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Nummer 60 - 25. Jahrqam, -mal wöch. Bezugspreis: slir Januar 8.— elnschl. Beslellzelo. Anzeigenpreise: Die Igesp. PeNtzetle »SH. Stellengesuche 80 L. Die Petitreklamezeile. 89 Milli- meler breit, t -K Osfertengebühren für Selbstabholer SO bei Uebersendung üurch die Post außerdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 19 L, Sonntags-Nr. 18 s- lSeschästiicher Teil: IockefFohmann.Dresden. SiicklMe Sonnabend, 6. Februar 102( Im Faste höherer Gewalt erlischt jede Verpslichtun; auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigenausträgn u. Leistung v. Schadenersatz Für undeutl. u. d. Fern ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ver antwortung. Unverlangt eingesandte u. m. Rückporto nicht versehene Manuskripte werd. nicht aufbewahrt. Sprechstunoe d Redaktion 5 bis 6 Uhr nachmittags. Sauptschriftleit.: Dr. Iokeph Albert. Dressen volfszeuung Wetchäftsftelle, Truck und Merlan r Saxonia. Wichdriickeroi GmbH.. DreSden-A. IS. HotbeinslrotzelS. pernrul S272L. PosNrKeckloHo Dresden 147«? BanNoiilo: Bossenae Si ?rt«>sck>-, Dre'den. Für chriilliche Politik und Kultur Redaktla« der EiichNlche» MolkSzeituna Dresden-MIII. IS. Holbelnllratze «S. Fernnü S27L und SSM. Me verzögerte Ratifikation Der Derkrag von Locarno ist bisher nur von Deutschland ratifiziert worden Das Reichsfondergerichi Bon Oberstaatsanwalt S ch u l t e - Breslau, M. d. R. In eitlem früheren Aufsatz über die Auseinander setzungsfrage hatte ich bereits aus die Bedenken hin gewiesen. unter Ausschluß des Rechtsweges den Ländern die Ermächtigung zu geben, die Auseinandersetzung mit den Fürstenhäusern zu regeln. Ich hatte darauf hingewiesen, daß dann die Länder be vollmächtigt würden, in eigener Sache zu entscheiden, daß eine einheitliche Regelung bei der parteipolitisch durchaus verschiedenen Einstellung der Länder illusorisch gemacht, daß die Unruhe und Erregung in die Regie rungen und Parlamente der Länder getragen und der Zeitpunkt der endgültigen Erledigung der ganzen Frage ins Ungewisse vertagt sein würde. Ebenso bedenklich wäre es, von einer reichsrecht lichen Regelung abzusehen und damit die ordent lichen Gerichte mit der Entscheidung dieser außerordentlichen Fälle auch weiterhin zu belasten. Schon die bisher ergangenen Urteile der ordentlichen Gerichte haben Aufehen erregt und harte Kritik ln der Öffentlichkeit erfahren. Die Schuld daran liegt nicht an den Gerichten, die gebunden waren, nach dem all gemeinen Reichs- und Landesrecht zu entscheiden und die der einzigartigen, hauptsächlich öffentlich-rechtlichen Seite dieser Auseinandersetzungsfragen nicht oder doch nicht ausreichend Rechnung tragen konnten. Man könnte meinen, den Schwierigkeiten zu ent gehen, wenn man materiell-rechtliche Regelungen für die Auseinandersetzungen mit den Fürstenhäusern durch Neichsgesetz schaffen, die Entscheidung aber den ordent lichen Gerichten überlassen wollte. Die Bedenken gegen die ordentlichen Gerichte wären damit nicht behoben. Es handelt sich bei den Fürstenhäusern um eine bestimmte Gruppe van Personengemeinschaften und bei den Streit gegenständen um solche einer besonderen Art. wie sie sonst im allgemeinen für die ordentlichen Gerichte nicht nr Frage kommen. Bei einer wahrhaft gerechten Ent scheidung kann das sonst für die ordentlichen Gerichte maßgebende allgemeine Reichs- und Landesrecht nicht unverändert und ungekürzt zur Anwendung kommen, und so würden diese Gerichte mit ihrer Aufgabe, das allgemeine Recht anzuwenden und auszulegen, in Wider streit geraten, da sie an die oben erwähnte reichsgesetz liche Sonderregelung gebunden sein würden. Der Gedanke, ein