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Sächsische Volkszeitung : 15.04.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-04-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192604156
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19260415
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19260415
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-04
- Tag 1926-04-15
-
Monat
1926-04
-
Jahr
1926
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 15.04.1926
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17 unct wiHen WjWWWWWMMWWMWWWMWWWWMWWWWW^WImWWlMiWMWWWWW Goethe und die Presse Von Albert T h e i l e - München. Der Journalismus Goethes wird bei den vielen Ar beiten über Goethe selten zum Gegenstand einer Betrach tung gemacht." Und doch' sind die Beziehungen zwischen Dramatiker und Journalisten selten innige. Vielleicht liegt es an der sozialen und sozialpolitischen Tendenz eines Teils der dramatischen Poesie, die, trotz aller Verwahrung gegen eine tendenziöse Deutung der Kunst, immer wieder sich durchsetzt. ES gilt dies vor allem in unseren Tagen, wo d'e Publizistik geradezu zur Vorschule der Dramatik wird. Es sei nur an Bernhard Shaw erinnert, der einmal meinte: Der Journalismus ist die erlesenste Form der Literatur, denn alle erlesenste Literatur ist Journalismus. Eine Ausnahme von dieser Regel macht Goethe, der ganz im Gegensatz zu den Publizisten Par excellenee Lessing und Kleist der Journalistik nie dauerndes Interesse ab- gewmnen konnte. „Sag mir, warum dich keine Zeitung freut'?" „Ich liebe sie nicht, sie dienen der Zeit." Wenn wir an die „Lernen" denken, dürfen wir nie Schiller vergessen, dessen Teilnahme vor Goethes bedeutend hervortritt. Es war damals ein Wagnis, „Xenien" zu publi zieren, und es Hütte sehr leicht zum Schaden der beiden Großen, deren Ruf damals noch nicht begründet war, wer den können. „Sie bestreben sich, Ihre große Ideenwelt zu simplifizieren, ich suche Varietät sür meine kleinen Besitzungen." So wußte Schiller, der die Eitelkeit des Olympiers wohl kannte, anfangen. Und bald war Goethe bereit: „Der Gedanke mit den Xenien ist prächtig und mutz ausgeführt werden. So bald wir uns selbst nicht ganz schonen, können wir Heiliges und Profanes angreifen." Damit setzte er sich über seine ersten journalistischen Erfah rungen bei den „Frankfurter gelehrten Anzeigen", für die er 1772 rezensierte, mutig hinweg, und als die ersten Epigramme erschienen waren und das Gezeter der getroffenen Feinde begann, rief Goethe aus: „N.cht eher, als bis sie wieder ganz ruhig sind und sicher zu sein glauben, müssen wir, wenn der .Humor frisch bleibt, sie noch einmal recht aus dem Fundamente ärgern!" Die mehr oder minder scharfen Entgegnungen ans die „Tenicn" aber veranlaßten Goethe, sich nie wieder an einer Pretzfehde zu beteiligen. Ja, seine einst guten Urteile über die öffentliche Meinung schlagen ins Gegenteil um: Was Euch die Heil'gc Preßfreiheit Für Frommen, Vorteil, Früchte gebeut? Davon habt Ihr gewisse Erscheinung, Tiefe Verachtung öffentlicher Meinung. Und bei dieser Auffassung blieb es. Interessant ist es, Stellen aus Goethes Briefen hcranzuziehen. die deut lich zeigen, wie er sich immer wieder mit der Presse aus einandersetzt. So schreibt er einmal an Prof. Eichstädt, Mitredaktcur an der „Jenaischen allgemeinen Literatur zeitung": Uebcrhaupt müssen wir von Rechts wegen bes ser wissen, was dem Publikum frommt, als