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Nummer 82 — 25. Jahrgang -mal wöch. Bezugspreis: sür Januar 3.— kinschl. Besteüqelo. Anzeigenpreise: Die Igelp, Petitzeilc 80^, Stellengesuche 20 L. Die Petitreklamezeile. 89 Milli meter breit. 1 -K Offertengebühren für Selbstabholer 29 bei Uebersenüung durch die Post außerdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 19 Sonnlags-Nr. 18 «Z. GeschästUcher Teil: IolefFohmann.Dresden. SöckMe Dienstag, 9. Februar 1926 Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Mrpslichlung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigenaufträgen u. Leistung v. Schadenersatz Für undeull. u d. Fern- ruf übermitt Anzeigen übernehmen mir keine Ver antwortung. Unverlangt eingesandte u. m. Rückporto nicht versehene Manuskripte iverd nicht aufbewahrt. Sprechstunde d Redaktion 5 bis 8 Uhr nachmittags. Hauptschristlelt.: Dr. Joseph Albert. Dresden. volrsMung «»tchitke stell«, Tr,«» „ud Perlaa, Saroii,-. Liichdrncker-t GmbH.. Dresden-«. >«, Ho>beinstris,e«6. genmil 3272S. Poslktzeckkonlo Dresden «4787 VaiiNonto: «ofsenae «t gkrlnlckie. Dre-dcn. Kür christliche Politik und Kultur «edatt«»» der Sii»M»«u MolkS,e«»nn<, Dresden-«Usl. Ist. Holbeinstr«!,« 4«. geriiru« 32724 und 83538. Die Brennergrenze Mussolini verschieb! die Diskussionsbasis in -er Sii-ttroler Frage Rom, 8. Februar, Mussolini beantwortete am Sonnabendabend in der Kammer eine Interpellation Farinaccis, der im Anschluß an die Rede des bayrischen Ministerpräsidenten um Aufklärung über den gegenwärtigen Stand der deutsch-italienischen Be ziehungen gebeten hatte. Der Ministerpräsident erklärte: „Die faschistische Regierung hat während dreier Jahre eine gemäßigte Politik gegenüber Deutschland be folgt. Nach langwierigen Verhandlungen haben wir im ver gangenen Jahr einen Handelsvertrag mit Deutschland abge schlossen. den ersten seit Versailles. — Die jetzige antiita lienische Kampagne in Deutschland ist ebenso ab scheulich wie lächerlich. Abscheulich, denn sie wird begründet mit einer Zusammenstellung von Lägen, lächerlich, weil sie glaubt, auf das faschistische Italien Eindruck zu mack>en, das sich von niemand beeinflussen läßt." Als Lügen bezeichnete Mussolini die Nachrichten über die bcasichügte Entfernung des Denkmals Walters v. d. Vogelweide in Bozen, über die Zerstörung des Denkmals der Kaiserin Eli sabeth in Brixen, über das Verbot der Weihnachtsbäume und über die Entschuldigung der italienischen Regierung wegen der studentischen Demonstration in Rom. Er fuhr dann fort: „Rach all diesen Lügen spricht man schließlich vom Doyllott der ita lienischen Waren uns des Reiseverkehrs nach Italien. Wir sind ein gastfreundliches Volk und wollen es auch bleiben, selbst wenn wir sehr primitiv gekleideten Individuen durch die Straßen unserer herrlichen Städte wandeln sehen. Niemand darf sich der Täuschung hingeben, Italien durch Boykott seines Reisever kehrs gewinnen zu können. Auf einen Boykott würden mir mit einem Boykott im Quadrat und auf Repressalien mit Re pressalien in der dritten Potenz antworten". Die Rede des bayrischen Ministerpräsidenten, der bon den brutalen Vergewaltigungen in Südtirol gesprochen harte, bezeichnet«: Mussolini als unerhört vom diploma tischen Standpunkt aus, und erklärte: „Wir machen im oberen Trentiuo eine Politik d e r I t a l l a n i t ä t. Wir betrachten es als eine Gewohnheit italienischer Staatsbürger, „Rücksichtslose Derrüchlheil« Die englische Presse bedauert den „Unter- vff! zierstv n" Mussolinis. London, 8. Februar. Die heutigen Morgenblätter behandeln die Rede Musso linis ausführlich. Der diplomatische Korrespondent des „Daily Telegraf" betont zunächst, daß die Berliner Regie