Sondergericht zu schaffen, und zwar ein einziges für das ganze Reich im Interesse einer einheitlichen Rechtspre chung, lag daher nahe. Der Artikel 105 der Reichs verfassung verbietet zwar Ausnahmegerichte. Sonder gerichte verbietet er aber nicht, d. h. Gerichte, „die für- gewisse, vom Gesetz im voraus und allgemein bezeichnete Personengruppen oder Streitgegenstände an Stelle der sonst zuständigen — ordentlichen — Gerichte treten". (Vergl. Kaufmann. Untersuchungsausschuß und Staats gerichtshof, Seite 53.) In den Gewerbe- und Kaufmanns gerichten. in den Jugendgerichten und in den Wucher gerichten. um einige Beispiele zu nennen, haben wir bereits Sondergerichte. Daß der Gedanke, die Auseinandersetzung mit den Fürstenhäusern einem Sondergericht zu übertragen, nicht nur im Parlament als die geeignete Lösung der Frage nach der entscheidenden Instanz angesehen wird, mag aus dem beachtenswerten Aufsatz: „Die Aus einandersetzung mit den ehemaligen Fürstenhäusern", den der Oberverwaltungsgerichtsrat Professor Dr. Koell- reuter in der „Deutschen Iuristenzeitung", Heft 2 vom 15. Januar 1926, veröffentlicht hat, entnommen werden. Er sagt dort zu dieser Frage: „Trotz aller grundsätzlichen Bedenke» gegen alle Arten von Sonder- und Ausnahmegerichten wird man im vorliegen den Falle diese Bedenken desl-alb zurückstellen können, weit es sich um einen festLegrenzten Kreis eigenartig gestalteter und nie miede »kehrender Fälle lMidelt und man durch die richtige Ausgestaltung der Reichsschiedsistelle alle Garantien einer, um den hier treffenden englischen Ausdruck zu ge brauchen, „fairen" Erledigung dieses Fragenkomplexes schaffen kann, so datz keine Gefahr der Erschütterung des allgemeinen Rechtsbewußtseins zu befürchten ist." Der Sitz des Neichssondergerichtes soll aus prak tischen Erwägungen im Mittelpunkt Deutschlands liegen. Es ist darum Leipzig als Gerichtssitz gewählt morden. Dieser Ort ist auch deshalb besonders geeignet, weil es wünschenswert und der Bedeutung des Reichssonder gerichts entsprechend erscheint, dem höchsten richterlichen Beamten des Deutschen Reiches, dem Reichsgerichtsprä sidenten, den Borsitz zu übertragen, und weil als sein Stellvertreter aus rein praktischen Gründen ein Senats präsident vom Reichsgericht in Aussicht zu nehmen ist. Das Gericht soll in einer Besetzung von neun Mitglie dern entscheiden. Von ihnen sollen — abgesehen vom Vorsitzenden und seinem Stellvertreter — sechs Mit glieder aus der Zahl der Richter der ordent lichen Gerichte und der Verwaltungsgerichte des Reiches und der Länder vom Reichspräsidenten er- London, 5. Februar. In der „Daily News" wird ansgestthrt, es sei eine entmutigende Tatsache, daß nach all der Aufmerksamkeit, die auf die bereits im Dezember Unterzeichneten Locarnv- verträge gerichtet wurde, diese wichtigen Abkommen von verschiedenen Mächten, die sie abgeschlossen hätten, noch nicht ratifiziert wurden, mit Ausnahme Deutschlands. Großbritannien sei, wie es heißt, bereit, zu ratifi zieren, warte jedoch auf Frankreich. InItalien seien die Verträge vor der Kammer gewesen, jedoch noch nicht vor dem Senat. Angesichts der Forderung, daß Deutsch land Mitglied des Völkerbundes werden müsse, bevor Locarno in Kraft treten könne, würde Deutschland im Rechte sei», wenn es seinerseits verlangte, daß der Ver trag von Loearno ratifiziert würde, bevor es seinen An trag auf Aufnahme in den Völkerbund stelle. Der Berichterstatter bemerkt, glücklicherweise wünsche Deutschland nicht, diese Entschuldigung für die Verzöge rung vorznbringen. Andererseits sei, selbst wenn niemand daran zweifle, daß der Vertrag in nicht allzu ferner Zeit ratifiziert würde, der geringe Eifer, der