es selber." Er Vergleicht die Redakteure mir Rohrmcistern, die dafür zu sorgen hätten, „daß die Brunnen laufe» und Waiser ge ling da sei." Und wester: „Das Publikum in seiner Dumm heit verlangt immer Wasser über Wasser und pcrhorresziert die ergiebigsten Quellen; man muß das gut sein lassen, still sein und nach Ucberzeugung handeln." Es war in der Zeit, wo Goethe des öfteren Gegenstand heftigster Presseangrisfe war. Reben seiner Persönlichkeit waren es natürlich seine Werke, die von gewissenlosen Re zensenten in Grund und Boden verdammt wurden. Er llagt diese öffentliche Verunglimpfung feiner Mutter, der guten Frau Rat, und sie fand die verständnisreichen Worte: „Auch macht Schiller und du mir eins unaussprechliche Freude, daß ihr aus allen den Schnick-Schnack von Ne- zensieren-gewäiche-Brau Baaßengcträtsche nicht ein Wort antwortet; da mögten die Herren sich dem fey bey ergeben — das ist Prächtig von Euch. Fahrt in diesem guten Verhalten immer fort — Eure Werke bleiben vor die Ewigkeit — und diese armseligen wische zerreißen einem in der Hand — sind das plansten nicht werth puncktum." Indessen blieb es nicht bei dem „Schnick-Schnack von Rezensieren". Als sich Goethe mit Christiane vermählte, war es von der Ulmer, später Münchener „Allgemeinen Zeitung" höchst ordinär, sich über den scchsundsechzig- sährigen Dichter in einem anonymen Artikel voll Verleum dungen lustig zu machen. Goethe beklagte sich bei Cotta: „Nun finde ich in Nr. 352 einen Brief aus Weimar, wo .die von einem Zeitungsredakteur niemals verantwortliche Note vorsteht: „Aus eurem von dem Verfasser »ich: zum Drucke bestimmten Briefe." Wer ist denn also der Redak teur Ihrer Ulmer Zeitung, der immer Briefe erhält, die nicht zum Drucke bestimmt sind, damit er ungefähr wisse, w.e'S in der Welt zugcht, der nicht soviel Sinn, Gefühl nnd Geschmack hat, zu missen, was denn eigentlich davon und wie es allenfalls zu drucken ist? Wenn sich Ihr Redakteur aber in einer politischen Zeitung ,oweit vergißt, daß er Privatnachrichren einführt, die alsdann durch andere Zeitungen weiter gegeben werden, die sich ;elbst viel zu viel ehren, als daß sie mir solchen Klatschereien anfangen soll ten, wenn sie aber einmal gedruckt sind, eine Art von Recht baden, sie weiter zu verbreiten, so muß man sagen, daß Deutschland von einer inneren Fäulnis angegriffen ist." Mit demselben Briese verbietet er sich die weitere Zu stellung der Zeitung. Nachdem Goethe eine Zeitlang Chefredakteur d er „Jenaer Allgemeinen" gewesen war, gibt er 1830 vorübergehend alles Zeitungslescn auf. Er schreibt darüber an Zelter: „. . . Hierbei werde ich ver anlaßt, Dir etwas Wunderliches zu vermelden und zu vertrauen, daß ich nämlich, nach einer strengen, schnellen Resolution, alles Zeitungslesen abgeschafst habe und mich mit dem begnüge, was mir das gesellige Leben überliefern will. Dieses ist von der größten Wichtigkeit: denn genau gesehen ist es von Privatleuten doch nur eine Philisterei, wenn wir demjenigen zuviel Anteil schenken, was uns nichts Die Kreuze Soviel Kreuze ragen von Kirchtürmen nun in den Himmel, und auf jedem sitzt ein Star aus der Spitze und singt über die Zinnen der Welt. Langst liegen die Gipfel deines Leids, die Gipfel deiner Freuden drunten im Schatten. Aber droben das Kreuz, aus das sich dex Vogel schwang. schimmert durchbrochen im Licht. Leo Stcrnberg. lSL» au'gcht. Seit den sechs Wochen, daß ich die sämtlichen fran- züji'chcn und