rung an dem Konflikr unschuldig sei. Sie habe in der entgegenkommendsten Weise auf eine heftige Note Musso linis geantwortet, doch hätten die Bemühungen um Wieder herstellung des Friedens sich nicht als erfolgreich erwiesen. Die anellierten Oesterreicher würden gezwungen, Italiener zu werden und ihren deutschen Familiennamen zu ändern. Ihre kulturelle Rechte auf Schule und Erziehung würden negiert oder eingeschränkt. In all diesen Fragen hätten die Minderheiten zweifellos sehr gute Gründe zur Beschwerde. Der Friedensvertrag sehe indessen keinerlei Sicherheiten für die Minderheiten in dem Großstaat Italien oder Deutsch land vor. sondern nur in den Donau- oder Balkanstaaten. Luther und Stresemann lehnten es ab, sich in einen diplo matischen Zwist mit Rom einznlassen. Mussolinis Drohung, die italienische Flagge noch weiter nach Norden zu tragen, könne man :n den Kanzleien der Staaten und des Völker bundes nicht übersehen, wenn es sich dabei nicht lediglich um eine Redewendung handeln sollte. Andernfalls würde das eine Drohung der territorialen Integrität Oesterreichs bedeuten, daß ein Mitglied des .Völker bundes und unbewaffnet sei. Von den liberalen Blättern beschäftigt sich in erster Linie „Westminster Gazette" mit dem Problem Deutschland und Italien und bedauert die Reibung, die sich infolge des angedrohten Boykotts ergebe. Sie sei verursacht worden durch Mussolinis rücksichtslose Verrücktheit ln seiner neuen Rolle als Imperialist und verlange eine sofortige Untersuchung über die Rechtslage der deutschen Bevölkerung in Tirol. Ein Berliner Bericht des „Daily Telegraf" bedauert die Aeutzerungen Mussolinis angesichts der Tatsache, daß Italien in diesem Augenblick die Rolle der Garantiemacht für den französisch-deutschen Sicherheitspakt übernommen habe. Ataliei», das neutral zu sein vorgebe, zeige eine» feindseligen Geist gegenüber Deutschland, der sich nicht erklären lasse. Selbst wenn Deutschland durchaus im Un- indem wir dort unsere Gesetze zur Geltung bringen. WaS Italien tut, ist nichts im Vergleich zu den Maßnahmen an derer Staaten, z. B. in der Tschechoslowakei oder in dem Oesterreich vor dem Kriege." — „Ich glaube, daß der Angel punkt dieser ganzen Kampagne die Naturerscheinung der Unwissenheit ist. Ich glaube, eine ganze Anzahl Deutscher kennen uns nicht genügend. Sie halten sicht lich noch bei dem Italien von vor 30 Jahren. Sie wissen nicht, daß Italien 42 Millionen Einwohner auf dem begrenzten Raum seiner Halbinsel zählt, und daß 9 oder 10 Millionen Italiener noch im Auslande wohnen. Aber vor allem kennen sie nicht unsere Mentalität, n»ser Gefühl der Würde, unsere Moralität und vor allen Dingen kennen sie nicht das faschistische Italien." Der Ministerpräsident faßte schließlich seine Darlegun gen folgendermaßen zusammen: „Ans alle Fälle lege ich Wert darauf zu erkläre», daß die italienische Politik in der südtiroler Frage nicht um eine Linie abgehen wird. Tatsächlich kann man vom Brenner sagen, daß er die Grenze darstellt, die von der unfehlbaren .Hand Gottes festgesetzt wurde. Die Deutschen im oberen Etsch tal stellen nicht eine nationale Minderheit dar, sondern eine ethnische Reliquie. Es handelt sich um 180 000 Seelen, von denen mindestens 80 000'' lediglich dentschge- wordene Italiener sind, die zurückzngewimien wir versuchen werden. Wir werden diesen Italienern ihre italienischen Familiennamen zurückgeben, die sie nach dem Ausweis der Kirchenbücher früher gehabt haben. Die anderen 100 000 sind der letzte Nest aus der Zeit barbarischer Invasionen. Dem deutschen Volk aber sagen wir: Das faschistische Volk will Dir ein auttichtiger Freund sein, aber ein Freund, der Dir in die Augen sieht. Das faschi stische