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Sächsische Volkszeitung : 14.02.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-02-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192602145
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19260214
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19260214
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-02
- Tag 1926-02-14
-
Monat
1926-02
-
Jahr
1926
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 14.02.1926
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I7ntSrLia1tunE uncl wrLSH MMMMUMMUMMMMMiMMMMMMMMMMMMMMMWWWWMWMMMMm Aus dem Wege zur goldenen Stadl Von Rich. A. Bermann*) Francisco de Grellana, sagt der Weltenbummler, schwimmt aus dem großen Strom, in diesem Urwaldschisf, das er geschaffen h«s. seiner Sehnsucht entgegen, da entschwindet ihm das gesuchte Ziel. Die geträumten Länder muß er erreichen, das ist die Strafe seiner Tat. Durch das Land des grenzenlosen Waldes segelt die Bri gantine. stromabwärts, auf weiten Wasserflächen, dann wieder in dem Gewirr der Inseln; nie nimmt der Strom ein Ende; aus dem tiefen, nassen Wald rinnen ihm von allen Seiten die Bäche zu, Flüsse, Ströme. Tausend tiefe Pforten führen hinein in die dicke Mauer -er Bäume, in das dunkle Dickicht, in dem die Ge- Heimnisse sin-, die Gefahren vielleicht, vielleicht Gold und alle Schätze. Tagelang sieht das Auge nur den zackigen Umriß der grünen Gipfel, und die niedere Sandbank an der Bachmündung, auf der, starr und gräßlich, die großen Echsen liegen, faulenden Baumstämmen gleich, grauenhafte gepanzerte Fabelwesen. Die ser düstere Wald, der aus dem Inneren -er Ebene gleichsam überquillt, in den Fluß herein, der tausend wirre Wurzeln ins Wasser taucht, tausend tote Stämme in die Wellen preßt, der Pilot fürchtet sie, der Wald ist überall, er erfüllt die Inseln, Fetzen von ihm schwimmen den Strom hinab, unheimlich anzu sehen: der Matrose im Mastkorb sieht Wald und Wasser, und Wasser und Wald: in engen Kanälen kommt das Schiss ihm so nah, daß Aeste wie drohende Arme nach den Rudern zu langen scheinen: ganz stumm ist er oft, wie tot, er lauert, wartet schwei gend: dann, wenn die Sonne gesunken ist, wird er voll von ge heimen Stimmen, von einem tiefen Brüllen, das jedes Herz er schüttert, und von dem Dengeln einer ungeheuren Sense, die über den Häuptern zu hängen scheint, unsichtbar, und jede Nacht von neuem gewetzt: wer wetzt eine Sense in diesem tiefen Wald? Oh, diese Nächte, wenn lautlose Wetter sich plötzlich ergießen, Blitze und Donner, und die großen Güsse des jählings verschleier ten Himmels! So ist das Land, fremd, fürchterlich. Es ist voll von Lebe»: große Vögel streichen über das Schiss: die bunten Papageien zanken in den Zweigen; im Gebüsch raschelt es, knistert; manch mal sieht man die Grimassen der Affen; die Luft ist voll von der fliegenden Pest, den Mllckenschwärmen; im Wasser blitzen große Flossen auf: von dem glühenden Himmel ausgebrütet, wimmelt tausendfältig die Kreatur; und mitten in diesem Ueberfluß lauert der Hunger. Diese weißen Menschen, die aus einem fernen und anderen Land sind, die durch -lese Landschaft wie fremde Fabelwesen schwimmen, auf dem großen, plumpen Schiss, das die Straßen des Stromes nicht kennt, die Untiefen, die versenk ten Klippen, nicht die tausendfältige Gefahr der treibenden