deutschen Zeitungen unter ihrem Kreuzbande liegen lasse, ist es unsäglich, was ich für Zeit gewann und was ich wegschaffte." Nnd vielleicht ist es dieses „Zeit gewinnen", das Goethe immer mehr von der Presse forttneb. Dem Hochbetagten schienen die Ereignisse mit Recht oft zu kleinlich, um davon Notiz zu nehmen. Goethe war zu sehr gewöhnt, in allem die große Linie zu sehen, die über alles Endliche hinausstthrt ins Ganze, ins Un endliche. Anek-olen Von Gustav Halm. Vom König Edc. England hat im Lause von Jahrhunderten manchen Bissen herunteracschiungcn, der ihn: nachher Magcnbeschivcrdcn verur sacht hat und den cs gerne wieder ausgespien hätte oder auch hat wider Willen ausspucken müsse». Wie ein spaßhaftes Sym bol dessen mutet die kleine Geschichte an. die seinem Könige Eduard VH. einmal zugestoßen ist. Die Familie des Königs saß bei Tische: es wurde ein poli tisches Thema abgehoudelt, zu dem besonders der König sich leb haft äußerte: zwischendurch speiste er. Plötzlich ries einer sei ner kleinen Ressen, wohl der jetzige Prinz von Wales: „Groß vater!" — Streng sah ihn der König a» und runzelte die Brauen, sagte aber nichts. Der Knabe ließ sich nicht abschrccken, sondern wiederholte: „Großvater . . ." Diesmal schwieg König Eduard nicht. Ec hob den Finger auf und sagte: „Weißt du nicht, daß Kinder zu schweigen l>aben, bis sie gefragt sind?" — Der Prinz verstümmle, und man beendigte die Mahlzeit. Dann wandte sich der König an seinen Enkel und sagte: „So niein Junge, nun sind wir Erwachsenen fertig: nun kannst ön sagen, was du eben Vorbringen wolltest." — „Ach, Groß vater," sagte der Knabe, „jetzt ist es doch zu spät. In deinem Salat saß eine dicke Schnecke, jetzt hast du sie längst herunter, geschluckt!" — Da soll cs den» dem englischen Könige so zumute gewesen sein, wie es seinem Lande mit so manchen anderen fetten Bis sen ergangen ist! Von der „Queen". Als Königin Viktoria von England in höhere und höchste Jahrgänge hinaufgestiegen mar und nur aus den Brief- marken noch ihr jugendliches Aussehen bewahrte, stellten sich unter anderen Alterserscheinungen höchst unerfreuliche Bart stoppeln auf ihrem Kinn ein, unter denen bei Zärtlichkeits- beiveisen die ganze Verwandtschaft sehr zu leiden hatte. Es fand sich aber niemand in der Hofgesellschaft, der gewagt hätte, die Königin daraus aufmerksam zu machen und ihr zu empfeh- len, sich rasieren zu lassen. fNasieren heißt englisch: to shawe.j Es mar aber damals ein Spanier in London, eine Art Glücksritter der in den Kreisen des Hochaüels Zutritt erlang! hatte. Zu seinen Ohren kam Nachricht von der Tatsache, die den Höflingen soviel Kopfzerbrechen verursachte, und er erbot sich eines Tages, wenn man ihm Zulaß bei Hose verschaffe wolle er wohl die Königin in zarter Weise aufmerksam machen; natürlich müsse man ihm eine größere Summe dafür bezahlen, da er vielleicht genötigt sei, Britannien zu verlassen. Denn auch Frauen jenseits des gefährlichen Alters besäßen ihre Eitel keit. selbst wenn sie eine Krone auf dem Hauple irrigen. — Die Lords nnd Ladies, denen er diesen Vorschlag machte, wiesen ihn zuerst west von sich, da das englische Schicklichkeitsgefühl sich dawider sträubte nnd man einen Hosskandal befürchtete. Ms aber der edle Spanier, oer ein gutes Geschäft bei der Sache witterte, wieder nnd wieder beieuerte. er werde es in der denk bar öiplomatiichstcn Meise nnd gänzlich unauffällig anstellen, gab man seinem Drängen nach, führte