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Sächsische Volkszeitung : 27.04.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-04-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192604274
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19260427
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19260427
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-04
- Tag 1926-04-27
-
Monat
1926-04
-
Jahr
1926
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 27.04.1926
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MSenstag. den «7. «pr« ISA Nachrichken aus dem Vatikan In der italienischen Presse kursieren seit einiger Zeit die widersprechendsten Nachrichten aus dem Vatikan; Kommentare zu der Reise des Berliner Nuntius, Monsignore Pa cellt, über ein bevorstehendes Konsistorium und die Kreierung von einer ganzen Anzahl neuer Kardinale, die alle schon mit Namen ge- nannt werden und über die Person des Legaten a latere, zum Eucharistischen Kongreß in Chicago. Der 'Vatikan ist das diplomatisch und kuriale Zentrum, das seine Enlschidung erst in letzter Stunde bekannt zu geben pflegt, und bis dahin sind alle Nachrichten unsicher und können im letzten Augenblick durch andere Entschließungen hinfällig werden. Es steht bis heute noch nicht einmal fest, ob Papst Pius XI. im Konsistorium, das ivahrsck-einlich in der ersten Hälfte des Maies stattfinden wird, neue Kardinale kreiert, geschweige denn, daß man bestimmte Kandidaten für dcnPurpur aufstellen könnte, Es ist durchaus nicht ausgeschlossen, daß in dem Konsistorium nur Kardinal Ceretti aus den Händen des Papstes den Roten Hut empfängt, eine Zeremonie, die hier in Rom nachgeholt wer. den muß. da dem Kardinal Ceretti, bekanntlich Pronuntius in Poris, nach der Erhebung zur Würde des Kardinals, da er an dem letzten Konsistorium nicht teilnehmen konnte, nur das Rots Barett überreicht worden ist. Auch über die Person seines Nachfolgers ist noch nichts Definitives entschieden. Dagegen scheint es sich zu bestätigen, daß Kardinal Ceretti als aposto lischer Legat e latere nach Chicago gehen wird, um bei den Feier- lichkeiten des Euchristischen Kongresses den P pst zu vertre ten. Zu dieser Mission eignet sich Kardinal Ceretti ganz beson ders. da er längere Zeit in diplomatisä>er Stellung bei der Nun- tiatur in Washington tätig war. die Verhältnisse dort gut kennt und fließend englisch spricht. Der Besuch des Sierliner Nuntius, Monsignore Pacelli, hat auch zu den weitgehendsten Vermutungen Anlaß gegeben. Man- signore Pacelli ist mehrere Jahre nicht in Rom geivesen, und sein vorheriger Besuch erstreckte sich nur auf wenige Tage. Es ist aber im Vatikan Sitte daß die einzelnen Nuntien von Zeit zu Zeit dem Papst p csönlich mündlich und eingehend über ihre Tätigkeit und die Verhältnisse des Landes, in dem sie ihr hohes Amt ausüben, berichten. Go kann man wohl auch bei der dies jährigen Reise Monsignore Pacellis nach Rom annehmen, daß der Papst sich einen „Generalrap.'ort" wird abstatten lassen. Es ist aber sehr unwahrscheinlich, diß der Papst dem Nuntius be. stimmte Direktiven zu den Konkordatsarbeiten gegeben hat, die in Aussicht genommen sind. Denn mehr kann man heute nicht sagen, als daß seitens des Vatikans und der Deutschen Re- gierung der Wunsch genährt wird, zu einem Konkordat zu kom men. Aber da noch nicht einmal