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Sächsische Volkszeitung : 13.04.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-04-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192604137
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19260413
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19260413
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-04
- Tag 1926-04-13
-
Monat
1926-04
-
Jahr
1926
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 13.04.1926
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den 13. April 1323 Ar. i>r». cse.i« i> Der be-rimgie Bor dem Kriege beschäftigte der Ruhrbergbau rund 410 000 Arbeiter. Beim Beginne des Nuhrkampfes waren es 560 000 Mann. Heute sind es noch rund 380 000 Mann: 45 000 Berg leute sind zurzeit im rheinisch-westfälischen Industriegebiet be schäftigungslos: über 100 000 sind seit dem Hereinbruch der Wirtscliaftskrise zum größten Teil in ihre Heimat zurückgekehrt, zum kleineren Teil ins Ausland abgewandert (vornehmlich Po len, Tschechen, Slowaken, Iugoslamer). Am stärksten war der Abbau bei den Gedingeschleppern, dann bei den Reparalurhäuern und den übrigen Hilfskräften: am geringsten war er bei den Heuern. Diesem Umstande ist es zuzuschreiben, daß die Leistung von Mann und Schicht der Belegschaft wieder auf den Vorkriegs stand gelangt ist, wobei allerdings berücksichtigt werden muß. daß heute im Bergbau viel mehr Hilfsmaschinen benutzt werden als früher. Englische Studenten, die, wie auch englische Berg leute, jüngst im Industriebezirk zu Studicnzwecken weilten, waren überrascht über die technischen Fortschritte im Ruhrberg bau, wie sie auch des Lobes voll waren über die Einrichtungen der großen Bochumer Bergschule, die die technischen Grubenbcam- ten heranbildet. Erstaunt waren sie auch über die Sauberkeit auf den deutschen Gruben, die ausgezeichneten Badeeinrichtungen und manches andere. Ein Beweis, daß der Ruhrbergbau auch in schweren Zeilen sich seiner Ausgaben bewußt ist. Die Hoffnung, daß die Lage für den Bergbau sich bessern möge, hat von Monat zu Monat enttäuscht. Noä) immer werden Feierschichten eingelegt und Arbeiterkündigungen vorgenommcn. England und Deutschland, die beiden größten Kohlenländer Europas, leiden unter den Veränderungen, die derWelt krieg auf wirtschaftlichem Gebiete herbeigefllhrt hat. Der An teil Asiens an der Weltkohlenproduktion ist von 4,55 Prozent auf 6,5 Prozent gewachsen: der Anteil Australiens von 1,19 Pro zent auf 1,58 Prozent: der Anteil Afrikas von 0,68 auf 1,02 Pro zent. In Europa hat Frankreich seine Kohlenförderung von 40 auf 47 Millionen Tonnen steigern können, Holland von 1,8 Millionen Tonnen auf 5,8 Millionen Tonnen. Im Gan zen genommen hat sich zwar die Weltkohlenerzeugung gegenüber 1913 nicht vermehrt, dagegen hat sich der Weltkohlen bedarf erheblich verringert. Der Verbrauch an Ocl für Schisfsfeuerung ist von 1,25 Millionen Tonnen auf 17 Millionen Tonnen gestiegen. Die Wärmewirtschast ist viel sparsamer ge worden: die Wasserkräfte werden in weit stärkerem Maße aus- Ruhrbergbau genutzt. Dazu kommt, daß in Deutschland die Braunkohl l c n p r od u k t i o n sich aus das 1,5sache gegenüber 1913 gehoben hat. Tie deutsche Kriegs- und Handelsmarine ist auf ein Sie- bentel bzw. zwei Drittel des Borkricgsstandcs gesunken — wie derum ein Ausfall für den Nuhrkohlenverbrauch. Und nun die engl. K o h l e n s u b v e n t i o n. die große finanzielle Opfer sür den Export von Nuhrkohlc »ach sich zieht. Die deutsche In- dustric braucht auch