ihn bei Hofe ei» nnd stellte die ansbedungene Summe sür ihn sicher. Mittlerweile nahle der Tag. der sür die Ausführung vor gesehen war. Es fand an diesem Morgen ein großer Empfang srenVer und einheimischer Diplomaten stait. dem auch die „Ver schwörer" beiwohnten. Die Königin, in strahlender Laune, rich tete einige liebenswürdige Worte an jeden der Anwesenden und begrüßte auch Sen Spanier mit einem scherzhaften Hinweis auf sein schönes Vaterland. Scheinbar hingerissen von soviel Huld erwiderte dieser, indem er sich absichtlich radebrechend der eng lischen Sprache bediente, die er in Wirklichkeit sehr wohl be herrschte: Er habe nie mehr bedauert, des Englischen so wenig mächtig zu sein. Eines aber, eine landesübliche Huldigung an die Königin, habe er doch gelernt, und er freue sich, ihr diesen Gruß zu Füßen lege» zu können. Das sei — und er stellte sich in Positur und sprach mit lauter, weithin hörbarer Stimme — der Ansang der nationalen Hymne: „God shave the Queen!" <„Gott rasiere die Königin!" statt „God save . . ."j. Es wird erzählt, daß der Spanier nach diesem scheinbar unfreiwillige» Lapsus doch so sehr in Ungnade gefallen sei, daß er den englischen Boden habe verlassen müssen: doch sei in der Tat die Königin Viktoria nie wieder unrasiert bei Hose er schienen. Nebertrumpst. Goethe saß einmal im Gasthause mit einem schmatzen den Spießer zu Tisch, der kauend und schnausend sich mit seiner Mahlzeit beschäftigte, dabei aber hin und wieder sein Gegenüber mit kritischen Blicken musterte. Fast gleichzeitig trug man bei den Gästen das Hauptgericht ihrer Mahlzeit aus: Goethe setzte man einen schneeweißen Fisch i» Brüter vor. dem anderen einen prachtvoll duftenden Ochsenbraten. Da der Dichter zu seinem Fisch eine Flasche Rheinwein forderte und gleich ein Glas mit dem lieblich spritzenden Weine stillte, fragte ihn der andere, mit einem strafenden Blick, warum er während des Es sens trinke: ob er nicht wisse, daß dies ungesund sei? Kurz und treffend crwiderie Goethe, aus seinen Teller deutend: „T"r Fisch will schwi >» m e n !" Diese witzige Antwort machte einen tiefen und sichtlichen Eindruck auf den Gast. Schon mit vollen Backen kauend. ließ er Messer und Gabel sinken, rollte mit den Augen, versank säst in den Zipfeln seines umgcbun- denen Mundtuchs und gab «Ile Zeichen einer angestrengten Ge- hirntütigkeit von sich, offenbar mit der Ersindung einer ähnlich schlagfertigen Bemerkung beschönigt. Endlich blitzte cs befrie- digt in seinem Auge aus. er schlug kurz und hart auf den Tisch und forderte von dem Aufwärtcr: „Eine Bouteille Rotwein!" — „Nun", sagte Goethe, um seinem Gegenüber Gelegenheit zu seiner sorgsam bebrüten Bemerkung zu geben, — „nun, warum vergessen Sie so plötzlich Ihren Grundsatz und trinken zu Tische?" — Da setzte sich der andere recht in Positur, nahm eine gewichtige Miene an und sprach: „Der Ochs wil! saufen!" — „So sauf Er!" antworte Goethe lachend. Johannes -er Mohr Bon Franzde Paula Rost. Ibrahim, der Mohr, hatte die Taufe empfangen. „Iohan Nes". sagte der Fcldkaplan beim 0. Bataillon im 1. Regiment der Fremdenlegion, zu der man Ibrahim versetzt hatte, um ihn dem Haßmuten seiner früheren Glaubensgenossen zu entziehen, „ein Christ bist du nun, eisre dem Heiland nach!" Johannes hob seligen Angesichts beteuernd die Hand. Das Schicksal, das dem Ibrahim erbarmungslos Weib, Kinder, Heimat, alles genommen hat, wird es nun den Johannes verschonen? Ter