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Nummer 22 - 25. Jahrgang «mal wöch. Bezugspreis: siir Januar 3.— Zl einschl. Bestellgels. Anzeigenpreise: Die Igesp. Pstitzelle I9Z, Stellengesuche 29 L. Die Petitreklamezeilr. 89 Milli meter breit, 1 Offertengeüühren für Selbstabholer 29 «Z. bei Uebersenüung durch die Post außerdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 1« L, Sonntags-Nr. IS L. Geschästlicher Teil: I e f F o h m a n n, D r e s h e n. Siickfllwe Donnerstag, 28. Januar 1926 Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Berpfllchtunt auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigenaufrrägen u. Leistung v. Schadenersatz. Für undeutl. u. d. Ferm ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ver antwortung. Unverlangt eingesandt« u. m. Rückport« nicht versehen« Manuskripte werö. nicht aufbewahrt Sprechstunde v. Redaktion S bis 6 Uhr nachmittag» Sauvtlchriftlelt.: Dr. Joseph Ashert, Dresde« volrsreLümg wrschitftcftelle, Truck und Brrlaa > Saxonia. Buchdnicker.t Sm»H., Dresden-«. IS. HolbeinstratzelS. Fenirul 32722. Postscheckkonto Dresden I17V7 Bankkonto: Bnfsena« ck gsrivsch«, Dresden. Für christliche Politik und Kultur Rrdaktiou de« Sächsisch«» «Volk«,«Nun« Dresden-Altsl. IS. Holbemstratze 48. gernrn« 3272» und 38838. 5 Faschistische Politik zek. Triest, 26. Januar. Die italienische Presse tut jetzt recht aufgeregt dar über, daß sich die deutsche Oeffentlichkeit nicht mit der Unterdrückung der Deutsch-Südtiroler abftnden mag. Jeder Tag meldet irgendeine neue Zwangsmatznahme gegen die Etschtaler Bevölkerung und die deutschen Kom mentare dazu quittiert der faschistische Blätterwald mit Echimpforgien. Es ist nur das politische Reinlichkeits gefühl der nichtfaschistischen Welt, die sich immer wieder über die Sprache der Fcrrinacci und Genossen empört. Die Wortführer des italienischen Gewaltregimes betonen jetzt auch immer recht nachdrücklich die Großmut Musso linis, der sich, von ganz großen Erwägungen ausgehend, dazu entschlossen habe, das Abkommen von Locarno mit zu unterzeichnen. Dafür aber ernte er nur den panger- manischen Undank. In Wirklichkeit setzt sich allerdings ihre faschistische Großzügigkeit über die allbekanntesten Tatsachen hinweg. Die durchschnittliche Oberflächlichkeit der italienischen Zeitungsleser mag ja dabei auf ihre Rechnung kommen, die übrige Welt aber weiß, daß Benito Mussolini sich erst dazu entschloß, nach Locarno zu kommen, als das Fehlen seiner Unterschrift auf dem historischen Dokument seine internationale Be tz e u t u n g s l o s i g k e i t a l l z tl kraß hätte in Er scheinung treten lassen. Das deutsche Volk ist dem Duce also keinen beson deren Dank schuldig. Und für die Welt wäre es vielleicht besser gewesen, wenn er sich nicht zur Teilnahme ent schlossen hätte. So aber ist es ihm wieder gelungen, den klaffenden Spalt zu verhüllen, der die übrige Welt von dem Faschismus trennt. Die interne Struktur des Völkerbundes, der sich kein Urteil über die innen politischen Verhältnisse seiner Mitglieder anmaßen kann, trägt hauptsächlich dazu bei, jene Anomalie zu schaffen, die darin besteht, daß die höchste demokratische Institu tion des internationalen Rechtes faschistische Länder van der Mitarbeit nicht ausschließen kann. Was dadurch an Begriffsverwirrungen in der ganzen Welt und auch im italienischen Volk ungerichtet wird, ist unübersehbar. Die heroischen Einigungsbestrebungen des italieni schen Volkes sind demokratischer Reinkultur entsprossen. Die großen nationalen Vorkämpfer von Giuseppe Garibaldi bis zu Giuseppe Mazzini, von Cavour bis Manin und herauf bis Crispi und Nigra wurzelten durchwegs in der Geisteswelt von 1848, welche die Ita liener in südlicher Lebhaftigkeit viel tiefer