grundsätzlich festyelegt ist, ob nach einem Reichskonkordat hiligestrebt oder an der Weimarer These festgehalten wird, den Einzelstaaten den Abschluß eines Konkordats zu überlassen, so kann man noch nicht davon reden, daß der Papst bestimmte Instruktionen erteilt habe. Doch, ge rade weil olle diese Fragen noch im Flusse sind, ist sehr unwahr, scheinlich, daß Monsignore Pacelli, dessen gründliche Kenntnisse deutscher Verhältnisse im Vatikan hochgeschätzt werden, seinen Posten in absehbarer Zeit aufgeüen wird, um den Roten Hut zu erhalten. Verlangt überall in de« Gast- «nd Kaffeehäuser«, beim Friseur, auf der Reise, eure Tageszeitung! Es muh der sächsischen Regierung nachaesagt werden, daß sie Neuerungen im Schulwesen stets m besonderem Matze zugänglich gewesen ist. Seit dem Inkrafttreten der Deutschen ReichSVerfafsung vom 11. August 1919, die in Artikel 143 den festnmrissenen Satz enthält: „Dir Lehrer» bildnng ist nach den Grundsätzen, die für die höhere Bil« düng allgemein gellen, für das Reich einheitlich zu regeln", ist die Verwirklichung des Problems unablässig vorwärts getrieben worden. Durch Gesetz vom 4. April 1923 wurde für Sachsen die Lehrerbildung aus eine neue Grundlage gestellt. Der Beschluß erfolgte einstimmig durch sämt liche Parteien des Landtages. Wer ehedem den Lehrerberus eines Volksschullehrers ergreifen wollte, besuchte nach siebenjähriger Volksschnl- zeit das Seminar, von wo aus er nach sieben jährigem Studium in das Amt trat. Wer heute die Laufbahn des Volksschullehrers einzuschlagen gedenkt, muß das Reife zeugnis einer deutschen höheren Lehranstalt (Oberrealshnle, Realgymnasium, Gymnasium, deutsche Oberschule, Aufban schule) besitzen und dann ein mindestens dreijähriges Studium der Pädagogik an der Technischen Hochschule zu Dresden oder der Universität Leipzig Nachweisen. Wie so manches Neue, so teilt auch dieser neue Bildungsplan das gleiche Schicksal. Er wird noch heute, trotzdem er schon seit Ostern 1923 in Kraft getreten ist, scharf umkämpft. Allerhand Besorgnisse, darunter auch wohlberechtigte, werden geltend gemacht. Fachleute insbesondere fürchten um den genügenden Nachwuchs an Lehrkräften für die Volks schule. Zur näheren Erläuterung möge folgende Aufstellung dienen. An den 2V sächsischen Seminaren erwarben das Reifezeugnis 1896: 438, 1990: 494, 1905: 7)9, 1910: 780, 1915: 698, 1920: 502 Kandidaten und Kandidatin:«:« des VolkSschnlamtes. Das Pädagogische Institut an der Technischen Hochschule, das 1923 eröffnet wurde, dürfte Ostern 1926 etwa 25 Anwärter für das Lehramt an Volks schulen entlassen haben. Das Leipziger Pädagogische In stitut, das erst 1924 ins Leben trat, dürste Ostern 1927 die gleiche Zahl entsenden. Nach unseren Informationen wird die Zahl der Schulamtsanwärter, die Ostern 1927 und 1928 von beiden Instituten als Nachwuchs für den Schuldienst gestellt werden, zusammen etwa 60 bis 80 be tragen. Diese Ziffern müssen für einen geregelten Nachwuchs glattweg als unzureichend bezeichnet werden, wenn man bedenkt, daß die 2546 Volksschulen mit ihren rund 15 000 Lehrkräften bisher alljährlich durchschnittlich 500 SchulamtS- anwärter als Nachwuchs benötigten. Zunächst wird dieser klaffende Unterschied nicht merklich in Erscheinung treten, da Ostern 1927 und 1928 an den Seminaren noch Reife prüfungen stattsinden. Ob Ostern 1929 jedoch werden