Stämme, der Insel», die plötzlich geschwommen kommen — diese große, unerhörte Maschine aus anderen Breiten, die Brigantine, das Ungeheuer, scheucht alles Wild vor sich her; dies« gepanzer ten Männer, mit Stiefeln an ihren Füßen, vertreiben mit ihrem Getrampel die Beute, wenn sie sie am Ufer suchen; diese Arke busen. die man durchs raschelnde Gesträuch schleppen muß, dann mühsam auf die eingerammte Gabel legen, mit einer Lunte be rühren, wie soll sie den Affen aus den Aesten holen? Auch die Armbrust ist langsam und plump. Die Männer stapfen fremd und hilflos durch diesen Wald, den sie hassen und der sie haßt; und die Fische im Wasser wissen sie nicht zu sangen. Zueinem taugen sie: Krieg. In diese Urwaldwelt ist etivas Neues gekom men; Jaguar und Iacare. Katze und Krokodil haben bishe» hier alle Tiere zu töten gewußt, und der Indio, der nackte, braune Waldmensch mit Blasrohr. Pfeil und steinerner Lanzenspitze, hat den Jaguar erschlagen und den Iacare, Katze und Krokodil. Aus R. A. Bermann, Auf dem Wege zur goldenen Stadt, herausgegeben vom Volksverband der Bücherfreunde, Wegweiser- Verlag, Berlin. Jetzt ist etivas Neues in diesem Wald, ein neues Raubtier, das stärkste: das Tier:, das den Indio tötet, das seinen vergiftete» Pfeil aufzufangen, mit stählerner Axt seine steinerne zu zer- schmettern weiß. Es ist. als ob in dies Land der Jaguare auf einmal Löwen gekommen wären, über die See geschwommen, ein kleines Rudel, und unüberwindlich. Sie blicken erstaunt um sich, in einem Wald, der nicht der ihre ist; sie wissen das Zebra zu jagen, und nicht den Tapir. Dann plötzlich ducken sie sich zum Sprung: sie haben das Dorf der Indianer gewittert. So jagen die Spanier Orellauas die Indios. Hie und da, an den Usern des großen Stromes, gibt es die Hütten der braunen Waldmenscheil. Omaguas und Ticunas, Iuris und Conibos, wer unterscheidet sie? Der Stamm ist nackt, -er webt aus Baumwolle slattern-e Mäntel; die Iuris tätowieren sich einen Kreis um den Mund, die Ticunas ein Oval um die Linie, die zu den Ohren geht, und die Passes stechen sich Male unter die Augen, und ihre Frauen sind schön und schlank, und die Carcauas sind Zwerge, die Curiguerres sind riesengroß: viele Sprachen sprechen sie: die einen fressen das Herz des toten Feindes, seinen Kopf lassen sie schrumpfen, vernähen die Lippen, hängen sich das gräßliche Ding um den Hals; die anderen sind mild und sanft, kennen viele Künste des Friedens, um ihre großen Hütten wächst Mais und Manjck, wieder andere sind Fischer, die mit Pfeilen die großen Fische zu treffen wissen; am Slbend bringen die jungen Jäger Papageien ins Dorf, Truthü- Sl. Franziskus Ein Lied bist du, aus Gottes Mund gesungen. Ein sanftes Flötenspiel in wildem Sturme, Ein Führer, leuchtend aus der Wahrheit Turme, Ein Sieger, der den höchsten Preis errungen. Du hast in Liebe Gottes Welt umschlungen. Hast dich geneigt der Schöpfung bis zum Wur Aus eitlem Glanz und siind'gem Zeitensturme Zu Seraphsgluten dich emporgeschwungcn. Im Feuer,vagen deiner heil'gcn Schmerzen. Greift gottsroh deine blut'ge Hand zur Leier. Mit Silvester Sonne hälft du hehre Feier. Frau Armut singt dir bräutlich ihre Lieder. Komm, Bruder Franz, neig' dich zur Erde nieder. Senk' deiner Regel Geist in unsre Herzen! Theodor Gr öppe r. ner und Nabelschweine: in diesen Weilern kann man gebrannte