aus der Mietzinssteuer verfügbaren Baugclder und die Zurückziehung des Entwurfes eines Boüenspcrrgesetzes verlangt werden. Sach sen müsse dem Beispiel der übrigen deutschen Länder folgen, und die Negierung dürfe keinen derartigen Entwurf dem Land tage zugehen lassen. Endlich werden die Wünsche des sächsischen Baugewerbes für Sie Novelle zum allgemeinen Baugesetz dar- gelcgt. : Mit dem Ausbau der Elbbäder i» Dresden und Um gegend wurde iu den letzten Tagen begonnen: das dazu erfor derliche umfangreiche Material an die jeweiligen Standorte ist bereils zum grüßten Teil angefahren worden. — Während des letzten Hochwassers war der aroße Anlegesteg des Dresdner Ruderklubs am Clbuser in Vorstadt Cotta gesunken. Arbeiter des Wasserbouamtes — sogenannte Steinheber — haben in den letzten Tagen den gesunkene» Steg gehoben und dann an der Gohliser Windmühle an Land gebracht, wo alsbald die Aus- besserungsnrbciten in Angriff genommen wurden. Nach Beendi gung derselben wird der Steg an die Cottaer Anlegestelle wieder zurückgeschlcppt. : Die künstlerischen Laienspiele Neu- und Antonstadt. Laienspielgruppe des Bühnenvolksbundes e. V.. setzt am 14. April ihren Zyklus „Das Drama im Wandel der Zeiten" mit einem Abend „Die Harlekinaden lind die sächsische Komödie" fort. Nach einem kurzen einleitenden Vortrage des künstlerischen Lei ters Dramaturg Herbert Züllchner gelangen ..Der Dresdner Echlendrjan". ein lustiges Schauspiel des Dresdner Hofpoeten Johann Ulrich König und die ehemals sehr beliebte Posse „Der Wirrwarr" von A. von Kotzebue zur Aufführung. : Deutscher Sprachverein. Die Vortragsreihe des Winters beschloß Studiendirektor Dr. C. Mü11er am 18. März mit der Behandlung des Bäderdeutsch, das die Väderdruck-achen a»:- wciseu. Die herkömmliche Frcmdwörterei der örtlichen Fach spräche und die Neigung der am Väderwesen bcte:'!gleu Kreise zum Fremdivörterausputz als Lockmittel, zum dritten aber auch Mangel an Meisterschaft in Pflege der Sprachrichiigkei. und Sprachschönhcit wirken da schädigend zusammen. Wer als Lprach- vereinssreund zur Saison bei hoher Kurtaxe wegen akuler oder chronischer Asscktion irgendwelcher Organe die Kapazitäten irgendeines Thermalbades konsultieren muß oder bei der Durch reise sich als Passant begrüßt sieht und eine Neunion erlebt hat, hat sür Galle und Leber die perniciösesten Kompttkationen zu gewärtigen. An vielen Stellen ist erfreuliche Besserung im Bä- üerdeutsch zu beobachten. Viel können die Behörden tun. viel die beteiligten Berufsverbände, viel auch die Badegäste Stark ist der Einfluß des gedruckten und gesprochenen im Bade an Auge und Ohr dringenden Deutsch bei den Badegästen, die von den Einflüssen ihrer Heimat und ihres Berufs abgeschnitten be wußt und unbewußt auch diesem Teil der Badewirkung aus- gesetzt sind. So stillt den beteiligten Steile» ein gut Teil der Gaukag -er katholischen Kausleuke in ^ Dresden» 8. und 9. Mai 1928 Durch den Gauvorsitzenden. Herrn Walter Hla» m a c z e k - Leipzig, ist an die 84 Vereine des Nordost deutschen Gaues im Verbände katholischer kaufmänni scher Vereinigungen Deutschlands die Einladung zu dem am 8. und 9. Mai in Dresden stattfindenden Gautag ergangen. Auf dem vorjährigen Gautng in Heiligen- stadt fand die Wahl Dresden zum Gautag 1926 freudigen Widerhall und ist dieserhalb mit einer starken Beschickung der Delegierten von außerhalb Sachsens zu rechnen. An sämtliche sächsischen katholischen kaufmän nischen Vereine ergeht nun der Nus in erster Linie, den Gautag sehr zahlreich zu besuchen und in den Versamm lungen