nur noch akademisch vorgebildetc Lehrer in den Schuldienst einrrcten, da mit Ostern 1928 die Seminare ihre Pforten schließen und in Oberschulen und Aufbauschulen umgewan delt sind. Aller Voraussicht nach dürfte sich bis dahin und wohl auch in päteren Jahren di« Zahl der Lehrerstudenten an den beiden Hochschulen nicht derart erhöhen, daß die alljährlich benötigte Zahl von 500 auch nur annähernd er reicht würde. Es ist ein offenes Geheimnis, daß di« heutige VollS- schullehrerichaft zu 90 Prozent aus den Kreisen der kleineren und mittleren Geschäftsleute, der Kleinbauern, der Ge werbetreibenden, der Arbeiter, mittleren und unteren Beam ten hervorgegarrgen ist, die heute schwer unter der wirtschaft lichen Not zu leiden haben. Der Staat sorgte durch Studien- bcihilfen und Internate dafür, daß den Eltern die Lasten e'nes kostspieligen Studiums möglichst erleichtert wurden. Ganz abgesehen davon, daß gerade die jungen Leute in- Mge ihres langjährigen Volksschulbesuches e:ne gute Vor bereitung für die spätere Schulpraxis mitbrachten. Gerade d:. obenerwähnten VolkSkreise dürsten zum wertauS größten Teile heute nicht in der Lage sein, ihre Söhne und Töchter dem erheblich verteuerten Bildungsgänge des Lehrers zu- zufshrcn. Zudem möchten wir den Nachwuchs aus den länd lichen Bezirken, der viel urwüchsige Kraft in di« Groß städte verpflanzte und für diese geradezu wie ein Jungborn wirkte, nicht missen. Aus diesen Erwägungen heraus ist man in Lehrerkreisen teilweise zu der Ansicht gekommen, daß es vielleicht besser gewesen wäre, das Lehrerstudium nicht einzig an den beiden Hochschulen zu Dresden und Leipzig zu konzentrieren, vielmehr gesonderte, selbständige Lchrerakademien zu schaffen und in solche Ort« zu legen, die dem ländlichen und kleinbürgerlichen Mittelstand« bester und weniger kostspieliger erreichbar sind, etwa nach Bautze:. (Ostsachsen), Dresden (Mittelsachsen), Leipzig und Chemnitz oder Planen (Westsachsen). Ein weiterer Grund für den Mangel an Nachwuchs ist zweifellos die ungeklärte Besoldungs frage. Erst in diesen Tagen hat sich der Landtag mit dieser Angelegenheit beschäftigt mit dem Ergebnis, daß über die künftige Besol dung der akademischen BolkssHullehrer ekne 'Vorlage au'r« aearbeitet wird. Man lvird einen Uebergang schaffen zw scheu der Besoldung der höheren Lehrer und der nichtakademischen Dclisschullehrer. Unter den jüngeren Lehrern hat freilich deshalb heut« eine gewisse Flucht aus der Volksschule ein», gesetzt. Man legt Ergänzungsprüfungen in Fremdsprachen ab, studiert dann für das höhere Lehramt oder geht an Verufs- oder Gewerbeschulen über, vielfach, um nicht der Letzte in der aussterbenden Reihe der seminarisch vorgebildeceu, min« berbesoldeten Lehrer zu sein. Uns interessiert nun vor allem die Frage: Mir wirkt sich die neue Lehrerbildung für das katholische Schulwesen Sachsens aus? Das katholische Lehrerseminar in Bantzen/ jetzt nmgewandelt in eine deutsche Oberschule mit Ausbau«' klassen unter dem Namen „D om st i s t l ich e Katho-/ lijche Oberschule", liefert« jährlich etwa 20 Schul« amtsanwärter als Nachwuchs für die 49 katholischen Schulen/ Jetzr liegen die Dinge so, daß jährlich zwei oder drei Schul«, amtsbewerber die Pädagogischen Institute verlassen. Als»' auch sür die katholischen Schulen ein völlig unzureichendes Nachwuchs, dessen Nachteile sich zunächst