viel weniger Kohle, da sie nur zum Teil be- schäsligt ist. Im Jahre 1913 konnte Deutschland 44,9 Millionen Tonnen Steinkohle ausführen: eingesührt wurden nur 11,3 Mil lionen Tonnen. Im Jahre 1925 betrug der Ausfuhrüberschuß nur 6 Millionen Tonnen. Man darf zwar hoffen, daß cs gelingen wird, die Kohle noch mehr a u s z u w e r t e n. Die Verflüssigung der Kohle durch das Bergin-Vcrfahren ist gegeben. Nur kann dieses Ver fahren nicht so schnell in großem Umsange durchgesührt werden. Es ist auch gelungen, Benzin direkt aus der Steinkohle herzustel- lcn. Indessen sind finanzielle und wirtschaftliche Ergebnisse aus den chemischen und technischen Erfinaungen nicht so bald zu er warten. Es muß also, da der Steinkohlenbergbau heute in vie len Fällen mit Verlust arbeitet, nach anderen Mitteln und We gen gesucht werden, ihn wieder rentabel zu machen. Der Lohn- anteil an der Tonne Kohle ist von 60 Prozent im Jahre 1913 auf 72 Prozent im Jahre 1925 gestiegen, während der Verkaufspreis von 100 auf 118 Prozent gestiegen ist. Die Löhne im Bergbau vertragen aber keine Herabsetzung mehr, daher muß danach ge trachtet werden, den Förüeressekt zu erhöhen. Infolge der Ein führung von Bohr- und Schrämmaschinen an anderen technischen Verbesserungen müßte die Leistung sich um 10—15 Prozent er höhen. Dadurch würde der Lohnantcil je Tonne sich vermindern. Im Frieden betrug die Arbeitszeit einschließlich Ein- und Aus- fuhr 8» Stunden, entsprechend 7 Stunden Arbeit vor Ort. Heute ist es eine halbe Stunde weniger. Durch die Einführung der planmäßigen Seilfahrt ist die unproduktive Arbeitszeit etwas verkürzt worden. Herabsetzung der Steuern und Frachten und Herabmindcrung der unproduktiven Ausgaben durch sparsamste Verwaltung sind zwar „kleine Mittel", zusammen aber können sie doch eine günstige Wirkung ausübcn. Die Krise im Bergbau kann nur gelöst werden, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer verständnisvoll Zusammenwirken und wenn Reich, Staat und Gemeinden gleichfalls alles tun, um die Wirtschaft wieder in Gang bringen zu helfen. Deutschlands koloniale Ansprüche Die Erörterungen über Deutschlands koloniale Ansprüche sind in letzter Zeit wieder stark in den Vordergrund getreten, zwar sowohl in Teutschland selbst als auch im Auslande. Das hat vornehmlich zwei Gründe, einmal ist es für Deutschland eine Prestigefrage und zum anderen eine Nützlich keitsfrage. Durch den Friedensvertrag sind Deutschlana die Kolonien genommen worden. Man hat Deutschland sür un würdig erklärt, Kolonien vermalten zu können und hat ihm sozusagen die moralischen Fähigkeiten dazu abgesprochen. In einem Teil des Friedensvertvages von Versailles und im Völker bundsvertrag hat man im Artikel 22 die Vormundschaft über unsere Kolonien an die „Nationen übertragen, die auf Grund ihrer Hilfsmittel, ihrer Erfahrung oder ihrer geographischen Lage am besten imstande und bereit sind, eine solche Verantwortung auf sich zu nehmen, und zwar hätten sie", wie der Absatz 2 des Artikels 22 schließt, „die Vormundschaft als Beauftragte und im Namen des Bundes zu führen". Selbstverständlich ist das ganze Vorgehen durch den Fricdensvertrag und diese Mandatsübertra gung nichts anderes als eine Bemäntelung der Machtansprüche der Siegerstaaten. Nun ist durch den bevorstehenden Eintritt Deutschlands in den Völkerbund auch diese Kolonialfrage wieder akut geworden, denn durch den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund wird Deutschland moralisch für vollwertig erklärt, und damit hat es automatisch einen