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Nummer 111 — 25. Jahrgang Smal wöch. Bezugspreis für Mai 3.— Mk, «inschl. Bestellgeld. Anzeigenpreise: Die Igesp. Petttzeile »OL. Stellengesuche M L . Die PetitreklamezeU«. 89 Milli, ineter breit. 1 Offertengebühren für Selbstabholer 80 L. bei Ueberfenbung durch die Post außerdem Einiel-Nr. 10 L. Sonnkags-Nr 15 L. I. tzillebrand in Dresden. Portozuschlag Eli Geschäft!. Teilt SöcksMe Freitag, 21. Mai i92S Im Fall« höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Änzeigenoufträge^ u. Leistung v. Schadenersatz Für unüeutl u. S. Fern^ ruf üdennttt. Anzeigen übernehmen wir keine Ver antwortung. Unverlangt eingesandt« u. m. Rückporto nicht versehene Manuskripte wero nicht ausbeivahrst Sprechstunde der Redaktion S—3 Uhr nachmittags^ Hauptschrislleit.: Dr. Joseph Albert. Dresden. r»vlr«arvn ilmsrkeitung ite narsturen Xutdeveakrune O k.lVinielee Xürseluiermstr. llresd e n -X zVebereasa« 2 volrsreliung vmardeilulig stepsrstur ^ufbevskrung Vonien Dre^cien LtieiilenerLtr.S stul 43477 uud Wer,»«, r-aroiiia- »uch»r»e»re> <»«dd„ Dre«den-N. I, Potierllratzr 11. jZernr,» 21018. P.Wcheütonlo Dresden I47S7 - ,nN»»to: MaNeu.e » 7°rt»<<I>e. Dresden. Für christliche Politik und Kultur otedaktio» der S-ichfllNieu WolWuelning Dresden «AUIladt l. Polierstrat»» 17 Urrnrw »Nil und 81VIS. Minlsterrat im Elysee—„Plötzliche" Matznahmen -es Kabinetts? Kabinett und Reichstag Ausüem Reichstage wird unsvon einem par lamentarischen Mitarbeiter geschrieben: Acht Tage, nachdem Luther gestürzt wurde, ist der Kanzlerposten von Marx eingenommen worden, demselben Parlamentarier, der seinerzeit für Luther den Kanzlerplatz freigemacht hatte. Das zweite Kabinett Marx ist von dem ersten wesentlich verschieden. Nicht so sehr nach der außenpolitischen Seite hin. bezüglich deren die gerade Linienführung auch dadurch gekennzeichnet wird, daß auch im zweiten Kabinett Marx ihm zur Seite der Auhenminister Stresemann sitzt, als vielmehr bezüglich der Verankerung innerhalb der bürgerlichen Mitte. Trotzdem sich dieses Kabinett auf eine Minder heit stützt, kann es doch in sich stark sein. Aber das Kabi nett Luther mar ein Minderheitskabinett, und es würde beute zweifellos noch bestehen und noch lange bestanden haben, wenn nicht Luther in so unglaublich unpoli tischer Art und Weise taktiert und das Parlament ge radezu provoziert hatte. Man wird sich hüten müssen, von dem jetzigen Kabinett als einem Uebergangskabinett zu sprechen, denn es kann eine sehr lange Dauer haben. Als Müller-Franken im Reichstag aus sprach, er wisse nicht, ob man die Dauer der neuen Ne gierung an der Länge der Regierungserklärung messen solle, da hat man neben verständnisinniger Heiterkeit auch Kundgebungen bemerkt, aus denen hervorging, daß man diesem Kabinett doch eine stärkere Lebenskraft zu- traut. als manche vielleicht heute glauben. Man hatte eine Zeitlang überlegt, ob es überhaupt notwendig sei, daß das Kabinett mit einer Regierungs erklärung sich dem Reichstag und damit dem Volke vor stelle. Man sagte, es sei nur der Kopf gewechselt wor den, iw übrigen sei doch das Kabinett dasselbe geblieben. Es ist aber gut so. daß Marx sich entschloß, mit einer besonderen Regierungserklärung sein neues Kabinett einzuführen, denn die Minister sind ja sämtlich neu er nannt, und aus allgemeinpolitischen Gründen wäre es auch nicht tragbar gewesen, wenn ein neues Kabinett ohne formelle Einführung bei der Volksvertretung seine Tätigkeit begonnen hätte. Die Einführung selbst vollzog sich in dem üblichen Rahmen der großen Tage, bei überaus starkem Andrang auf den Tribünen, bei