empfanden, als die übrigen Völker. Der Weltkrieg vollendete den nationalen Traum und am Schlußpunkt eines jahrhim- dertlangen Ringens gab es nicht den ersehnten Sieg der weit über die Landesgrenzen hinausstrahlenden Demo kratie, sondern die brutale Gewalt der faschi- stischen Diktatur. Wer früher unter den Italienern gelebt hat und ihrem Geistes- und Gefühlsleben nahe stand, kann die verhängnisvollen Wandlungen dieses Volkes gar nicht begreifen. Nicht wenig trägt zum faschistischen Sieg die bewußte und unbewußte Komödie der dreihundert führenden Männer bei. durch welche die Begriffsverwirrungen nur noch komplizierter werden. Die innenpolitische Gewalt wird verbrämt durch einen außenpolitischen Imperialismus, der erst die eigentlichen Gefahren des Faschismus in sich birgt. Innenpolitisch ist die Lage gar nicht so aussichts los, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Auch i»i ita lienischen Volk leben noch gesunde Kräfte, die auf Men schenverstand, natürlichem Fühlen und klarer Vernunft aufgebaut sind. Solche Kräfte gehen nicht verloren, auch wenn sie latent sind. Das erste geeignete Ereignis kann sie freimachen. Ganz anders die außenpolitischen Mög lichkeiten. Sie fußen auf einer offenkundigen Fortsetzung der alten Expansionspolitik eines Volkes, das — auf engem Boden zusammengedrängt — seinen Gebur tenüberschuß nicht meistern kann. Millionen Italiener gingen vor dem Kriege nach Amerika. Aus Nordamerika kehrten sie nach einigen Jahren eines arbeitsreichen und anspruchslosen Lebens in die Heimat zurück, in Süd amerika machten sie sich meist ansässig. Heute läßt sie Nordamerika nicht mehr hinein, und in Süd amerika beginnt man auch ihren Zufluß einzudäm- men. Dieselben Ursachen führten zu den Versuchen Ita liens, die nordafrikanische Küste in die Hand zu bekommen, um sie zu kolonisieren. Hier standen der französische und englische Imperialismus hindernd im Wege. So wurde Algerien- dem französischen und Aegyp ten dem englischen Einfluß untergeordnet, während den Italienern nach bitteren Jahren der Enttäuschung nichts als die sandige Küste von Libyen übrig blieb. Der Weltkrieg brachte die Aufrollung der irredentisti- schen Gelüste. Der Bevölkerungsüberschuß wurde in diesen Jahren durch die Verlustliste reguliert und in vie len Italienern erwachte die Hoffnung, erobertes Land, kolonisieren zu können. Diese Hoffnungen wurden auch bitter enttäuscht. Es fehlten die wirtschaftlichen, nationalen und sozialen Voraussetzungen zur Kolonisa tion. Daher aber versagte der italienische Geist vollends, Ae W -er iillelnOM Me« Die verzweifelken Anstrengungen Frankreichs zur Fundierung seiner Schulden an Amerika Neue Pläne London, 27. Januar (Drahtberichtj. Der diplomatische Berichterstatter des „Daily Tele graph" schreibt: Die französische Negierung sondiere gegenwärtig in amerikanischen Bank Kreisen über die Möglichkeit einer Fundierung der französischen Schulden an Amerika auf folgender Grundlage: Die französische Negierung werde den amerikanischen Ban kiers einen Teil des französischen Anteils an deutschen Reparationen aus dem Dawesplan sowie einige der even tuellen Zahlungen, die Frankreich von seinen Alliierten erwartet, zuweisen und würde garantieren, irgendwelche etwaigen Defizite zu decken. Sie würde also für diese Zahlungen eine Bürgschaft übernehmen und jeden Fehl betrag selbst zahlen, der sich aus unvollständigen Zahlun gen Deutschlands oder anderer Schuldner ergeben könnte. Die amerikanischen Bankiers würden dann die von Frankreich geschuldeten Annuitäten immer direkt an die amerikanische Regierung zahlen. London, 27. Jan. (Drahtberichi). Nach dem politischen Korrespondenten des „Evening Standard" wird in verantwortlichen Kreisen mit folgen der Abmachung in den