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Nummer 31 — 26. Jahrgang «mal wöch. Bezugspreis: für Januar 3— cinschl. Bcslellgelo. Anzeigenpreise: Die Igesp. Petitzeile 80^, Stellengesuche 20 L. Die Petitreklamezeile. 89 Milli meier breit. 1 Ofsertengebühren für Selbskücholer 80 L. bei Uedersendung durch die Post außerdem Portozuschlag. Einzei-Nr. 10 Sonntags-Nr. IS L. Geschästlicher Teil: Zolles Fohmann.Drestzen. SöcklWe Sonntag, 7. Februar 1926 Im Fall« höherer Gewalt erlisch» sed« Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigenaufträgen u. Leistung v. Schadenersatz Für undeuts. u. d. Fern ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ver antwortung. Unverlangt eingesandt« u. m. Rückporto nickt versehen« Manuskripte werd nicht aufbewahrt. Sprechstunde d Redaktion ö bis 6 Uhr nachmittag». Hauptschriftlelt.: Dr. Joseph Alhert, Dresden vwgfdeiiung ktepsistur ^utbevskrung /h. Voniei» vlesäen 8tiebIener8tr.S Kuk 43477 voMmung 4» elchllst stelle, Druck nnd Perlaai Saronia- »»chdnl-ker-, «mbH.. Dresden-«. IS. HoibeinNr-,f,»4S. gcmrul 3L722. Poslllbecktonto Dresden I47S7 Bmistonlo: Bnssenqe » Tkrinlckie. Dre-den. Für christliche Politik und Kultur tstedaktl»« der «ii<bstlck,en VoIkSztNon« Dresden-«llsl. IS, HolbeinUrntze 46. gernrn« 8272» und 83KB. ^,-7 ^b/Zb/zc/e,//^, Z Die Liste -er Verbannten Das Gewattsyftem des italienischen Faschismus „Produktiv" Von Dr. Fronober, Neiße. Wenn inan heute mitten im Wirtschaftsleben steht, ist man leicht versucht, der herrschenden Wirtschaftsrich tung ebenso sklavisch zu dienen, wie etwa die elegante Welt der Mode. Doch wie die Mode die Menschen nicht glücklicher m cht. so auch nicht jede Wirtschaftsrtchtung. Es bleibt daher für den, der für das Volk arbeiten will, die Frage offen: darf man dem herrschenden Wirtschafts geist folgen oder nicht? Zwar wird man sich ihm nicht vollständig entziehen können, wie man ja auch die Mode nicht vollständig auf den Kopf stellen kann, aber man wird bestrebt sein müssen, den Wirtschaftszeitgeist dem Wohle des Volkes anzupassen. Wir leben heute im Zeitalter der Plutokratie, trotz aller Demokratie. Geld regiert die Welt und um die „Wirtschaft" dreht sich alles. Selbstverständlich hängt das materielle Wohl des Menschen viel von einem geord neten Wirtschaftsleben ab. Aber da ist noch nicht gesagt, daß unsere heutige Geldwirtschaft ein geordnetes Wirt schaftsleben darstellt. Nahrung, Wohnung und Kleidung sind die Hauptbedürfnisse des Menschen. Sie allen zu beschaffen, muß das Ziel jeder Wirtschaft, aber auch die treibende Kraft für jede Wirtschaft sein. Das ist in un serem materialistischen Zeitalter nicht der Fall. Vielfach sind für die Wirtschaft beute Genuß- und Gewinn sucht die treibenden Kräfte. Zwar sagt man das nicht offen, und man hört es auch nicht gern, aber unsere Plutokraten wissen dem Dinge schon eine schöne Ver zierung zu geben. So sagt man, daß man das deutsche Volk wieder arbeiten und sparen lehren will. Zu dem Zwecke will man die Wirtschaft von den Inflations methoden und -Geschäften befreien. Der Gedanke ist nicht übel, und das Wort: „Weg mit allem, was nach Inflation riecht", wurde zum Schlagwort. Als Allheilmittel zur Verbesserung der Wirtschaft hat Reichsbankdirektor Schacht