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,M Kl« KM« «ls M WI««" Von Giovanni Papini. Nachstehendes ist dem Buche „Ein fertiger Mensch" von Giovanni Papini, Allgemeine Verlagsanstalt München entnommen. Papini genießt heute bekanntlich Weltruhm. In dem vorliegenden Buch schildert er sein Leben vor sei ner Hinwendung zum Katholizismus. Wir geben das nach stehende Kapitel Sesl-alü wieder, weil die darin geschilderte Art seines zerrüttete» Lebens charakteristisch ist für unsere heutige Zeit. Papini fand durch diese Wirrnisse und Leiden schaften hindurch den Weg in die Freiheit, zum erlösenden Christentum. Die Red. Ich hadere nicht mit dir, Schicksal, du ewiger un persönlicher Cyrenäer, immer angerufen, wo Menschen an Blutarmut leiden! Auch über die Eselhaftigkeit und Bosheit der Leute ereifere ich mich nicht, die meinen Geist am Blühen und Fruchttragen gehindert und mir den Triumph versagt haben, den ich vielleicht verdiente. Ja, mein Freund, bleiben wir bei diesem vielleicht. Denn wenn ich schwach gewesen bin, will ich wenigstens nicht ungerecht sein. Gebe Gott, daß ich den letzten Mut aufbringe, mir selbst offenen Auges ins offene Auge zu schauen; ohne Stocken, ohne Einschaltung, ohne Auslas sung im Buch der Erinnerung zu lesen; in den wunden Stellen zu stochern und zu suchen bis auf den Grund, ohne Furcht davor, daß es weh tut und Fäulnis zum Vorschein kommt. Mir ist nicht gelungen, was ich mir vorgenommen hatte; ich habe das nicht durchgeführt, was ich verspro chen; ich bin nicht zu dem Maß von geistiger Höhe, Ruhm, Macht gelangt, das ich in den Jahren, die vorbei sind, er träumt, gewünscht, gewollt habe. Wem gebe ich die Schuld? Etwa den allzu hohen Plänen, Versprechungen und Wünschen? Durchaus nicht: es gibt keine zu hohen Höhen, sondern nur zu kurze Flügel und Kräfte. Ich habe nach einigen von jenen Dingen gestrebt, die unmög lich heißen und die tatsächlich bis jetzt keinem Menschen möglich gewesen sind. Aber bin ich nicht gerade deshalb so stolz und glückstrunken gewesen? Habe ich mich nicht freiwillig und fröhlich selber zur kleinen Schar gesellt, die den Zug ins Unsinnige, Untunliche wagt? Nein, nein, solche Ausreden sind Gewinsel. Oder komme ich euch mit den unüberwindlichen Hindernissen, die sich mir entgcgenstellten: die Leute, die Armut, die flaue Zeit, der Neid der Nächsten und der Hochmut der Fernen, die Gleichgültigkeit der Menge? Auch das wäre geflunkert. Es gibt keine Kraft, die nicht durch eine größere überwunden werden könnte; es gibt keinen Feind, der nicht von einem, der noch stärker wäre als er, auf den Boden gelegt werden könnte: es gibt keine Armut, die vom Erwerb des höchsten Reichtums aus schlösse: es gibt kein Eis, das nicht zu schmelzen, zu wär men. ins Sieden zu bringen wäre. Wenn einer etwas unternimmt, muß er alles, was zum Fertigwerden nötig ist, in Rechnung stellen. Wenn er nicht genug Mittel hat, muß er sie sich schaffen, bevor er ans Werk geht oder im Dunkeln bleiben und tun, was die anderen auch tun. Nein, mein Lieber, das ist auch keine Rechtferti gung. Das Schlimmste ist — jetzt kann ich's sagen —, daß immer die Schwächsten sich an die schwierigsten Dinge machen, daß die größten Feiglinge sich die kühnsten Ziele setzen; daß die mit der schmälsten Brust und den dünn sten Beinen die längste Strecke laufen wollen. Warum? Die Gründe sind mehr als einer: Die Anziehung der Gegensätze, die in allen menschlichen Dingen zu beobach ten ist. das Bedürfnis, sich in Kraftsprüngen groß zu machen, sich in Größenwahn zu betäuben; das Vorgefühl der bequemen Ausrede, wenn die Sache fehl geht; ihre Größe ist schuld. So tut man unter dem Vorwand, Grö ßeres als die andern zu wollen, weniger als alle und hat schon im vorhinein ein schönes, ehrenvolles Unterliegen sicher: er hat sich so etwas Großes vorgesetzt, daß ihm die Kräfte nicht reichen; wer weiß, was er geleistet hätte, wenn sein