englisch-italienische» Schnldenver- hundlungen gerechnet: Italien zahlt seine Schulde» in 62 Annuitäten don je 4,k» Millionen Pfnnd Sterling zurück. Die Zahlun gen sollen sofort beginnen. Großbritannien gibt Italien jeoe mögliche Erleichterung während der ersten Jahre. Die Zinsen des wätrens des Krieges in Eng'and deponierten Gold depots in Höhe von 22 Millionen Pfund Sterling tan» Italien nicht beanspruche». Paris, 27. Jan. (Drahtberichi) Wie die Pariser Blätter aus London melden, hatte gestern Graf Volpi nach Abschluß des englisch-italienischen SchnldenabkvmmenS mit dem Gondernenr der Van! von England eine längere Besprechung, der große Bedeu tung beigemessen wird. Wie verlautet, handelt es sich um de» Anschluß der italienischen Großbanken an die Ge sellschaft der englisch-amerikanischen Weltbanken. Nach An sicht der Pariser Blätter handelt cs sich hier um einen neuen Schritt der angelsächsischen Fiiianzwell, nm eine enkgül i;e K nt oll: über -i großen europäischen Ban en zu erhalten. Denselben Zweck hätten die Besprechungen ge habt, die kürzlich von dem Präsidenten der belgischen Nationalüank in Washington geführt worden seien. Anch an Rumänien und Serbien seien die Einladungen zu der artigen Verhandlungen ergangen und nach Frankreich habe man bereits Fühler ausgestreckt. Angriffe gegen Tirard Die verbrannten Archive. Paris, 27. Januar. (Drahtberichi) wer sozialistische Abg. Uhrig greift in der „Ere Nonoelle" de» französischen Nhciiilandkomimssar Tirard an. dem er vor wirft. das; er zivar die vielen Delegierten im Nheinlande ab geschafft habe, aber trotzdem nach einen Stab von 200 Personen, darunter 20 Stenotypistinnen und 10 Chauffeuren, auirecht erhalte. Tirard verwalte gegenwärtig ohne Verwaltung. Er scheine selbst aufgehört zu haben an die Wirksamkeit seine- Werkes zu glauben. Vielleicht fürchtet er nur Untersuchungs- Kommissionen und wahrscheinlich habe er nur aus diesem Grunds den früheren Delegierten den Befehl gegeben, alle Archive z u verbrennen. als ihm der Ausgang des großen Krieges die Erfüllung seiner nationalen Sehnsucht brachte. Nach dreizehn er folglosen und verlustreichen Schlachten, in denen von der italienischen Heeresleitung bis zum einfachen Mann im Schützngraben herab alles den Glauben an sich selbst ver loren hatte, gab es auf einmal einen glänzenden Sieg, an den heute noch jeder Italiener glaubt. Und auf die sem erlogenen Siegestaumel, auf diese. Ueber- schätzung der eigenen Kraft und auf diese Verkennung der historischen Wahrheit ist das ganze Gebäude aufgebaut, auf dem schließlich Mussolini die Fahne des Faschismus hissen konnte. Es wird immer wieder von den internationalen Plänen des Faschismus gespro chen. Gewiß gibt es zahlreiche Vergleichsmomente mit den Gewaltregiinen in Ungarn, Griechenland, früher auch in Bulgarien, aber der italienische Faschismus ist u u - f ä h i g z u e i ii e r i n t e r n a t i o n a l e n N o l l e, wenn auch gegenseitige Sympathien rechtsorientierter Gewalt menschen an der Tagesordnung sein mögen. Schon der nationalistische Größenwahnsinn, der sich allen Erschei nungen aufdrängt, mit denen der italienische Faschismus etwas zu tun hat, verhindert das Entstehen eines erfolg verheißenden internationalen Faschismus. Bleibt also nur die eine Gefahr, daß der im Inland gesättigte Fa schismus früher oder später dazu gezwungen sein wird, auch an die Lösung seines außenpolitischen Programines zu schreiten. Bisher ist Mussolini selbst vor den äußer-- sten Konsequenzen seiner Politik zurückgeschreckt. Er wird aber den bösen Geistern, die er gerufen hat, nicht entgehen können. Die Linien seines Handelns sind be reits durch die Notwendigkeiten der italienischen Bevö- kernngspolitik und durch die verschiedenen mehr