Anspruch, als Großmacht mit einem Kolonialmandat beauftragt zu werden. Nun gibt nicht nur der bevorstehende Eintritt Deutschlands in den Völkerbund Anlaß zpr Erörterung dieser Kolonialfrage, sondern es hängt damit auch zusammen die jetzt angetretene Kolonialreise Mussolinis nach Tripolis. Denn gerade die italienische Presse war es, die diese Frage ins Rollen brachte und die Deutschland ein Mandat auf Kolonien absprach, solange nicht „Italiens Ansprüche alle befrie digt seien". Italien ist ja bei dieser Mandatsübertragung für Kolonien am schlechtesten weggekommen. Das lag in der Natur der Cache, weil Italien in den Zonen und Regionen, wo Man datsübertragungen stattfandcn, bisher kolonial noch nicht ver treten war. Abgesehen von diesen Prestigegründen ist es sür Deutsch land auch eine N ü tz l i ch k e i t s f r a g e, sich wieder kolonial zu betätigen. Um die deutsche Wirtschaft rentabel zu mache», und vor allem den großen Reparationslastcn, wie sie durch das Dowesabkommen geregelt sind, pflichtgemäß Nachkommen zu kön nen, bedarf Deutschland billigerer Rohstoffquellen als b'sher, und solche Rohstoffquellen bieten Deutschland bei seiner jetzigen Lage lediglich Kolonien. Diese Frage hat vor wenigen Wochen schon Neichsbankpräsident Schacht angeschnitten, oer damals Äenfalls betonte, um den Anforderungen des Dawesaökommens Nachkommen zu können, müsse sich Deutschland wieder kolonial betätigen. Allerdings sind die Aussichten für eine derartige kolo niale Betätigung Deutschlands oder für eine Mandats-Übertragung cm Deutschland durch den Völkerbund zurzeit nicht glänzend. Es bedarf hier noch mannigfacher diplomatischer Vorstöße und Ver handlungen, Die ehemaligen Kolonien Deutschlands sind in der Hauptsache in die Hände Englands und Frankreichs übergegan- gem. Diese Staaten werden nicht ohne weiteres aus diele reichen Gebiete verzichten wollen. Die besten Aussichten bestehen in die- Her Hinsicht in Südwestafrika. Aber dessen ungeachtet darf Deutschland keinen Augenblick vorübergehen lassen, um immer wieder seine berechtigten Ansprüche beim Völkerbund und den früheren Feindstaaten zu erheben. Die r:«LHMsche Kirche und das Deulschkrm in -er Tschechoslowakei Im „Abendland", einer im Gildeverlag erscheinenden Revue für europäische Kultur, schreibt Dr. A. Nascher aus Prag unter dem Titel: „Gegenwartsbilder der tchcchoslowakischen Politik" unter anderem folgendes: In der Erstarkung der katholischen Kirche liegt die Gewähr für die kulturelle Erhaltung des schwer bedrohten Deutschtums inmitten der slawischen Hochflut in der Tschechoslowakei, Denn auch im deutschen Volke hat mit Hilfe der vom Heiligen Stuhle ob ihres Wirkens hoch anerkannten Pricsterschaft die religiöse Bewegung an Kraft und Innigkeit seit dem Kriege erheblich gewonnen, der Trieb nach religiöser Erkenntnis bei ihm und in ihm tiefe Wurzeln gefaßt. Während die tschechische Intelligenz, von den Schlagworten des Materialismus und des Neo-Hussitis- mus geblendet, dem theologischen Studium den Rücken wendet, hat gerade unter der deutschen Jugend die Lust und Liebe zum seelsorgerischen Berufe immer weitere Scharen ergriffen. Zwar liegen genaue statistische Zahlen noch nicht vor: immer hin kann dies aus dem Besuch des in rein tschechischer Umgebung befind lichen Prager Diözesan-Seminars mit Sicherheit gefolgert wer den, wo nur die Tschechen eine geringe Mehrheit von Teilneh mern gegenüber den Deutschen aufweisen. Wie ist dies erst in deutschen Gebieten? Dieser beruflichen Bewegung sind triost- redend auch