Ehrgeiz nur ein klein, klein wenig weniger groß gewesen wäre! Ich durchschaue diese Koketterie, diese Hintertürchen der Unterliegenden so gut, daß ich sie nicht brauchen kann. Niemand soll sagen, daß ich meine Erbärmlich keit ins Zwielicht eines Sophismas flüchte, daß ich meine geistige Armut mit einer Handvoll pathetischer Schminke zudecke. Ich bin nicht durchdrungen, weil ich nicht Willen und Verstand genug habe dazu: dazu ist die reine, nackte und einfache Wahrheit. Ich bin nicht durchdrungen, weil ich nicht die Kraft genug gehabt habe, nicht einmal Kraft genug dazu, mir die Kräfte, die mir abgingen, zu suchen und zu beschaffen: weil ich den Traum, den ich mit Wor ten pries, nicht die Richtung meines Lebens habe bestim- men lassen in jedem Augenblick, ihn nicht im Mittelpunkt meiner Seele als lebendes Feuer gehütet habe. Glaubt ihr, es tut mir nicht weh, die schwache Stelle, die Lüge meines Lebens so rund heraus zu be kennen? Aber wozu soll ich mich und die andern wei ter betrügen? So oft habe ich, statt mich allein mit meinen Gedan ken in mein Zimmer einzuschließen, einem augenblick lichen Ueberdruß nachgegeben und bin weggelaufen, vor den Schaufenstern gestanden, habe nach den Lichtern über meinem Haupt gegafft, bin in einen der klingeln den, fliehenden Tramwagen gesprungen, habe in den Kaffees gehockt über den Illustrationen der spießbürger lichen Blätter; habe Freunde getroffen und mit ihnen wer weiß was für dumme, böse oder geistreiche Ge spräche geführt: habe Besuche gemacht und aus vergol deten Täßchen Kaffee getrunken, mit ausländischen Fräu leins geplaudert und mit gütigen alten Damen. Und allzu oft habe ich mitten auf der Seite an einem schwierigen Punkt aufgehört, um mich auf einem Diwan auszustrecken, das nächstbeste Buch in der Hand, das mir die Täuschung verschaffen sollte, ich dächte etwas — habe ich ja sogar die witzige Ecke in den Zeitungen nachgesehen! Die Faulheit, die süße giftige Faulheit hat hundert Gesichter und jedes lächelt dich an — sie hat mich fast immer gezogen, verführt und verdorben. Sie hat mich von der Arbeit weggezerrt mit der Ausrede, es sei zu kalt oderZeit zum Schlafen oder es sei keinPapier, keine Feder vorhanden; sie hat die seelischen Gewaltkuren, die entscheidenden Entschlüsse hinausgezögert und verspätet. Und dann habe ich mich vom Leib übermachen lassen, von der Sinnlichkeit, vom Magen und vom Geschlecht. Ich habe zu viel gegessen, so daß ich manche Stunden nicht arbeiten konnte; ich habe so viel getrunken, daß ich in jenen angenehmen Rauschzustand kam, in dem einem nichts ernst ist und alles leicht, heiter und fern erscheint; und Stunoen über Stunden, ganze Abende, Nächte habe ich verloren an der Seite, in den Armen von Frauen, glühend, selig. Und so manchmal hat mich die Furcht vor Lächer lichkeit auf halbem Wege aufgehalten, wenn ich daran war, mit der Welt der Leiber und der Geldbeutel in Konflikt zu kommen: die Menschenfurcht und die schmieg same bürgerliche Kasuistik haben mich furchtsam, unsicher und vergeßlich gemacht; der Eigennutz, das Bedürfnis nach Geld haben mein bißchen Kraft zu anderen Dingen gelockt, haben mir das geistige Auge getrübt, haben mir Lügen, Kompromisse, Rückzüge aufgenötigt. Nach und nach sind die schönen Stunden der Erhebung nicht mehr gekommen: neue Sorgen haben meine ganze Seele mit Beschlag belegt; die Selbsttäuschung hat mir das Ohr mit Baumwolle verstopft, so daß ich die inneren Rufe und das Gewissen nicht hörte; niedrige Vergnügungen, Durch schnittszwecke haben mich in jenem Zustand träger, ner vöser Träumerei festgehalten, der alle Arbeitslust tötet; da habe ich dann weiter mit Worten Versprechungen ge macht, aber der große Wille gewisser Stunden war nicht mehr da. und die einstige Lohe war schon nichts mehr als etwas Glut, die unter der grauen Asche kaum hin und wieder rot anlief. Und so bin ich nach und nach so weit gekommen, daß