Ibrahim hatte in der Nacht seiner Verzweif lung kapituliert, aber er war, wenn auch von riesigem Ausmaß, doch kein Soldat aus Ueberzcugung: der Johannes wollte je eher je lieber zu seinem Handwerk zurückkehrcn und als Tep pichweber in Algier seine Tage beschlichen. Der Sergeant Miguel Cantaro, ehemals catalonischer Last träger, erkannte in Johannes, der die Sausgelage mied und allen Schandtaten sich entzog, gar bald das räudige Schaf der Kompanie. Johannes tot den Dienst, aber er zählte die Tage, die ihn noch von der Freiheit trennten. Schneckengleich lang sam kroch deren goldenes Tor nah und näher. Aber che er noch hinüurchschreiten konnte, mußte die Kompanie sich einschifseu nach Marokko. Ibrahim hatte nie einen Menschen getötet, nun sollte es Johannes, der gelobt hatte, dem Heiland nachzueifern und Böses mit Gutem zu vergelten. Er rang mit sich, mit der Sol- datenpslicht und mit dem Taufgelöbnis. Johannes, der Christ, ging als Sieger aus dem Kampfe hervor. Seine Pflicht wollte er tun. es gab kein zurück, aber töten — nimmermehr! Argwöhnisch beobachtete Cantaro den Verdächtigen und ließ ihn von sicheren Leuten umlauern — sie fanden ihn nicht nachlässig. Cantaro, von der Kompanie nur „le divble" genannt, ärgerte sich, daß Johannes keinen Anlaß zu harter Strafe goo: er haßte den Mohren und verachtete chn allein schon wegen seines Glaubenswechsels, den er für Heuchelei ansah und mit rohen Späßen besudelte. Johannes schwieg aber und duldete: Cantaros Haß wuchs daran. Er gab ihm die gefährlichsten Auf- träge, und Iolannes hatte den schwersten Dienst, aber über seine Lipen kam keine Klage. Doch bereitete er sich Im stillen auf sein Ende vor. In -er ganzen Kompanie war bald nur noch ein Mann, der Johannes nicht mied, und. wenn er ihn als Islamit im stillen zwar auch verachtete, dem Abtrünnigen doch nichts Böses an- wünschtc, ja, seine Seclcnstärke heimlich bewunderte. Dieser Eine war Hussein, ein Kabyle, der nicht minder scharf beobachtet wurde, wenn er auch schon im achten Jahre diente. Er war nach einer blutigen Fehde, nach Algier geflüchtet und in die Fremdenlegion eingetreten. Ein furchtbares Ende war ihm gewiß, wenn er in die Hände seiner Volksgenossen fiel. Dennoch haßte er die Franzosen und wünschte sehnsüchtig den Sieg der Seinen. Cantaro schien das in seiner Brust zu lesen, er miß traute ihm fast noch mehr wie dem Mohren, aber er haßte ihn nicht, weil er gleich ihm grausam und stark war. Man bemerkte eines Nachts unvuhige Bewegung bei den Kabyien, eine Patrouille sollte ihre Absichten erkunden. Cantaro, der vielleicht hoffte, so seine Unsicheren los zu werden, bestimmte Johannes, Hussein und einen schwächlichen Utrcchier dazu. Als die drei sich eben bis an den Linien der Kabyien vorgcschlichen hatten, grisscn diese rechts und links von ihnen an. Sie eilten zurück, aber eine Flintenkugel warf auf halbem Wege den Utrcchier nieder. Im Lager, aus dem die Kompanie sich zurück gezogen hatte, nahmen die Kabylen Johannes und Hussein in Empfang. Johannes wehrte sich nicht. Hussein schmetterte ein Kolbenhieb zu Boden, Eine Stunde später stürmte die Kompanie das Lager und warf die Kabylen wieder zurück. Die beiden Gefangenen nahmen die Flüchtenden mit. Man brachte sie vor den Kriegsrat des Stammes. Eine Stimme war: sie mußten sterben, nur Uber die Art der Marter beriet man. Hussein, der seltsam sanft zu Johannes war, versuchte ihn zu retten. Er habe, rief er wilüstolz den