andere Beweggründe mit entsprungen. Vor dem Kriege waren die deutschen wohlhabenden Kreise vieUach ge neigt und gewillt, ihre Söhne dem Staatsdienste zuzunihrsn. Heute, wo durch die Massenentlassungen deutscher Staatsange- stcllter unter dem Titel des Beamtenabbaues, durch dos Sprachen gesetz der Aufnahme von Anwärtern dieser Nationalität die größten Schwierigkeiten begegnen, ist bei der dargelezten reli giösen und kirchlichen Grundaufsassung die Wahl des theologischen Berufes die notwendige Folge gewesen. Dadurch wird gerade die Zahl der deutschen Priester automatisch immer mehr zuneh men, wenn auch von tschechischer Seite ohne sichtbaren Erfolg die denkbar größten Anstrengungen gemacht werden, um jene Wirkung zu paralysieren. Daraus folgt aber, daß der Aus bau der theologischen Fakultät an der Prager deutschen Universität, diesem Grundpfeiler deutscher Eigener:, auf die Dauer nicht umgangen werden kann. Das ist auch die Auffassung maßgebender Kreise des Episkopats. Denn bedenkt man. daß auf den Diözesanseminaren vielfach nur der tschechi schen Sprache mächtige, das deutsche Idiom nur mangelhafi be herrschende Lehrkräfte vorhanden sind — so wird auch von tsche chischen Kreisen dem Verlangen der Seminaristen nach Konzen trierung des gesamten theologischen Unterrichts an oer Prager deutschen Universität das Zugeständnis der Berechtigung nicht versagt. Schon aus diesen allgemeinen Erwägungen muß es m't großer Genugtuung begrüßt werden, daß man in weiten Schich ten der bodenständigen deutschen Bevölkerung in den Rand gebieten der Republik die Wichtigkeit der Angelegenheit voll er faßt hat, daß man durch großzügige materielle Zuwendungen be gabten und in schlechten Verhältnissen lebenden Familien es ermöglicht, ihre Söhne dem geistlichen Stande zuzujüqren. Dem Seelsorger kommt in seinem amtlichen Wirkungs kreise eine ganz besondere Bedeutung als Erhalter der kulru- rellen Werte des Deutschtums zu. Der deutsche Pfarrer, der mit seiner Bevölkerung lebt und webt, an ihren seelischen Freuden und Leiden lebendigen Anteil nimmt, — er wird auf Erhaltung und Stärkung des Deutschtums im Rahmen se-nes amtlichen Wirkungskreises Bedacht nehmen. In diesen! Wirken, das nichts mit gehässigem Nationalismus gemein hat, das dem friedlichen Ausgleich in dem national stark zerklüfteten Lande unter den Völkern dienen soll, liegt die hohe kulturelle Bedeutung der katholischen Kirche fest verankert. Ihre Bedeutung als Erhalte rin und Beschützerin deutschen Wesens und deutscher Eigenart ist um so tiefer begründet, als die marxistische Sozialdemokratie bei den Nationalitäten als Trägerin ausgleichenöer Tendenzen in diesem Staat die Hoffnungen weiter Bevölker-ingskre'se grau sam enttäuscht hat. Mag die deutsche Soz'.aloemokcatie von bestem Willen durchdrungen gewesen sein, positive Arbeit zu lei sten: ihr Wille ist gescheitert an der starren nationalen Haltung ihrer tschechischen Gesinnungsgenossen, Diese haben allen Unter- drückungsmaßnohmcn der Prager Regierung gegen das Deutsch tum keinen ernsthaften und nachhailigen Widerstand entgegen gesetzt, sich in den Dienst des antideutschen Koaliewnssystems gestellt. Bei dieser Sachlage begreift es sich, daß man im deut- scheu Volke wieder seit langer Zeit sich an die siti-.che Macht der katholischen Kirche erinnert, die viele Gewalten überdauert Hot, Sic ivird auch eines Tages der Welt verkünden, daß der heutige völkische Winter des Deutschtums schwinden und einem milden Frühling Platz machen wird. Der To- kehrl im Kofel ein Roman von Sven