Weine finden und Tümpel, in denen sie fette Schildkröten aus- bewahren; und scheue, braune Weiber. Das alles gehört dem Spanier rechtmäßig, er weiß cs. Hat nicht der Kapitän von den Kaziken feierlich Besitz ergriffen, unter der entrollte» Fahne, im Namen des Königs? Der Escribauo hat es ausgeschrieben! Und erst geht alles gut. Diese Stämme des obersten Stroms, Omaguas und Irimaracs, sind sanft und fügsam und ihre Dörfer sind voll von guter Nahrung. Sie haben von dem großen Inka gehört, der hinter den Bergen wohnt, und daß die Fremden Söhne der Sonne sind, glauben sie. Sie bringen Schildkröten, Papageien, Maismehl lind die berauschenden Getränke, die ihre Weiber aus Maniok machen, indem sie die Wurzel kauen, den Speichel dann gären lassen. Ein Häuptling heißt Aparia oder heißt sein Stamm so; den Spaniern scheint er irgendein mäch tiger Fürst zu sein, sie nennen ihn Groß-Aparia, er wird ihr Freund und ein guter Basall des Königs, und in seinem Dorf richtet der Pater ein Kreuz auf; hier rasten sie wochenlang, und ihre Haut wird wieder voll und straff: am Sonntag predigt der f gute Domninkaner. Francisco de Oreilana gewährt den Soldaten die Rast; er selbst ist voll Ungeduld, möchte weiter. Weiter, weiter; hier ist er nun. hier ist alles wirklich und gewöhnlich, ei» wenig weiter ist das Wunder, der Traum, dos goldene Land. bald, um die nächste Biegung -es Stromes, gewiß, wo der nächste Nebenfluß mündet! Schon kann Orellana die Indios selbst befragen, er hat von der Tupi-Sprache Worte gelernt, die von den Stämmen des Waldes viele verstehen. Ja. sagt Aparia, ja. sagen Parayta, Dyniara, es gibt ein gutes Land, ein paar Tagereisen weiter. Ja, solch einen gelben Stein, wie ihn der Sohn der Sonne am Finger trägt, den findet man, viele gibt es, in dem Land! Sie sagen ja, und würden ja sagen, fragte er nach goldenen Elc- fanten, oder ob der ostindische Großmogul am nächsten Fluß residiert. Manchmal mag Orellana zweifeln, so wie er plötzlich an Miguelitos Reden ziveiselt, manchmal. Tann wieder liegt er lässig in einer Hängematte zwischen zwei schattigen Bäumen, und Aparia hockt auf dem Boden vor ihm. in der Art der Mauren und Türken: Aparia ist groß, er trügt eine bunte Krone von Federn, die kostbarer scheinen als Edelsteine, und einen Schurz aus Iaguarfell, und Ringe aus Asfenkuochen um alle vier Knö chel; aber er hat eine eiserne Axt in der Hand, Orellauas Ge schenk: nie trennt er sich inehr von dem Schatz, in dem ein gro ßer und mächtiger Zauber steckt. Ta hockt er nun, mit bunten Farben beschmiert, und spricht, und aus einmal, von selbst, sag: er von dem große», großen Dorf, das im Walde ist. bevölkert mit Zaubermenschen, die selbst Söhne der Sonne sind, ganz weiß im Gesicht, und der launische Eurupira hat ihnen oie Schätze des großen Sumpfes gezeigt: ihre Schildkröten lind sehr soll, ihre Maniowurzeln dick wie ein Arni Ta springt der Kapitän aus der Hängematte. Den Namen dieser großen goldenen Stadt ivill er wissen, und wo sie ist! Ta streckt Groß-Nparia den Arni aus. daß das knöcherne Armband klappert: Stromabwärts, so viel« Sonnen, wie Finger sind und mehr. Wo ein schwarzer Fluß in den gelben Strom mündet und die Wässer sich nicht s mischen. Viele Sonnen. Ein großes Tors, tette Schildkröten, j Der Name des Dorfes ist: Manoa. An diesem Tage ist Orellana froh: er gibt Bejehl, das