die Krediteinschrän- nung eingeführt. Nicht übel. Aber er ging nicht konse quent genug vor. Er beschränkte den Kredit nur zeitlich, nicht den Sachwerten entsprechend. Damit schuf er die Kreditnot auf der einen Seite und die Geldflüssigkeit auf der anderen, Zeichen, die als Gesundung der deut schen Wirtschaft gedeutet werden. Nun, die Million Arbeitsloser lehrt bereits etwas anderes. Denn unter der Schachtschen Devise macht die deutsche Wirtschaft schwere Fehler. Noch nie ist ein Instrument so hoch gebracht worden, das einst lombardische Geldver leiher nicht immer zum Wohle der Mitmenschen erfanden und gebrauchten, als heute der Wechsel. Nach Schät zung laufen heute in Deutschland Wechsel im Werte von 11 Milliarden! Der alte, brave, biedere Schuldschein ist verschwunden, an seine Stelle ist der kurzfristige, rigorose Wechsel getreten Warum? Treu und Glauben sind in den letzten Jahren gründ lich zerstört worden. Deshalb sucht man den ge setzlich weit besser geschützten Wechsel als Schuldurkunde. Dann ist der Wechsel kurzfristig. Das will man eben. Das Geld soll ständig umgesetzt werden. Je größer der Umsatz, um so höher der Verdienst. Eine gewöhn liche Schuldurkunde zu 10 Prozent bringt nicht das ein, was ein Wechsel zu 10 Prozent einbringt. Denn beim Wechsel tritt heute mindestens dreimal im Jahre eine Zinses z insverzins ung und vierinalige Umsatzspesen berechnung ein. Daran läßt sich mehr verdienen, wie bei der gleichlautenden einfachen Schuldurkunde. Ist das aber nicht eine InfIations - Methode? Ganz gewiß, bei richtigem Licht besehen! Einst konnte man nicht oft genug „Sachwerte" umsetzen. oder wie der Volksmund sagte: „schieben": heute macht man dasselbe mit dem Gelde. Damals sah es der Staat mit Mißfallen an, heute tut er's selbst durch seine Reichsbank. Ihr folgen die Großbanken, nebst der Reichsbank die allmächtigen Geldbesitzer. Sie kamen zwar auch etwas geschwächt aus der Inflation, nun suchen sie schnell wieder aufzuholen, was sie ver loren haben. Auch sie machen nur kurzfristige Geldgeschäfte. Ganz wohl ist ihnen dabei noch nicht. Schnelle Geschäfte verlangen einen kostspieligeren Ap parat. Eine Autofahrt ist eben teurer, als ' eine mit einem Pferdegespann, dafür führt sie aber schnell zum Ziel. Schließlich wälzt man die hohen Spesen auf den Kreditnehmer ab, und so kommen die hohen Zinssätze der Banken heraus, die den Reichs bankdiskont in der Regel um das Doppelte über steigen. Rom, 0. Februar Von unserem italienischen Korrespondenten Der italienische Faschismus schreitet in seiner Sucht, nach altrömischen Rezepten zu handeln, auf seinem unheil vollen Wege der Gewalt unaufhaltsam vorwärts. Das neueste ist ein regelrechtes Aechtungsgesetz gegen die emigrierten italienischen Politiker, ganz nach dem Muster altrömischer Vor bilder, mit Verbannung der Person und Konfis zierung der Vermögen. Die erste Reihe der durch dieses Gesetz betroffenen Italiener enthalt Namen, die ganz Europa nnd nicht nur dem italienischen Volke gehören. Die Verfolgung dieser Personen bedeutet an sich schon eine Besudelung der Zivilisation. An der Spitze steht der große Europäer Francesco Saverio Nitti, früherer Finanzminister und Ministerpräsident des Königreichs Italien. Ihn dürfte die