Elve st ad. Copyright 1924 bh Georg Müller, Verlag München. (Nachdruck verboten.) (7, Fortsetzung.) ,7. Im Lause des Vormittags mußte Portier Patterson diese privaten Betrachtungen übrigens einstellen, denn er öekam anderes zu tun. Der Hotelomnibus brachte neue Gäste. Eine Familie aus der Hauptstadt, ein Ehepaar mit Kindern, Auto und Dienerschaft, und zwei Herren, die zu sammen reisten. Diese beiden Herren trugen sich in das Fremdenbuch als Ingenieur Haller und Dr. jur. Benediktson ein. Der Jurist war etwas korpulent, unter Mittelgröße, aber von kräftiger Statur. Der andere war lang, mager und mus kulös, trug ein Glas, war kahlköpfig und auffallend blaß. Beide waren Norweger. Sie führten nicht viel Gepäck mit sich und kündigten an, daß sie nur einige Tage bleiben wollten. Der lange Ingenieur verlangte ein großes Doppel zimmer mit Aussicht zum Meer und bekam cs. Der Jurist wollte ein kleineres Zimmer zum Walde. Sie machten den Eindruck, als befänden sie sich auf einer kurzen Fcrien- reise, um sich von der Mühsal des GeschäftslebenS zu erholen. Bei der Ankunft dieser Herren beobachtete der Portier folgendes: Während sie in der Halle standen und wegen ihrer Zimmer unterhandelten, erschien Direktor Gaarder zwischen den Säulen. Nach dem Unfall des vorhergehenden Abends schien er sich ganz erholt zu haben. Vielleicht sah er noch etwas blasser aus wie gewöhnlich, was Ihm übrigens ein noch distinguierteres und würdigeres Aussehen verlieh. An der linken Schläfe hatte er einen blauen Fleck, der offenbar von einem leichten Stoß herrührte, aber nicht gefährlich aussah. Herr Gaarder steht also zwischen den Säulen, in feinem tadellosen Gehrock, die Hände auf dem Rücken, und betrachtet mit freundlicher Aufmerksamkeit die an- kommenden Gäste. Der Portier wirft im Vorbeigehen einen Blick auf ihn, weil «r ihn nach d« BtzüLgnung in d« NM. dW .MM-Ü IM Plötzlich scheint der eine Gast, der lange Ingenieur, Herrn Gaarders Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er nähert sich ihm diskret und betrachtet ihn von der Seite, nähert sich ihm mehr und mehr. Er scheint in dem langen Herrn einen Bekannten wiederzuerkennen. Doch kann er sein Gesicht nicht richtig sehen, weil der Ingenieur über die Papiere des Portiers gebeugt steht. Als er sich jetzt aber umdreht und Herr Gaarder sein Gesicht sieht, geht ein Ruck frohen Wiedererkennens durch den Direktor des Hotels. Er ist im Begriff, ihm die Hand zum Willkomm zu reichen, als der Lange schnell auf ihn zugekt und ihm einige Worte sagt. Sogleich geht eine Veränderung mit Herrn Gaarder vor, er wird von neuem steif und for mell und zieht sich zurück. Der Portier hat die Szene beobachtet, aber nicht verstanden, was der Lange sagte; doch war es unverkennbar, daß der Lange einen bestimmten Wunsch geäußert oder einfach einen Befehl gegeben hatte, dem der Hotelbesitzer augenblicklich nachkam. Daraus schloß der Portier sogleich, daß der Ingenieur unbekannt bleiben wollte. Kaum hatte der Portier sich mit den beiden Her ren entfernt, um sie auf ihre Zimmer zu führen, als Gaar- dcr in die Portierloge ging und das Fremdenbuch vornahm. Als er den Finger auf Ingenieur Hallers Namen setzte, mußte er lächeln. Darauf ging er zu seiner Fan. Die neuen Gäste blieben den ganzen Tag zu Hause. Nach dem zweiten Frühstück ruhte der Jurist in seinem Zimmer, um sich von den Strapazen der langen und an strengenden Reise zu erholen. Der Ingenieur dagegen schlenderte von Salon zu Salon, wie Gäste zu tun pflegen, wenn sie an einen neuen Ort gekommen