großem Interesse auch der Vertre ter der ausländischen Diplomatie und unter ziemlich voll zähliger Anteilnahme der Vertreter der einzelnen Län der und der Regierungsvertreter. Auch die Besetzung der Abgeordnetenbänke war außerordentlich gut. Grö ßere Lücken waren auffallenderweise bei der Reckten. Die von Marx abgegebene Regierungserklä rung wurde, von den üblichen Störungsversucken der Kommunisten abgesehen, vom Hause mit Ruhe angekört. Die Regierungserklärung selbst brachte keine Ueber- raschungen. Sie beschränkte sich darauf, die Notwendig keit der Fortsetzung der bisherigen Innen- und Außen politik zu betonen unter Hervorhebung der durch die gegenwärtig schwebenden Fragen aufgeworfenen Pro bleme. Die Debatte wich von dem bei solchen Anlässen nun einmal üblichen Rahmen nicht ab. Die Sozialdemo kraten schickten Müller-Franken vor, der trotz einer Reihe Wenn und Aber die Unterstützung des Kabinetts Marx zusagte. Jedenfalls würden die Sozialdemo kraten ein Mißtrauensvotum ablehnen. Interessant mar Müllers Erklärung, daß sie mit einer Auflösung des Reichstags einverstanden seien, um das Ziel der Schaf fung einer geeigneten parlamentarischen Mehrheit zu erreichen. Dann nahm der Neichsinnenminister Külz das Wort, um sich in seiner Eigenschaft als stellvertretender Reichswehrminister zu den in einem Teil der Berliner Presse behaupteten Beziehungen zwischen der Reichswehr und gewissen rechtsradikalen Verbänden zu äußern. Er bestreitet einen Teil dieser Darlegungen, mußte aber anderenteils die Tatsache zugeben, daß in einzelnen Fäl len durch Organe der Reichswehr bei dem Obersten Klnck, dem Führer eines solchen Verbandes, angefragt worden ist. ob bei der Reichswehr gemeldete nmae Leute in jeder Beziehung dafür geeignet wären. Minister Külz bezeichnete diese Anfrage als absolut unzulässig und er kündigte entsprechendes disziplinarisches Vorgehen an. Auch in allen anderen Fällen werde das Reichswehr- Ministerium eine Untersuchung einleiten und je nach dem Ergebnis besondere Maßnahmen treffen. Diese Erklä rung wurde von den Regierungsparteien mit Zustim mung angenommen, während die Rechte schwieg. Für die Deutschnationalen nahm dann Graf Westarp das Wort. Sein Haupttrumpf war der heuchlerische Hinweis, daß das Zentrum, weil die neue Regierung sich nach links anlehnen müsse, der ch r i st l i ch e n Schule nicht zur Durchführung verhel fen könne. Aus dem Haus heraus mußte Westarp hier die Rufe hören: Heuchler. Kulturkämpfer!, während Pari», 20. Mai. Im Echse« tritt heute ein Mini st er rat zusammen, der wichtige Beschlüsse fassen soll. Der Finanzminister Peret wird über seine Londoner Verhandlungen berichten und Maßnahmen zur Stabilisierung des Franken Vor schlägen, über die bereits gestern in Anwesenheit der be deutendsten Persönlichkeiten der Bank von Frankreich ver handelt wurde. Nach der französischen Morgenpresse soll dabei die Möglichkeit der Aufhebung des Gesetzes über die Kapitalflucht zur Sprache kommen, ferner die Beseiti gung des Kontrollscheincs für Wertpapierbesitzer und die Schaffung einer Devisenzentrale. Das „Ouvre" verzeichnet ein Gerücht, das infolge des Ernstes der Finanzlage gestern von einer mögliche» Umge staltung des Ministeriums vor dem Wiederzusammeiitritt der Kammer besprochen worden sei. Der „Quotidien" schreibt: Ti« Regierung ist von dem Ernst der Stunde, von der Unzulänglichkeit ihrer Vor schläge und von der Dringlichkeit, direkte und wirkungs volle Maßnahmen zu treffen, überzeugt. Sic ist deshalb, wie man versichert, bereit, sich z u r tt ck z » z ie h e n, um einem Ministerium Platz zu machen» dessen Ausammensetzuug selbst