noch nicht auswirken werden, weil etwa 150 katholische Lehrer an nichtkatho«' lischen Schulen amtieren und eine Ne,erve darstellen bei einem Mangel an Nachwuchs. W'r hoffen zuversichtlich, daß das neue Neichsschulgejetz aus wahrhaft freiheitlichem und echt demokratischem Geiste geboren wird, damit auch den katholischen Schulen in der Diaspora wieder eine stetige Bor«' wärtsentwickelung gesichert wich. Das schließt mit ein, daß den' einzelnen Ländern bezüglich der Durchführung nicht allzu«' viel Spielraum gewährt wird. Wenu das Neichsgesetz über Errichtung und Erhaltung der Bekenntnisschule keine ein« deutigen, klaren Bestimmungen schafft, sondern mit „Kann«' Vorschriften" den Ländern viel Gesetzgeberisches überläßt/ kommen wir in Sachsen angesichts der politischen und antl« katholischen Verhältnisse nur schwer vorwärts. Ein frei« heitliches Reichsschulgesetz wird uns in einer Reihe sächsisches Städte wohlgegliederte katholisch« Schulen gewährleisten,: so daß dann angesichts des erhöhten Nachwuchsbedarfs der Gedanke einer eigenen katholischen Lehreraka«' demie erwogen werden könnte, «in Gedanke, der in Preu« ßen in die Tat ungesetzt worden ist. Von kirchlicher Seit« dürste man gegen die Akademi« sierung der Lehrerbildung kaum etwas einzuwenden haben, solange die Belange der katholischen Bekenntnisschule er füllt werden. Das katholische Voll will die Bekenntnisschule/ und an dieser Forderung so vieler Millionen kann heut« kein wirklich freiheitlich denkender Politiker vorttbergehen^ Katholische Lehrer, denen das katholische Volks- und Kultur«, gut Lebensinhalt geworden, sind das vorzüglichste Ersorder« niS für eine katholische Bekenntnisschule. Werden die Vor aussetzungen für diese grundsätzlichen Forderungen i« Sachsen erfüllt? Unser Freistaat besitzt tatholtsche B« kenntnisschulen, di« Katholiken können deshalb mit allem Recht fordern, daß für entsprechenden Nachwuchs Sorge ge tragen wird. ES muh anerkannt werden, daß die Drrektio«! des Dresdner Pädagogischen Instituts versucht, den Bes langen der katholischen BelenntniSschule gerecht zu werden/ Einem Dresdner Geistlichen wurden sür seine religionS>( wissenschaftlichen Vorträge bereitwilligst Raum und Zelt zur Verfügung gestellt, einem katholischen Lehrer wurden di« katholischen Studenten zwecks schulpraktischer Unterweisung Mgeteilt. Dozenten wurden aus der höheren Lehrerschaft! und der Volksschullehrerschaft berufen, jedoch kein katholischen Akademiker, kein katholischer Volksschullchrer. Wir bedauern^ dah di« Parität, die doch eben «in Grundzug der Demo«! krall« ist, nicht b esser gewahrt wurde. Wenn schon heut« noch nicht an eine eigene katholische Lehrerakademie za denken ist, so hätte man doch bei den Berufungen sich auch der Belange der katholischen Schulen erinnern sollen; denn fortlausendc Vorlesungen über katholische Pädagogik, Ge schichte und Methodik des Religionsunterrichts usf. sind für Lehrer, die später an katholischen Schulen amtieren sollen, ganz selbstverständliche Notwendigkeiten. Wir Katholiken dürfen in nächster Zukunft nicht achtlos an diesen Neuerungen ans pädagogischem Gebiete vorüber« gehen. Wenn wir eine Ausbildung der Lehrer im Geist« unseres Bekenntnisses mit allen Kräften fordern, so dienen wir damit der inneren Festigung unserer Schulen und er reichen damit jene weltanschauliche Geschlossenheit, die