von seiten der vertragschließenden Staaten mit Ausnahme Deutsch lands an den Tag gelegt werde, es eine etwas entmutigende Folge nach dem offiziellen VegeisterungSausbruch, der den Abschluß sowie die Unterzeichnung des Vertrages be gleiteten. Zweifel am Dawes-Plan I. M. Key »es, der bekannte enlglisihe Finanz- Wissenschaftler, beschäftigt sich in der „Times" ausführlich mit dem Bericht über das erste Jahr des Dawes-Planes. Dabei kommt er zu folgenden Schlüssen: Die erste Phase des Dawes-Planes hat Deutschland die ihm so notwendige Atempause gegeben und ihm gestattet, seinen Kredithnnger durch Ausländsanleihen zu stillen. Von dieser Entwicklung hat natürlich die deutsche Arbeiter schaft Nutzen gehabt. Die gefährliche Arbeitslosigkeit, die wir jetzt erleben, ist meiner Meinung nach die erste Episode der zweiten Phase, nämlich des Versuches, Preise und Löhne durch ein System der Krediteinschrünkung künstlich Iserabzndrücken. Ich kann mir Vörstetten, daß diese Methode teilweise den Erfolg hat, die Löhne zu senke», das Tran's- serkomitec braucht aber nicht nur ».Vorige Löhne, sondern naimt werden. Das jeweils in Frage kommende Land bzw. Fürstenhaus soll je ein weiteres Mitglied Vorschlä gen dürfen, dessen Berufung durch den Präsidenten des Reichsgerichts zu erfolgen hat. Um die Unabhängigkeit aller ernannten Mitglieder des Reichssondergerichts zu gewährleisten, werden sie für unabsetzbar erklärt. Eine Besetzung von nenn Mitgliedern wird aus dem Grunde notwendig sein, um die Arbeitsfähigkeit des Reichssondergerichts und die Entwicklung einer konstan ten Rechtsprechung zu gewährleisten. Als Sachbearbeiter und Berichterstatter scheidet naturgemäß der Präsident des Gerichtes und scheiden auch die beiden Mitglieder aus, welche als Vertreter des Landes und des Fiirsten- bauses mitzuwirken haben. Letztere wechseln auch ihrer Person nach in jedem Falle der Auseinandersetzung Es bleiben also für den gedachten Zweck nur sechs Mitglie der übrig, bei der Fülle des zu bewältigenden tatsäch lichen und rechtlichen Materials die Mindcstzahl. die über haupt in Frage kommen dürfte. Da diese sechs Mit glieder aus dem Kreise aller deutschen Richter genommen werden können, ist die Auswahlmöalick>keit überaus groß. Man wird annehmen können, daß die Ernennung der Mitglieder durcb den Reichspräsidenten auf Vorscblng des Reichsjustizministers und des Reichsinnenministers er folgen wird. Das Reichssondergericht soll ausscbließlich z u st ü n - dig sein für alle nach schwebenden Auseinandersetzun gen zwischen den Ländern und den vormals regierenden Fürstenhäusern mit Einschluß der sogenannten Deposse- dierten und mediatisierten Familien, wie sie im Artikel 57 und 58 des Einsührungsgesetzes vom Bürgerlicken Gesetzbuch aufgeführt werden. Es scheiden also an sich zunächst diejenigen Auseinandersetzungen aus. die bereits durch ein nach der Staatsumwälzung 1918 erlassenes Gesetz, rechtskräftiges Urteil, Schiedsspruch, Vertrag oder Vergleich endgültig erledigt sind. Wenn über die Auslegung einer die Auseinander setzung betreffende rechtskräftige Entscheidung Streitig- auch einen stark entwickelten Ausfuhrhandel, und ich zweifle sehr, ob die Methode der Krediteinschränkung diesen dos» pelten Erfolg zeitigen kann. Keynes schließt: Wir wollen hoffen, daß die verant wortlichen Männer in Deutschland weiter ihre Nerven be halten und einen ruhigen uird vernünftigen Kurs ver'otgen. Hierzu gehört, daß die Kreditlage soweit als möglich er leichtert wird, und datz man sich bei den Alliierten noch für einige Zeit mit mäßigen Erfolgen vegnügi. Wie die Dinge heute liegen, ist Deutschland der wirtschaftliche Ge fahrpunkt Europas. Daß