di« Bürgschaft für die Durchinhrung einer Aktion sein würde. Aber welches Ministerium, fragt der „Quo- tidien'? Gewisse Leute behaupten, es handle sich um ein nationales Ministerium, und Bri and sei bereit, in ihm einen Posten anzunehmen, selbst wenn er es nicht bilden würde. Andere schlagen ein homogenes Kabinett vor, das allein die norwendigen Maßnahmen ergreifen könnt«. Paris, 20. Mai. Bereits gestern abend hat Peret eine längere Be sprechung mir B r i a n d gehabt, um über das Ergebnis seiner Londoner Verhandlungen zu berichten. Briand begab sich darauf unverzüglich in das Elhsee, wo kurz nach ihm auch Peret eintraf, außerdem erschienen noch Robineau, der Direktor der Bank von Frankreich und zwei Finanz- directoren. Unter dem Vorsitz des Präsidenten der Republik wurde eine Konferenz abgehaltcn, in der die Londoner Schuldenverhandlungen und die gegenwärtige Lage auf dem Devisenmarkt besprochen wurden. Nach einer amtlichen Mit teilung wurde volles Einvernehmen über die Maßnahmen erzielt, die man zur Hebung des Franken für geeignet hält. Um 8.30 Uhr abends empfing Peret die Pressevertreter. Auf die Frage, ob der Donnerstag zusammentretendL Ministcrrat Maßnahmen zur Stützung des Franken be schließen werde, antwortete der Finanzminister, daß >m Filterest« der Wirksamkeit solcher Maßnahmen des Kabinetts über dessen Absichten Schweigen bewahrt werden müsse. Man müsse solche Maßnahmen plötzlich einlcitcu, um ihre auf der Linken gerufen wurde: Ihr habt nie etwas mit .Kultur zu tun gehabt! Tatsächlich ist diese Bemerkung Westarps ein ganz übles Taschenspielerkunststückchen. Als die Deutschnationalen in der Regierung waren, haben sie keinen Finger um die christliche Schule gerührt und jetzt wissen sie, in ihrem Aerger darüber, daß die Deutsche Volkspartei ihnen mit aller Deutlichkeit den Stuhl vor die Tür gesetzt, kei nen Ausweg, als daß sie sich dafür am — Zentrum rächen möchten! Das Haus ging dann auch über diese Ausführungen Westarps mit verständnisvollem Lächeln hinweg. Für die Zentrumsfraktion gab der Abgeordnete von Guerard eine Erklärung ab dahingehend, daß die Zentrumsfraktion die Regierung stützen und mit ihr Zusammenarbeiten werde. Für die Deutsche Volkspar tei erklärte Scholz, daß sie ebenfalls dem Kabinett Marx das votiert. Der Abgeordnete Leicht spricht das gleiche für die Bayrische Volkspartei aus. eine ähnliche Erklärung erfolgte von den Demokraten, so daß sich als bald die Klärung der Situation ergab. Dem Kabinett wurden von keiner Seite, die ernst genommen werden kann, Schwierigkeiten bereitet. Im Grunde ist man ans allen Seiten des Hauses froh, daß die jetzige, anfangs sehr gefährlich aussehende Regierunstskrisis, dank der Bereit schaft des Zentrums, sich so günstig gelöst hat und daß die Zentrumsfraktion und ihr Führer Marx sich wieder um bereitgefunden haben, die Zügel des Reiches in die Hand zu nehmen. Das Kabinett Marx hat jetzt eine parlamentarische Basis, wie sie das Kabinett Luther nie mals besessen hat. Wirkung nicht z« gefährden. Peret fügte Hinz», man fei kn Londoner Fknanzkrcisen über den Sturz des Franken er» staunt und man teile die Auffassung französischer Sachver ständiger» nach der die Frankcnbaisfe durch nichts be gründet sei. Mit welchem Interesse man in politischen Kreisen di« Vorgänge auf dem Devisenmarkt verfolgt, zeigt die Tat sache, daß eine Abordnung sozialistischer Depu tierter sich gestern zu Briand begab, um im Hinblak auf den Ernst der Finanzlage zu bitten, das Parlament nach vor dem 27. Mai eknznbernfen. Die Abordnung wurde von dem Generalsekretär des Außenministeriums empfaii en, da Briand selbst durch