un seren Schulen den Charakter der echten und wahren Ein heitsschule verleibt, jene Einigkeit in (Neirnnung und Zis^ strebigkeit, um die uns die Gegner beneiden. mgr. »S» Der To- kehrt im Kolel ein Roman von Sven Elve st ad. Copyright 1924 bh Georg Müller, Verlag München. (Nachdruck verboten.) (19. Fortsetzung.) Gaarder sah den Ingenieur forschend an. „Hm", murmelte er. „Inzwischen ist es erwiesen, daß «in Schutz abgegeben worden ist." „Bon wem?" Gaarder griff sich mit den Händen an den Kopf. „Ich fasse es nicht", sagte er verzweifelt, „es kann Nicht sein", fügte er hinzu, „es kann ja nicht sein." „Mit anderen Worten, Sie haben einen bestimmten Verdacht?" „Ja, kennen Sie Oberst von Bratsberg?" fragte er plötzlich. „Den alten verabschiedeten Militär? Ja, ich bin ihm verschiedentlich begegnet. Ein liebenswürdiger, alter Brumm bär, etwas einfältig und sehr asthmatisch." Ingenieur Haller blickte sich im Saal um. „Er ist nicht hier", sagte er, „und dabet fällt mir ein, daß ich ihn den ganzen Tag noch nicht gesehen habe." „Er bewohnt Zimmer Nr. 113", erklärte Gaarder. „Das Zimmer neben 115 und 112. Sie meinen also, dah er den Schutz abgegeben hat?" Im selben Augenblick schlenderte eine Gesellschaft näher und Gaarder blieb stumm, bis sie vorüber war. Dann ant wortete er: „Der alte Oberst ist tot." „Ermordet?" fragte der Ingenieur schnell. Gaarder zuckte zusammen, und Haller beobachtete, daß er zitterte. „Er ist tot", antwortete der Direktor, „mehr weiß ich nicht, aber neben ihm liegt eine abgeschossene Pistole." „Ist er durch Kopf und Brust geschossen?" fragte Haller. „Ich kann überhaupt keine Schußwunde an ihm ent decken.^ Haller hatte Gaarder bereits mit in den nächsten Gang gezogen. Unterwegs berichtet« Gaarder, wie sie den Toten ge funden hatten. Mit zunehmender Unruhe hatte man be merkt, daß er sich gar nicht zeigte. Man hatte an seine Tür geklopft, aber keine Antwort erhalten. Vor einer Stunde batten er und der Vortier die Tür gesprengt. S» sich, daß ihre Befürchtung nur zu berechtigt war. )er Oberst lag tot neben seinem Bett. Der Hotelbesitzer erzählte aufgeregt und schob beständig Klagen ein. was aus seinem Hotel werden sollte, wenn dieses neue Unglück be kannt würde. Haller hörte kaum auf sein Gejammer, son dern eilte auf das Zimmer zu. Wie alle übrigen Zimmer, hatte auch Nr. 113 Doppel türen. Die erste Tür war unverschlossen gewesen und trug darum keine Spuren von Gewalt. Bei der inneren war das Schloß aufgebrochen worden. Jetzt stand die Tür offen. Der Portier befand sich im Zimmer. Hallers Blick fiel sofort aus den Toten, der in seinem Nachthemd neben dem Bett lag. Die Situation bekam einen Schimmer von Komik, als der Portier beim Eintritt der beiden Herren seine zere monielle Verbeugung machte. Petterson war nicht blaß, sondern aschgrau, sein Schnurrbart hing schlaff herab, und aus diesem verzweifelten Gesicht starrten zwei ratlose Augen. Der Ingenieur beugte sich über den Toten, nahm eine kurze Untersuchung vor und sagte: „Der erste". Tonlos wiederholte der Hotelbesitzer dies« Worte. „Oesfnen Sie di« Fenster", sagte Haller, „man kann ja in vieler Luft nicht atmen." Gaarder ging durchs Zimmer und öffnete zitternd die Fenster. Erst jetzt sah Haller sich im Zimmer um. Dem An schein nach war alles in Ordnung mit Ausnahme des großen Kleiderschrankes, der dem Bett