Maßnahme ganz empfindlich treffen, da er auch seines beträchtlichen Vermögens verlustig erklärt wurde. Die Heimat hat er schon selbst freiwillig ausgegeben und dem Schrei ber dieser Zeilen seinen Schwur bestätigt, nie mehr den Boden seines heißgeliebten Italien zu betre ten, solange dort die brutale Gewalt Orgien seiert. Der 58jährige Mann, ein glänzender Journalist und politischer Schriftsteller, wird sicherlich nicht brotlos werden. Er ist jetzt ans der Schweiz zu ständigem Aufenthalt nach Paris übersiedclt. wo sich im Laufe der Zeit ein Astil der vertriebenen Demokratie gebildet hat. Russische, ungarische und italienische Demokratensührer haben sich dort niedergelassen. Nitti und Karo lyi stehen jetzt an ihrer Spitze. Der zweite ans der italienischen Proskriptionsliste ist Don Lnigi Sturzo, der einstige Führer und Organisator der italienischen katholischen Volkspartei, eine Figur vom Zuschnitt eines Savonarolci. ein Vorkämpfer christ licher Ethik, sowie sozialer Gerechtigkeit nnd ein Mann sittlicher Größe und umfassenden Wissens. Jahre hindurch hat Sturzo dem Ansturm der Faschisten standgehalten. Seit aber Mussolini Füh lung mit dem Votlkan sucht — allerdings ohne bisher ernste Gegenliebe zu finden — wähnt er seine Rolle in Italien für aus- Ei» solches Verfahren gilt als produktiv. Am Augenblick gemessen, ist das unbedingt richtig. Genau so produktiv haben die Schieber der Inflation auch ge arbeitet. Daher darf man sich nicht wundern, wenn Privatleute das Beispiel nachahmen und ihr Geld auch kurzfristig anlegen. Das bringt auch augenblicklich mehr ein als Hypotheken oder Pfondbriefe. Das sind nur die Dummen, die ans die Inserate von Geldinsti tuten hereinfallen und ihr Geld als longfristige Spar einlage hingeben. Die genannten Institute sind sicher klüger. Auch mit diesen, langfristigen Gelde treiben sie kurzfristige Kreditgeschäfte. Soll man überhaupt die deutsche Spartätigkeit in den Dienst dieser Kredit geschäfte stellen? Nein, mit allen Mitteln müssen sie unterbunden werden. Das zeigt die heutige Agrar- kris e. Sie kam u. a. auch dadurch, daß der Landwirt Wechsel unterschrieb und dadurch seine Ernte im voraus verkaufte. Die Industrie kam zu ihrem Gelde und der Landwirt zu billigen Getreioovreisen. da er die fälligen Wechsel nach der Ernte bezahlen nnd deshalb um je den Preis verKalifen mußte. Wie der Land wirtschaft, so ging es vielen kleineren Betrieben. Sie mußte» am Verfallstag Geld um jeden Preis beschaf fen. So zehrte der Wechsel on dem Betriebskapital. Schließlich mußte der Betrieb verkleinert und die Arbei ter entlassen werden. Der Staat und die Banken hatten aber „produktiv" georbeitet. Doch jedes Unrecht rächt sich. Der Staat muß seine angcsainincllen Schätze an die Arbeitslosen hergeben, und die Großbanken haben die Aussicht, ihr flüssiges Geld nur noch mit großem Risiko ausleihcn zu können, wenn mit der Zeit die kreditwür digen Abnehmer immer mehr schwinden. Solche Erschei nungen deuten sich heute bereits an bei dem täglichen Gelde kurz vor Ultimo. Geld ist nur ein Tauschmittel, an dem allein sich ein solider Besitz nicht aufbauen läßt. Ein gesunder Wirtschaftsfaktor muß Mobilien und Immobilien haben. Darum ist auch nickt der Staat zu verstehen, wenn er gespielt. Er