oder- minder günstigen Aussichten der italienischen Mittelmeer- politik vargezeicknet. Ihre Ausstrahlungen gehen bis Kleinasien und Marokko. Sie laufen manchmal parallel mit den Wellen der englischen und französischen Kräste- beivegung im Mittelmeer. sie verursachen aber bisweilen auch Stauungen und Wirbel. Je weniger italienische Ar beiter nach Deutschland und Frankreich o.bwandern kön nen, um dort als Saisonarbeiter ihr Auslangen zu fin den, um so stürmischer wird sich der expansive Imperia lismus gebärden, den die faschistische Regierung notge drungen, als Gefangene ihrer eigenen Phrasen und Phan tasien. in die Tat wird umsetzen müssen. Locarno erscheint vielen als der Ausgangspunkt einer neuen Periode. Diese aber ist schon durch die Un terschrift des italienischen Faschistenführers kompro mittiert. Italien hat manchmal in der Nachkriegs zeit an eine Wiederannäherung an Deutschland gedacht. Es war jene demokratische Periode unter Nitti, die sich auch dem Anschluß Oesterreichs an Deutschland nickt entgegen st eilte. Seit Locarno weiß der Faschismus, daß er nicht mehr auf deutsche Schützenhilfe gegen Frankreich rechnen kann. Er muß jetzt allein die Ausgabe lösen, Nizza. Savoyen, Corsica, Tunis und Al gier zu gewinnen. Die Erkenntnis, falsch kalkuliert zu haben, bringt die antideutsche Flamme in Italien wieder zum Auflodern. England, das immer eine besondere Sensibilität für die Neigungen und Abneigungen anoercr besitzt, hält den Augenblick für günstig, Italien seine in osteuropäischen Karren varzuspannen. In Frankreich ist man bereits mißtrauischer, der Faschismus findet dort keine Gegenliebe. Die Kleine Entente aber wird durch die unbehagliche Lage, in die das Königreich SHS. geraten ist, genötigt, alle Eventualitäten zu er wägen. lieber die Dauer der faschistischen Petiode zu pro phezeien ist so untunlich, wie über die Zukunft des Bol schewismus. Solange aber diese Gewaltregime bestehen, bedeuten sie eine ernste Bedrohung des Welt friede ns. Die faschistische Mittelmeernolitik, die sich immer mehr in den Aeußerungen und Reden der füh renden Männer in Nom ausprägt, ist die ungleich ge fährlichere. da der Brandherd viel näher dem Herzen Europas liegt. Niemand darf die Gefahr mißachten oder- gar übersehen. Das Sperrgesetz zur FitrsienavMvung Berlin, 2V. Januar. Der Rechlsausschnß des Reichstages setzte gestern die Be raiung der Anträge über die Auseinandersetzung mit den ehemals regierenden Fürstenhäusern fort. — Von seiten der Völkischen ist eine Entschließung eingegangen, »ach der für den Fall eines Beschlusses einer rcichsgesetzlichcn Rege lung der Fürstenabfindung die Regierung einen Gesetzentwurf vorlegen soll, wonach das Vermißten der seil dem 1. August 1014 zugezogenen Ostjuden und sonstigen Fremdstämmigcn ohne Ent schädigung enteignet wird. Der Ausschuß beschäftigte sich daun zunächst mit der Aus einandersetzung mit Lippe-Detmold. Dort hat das Fürsten Haus etwa ein Siebentel des ehemaligen Dominiaibesitzes er- l>alten. Im Juni 1927, hat -er Fürst das ganze Abkommen angesachten und außerdem Auswerttmgsansprüche geltend gemacht. Das Lippische Landespräsidium betont in einem Schreiben au de» Ausschuß, die reichsgesetzliche Regelung der Absiuduugsfrage sei dringend notwendig im Interesse des Landes. — Mit drr Besprechung des Falles Schaumburg-Lippe war die Spezialnntersnchung der Bnhnlinisse in den einzelnen Ländern erledigt. Der Borsitzeudc/Professor Dr. Kahl (DBP.) enlwickelie nun den Plan der Gencraldebatt; dahin, daß zunächst das beantragte Sperrgesetz besprochen werden soll. Würdi dieses Gesetz im Ausschuß angenommen, dann mußte es vorwcr ans Plenum gehen, »nd dort ohne Aussprache über den Gesamt Komplex der Absindmigsfragen schnell erledigt werden. — ktt