haßblitzenden Alten zu, nie einem Kabylen ein Leid getan. Es half nichts, Johannes war, das war schlimmer als alles, ein Abtrünniger, der Roche des Pro pheten war er verfallen. Die letzte Nacht brach an. Ein grausamer Tod stand ihnen bevor, dem sanfken Mohren-Christen und dem verschütten, wilden Kabylen. Ten ohnmächtigen Wutlauten des im tiefem Kerkergewölbe hin und hertrottcnden Hussein begegnete Johan nes mit milden Worten des Trostes und des Hofsens. Und selt sam! Je mehr die Hoffnung auf Rettung schwindet, je mehr ösfnet Hussein des Mohren Worten sein Ohr. Er wird nachdenk lich, er verstummt, er geht langsamer hin und her. endlich bleibt er vor Johannes stehen, und nun hockt er neben ihm nieder. Unruhe, Angst und Grimm — wo seid ihr hin? Hussein lauscht frommen, unglaublich schönen Worten, die Lehre reinen Chri stentums strömt in eine arme verirrte Seele und glättet den Sturm der Verzweiflung. Nun brechen ungestüm Fragen von Husseins Lipen. ruhig und heiter fließt ihm die Antwort aus dem Munde des Mohren. Der Geist des Herrn ist über ihn gekommen, und das dumpfe Maucrlock wandelt sich zum Prunk saal des Evangtiums Tie Stunden eilen wie getragen von den Flügeln der Erzengel. Ter wilde Hussein ward zum williger Hörer, der willige Hörer zum ob ungeheuerer Missetalen zer- knirscht Nicdergebrochcnen. dem zerknirscht Nicdergebrochenen flöht himmlisches Hossen den Balsam der Gnade ein. himmlisches Hassen Mündel in jauchzende Gewißheit. Johannes segnet das Wasser im Tonkriiglein, und gläubig strahlenden Auges empfängt Hussein durch ihn die Taufe. Ein Widerschein des anbreckenden Morgens erfüllt mit rosigem Schimmer das tiefe Gewölbe. Das sechste Bataillon im ersten Regiment der Fremden- Icgion hatte um zehn Uhr das Käbylcnnesi gestürmt. Als gegen Mittag der Sergeant Cantaro seine Gesangcne» zum Richtplatz treiben ließ, vernahm er Stöhnen aus einem Winkel des Platzes. Man forschte nach. Unter einer Felsplalte lagen, gräßlich ver- stümmelt, noch lebend Johannes und Hussein. Tie Legionäre hoben mit Anstrengung die Platte von ihnen ob. Cantaro stand und schaute auf die beiden Opfer, im grausamen Antlitz war ein leiser Zug der Befriedigung, der stach seltsam ab von dem seligen Frieden, der aus den Gesichtern der beiden Geguälten lag. Man holte den Priester, man fragte die Todwunden, sie konnten nicht mehr antworten. Johannes nur machte ein Zeichen. Man deutete es richtig und stützte seinen Oberkörper empor. Er ver suchte mehrmals, die Arme zu heben. Dann half man ihm nach, und mit Aufbietung aller Kraft machte er ein Kreuz über Hussein und zweimal die Geste des Segnens, gegen Cantaro erst und dann zu dem Häuslein gefangener Kabylen hin, die. vor ihm zu sammengetrieben. stumps der Vergeltung harrten. Dann glitt er sterbend zurück und empfing mit Hussein dos letzte Sakrament. Der Segen des Mohren traf Cantaro wie ein Keulenschlog. Seine Knie wankten, uick fahle Blässe überzog mit eins sein be- stürztes Gesicht. War cs möglich ihn — ihn hatte er ge segnet? Dieser Mohr — unfaßbar — ein echter Christ! und er — — und er ?? Erschüttert von der Wucht dieses Erlebens ivandelte sich der harte Sinn des Cataloniers. und als bald danach seine Dienstzeit ablicf, erneuerte er den Vertrag nicht wieder, sondern kehrte noch Tarragona zurück und stellte sich zur Verbüßung der Strafe tür dort einst begangene Missetat freiwillig dem Gericht.
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