ich meine Ohnmacht offen zugab; da lmbe ich denn die göttlichen Pläne und die heroischen Schwüre wegge worfen und habe mit melancholischem Ernst die Nieder lage eine^ Seele erzählt. Ich Klage niemand als mich selber an und hoffe, daß mir um dieser Offenheit willen manche Schwäche verziehen wird, die ich begangen habe. Das Leben ist eine Gabe, die immer so viel Schönes für einen selbst, und wenn man es nur will, so viel Nützliches für andere enthält, daß man sich wohl in der Stimmung erhalten kann, es nicht nur in Heiterkeit und innerer Genugtuung fortzu spinnen, sondern daß man auch aus wahrer Pflicht alles tun muß, was von einem selbst abhängt, es sich zu verschönern und es sich und andern nützlich zu machen. W. von Humboldt. Der ruhende Pol Von Alfons Heilmann. Die Menschen haben es sich zur Gewohnheit ge macht, täglich die Zeitung zur Hand zu nehmen, um zu erfahren, was in der Welt geschehen ist. Da lesen sie von Unglücksfällen, Mordtaten, Gaunereien, politischen Nänkespielen usw. Sie hören von tausend Dingen, die das Leben verschönern können, sie hören von Reichtum und Luxus und daneben von plötzlichen Todesfällen, Bränden und Wasserkatastrophen. Kurzum, sie erleben und erleiden täglich im Geiste vielerlei, was sie im engen Bereich ihres eigenen Lebens gar nicht zu berühren brauchte, weil sie in keiner Verbindung mit diesen Vor kommnissen stehen. Ich habe mir oft über diese seltsame Gewohnheit der Menschen Gedanken gemacht, weil ich nie begreifen konnte, daß es ihnen zum Glück sei. Der Mensch ist ein eng umgrenztes Wesen: seine Leibes- und Geisteskräfte sind knapp nach dem Umfang seiner Aufgaben bemessen. Den allermeisten Menschen ist ein kleines Arbeitsfeld zugewiesen, auf dem selten etwas Außergewöhnliches sich ereignet, und nichts Un mögliches, die durchschnittliche Fähigkeit Uebersteigendes verlangt wird. Durch geordnete Arbeit und vernünftige Lebensweise könnten diese Menschen in ihrem engen Wirkungskreise einen hohen Grad irdischen Glückes er reichen, wenn sie die Weisheit verstünden, sich zu beschei den und feste Grenzen um ihr Wesen und Wirken zu ziehen Aber man könnte meinen, die Menschen suchten sich täglich mit Absicht zu quälen, indem sie die Fenster ihres Hauses aufreißen und Umschau halten, was in der weiten Welt an Schlimmem und Aufregendem geschehen ist, was es draußen alles gibt, das man begehren oder womit man unzufrieden sein kann. Auf solche Weise hat der moderne Mensch seine Phantasie maßlos überreizt und seine Nerven zerrüttet; denn wir sind nicht dafür geschossen, tausendfaches Leid und tausendfache Lust zu erleben. Die zahllosen abgelebten Gesichter junger Men schen beweisen, daß sie zu viel an Genuß oder Leid oder Arbeit auf sich genommen haben. Der heutige Mensch kostet tagtäglich im Geiste alle Möglichkeiten des Glücks und Unglücks durch: seine Seele ist beständig in Aufregung oder Angst vor den hun derterlei Krankheiten, Unglücksfüllen, Diebstählen usw., von denen er gehört oder gelesen, vor all dem Unlieb samen. das sich irgendwo ereignet hat. Er kann sich an seinem kleinen Glück nicht mehr freuen, weil er vernom men hat. daß es in der Welt großartige Genüsse, Be- quemlickkeiten und Sehenswürdigkeiten gibt; er kommt sich armselig vor bei seinem kärglichen Mahl, wenn ihm in der Zeitung die Leckerbissen angepriesen werden, die er nicht bezahlen kann; er ist unzufrieden mit dem, was seine Arbeit trägt, weil er von fabelhaften Gewinnen anderer liest. So geschieht es allmählich, daß der Mensch sich mit seinen Gedanken ganz außerhalb seines eigenen Lebenskreises bewegt, gewissermaßen nicht mehr zu Hause ist, sondern immer auf der Suche nach fremden Dingen. Das ganze moderne Elend ist aus dieser Wur zel gewachsen. Wir müssen wieder lernen, den ruhenden Pol in uns selbst zu finden und von uns fernzuhalten, was lischt unvermeidlich zu unserem Leben gehört. Was sollst du dich aufregen