Schis! sorgfältig zur Fahrt zu rüsten. Eine WschenplrmSersi Ein politischer Hund Max heißt er. In schweren Zeiten ein verstehender Freund! Ei» Blick in seine tiefen Augen: Und alles ist wieder gut . . . Max hat vier Beine, zwei ganz vorn und zwei ganz hinten. Da zwischen dehnt sich die Schlummerrolle seines zottigen Körpers. In der Dämmerung sieht cs aus, als gehöre dieses seltsame Tier zur Klasse der Tausendfüßler, kann man sich dach kaum vorstel len, daß so etivas Langes auf vier kurzen, krummen Beinchcn dahcrschlcicht. Max ist schon in seiner Struktur ein Spmbol der Uebergangszeit Wenn er nämlich mit seinen zwei Vorder pfoten auch schon ganz im Neuen steht und mit seiner gesunden feuchten Schnauze den Geist von Locarno liebkost, so kann cs doch sein, daß seine beiden Hinterbeine noch ganz im Alten ver strickt sind mitsamt den, dazugehörigen Schwanz. Man könnte demgemäß sämtliche politischen Parteien auf ihm sinngemäß au- bringen, wenn auch nicht gerade von links nach rechts, so doch von vorn nach hinten Mar ist durch und durch ein politischer Hund, worauf schon sein schlangenartiger Gang hindeutel. Noch klarer wird das aus seiner ganzen Entwicklung. Sein Stamm baum ist zwar nicht berühmt, da Max mutmaßlich in einem Zi- geunerivagen das Licht der Welt erblickt Hot. Da aber über seiner Wiege das Wort hallte: Freie Bahn dem Tüchtigen, trat er mutig seine Lebensreise an. Und siche, es gelang ihm schon bald, in ein gutes Pfarrhaus iiberzusicdeln, was gewiß ebenso einen frommen wie klugen Instinkt verrät, heißt es doch: Unter dem Krummsta'o ist gut leben. Als noch die M-litürzeit in Blüte Dollaire und die Religion Von Voltaire ssein eigentlicher Name ist bekanntlich Franz Arouet) weiß jedermann, daß er als der Vorkämpfer des Unglaubens in der Zeit vor der großen Revolution in Frank reich gilt, daß auf ihn zum guten Teil die Mode' zurückgeht, das Christentum mit Spöttelei und verächtlichem Witz abzutun. Zwei neue französische Studien Uber die Stellung Voltaires zur Religion werfen nun ein neues Licht auf den „Patriarchen von Fernen", auf den Vater des neuzeitlichen Christentumhasses. Diese beiden Studien stammen von Andre Bellesort und dem Jesuiten Alexander Brou. Beide haben über die religiöse Ent wicklung desjungen Voltaire so bemerkenswerte Feststellungen gemacht, die kurz wiedergegeben zu werden verdienen. Der außerordentlich talentvolle Knabe war schon im Eltern hause ungünstigen Einflüssen ausgesetzt. Da ver kehrten neben leichtlebigen Priestern Frauen von sehr zweifel haftem Rufe. Ein Bruder Voltaires, mit dem er schon als Knabe in fortwährender Feindschaft lebte, neigte zu Exzessen im religiösen Leben. Er wurde später Iansenist und litt an epilep tischen Konvulsionen. Schon stark gegen die Kirche und den Glauben eingenommen, trat der Knabe in die berühmte Iesu- itenanstalt zu „Louis le Grand" ein, wo er 7 Jahre ver brachte und seine Fähigkeiten entwickelte, wo es aber seinen Er ziehern nicht gelang, ihn tief für die Religion zu ergreifen. Nach seiner Heimkehr ivarf er sich so ungezügelt den Leidenschaften in die Arme, -atz der Vater sich genötigt sah, ihn aus Paris zu ent fernen und in eine Provinzstocht zu schicken. Später ging Voltaire nach Holland und England und wandte sich der literarischen Tätigkeit zu. Nach Paris zurück gekehrt, wurde er bald der Mittelpunkt -er jungen, ungläubigen Dichtergeneration. Er hatte bald riesige Erfolge zu verzeichnen. Wegen seines maßlosen Ehrgeizes hatte er aber in kurzer Zeit ebensoviel« Feinde als Bewunderer. Der Madame Pompadour gelang es nicht, Ludwig XV. für ihn zu geivinnen. Der Monarch normte ihm gewisse unhöfische Witzeleien nicht vergessen. End lich nahm Voltaire die Einladung Friedrichs II. an und ging nach Berlin. Doch zerwarfen sich die zwei Freigeister ebenfalls bald. Da Voltaire unterdessen durch seine literarischen Erfolge und seine geschäftlichen Unternehmungen ein reicher Mann ge worden war, konnte er sich in der Schweiz das Schloß Fer ney kaufen, wo er dann ein Vierteljahrhundert hindurch wie ein König thronen durfte, und von ,vo aus er seinen literarischen und brieslichen Feldzug zur Ausrottung und Lächerlichmachung des lchristentums unternahm. Er wandte seinen ganzen Scharfsinn und seinen tödlichen .Witz auf, um die Auffassung zur Mode zu machen, die Verachtung des Christentums gehöre zu den Erfordernissen eines aufgeklär ten, höheren Geisteslebens. Um Beweise kümmerte er sich wenig. Er schrieb die offenkundigste» geschichtliche» Unwahrhei ten nieder, ohne den leisesten Versuch zu machen, einen Beweis zu erbringen Den Mangel an Gründen suchte er einerseits durch eine glänzende Sprache, durch Geist und Witz, anderseits durch unablässige Wiederholungen zu ersetzen. Doch gerade hierin l>at er Schule gemacht, und feine Methode ist bis heute die be liebteste Arbeitsweise fast aller Kirchcnseinde in der Presse und in der Literatur geblieben. „Lüget, meine Freunde, lüget nur beherzt zu! Es bleibt immer etwas hängen." Das war einer seiner Wahlsprüche. Sein Christenhaß offenbarte sich in der grellsten Weise darin, daß er Jahre hindurch seiner Namens- unterschrift die Buchstaben E. I. hinzusügte, oft auch ausgeschrie ben: Ecrasez l'infame! Zertretet die Schamwürdige! Darunter verstand er die Religion des Christentums. In dieser Kampsesweise besteht die eigcntliclie reli- gionsgeschichtliche Bedeutung Voltaires: denn leine Gedanken und sogar seine Werke selbst haben sett einem halben Jahrhundert aufgehört, die Geister zu beschäftigen. Alan liest ihn heute nicht mehr viel. In welch einer groben, die geschichtlichen Beweise des Christentums gänzlich übersehende» Weise er sich über die größten Tatsache» der Weltgeschichte zu äußern pflegte, verrät ein Beispiel aus seinem „Examen important". Frage: „Wie hat man sich Jesus und seine Jünger vorzustellen?" Ant wort: „Jesus ist ein ungeschlachter Bauer aus Judäa, aber zwei fellos eines geweckteren Geistes als die meisten seiner Gaugenos- seu Ohne allem Anschein nach lesen und schreiben gelernt zu haben, wollte er eine Sekte gründen und sie den Sekten der Rekabitcn, Iudaiten, Therapeuten, Essener, Pharisäer, Saddu zäer, Herodianer entgegenstellen; denn das ganze armselige Judentum zerfiel damals in Sekten. Ich habe ihn schon mit unserem Fox (einem Engländer, verglichen, der wie «r ein Un wissender aus der Hefe des Volkes war, aber gleich ihm eine manchmal gute Moral verkündete und besonders die Gleichheit aller Menschen predigte, was ja dem Pöbel stets schmeichelt. Beide sprachen ganz offen gegen die Priester ihrer Zeit. Da aber die Gesetze in England doch menschlicher waren als in Judäa, so konnten die Priester Fox gegenüber nur erwirken, daß