jetzt schon tüchtig für Dresden zu werben. Der K. K. V. Kolumbus Dresden rüstet eifrig für fest lichen Empfang und verspricht nach den geschäftlichen Verhandlungen auch Stunden edler Geselligkeit. Nähere Mitteilungen ergehen noch durch den K. K. V. Dresden. Verantwortung für die Gestaltung der deutschen Sprache zu. Sie können ihn geltend machen nicht nur in dem Deutsch, das sii- redcn und schreiben, sondern auch durch die Auswahl der auf gelegten Zeitungen, die Zusammenstellung der Kurbüchereien und der Ausgestaltung der sür die Unterhaltung der Gäste bestimmten Feste. Die Hörer wurden mit zwei Sommeraufgaben entlassen: 1. Werbung für den 13. Juni, den Tag der Zusammenkunft mit den deutschböhmischen Sprachvereinen in Schandau, 2. Einsen dung von Zeitungsausschnitten an Studiendirektor Dr. T. Mül ler. Dresden-Strehlen, Waterloostraße 9, die im Kampfe für dw Besserung im Zeitungsdeutsch im politischen Teil dienen können. : Weinbücher. Nach 8 19 des Weiugesetzcs vom 7, April 1909 hat Bücher über Eingang und Ausgang nach den näheren Angaben im Gesetze zu führen, wer Wein gewerbsmäßig in Verkehr bringt oder gewerbsmäßig Wein zu Getränken verarbeitet. Zwecks Vereinfachung ist vom Reich-Sininisler des Innern durch Verordnung vom 2. Juli 1920 nachgelassen worden, daß die nach den W einsteuer - AuSführungsbcstimmnugen zu führenden W e: n st e n e r b ü ch e r unter den Ausführungsbestimmnn- oen znm Weingesetz zu führende Weinbücher dienen können. Nachdem durch Artikel VII 8 26 des Gesetzes über Steuer- mildcrnngen zur Erleichterung der Wirtschaftslage vom 31. März 1926 das Weinsteuergesetz mit Wirkung vom 1. April 1926 außer Kraft gesetzt worden ist und mithin seit diesem Zeitpunkte auch die W e i n st e u c r b ü ch e r weggefallen sind, ist es erforderlich, daß vom 1. April 1926 ab die nach 8 19 des Weingesetzes in Verbindung mit Artikel 9 der Bestim mungen zur Ausführung des Weingesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 1, Dezember 1925 (Reichsgesetz- blatk Nr, 52/1925stvurgcschriebeiien Weinbücher wieder ge führt werden. Alle Wei »Verkäufer (Schankwirte, Lebens mittelhändler usw.) werden hierauf hingewiesen mit dem Bemerken, daß Nichtbeachtung dieser Vorschrift Bestrafung aus Grund des Weingesetzes nach sich zieht. : Die Vorbereitungen für den Bkumentag am 8. und 8. Mai sür die Krüppclhilse nehmen rüstigen Fortgang. Der Dres dener Verkehrsverein hat aus Anregung des Werbeausschusses einen Schaufensterwettbewerb vorbereitet, bei dem diejenigen Schaufenster der Dresdner Geschäfte mit Preisen bedacht iverden sollen, welche mit den Blumen des Blumentages am schönsten geschmückt sind. Die Herren Hosrat Pros. Seyfert, Stadt- gartendireklor v. Uslar und Pros. Dr. Schumann, wollen ehrenamtlich als Preisrichter tätig sein, und der Dresdner Der- kehrsvercin will Ehrenpreise stiften. Die zur Ausschmückung der Schaufenster bestimmten Blumen in zahlreichen Favben- zusammenstcllungen sind in der Frauenerwerbshilfe, Schesfel- siraße 9, 2.. erhältlich. So ist zu erwarten, daß nach außenhin viele Geschäfte durch festlichen Schmuck au der großen Aufgabe s«»aaaoaaaaa« ^ vmei "ürstenhof ° Mprlg Hotel üer 5elprlg delllchenaen «Sthollkn» Alle Ltmmer mir «alb uuü WsrmsLller preise müßig «-"'---mm. Narziß (Alberttheater) Zu seiner lehren Gastrolle hat sich Albert Basser mann den Narziß gewählt. Es mutet wie ein Märchen an, wenn man hö' t, jemand spielt heute noch den Narziß! Denn seit etwa 30 Fahren ist das Stück des alten A. E. Brachvogel von der deutschen Bühne so gut wie verschwunden. Alte