gcgennberstand. Die große Spiegelscheibe der Tür war zerschmettert, die Splitter lagen im Zimmer verstreut. Haller nahm den Revolver zur Hand, der neben der Leiche lag. Es war ein Militärrevolver. Ern Schutz war abgefeuert. "s W „Der Oberst ist nicht erschossen worden", sagte er, „er hat keine Schußwunde. Aber er hat sich mit der Waffe verteidigt. Jemand ist heut« nacht hier drinnen gewesen." Er sah den Hotelbesitzer an. „Sie zittern/' sagte er, „Ihre Hände beben." „Das kommt von der Kälte", sagte Gaarder mit kreide weißen Lippen, „von der seltsamen Kälte zu dieser Jahres zeit", wiederholte er geistesabwesend, „der Himmel ist ganz rot vor Frost". „Nehmen Sie sich zusammen", sagt« Haller hart, „und holen Sie einen Arzt." „Ihren Freund?" stammelte Gaarder. „soll ich Ihren Freund holen?" „Fassen Sie sich doch, Mensch", sagte der Ingenieur ungeduldig, „Sie wissen ja, daß mein Freund kein Arzt rst." 1V. Sowohl der Hotelbesitzer wie der Portier waren wie gelähmt von dem furchtbaren Ereignis. Haller sah ein/ daß die Gäste über Gaarders Aussehen, wenn sie ihm begegneten, noch mehr erschrecken würden. Darum schickt« er den Portier nach dem Arzt des Hotels. Während sie auf den Arzt warteten, nahm Haller eine gründliche Unter suchung des Zimmers vor. Besonders der zerbrochene Sptege, und die Splitter auf dem Teppich interessierten ihn. Der Spiegel war in der Tür des Kleiderschrankes ange bracht gewesen. In der hölzernen Rückwand entdeckte er die! deutliche Spur einer Kugel. Sie war durch die Tür und' durch die im Schrank hängenden Garderobestücke gegangen.' Er fand die Kugel in der Rückwand des Schrankes, wo si«! so lose saß, daß er sie mit seinem Messer herauslöien konnte/ Die Kugel war vom selben Kaliber wie die Kugeln im Militärrevoloer des Obersten. Der Spiegel war also durch! einen Schuh zersplittert worden, und es war klar, daß dcri Oberst selbst ihn abgegeben hatte. Warum aber hatte er in den Spiegel gcschosien? Der Ingenieur kehrte zu dem Toten zurück, der noch in derselben Stellung lag, und diese Stellung und di« Verhältnisse im Zimmer klärten Haller bald über folgendes auf: Der Oberst war nachts von irgend etwas geweckt worden, das plötzlich in seinem Zimmer austauchte. Er war aus dem Nett gesprungen und hatte nach seinem Revolver gegriffen. Die herausgczogene Schublade tm Nachttisch zeigte noch, wo der Revolver gelegen hatte. Darauf hatte der Oberst einen Schuh in die Richtung des Spiegels abgegeben, der vollständig zertrümmert worden war. Darauf aber war der alte Herr selbst zu Boden gestürzt. ES war nun Sache de- Nrztes, festznstellen, ob äußere Gewalt oder ein Herzschlag seinem Leben ein Ende gemacht hatte. WaS aber hatte den alten KriegSmann so beunruhigt, daß er, der sonst die Ruhe und Geistesgegenwart in Person war, zur Waffe gegriffen hatte? Der Oberst mußt« sich offenbar in Lebensgefahr geglaubt haben. Hatte er eine Halluzination gehabt? Zwischen ihm und dem Spiegel konnte schwerlich jemand gestanden Huben. War e» denk bar, daß der Oberst seinen Widerschein in der grünen Ti«^ des Spiegel» gesehen hatte, «in« phantastische Verquickung des grünen Lichtes der Nachtlamve mit dem tiefen Schatte» des Zimmers, die ihm in Verbindung mit einem vorher« gegangenen Alpdruck die Waffe ln die Hand gezwungen hatte! (Fortsetzung folgt.)
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