sind, wo sie sich gern orientieren wollen. Er machte ein paar Stöße mit dem Billardqueue, nahm vereinzelte Bücher aus der Biblio thek, rasselte mit dem Puzze-Spiel im Gesellschaftszimmer, schrieb ein paar Briefe un Lesesaal und setzte sich schließlich in einen Sessel der «großen Halle, gleich neben der Eingangs- tttr zur Terrasse, von wo er mehrere Räume übersehen und die Gäste, die gingen und kamen, betrachten konnte. Uebri- gens schien er nicht an Neugierde zu leiden, denn er hatte einen Hansen englischer Zeitungen mttaebracht, die er neben seinen Füßen auf die Erde legte, nach und nach aufnahm und vertieft las, während er eifrig große dicke Zigarren rauchte, die er aus einer kleinen Mahagonikassette nahm. Im Laufe des Tages ereignete es sich, daß der Portier noch einmal an die Erlebnisse der Nacht erinnert wurde. Er hatte sich in Direktor Gaarders Privatwohnung be geben, um Briefe und Rechnungen abzugeben. In dem ersten Zimmer, d as Herr Gaarder als Kontor benutzte, war LiWOUv. gus dem Nebenzimmer ab« wurde « von »rau Alexandra angerufen, die ihn durch die Portiere gesehen hatte. AIS er mit einer Verbeugung nähertrat, sah er Frau Alexandra in einem Lehnstuhl sitzen, den Kops in nasse, weiße Tücher eingebunden. Sie sah aus wie eine in der Schlachc verwundete Amazone, und das sonst so Hübsche und Vornehme ihres Wesens war einer verdrießlichen Ner vosität gewichen. Sie streckte ihre Hand nach den Papieren aus und erwiderte nicht einmal die ehrerbietige und teil nehmende Frage des Portiers nach ihren bedauerlichen Kopf schmerzen. Sie können gehen, sagte sie nur. Als der Portier sich durch das andere Zimmer zurück zog, konnte er es nicht unterlassen, einen Blick aus Direk tor Gaarders mit grünem Tuch bezogenen Schreibtisch zu werfen. Sonst war es der ordentlichste Schreibtisch, den man sich vorstellen konnte, mit seinem silbernen Tintenfaß, Mahagonilöscher ugd all den arideren Dingen. Der Schreib tisch Pflegte ebenso zierlich zu sein wie die Person des Direktors, der sich von den ersten Schneidern des Landes kleiden ließ. Jetzt aber lag mitten ans dem grünen Tisch- zwischen den unordentlich hingcschleuderten Gegenständen, ein Stück Papier, auf dem etwas mit Bleistift hingekritzelt war. Der Portier sah im Vorbeigehen ein Wort auf dem Papier — der Hund — stand da, und dieses Wort wirkte so hypnoti sierend auf ihn, daß er unwillkürlich nach dem Papier griff, um cS genauer zu studieren. Zu seinem unsagbaren Erstaunen sah er, daß es eine Skizze war, übrigens eine sehr vlumpe und primitive Skizze von dem südlichen Flügel. Rings herum waren die Wege und Rasen des Parkes angegeben, auf einem der Rasen war ein Kreuz gemacht und dort stand mit Herrn Gaarders Schrift das Wort „der Hund". Auf dem Teil der Zeichnung, die den Südflügel darstellte, waren zwei parallele Linien gezogen, und hier war wieder ein Kreuz gemacht und mit derselben Hand „Korridor D" geschrieben. Der Portier fühlte, wie ihm das Blut zu Kopse stieg und das Papier in seiner Hand zitterte. Er war so in die Betrach tung der Skizze vertieft, daß er durch das Eintreten des Direktors ganz überrumpelt wurde. Herr Gaarder blieb auf der Schwelle stehen, und als er das Blatt in der Hand des Portiers sah, stieg eine heftige Zornesröte in sein Ge sicht. Er stürzte sich auf den Portier, riß ihm das Blatt aus der Hand und schrie ganz außer sich: „Das geht Sie nichts an, verstehen Sie! Das geht Sie nichts an!" Damit ritz er das Papier in viele Stücke, lLoMMng
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