eine dringende Konferenz am Quai d'Orsay in An pruch genommen war. Die Sozialisten haben darauf eine Resolution angenommen, in der sic unter Hinweis darauf, daß ihre Gruszpe ursprünglich die Wieder« einberusung des Parlaments auf den 11. Mai vorgchchlag.'ir hatte, der Regierung nahe legen, unverzüglich zur Ein« bernfung der Kammer zu schreiten. Der französische Fr an k e n war gestern wiederum starken Schwankungen unterworfen. Nachdem der D.ltar und das Pfund in den ersten Stunden des Nachmittags vorübergehend auf 34,93 und 169,80 zurückgegangen waren, zogen die Notierungen bei Börsenühluß auf 3.1.38 und 170,40 und nachbörslich auf 35,80 und 171.00 an. D e Blätter machen von der vorübergehenden Erholung des Franken viel Aufhebens und meinen, daß eine Gegenaktion der Negierung bereits eingesetzt habe, die erst heute nach dem Kabinettsrat zur vollen Entwicklung kommen werde. Paris, 20. Mai. (Drahiberichi.) Wie die Sozialist « n haben auch die Radikalsozi a- listen die Negierung ersucht, wegen der Frankkrise die Kam- mer sofort elnzuberusen. lieber die Verhandlungen des gestrigen Abends berichtet das „Echo de Paris" noch, daß der Finanzminister auf den Vor wurf, er lpibe kein Programm, erklärte, die Regierung befolge ein Programm, das sie jedoch nur allmählich durchführe. Un terdessen werde gegen den Frank von gewisser Seite spekuliert. Die Franzosen hätten nicht genug Zutrauen zu ihrer Währung. Wenn man jemand für befähigt halte, das Vertrauen wieder herzustellen, so werde er ihm ohne Zögern Platz machen. Weiter wies der Finanzminister darauf hin, daß der Verfalliermin des 20. Mai bereits erledigt sei. Alles sei gut vorübergegangen. Es sei kein Anlaß zur Beunruhigung vorhanden. Frankreich brauche keine Inflation zu machen. Bei der Besprechung der Finanzkrise und der Forderung der Sozialisten und Nadikalsozialistcn. daß die Kammer sofort einberufen werden solle, wind von der Presse die Möglichkeit einer Kabinettskrise in Erwägung gezogen. Der Vormarsch in Marokko Die spanisch-französische Offensive. — In Da maskus 3 00 Häuser zerstört und 500 Zivilisten getötet. Paris, 20. Mai. sDrahtbcricht.) lieber den Fortgang der neuen französisch-spanischen Offen sive in Marokko wird berichtet, daß die Truppen gegen Mittag in einer Breite von 30 Kilometern 10 bis 12 Kilometer vorge drungen seien. Spatere Nachrichten, die in Fez ciniiefen, be stätigen die Fortschritte. Die Riflente leisteten nur auf dem linken Flügel stärkeren Widerstand. Die übertriebenen Hoff nungen. die man an den Vormarsch der Truppen knüpfte, schei nen sich aber nicht erfüllt zu haben, denn von einem Zusammen bruch der Rifleute kann keine Rede sein. Der „Petit Parisien" meldet, daß der Widerstand zwischen Uergha und Nkur gebro chen sei. Im Zentrum dieser neuen Front liege Targuift, von dem die Truppen noch 15—18 Kilometer entfernt seien. Es wird erwartet, daß die Offensive weitergeht und die Unterwerfung der Beni Uviagel zum Ziele hat. Paris. 20. Mai. Nach einem offiziellen spanischen Kommunique soll im Frontabschnitt von Ajdir der ganze Stamm der Deni- AdquI, der wichtigste und kriegerischste der Beni-Tusin, sich un terworfen haben. Es sei nunmehr durch diese Unterwerfung die Verbindung mit den französischen Truppen im Suk-cl-Taurivt hergssteilt worden. London, 20. Mai. Der Korrespondent des „Daily Expreß" berichtet aus Da< maskus, daß bei der Beschießung des Stadtteiles Mid von Damaskus durch die Franzosen am 7. Mai über 300 Häuser zer stört und 500 Zivilpersonen getütet worden seien. Di« Beschießung hatte 200 Aufständischen gegolten, die sich in dem Stadtteile festgesetzt hatten. so