hat sich schon vor Jahresfrist in ein englisches Klo ster zurückgezogen und ist seither nur einmal in einer Versamm lung italienischer Emigranten in Paris öffentlich aufgetreten, in der er allerdings in aller Schärfe gegen den Faschismus Stellung genommen hat. Der dritte der Verbannten ist der Universitülsprosessor Gaetano Salve mini, der erst kürzlich Italien verlosten hat. nicht ohne vorher gegen die Verletzung der Gewissenssreiheit durch den Faschismus energisch protestiert zu habe». Salvemini ist der italienische Historiker der französischen Revolution und der Propagator der Ideenwelt des großen italienischen Frei heitskämpfers Giuseppe Mazzini, der zuerst den Begriff der Vereinigten Staaten von Europa geprägt hat, der heute schon landläufiger geworden ist. Erleichtert wurde ihm sein Schritt, seine Heimat zu verlassen, durch die Berufung an die Londoner Universität, ivo er seit einigen Wochen als außer- ordentlicher Dozent Vorlesungen abhält. Die Schändung der italienischen Nation durch die Maßnah inen des Faschismus kommt aber erst recht zum Ausdruck durch die Aechtung Nicciotti Garibaldis. Sein Name ist zu eng mit der Wiedergeburt Italiens verknüpft, und wenn es möglich war. daß ein Garibaldi in seinem 79. Lebensjahre landesverlustig erklärt wird, dann muß man fast an der lebenden Generation Italiens verzweifeln. In allen größeren Städte» des Königreichs stehe» die Denkmäler Giuseppe Garibaldis, an dessen Seite Nicciotti in Italien und Frankreich kämptte. und nur darf der Träger der italienischen Einigungsidce nebst dem jun gen General Peppino Garibaldi nicht mehr den Boden seiner Heimat betreten. Unter den weiteren Geächteten, einem Dutzend Politiker und Journalisten, sind noch zu nennen Ambrio, der Begrün der der syndikalistischen Bewegung in Italien, der einst zu den Freunden Gabriele d'Annunzios zählte, als dieser gerade sein Herz für den Sozialismus entdeckt hatte: ferner der gewesene Chefredakteur des sozialistische» „Avanti", Pietro Ne uni. Bald wird eine zweite Liste Geächteter folgen. Ein eigenes Komitee hat bereits die Zusammenstellung begonnen. mit „produktiver" Erwerbslosenfürsorge nur produktive Arbeiten im modernen Sinne als schnell Erfolg bringende Arbeiten unterstützt. Die Millionen, als Kredit für den sparsamen Mittelstand gegeben, würden weit mehr Hel- fen als alle Bodenbewegungen, die man zurzeit mit pro duktlver Erwerbslosenfürsorge unterstützt. Ata» hat früher den auf weite Sicht disponierenden Kaufmann ge lobt, heute den, der Tages- oder höchstens Monats- geschäfte macht. Ein Hausbau ist natürlich heute uu produktiv, weil das in ihn gesteckte Geld erst in Jahren zurückgezahlt wird und sich nicht zu so hohen Zinssätzen verzinst, als das produktive Geldgeschäft. H. Ford in Amerika denkt allerdings etwas anders darüber Menschen, deren Arbeitskräfte nickt pfleglich behandelt werden, — und in unzulänglichen Wohnungen kann das >Venn msn rum ersten ^sle eine 8oncie>versnsts>tung ccie eine Veiks IVorke anküiiiligt, so muö msn eUvss Lesoncteres bieten und bringen ctesbslb vvLinenci clieser unserer ersten Uieiken Uioeke ve!t!e>V»ren in gsnrliervorrggencien, decv3brten()usIitLien »u iikseessekvnil dllligvn prsioon 1-uc>«ig Ssck L (o. 0»«k»I»«rLir.1S IS S