Leute erzählen noch von der gewaltigen theatralischen Wirkung, die das Stück erzielt hat, wie in Dresden große Gäste darin Triumphe feierten und daß der bedeutende Dresdner Charakterdarsteller Carl Wiene, der Vater des berühmten Filmregisseurs, ein besonders glänzender Narziß gewesen sei. Tann rang man sich plötzlich zum Naturalismus durch, und mit einem Schlage waren die früher ko beliebten, große» Spectacula von der Art des Narziß verschwun den, während sich Brachvogels gleichfalls recht anfechtbarer Ro man „Friedemonn Bach" bis heute jung erhalten hat. Der Dichter nimmt sich als Grundlage seiner Handlung den berühmten Roman Diderots „Le neveu de Ramcau", sicher das Geistvollste und Prägnanteste, ivas der sonst zumindest sehr pro- blen:atisckn Enzyklopädist geschrieben hat. Die Verderbnis der damaligen Zeit wird darin anschaulich geschildert und mit Ken nerblick aut ihre Ursachen untersucht. Nebenher haben auch Merciers „Tableaux de Paris" beeinflussend gewirkt. Narziß ist «in Mcnsckpmfeinö geworden, seitdem ihn seine Gattin Jeanette verließ. Cr beleidig: die Menschen, wo er nur kann und wird darum gefürchtet. Die 'Marquise von Pompadour ist nach seiner Ausfassung für die Sittenlosigkeit der Zeit verantwortlich zu machen. Ihr neuster Gegner am Hofe des großen Ludwig, der Herzog Choiseul, sucht sich nun Narziß aus, um gegen die schwer- kranke Geliebte dcs Königs den Dolch zu zücken, das heißt, die Waffe der Beleidigung zu führen. Nämlich: Niemand wußte bis her, daß die Pompadour die ehemalige Gattin des Narziß ist. (!) In einer höfischen Komödie ereignet sich die Katastrophe. Nar- ptz spielt die Hauptrolle. Er verflucht, sie erkennend, dt« Pom padour und wird wahnsinnig. Man sieht: Theaterspiel von Anno dazumal. Kaum noch von Interesse. Hohles Pathos und »in« Sammlung der schrecklichsten Phrasen. Und doch «ine fiebernde Spannung wie ehemals: Basser mann! Er kann natürlich auch nicht viel mehr tun als The- p» spielen. Denn was er an pathologischen „Werten" in die Figur hineindichtet, ist verlorene Liebesmühe (so zum Beispiel der Cchwächecmfall in der ersten Szene dcs Narziß, der einem epileptischen ähnelt und darum nicht ganz angebracht erscheint!) Aber wie spielt dieser begnadete Künstler Theater! Wie be- herrscht er seine Register! Monologe werden zu Tragödien im kleinen Wer vermöchte die Pagoden-Episode, die phrascnreichen Verstiegenheiten der letzten Szene so umzngcstalten und aufzu- frischen! Das Publikum war in Heller Begeisterung und be jubelte den Gast und die die kleine Nolle der Pompadour adelnde HermineKörnerwie noch an keinem Abend zuvor. Wieder ein Beweis, daß das Virtuosentum — und das muß man gelten lassen! — noch in hoher Gunst steht. Bis auf Choiseul und die Schauspielerin Quinault sind keine Rollen von Belang mehr in dem Stück. Diesen gab an Stelle von Wüstenhagen Nürnberger etwas farblos, jener lieh die anmutige Elsa Tiedemann ihr sympathisches Wesen. Die Enzyklopädisten waren sämtlich recht mäßig in ihren Bemühungen. Hoffentlich fallen künftig die Verwandlungspauscn, die zum Teil länger als 10 Minuten dauerten, fort. Franz Zickler. Resivcnztheater. „Der süße Kavalier". Charles d'Eon de Vcaumont, kurzweg Chevalier d' Eon, wurde 1718 zu Bourgogne geboren. Er war Diplomat und Geheimagent Ludwig XV. Als solcher erreichte er in weiblicher Kleidung 1756 bei der Kaiserin von Rußland eine geheime Audienz und stellte die guten Beziehungen zwischen Frankreich und Rußland wieder her. Ludwig XV. zwang ihn 1777, dauernd weibliche Kleidung zu kragen. 