die Annahme des Daw«.v-> anes von vornherein mit schwersten Bedenken verbunden war, ist von seiten des Zentrums von Anfang an betont worden. Daß ,eiue An nahme trotzdem notwendig gewesen ist, daran zweifelt auch KehneS nicht. Das Dawes-Abkommen selbst gibt nun die Möglichkeit, seine Bestimmungen abzuändern. Es ist sehr be grüßenswert, daß durch Artikel wie die von Keynes die öffentliche Meinung in den alliierten Ländern darauf vor bereitet wird, daß mit einer Abänderung gewisser Bestim mungen des DaweS-Abkoimnens gerechnet werden muß. Churchill über Deutschlands Leistungen Das englische Sparprogramm London, 5. Februar Baldwin teilte im Unterhanse mit, daß die Frage der interalliierten Schulden nicht im Laufe der Debatte über die Antwortadresse erörtert werden wird. Chur chill teilte in Erwiderung auf eine Anfrage mit: Der Gesamt betrag der im Jahre 1925 vom Generalagenten der Reparationen empfangenen Daweszahlungen betrug 1055 595 009 Goldmark, von denen dem Konto des Britischen Reiches 199 710 000 Gold mark überwiesen wurden. Hiervon werden ungefähr 0 Millionen Pfund Sterling der Anteil des Vereinigten Königreiches und ungefähr eine Million Pfund Sterling der Anteil der anderen Teile des Britischen Reiches sein. Der Nest fällt der Bestreitung der Besetzungskosten und der belgischen Kriegsschuld zu. Wie die Blätter berichten, hat Churchill Sie Absich!, Er sparnisse !m Betrage von 10 Millionen Pfund in Finein kom menden Budget dnrchzusetzen. Der Ausschuß, der da' Ersparnis- Programm durcharbeiten sollte, ist zu dem Ergebnis e-ner solchen Ersparnismöglichkeit gekommen. Der Erste Lord Admiralität kündigte heute in einer Rede im Konstitntionsk.-b ebenfalls große Erstrarnisse und Abstriche im Marinct-tt an. Auch im Hceresetat werde» große Ersparnisse erwartet. keiten entstehen, sv kann ebenfalls nur bas Reichssou- dergericht angerufen werden. Das Gericht ist ferner zuständig für Nichtigkeits- und Nestitutionsb.lagen, sowie für Klagen ans Aufhebung eines die Auseinandersetzung betreffenden Schiedsspruches. Ferner Können Ausiver- tungsansprüche nur bei den, Neichssondergericht gellend gemacht werden. Das Sondergericht hat auch über Streitigkeiten zu entscheiden, die daraus entstehen, daß eine Partei die Nichtigkeit eines Vertrages oder Vergleiches geltend macht, der über die Auseinandersetzung abgeschlossen ist. Sind bei einer Auseinandersetzung bestimmte wie derkehrende Leistungen festgesetzt worden, und verlangt eine Partei mit Rücksicht ans eine wesentliche Verände rung der Verhältnisse die anderweitige Festsetzung, so ist ebenfalls das Reichssondergcricht zur Entscheidung be rufen. Endlich ist die Zuständigkeit des Reichssonder gerichts noch für diejenigen Streitigkeiten begründet, die zufolge der iu den 88 6 und 7 getroffenen Regelung ent stoben und die an anderer Stelle zu behandeln sein werden. Um eine Verschleppung der Auseinandersetzung zu verhüten und in absehbarer Zeit der damit unvermeidlich zusammenhängenden Unsicherheit und der Oneile der Erregung der öffentlicben Meinung ein Ende zu machen, sind eine Reihe van Ausschlußfristen vorgesehen, inner halb deren Anträge auf Einleitung eines Verfahrens und Klageerheluing angebracht werden müssen, um die Zu ständialieit des Reichssondergerichts zu begründen und den völligen Verlust der Ansprüche zu vermeiden. Dies die formalen Bestimmungen über Sitz und Zusammensetzung des Reichssondergerichts, über seine Zuständigkeit und über die Anrnsnngsfristen. Die den Kernpunkt des ganzen Gesetzes bildenden, dem Reichs sondergericht für seine Verhandlungen und Entscheidun gen mitzugebenden Richtlinien sollen in einem weiteren Aufsatz besprachen werden