über Ereignisse, die weit außerhalb deiner Lebensgemarkung liegen? Vielleicht wird während dei nes ganzen Lebens in deinem Umkreise nichts derglei chen geschehen Käme aber doch unerwartet etwas ähn liches über dich, so würdest du alsbald auch den Mut und die Kraft finden, es zu tragen. Darum ist es töricht, wenn du dein Gemüt mit Ahnungen möglichen Unheils quälst, wie es sich anderwärts ereignet hat. Aus diesem Grunde kann ich es auch nicht leiden, wenn man gesunde, fröhliche Menschen immer an Krankheit, Unglück und Alter erinnert. Jeder vernünftige Mensch ist auf die Wechselfälle des Lebens gefaßt und hält seine Seele da für bereit: aber es ist keineswegs nötig, daß man sich die Lebenslust und Arbeitsfreude verdirbt. Laß dir auch nicht von andern den Kopf verdrehen, wenn sie von allen möglichen Verbesserungen oder Ge- winnaussichten reden! Unter veränderten Verhältnissen würden dir bald auch neue Bedürfnisse, neue Genuß- und Vergnügungsmöglichkeiten gezeigt werden, denen dein Mehrverdienst zum Opfer fallen würde. Es ist klüger, sparsam zu leben, um nicht soviel verdienen zu müssen, als immer mehr nach Gewinn zu trachten, um mehr ver brauchen zu können. Auch jetzt noch, unter den schlim men gegenwärtigen Verhältnissen, kann jeder gesunde Mensch sein Brot durch Arbeit finden; aber die wenigsten sind mit dem „Brot" zufrieden: alle haben das Herz voll heimlicher Wünsche, und ihre Zunge ist lecker nach Din gen, die sie nicht erreichen können. Sie haben sich in der Welt zu viel umgeschaut, ihre Auyen haben zu viel Begehrenswertes gesehen, so daß jetzt ihre Sinne danach gelüsten. Wären fie mit ihren Augen und Gedanken da heim geblieben in der Gemarkung ihres eigenen Lebens, so hätten sie nur gesehen und gedacht, was ihren Füßen und Händen erreichbar ist. So aber ist ihr Herz mit Bit terkeit erfüllt, weil es ewig nach etwas lechzen muß. das Ihm nie zuteil wird. Es ist in der Welt schon oft geschehen, daß ein König fremdes Gebiet erobern wollte und verlor dabei sein eigenes Land. Aber tausendfach geschieht es allerorten in jedem Jahre, daß Menschen aus Neugier, Unzufrieden heit oder Gewinnsucht so lange in die Lebensverhältnisse ihrer Mitmenschen schauen, bis sie ganz die Freude am Eigenen verlieren, Fremdes nachahmen, was nicht für sie paßt und zuletzt sich selbst zugrunde richten, weil sie etwas sein oder erreichen wollten, was nicht für sie be stimmt ist. Die moderne Kultur ist deshalb ein Unsegen, weil sie den Menschen nicht zum Ausbau seines persön lichen Lebens in sich und um sich anleitet, sondern immer nur sein Begehren nach außerhalb seiner eigenen Ge markung liegenden Dinge anreizt, deren Besitz sie Bil dung, Glück oder Reichtum nennt. Und doch ist es ge rade umgekehrt: je weniger ein Mensch von außen her braucht, je mehr er sein Leben auf sich selbst gestellt hat, desto glücklicher ist er. Das Leben eines solchen Men schen kommt mir vor wie ein schön umhegter, abgerun deter Bauernhof, der eine kleine Welt für sich ist, seine Leute nährt und in seiner stillen Abgelegenheit sich nicht um die Nachbarn und noch weniger um die Händel der weiten Welt bekümmert. So sollte unser Leben sein: auf sich selbst gegründet, gegen die Umwelt mit der blühenden Hecke froher Genügsamkeit umfriedet, ver trauensvoll die eigene Scholle" bauend und eigenes Ge wächs verzehrend, gegen die Nachbarn friedsam, aber ohne über ihren Zaun zu schielen — das wäre der glück, liche Mensch, der den ruhenden Pol in sich selber trägt. Mit Erlaubnis dos Verlages dein empfehlenswerten schö nen Buch „Vom kostbaren Leben" von Alfons Heilmann, Ver. lag Herder und Co., Freiburg !. Br. entnommen. . , „l-lsl'roAl. LeklolZpar'kkots!" k r t v «I r l«I, r o «I s Vornehmes pgmilienkaus prachtvolle üsge in (lern herzoglichen Lcklostparlc ru Keinharclrbrunn läeales Urkolungskeim :: Pension ab 8 btarlc pllr kleinere Kongresse bis 200 Personen sehr geeignet