1810 starb er in London. Auf dieser historischen Persönlichkeit basiert die Handlung, di« Schanzen und We lisch zu der Leo Falffchcki Operette „Der süße Kavalier" geschrieben haben. Dichtung und Wahrheit sind darin eng umschlungen. Ein Erzieher läßt ein neugeborenes Mädchen fälschlich als Knaben in das Geburtsregister «intragen, um ihr die Erbschaft der Familie zu sichern. Bis zum 19. Jahre wird sie als Lord erzogen, ohne daß sie merkt, daß sie Mädchen ist. Als sie sich in eine Dame der Gesellschaft verliebt und mit ihr fliehen will, gibt ihr der Erzieher die Familienchronik zum Lesen. Der Chevalier d'Eon gehört zu den Vorfahren der Lady, alias des Lords. Die Lektüre dieser Chronik, di« der zweite Akt in Wirklichkeit auf die Bühne bringt (nur daß Chevalier d'Eon anatomisch weibliches Wesen ist und als Mann verkleidet eine Audienz bei der englischen Königin hat) überzeugt den jungen Lord, daß er ein Mädchen ist. Sie kann nur den wirklichen Erben, der bisher ibr treuer Freund. war, heiraten. Etwas unwahrscheinlich ist die ganze Sach« schon. Aber die Operette gestattet dergleichen Ausflüge ins Land der Unmöglichkeiten. Jedenfalls ist die .Handlung fesselnd und geschickt aufgebaut, und sie hat weiter den Vorzug, daß sie, abgesehen von einigen starken erotischen Pfefferkörnern, stubenrein ist. Das musikalische Gewand hat ihr Leo Fall gegeben. Es ist im beste» Sinne des Wortes gute Operettenmusik. Ordentlich wohl wird einem, wenn man nicht von Anfang bis Ende mit Srepps und Foxtrotts und Jazzklängen gefoltert wird. Man hört auch neben geschmack vollen Tanzrhythmen im Dreivierteltakte einmal ein gutes Lied, geschickte Duette und wirkungsvoll aufgebautc En sembles. Die Musik ist melodiös, rhythmisch interessant und reich an guten Einfällen. Da sich Fall stets auf vornehme Instrumentation verstanden hat, so ist auch in dieser Operette das Orchester farbenreich und geschickt behandelt. Alles ist klangschön und flüssig. Das Residenzthcater hat somit einen guten Griff getan. Spielleiter Groß hat für «ine flotte, vornehme und anregende Abwicklung der Neu heit Sorge getragen, Ballettmeister Gassert hat sinn gemäße Tänze gut eingestreut und Kapellmeister Kunz- Krause brachte Falls Musik zu voller Entfaltung. Auch die Bühnenbilder Oskar Schotts sind stimmungsvoll und werden in ihrer Wirkung durch die prächtigen Gewänder im zweiten Aufzuge gesteigert. Ebenso war die Darstellung ausgezeichnet. Magdalene Witt als Lord und gleichzeitig als Chevalier d'Eon bekundete echtes Theatcrblut. Sie führte die Doppelrolle sehr geschickt durch, hatte als junger Lord Tempersment und Jugendkraft, als Chevalier diplo matische Gelenkigkeit, steigerte die dramatischen Stellen sehr lebendig und gewann nach ihrer Metamorphose durch Charme und zarte Weiblichkeit. Die jugendliche Darstellerin steht sicher am Anfang einer hoffnungsvollen Laufbahn. Mit bekannten bewährten Qualitäten trugen ferner — auch in Doppelrollen — Johanna Schubert, Charlotte Schaed- rich, Otto Marie. Karl Sucksüll, Otto GIaser dazu bei, daß sich das Gesamtspiel auf künstlerischer Höhe zeigte. Auch der übrigen Mitwirkenden und des Chores, der sich seiner nicht immer leichten Aufgabe ausgezeichnet ent ledigte, sei gebührend geoacht. Nach dem zweiten Aufzuge mutzten sich Spitzen und Hauptdarsteller inmitten präch tiger Blumen und Geschenke zeigen. Der Beifall war stark, der Erfolg durchschlagend, sodatz der „süße Kavalier aus längere Zeit sich seine Herrschaft gesichert haben dürfte. / --Ist-»
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