er öffent lich an den Pranger gestellt wurde, mährend die jüdischen Priester Pilatus zwingen Konnten, Jesus geiseln und dann an einem Gal gen in der Form des Kreuzes hängen zu lassen, als einen Skla venschurken. Ob man ihm die Hände und die Füße angenagelt habe, ist ein« Frage ohne Bedeutung. — Tie Jünger blieben Ihrem aufgeknüpsten Patriarchen ebenso treu wie die Quä ker dem ihrigen am Pranger. Nach einiger Zeit taten sie sich Zusammen, um die Nachricht auszustreuen, ihr Meister sei im geheimen aufcrstanden. Den besessenen Jude» fiel es nicht schwer, ihre Träumereien de» Verrückten und Blöden glaubwür dig zu machen, die auch schon andere nicht minder verrückte Träume gläubig hingenommen halten." Ueber die B«-Kehrung des heiligen Paulus schrieb er: „Ich nehme Himmel und Erde zu Zeugen (wenn man von Himmel und Erde im »»eigentlichen Sinne sprechen kann), daß es niemals eine wahnsinnigere, fanatischere, ekelhaftere, schrecklichere und verachtungswürdigere Legende gegeben hat." Ueber die Kirchenlehre sagte Voltaire: „Eigentlich hatten weder die Juden noch Jesus irgendein Dognw. — Die Christen wurden 15 Jahrhunderte hindurch in der blödesten Bar barei gehalten, da es der Bücher ivenige gab (!) und die Theo logen um so schlauer waren. Mau wagte de» Leuten alles zu sagen, die alles zu glauben fähig ivarcn. Das sind die Grund lagen der christlichen Religion. Es ist nichts da als ein Netz von plattesten Niederträchtigkeiten, die vom gemeinsten Gesindel er- fuiiden wurden. Es ist eine ununterbrochene Kette von Fäl schungen." Es gibt solcher Stellen zahllose, Sie nachgedruckt zu werden verdienten. Es gibt sogar Hunderte von anderen, die anständi gen Lesern überhaupt nicht dargeboten werde» können. Und doch konnte ein solcher Stil, eine deratig nichtssagende Anpöbelung, ohne auch nur einen Schein von Belegen oder Beweisen, in be wußtem Widerspruch mit tausendfach historisch begründeten Tat sachen, nicht nur die Zeitgenossen blenden, sonder» auch noch eine Schule gründen, die bis heute nicht aufgehört hat, in ähnlicher Weise gegen das Christentum zu eifern! Voltaire ivar aber dennoch kein Gottesleugner. Er glaubte an einen Gott, allerdings nur im Sinne der Deisten. Für ihn ivar Gott der Uhrmacher, der das Uhrwerk der Welt gemacht habe, sich weiter aber nicht viel darum kümmere. Reli- gion hielt er für gut und angebracht bei dem ungebildete» Volke, also als eine Art sozialer Versicherung der Neichen und Vornehmen gegen die Revolution von unten. Wie schwach aber diese Versicherung war, das hätte Voltaire in der französischen Revolution sehen können, wenn er noch etwas länger gelebt hätte. Er hatte in seinem übermütige» Haß gegen Christus ge- schrieben, er wolle der Welt zeigen, daß ein einziger Monn dazu genüge, um das Christentum auszurotten, das durch 12 ungebil dete Fischer ausgebrcitct worden sei, daß einer ausreiche, um es zu bewerkstelligen, daß in einigen Jahrzehnten kein Gebildeter mehr au Christus glauben würde. Heute steht es gerade in Frankreich mit seiner Prophezeihung sehr schlecht, aber auch in den übrigen Ländern. Gerade die gebildeten Kreise ivenden sich immer mehr dem gläubigen Christentume zu, während der platte Unglaube, der Voltairianismus, ein Vorrecht der am wenigsten gebildeten Volkskreise zu werden beginnt.
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