Italien kann, wenn es nötig sein sollte, seine Triko lore über den Brenner hinanstragen, aber niemals wird es sie niderholen." Am Schluß der Rede wurde Mussolini von den Abge ordneten der Kammer eine begeisterte Kundgebung dar gebracht. recht und Italien durchaus im Recht gewesen wäre, hätte Mussolini kein Recht, Deutschland gegenüber einen solchen U n t e r o s f i z ! e r s t o n anzuwenden. Die Pariser Rechtspresse hetzt Paris, 8. Februar. Die Pariser Presse geht durchweg aus führlich auf die deutsch-italienische Spannung ein. Der „Gau- lois stellt den Worten Mussolinis den To» der Pariser Regie rung gegenüber. Mussolini habe in Deutschland nur verwirrte Proteste hervorgerusen, während das Reich i» der Frage der Truppcnbestände im Rheinlande eine ganz andere Sprache geredet habe. Dar „Avenir" schreibt, Mussolini habe das Ziel des Reiches begriffen. Das wichtigste Ziel Deutschlands sei die Berichtigung der Breniiergreiize. s!s Mussolini habe dieses Manöver zum Stillstand bringen wollen Das linksstehende „Oeuvre" meint im Gegensatz dazu, es sei das Schicksal Mussolinis, das ihn seine Rolle als Diktator zu Worten und Taten verurteilte, die zu ernsten 'Verwicklungen führen könnten. Ddn Kipfel erreicht Gustav Herue, der in der „Victoire" schreibt: Haben unsere italienischen Freunde zu begreifen be gönne». warum es ihr direktes persönliches Interesse ist. daß wir die mititärische Grenze am Rhein und an der Schweiz, und von der Schweiz bis nach Holland halten, sei cs auch nur. um cs dem französische» Heere zu gestatten, die Boches an dem Tage, on den Rockschößen festzuhaltc», wenn Kroßdeutschland, ver stärkt durch Oesterreich, ein großes Heer »ach dem Brenner oder vielleicht sogar nach Rom entsenden wiilk Münchener Stimmen München, 8. Februar. Da die Hetzrede Mussolinis in der italienischen Kammern die unmittelbare Antwort auf die letzte Rede des bayrischen Ministerpräsidenten Dr. Held war, sindet sie in der Münchener Presse ein besonders starkes Echo. Die „Münchener Neuesten Nachrichten" stellen fest, daß sich Italien ein urdeutsches Gebiet angeeignet habe, worüber keine faschisti sche Fanfare hinmegtäuschen könne. Die Italiener, die 210 000 Deutsche ihrem Staate eunnrleiöt hotten, solllen auch die Kritik vertragen, die man im deutsche» Volke der Behandlung unserer deutschen Stammesbrüder zuteil werden lasse. — Die „München- Augsburger Abendzeitung" kennzeichnet die Rede Mussolinis als eine Herausforderung des deutschen Volkes und sieht in seiner Drohung, die italienische Fahne auch auf die andere Seite des Brenners zu tragen, mir eine» erkühlen An laß, im Süden auf der Wacht zu sein Praktische KrmdrverkerpoMik! Von beachtenswerter Seite wird uns aus dem Reichstag geschrieben: Durch das gesamte deutsche Handwerk geht zurzeit eine Protestbewegung von seltener Kraft und Geschlossenheit. Der auf Beschluß des Rumpfkabinetts Luther am 10. Dezember 1925 dem Neichswirtschafts- rat und dem Neichsrat zugeleitete Entwurf eines Ge setzes zur Förderung des Preisabbaues wird namentlich in seinem Abschnitt iv als ein einseitiger Schlag gegen die Innungen empfunden, der in seiner vollen Auswirkung zur Zerschlagung der in 25 mühe vollen Jahren anfgebauten Organisationen des Hand werks führen muß Mit elementarer Gewalt ßcnnmt diese Auffassung in zahlreichen Kundgebungen des Hand werks zum Ausdruck. Sie beherrschte auch die 8. Voll versammlung des Neichsverbandes des deutschen Hand werks am 12. Januar d. I in Berlin. Die Frage, ob die neue Negierung sich zu dein scbars angegriffenen Gesetzentwurf bekennen und ihn aufrecht- erhalte» werde, stand natürlich im Bordergrund des In teresses und gab der ganzen Angeleaenheit eine g r o ß e politische Bedeutung. Schon gelegentlich der Tagung des Neichsverbandes äußerte der deuischnatio- ncile Abgeordnete Dr. W i e n b e ck im Gefühle des Los- gelöstseins von jeglicher Verantwortung: „Wenn nur jetzt ein« neue Reichsreqierung bekommen und sie vertritt Viesen Gesetzentwurf, dann hat sie unter Umständen sofort eine alte gute Gelegenheit, sich kräftig zu blamieren". Gegen d'esen Versuch, die frühere Negierung, in der die Deutschnationasen das für dieses Gesetz verant wortliche Nsichswirtschaftsministeriuin besetzt hatten, von jeder Schuld an dem Feldzug gegen das Handwerk frei- zusvrecken, wandte sich sofort der nachfolgende Redner, Nc'chstogsobocordneter Esser (Zentrum) mit folgenden Feststellungen: „Ich mache darauf aufmerksam, daß dieser Gesetzent wurf eui Erbstück aus der alten Regierung ist und daß er uveifestos gezeugt worden ist zu einer Zeit, als diele Regierung so aussah. wie sie bei Bildung des Kabi netts L-ttßsr zusammengesetzt war. Wer damals für das R e i ch s w i r t s ch a s t s m i » i st eriu m v e r n »t - ltch ivar brauche ich hier nicht festzu-stetten" Wenige Tage später kam im Reichstag eine d e u t s ch n a t i o n a I e I n t e r p e I l a t i o n heraus, die an dis Reichsregierung die Fragen richtete, ob sie bereit sei, den Gesetzentwurf vom lO. Dezember 1925 zuriick- zuziehei!, die noch bestehenden notwirtschastlichen Ver ordnungen außer Kraft zu setzen. Vorschläge über eine Kreditstützung zugunsten des Handwerks zu machen usm. Um zu beweisen, daß es sich hier wieder einmal um echt deutschnationale Spiegelfechtereien handelte, ivie sie dieser Partei in der glücklich wieder erreichten Verantwortungslosigkeit eigen sind, muß man seine Er innerungen etwas zurücksch-wcifen lassen. Es war in der 56. Sitzung des Reichstages vom 9. Mat 1925, als der Sprecher der Teulschnationalen, Abg. Mentzel, unter Hinweis auf die Besetzung des Neichswirtschaftsmini- stcrinms mit seinem Parteifreunde dien ha ns von einer vielverheißenden „Wendung" in bezug auf die Beur teilung der Handmerkerfragen seitens der Reichsregie rung sprach. Damals standen sämiliche in der neuesten denlschnationolen Interpellation gestellten Forderungen mit Ausnahme der ersten bereits zur Besprechung. Der Reichstag trat in seiner übergroßen Mehrheit dafür ein. Trotzdem ist unter der bis zur zweiten Hättte des Oktober währenden Ministerlätigkeit des Herrn Nenhaus in der Verwirklichung dieser Forderungen so wenig ge schehen. daß die Dcutschnationalen jetzt wieder inter venieren müssen. Ihr Borstoß ist also eine herbe Kritik an der Wirksamkeit des eigenen Parteigenossen. Uebrigens hätte in der Interpellation auch gefragt werden dürfen, wie es möglich ivar, daß das Reichsfinanzministerium im Som mer 1925 ohne genügende Deckung durch den Reichstag eine hohe Bürgschaft zugunsten einer wirtschaftlichen Veamtenorganisation übernehmen konnte, die nachher in bar eingelöst werden mußte, um den Zusammenbruch dieses Verbandes zu verhindern. Das hätte die Deutsch nationalen aber zu sehr aufs Glatteis geführt, da der für diese Geschickte verantwortliche Reichsfin a n z m i u i- ster ebenfalls einer der ihrigen war. Aber auch an dem Pr e i s a b b a u g e s e tz ist das deutschnationale Ministerium Neuhaus nicht unschul dig. Am 8. August 1925 prägte der Reichskanzler Dr. Luther bei seiner Rede zur Begründung der Zollvor lage das Wort von der notwendigen Preisscnkungs- alition. Sehr bald wurde bekannt, daß die ersten gesetz geberischen Maßnahmen zur Durchführung dieser Aktion das Wort von de» kleinen Dieben, die gehängt werden, und den großen, die inan laufen läßt, bestätigen würde. Es war ein Schritt kluger Vorbeugung, daß die Spitzen- Echo in der