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Nummer 110 — 25. Jahrgang stmal wöch. Bezugspreis süc Mai 3 — Mk. «tnschl. »estellgelv. «nzei^nprets«: Die l^sp. Petttzeile »0Z. Stellengesuche L0 Z Di« Prtitreklamezetk. 88 Milli, «eter breit. 1 Ostertengedühren für Selbstabholer >8 Z. bei Uebersendung durch di« Post auhevdem Porloauschlag Einrel-Nr 1ü «8. Sonntags-Nr lS Z. Geschäft!. Teilt I. Dillebrand in Dresden. SöcklMtie Donnerstag, 20. Mai 1926 Im Fall« höherer Geivalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung o. Anzeigenaufträgeq u. Leistung v. Schaoenersatz Für undeutl. u v. Fern ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Vev antwortung. Unverlangt eingesandte u. m. Rückport« nicht versehene Manuskripte werd nicht aufbemahrt Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittag«, Hauptschrifkleit.: Dr. Foieph Albert. Dresden Molkreliima <»»>cha»»«Nku«, »ut> !kuch»nilk»re> UrrSde»^». I, PoUeriirat,« lr Zeriiru^ 21VIÜ. P.INLeckkoiuo Dresden >4Nr «Ii!!»nia: Pass«»»» s- ria««»» Für christliche Politik und Kultur Viedaktto», der Sa«rhNi^ett Volkszeirung Dresden «Nlisiadt i. Polierslrafze 17 ,'ser"r»i 207W .1012. W ÄikA mi Skie« i« AMM Paris. 18. Mai. Viele Ausländer, besonders die deutschen Katho liken, sind etwas erstaunt darüber, daß man in Frank reich so viele Schwestern und Paters im Ordenskleide sieht, daß in den Kirchen frei katholischer Gottesdienst gehalten wird, wo man doch oft im Auslande um 1905 der Vertreibung der Orden und von militärischer Be setzung der Kirchen gesprochen hat. So scheint auf den ersten Blick hier auch vollkommene religiöse Freiheit zu herrschen, und es herrscht auf jeden Fall viel größere, als man es sich oft denkt. Allerdings hat die dritte Republik über allen Kirchen ihre Devise „Freiheit, Gleichheit, Brü derlichkeit" einschreiben lassen, hat obendrein die Kirche als Staatsgut erklärt, aber in diesen Kirchen kann man ganz unbeschränkt Gottesdienst halten, so oft und soviel man will, und nur 0 i e Konfession, welche schon 1905 die betreffende Kirche tnne hatte. Vom Staate werden al lerdings die Priester keineswegs bezahlt, außer denen, welche noch in der Konkordatszeit Priester waren, und damals ein gewisses Alter erreicht hatten: Sie erhalten eine kleine Staatsrente. Auch sonst wird die Kirche nicht vom Staate unterstützt. Die größte Schwierigkeit ist nun die, daß der Staat, der sich in seinem eigenen Gebiete für souverän und ab solut hält, die Kirche nicht als eine Rechtsperson, als eine luristische Persönlichkeit anerkennen will. So kann die Kirche als solche nicht besitzen, kann nicht erben, keine Geschenke an Land oder Gütern empfangen. Der fran zösische Staat gibt nämlich vor. zu fürchten, daß die katholische Kirche in Frankreich sehr rasch zu einer finan ziellen und geistigen Macht heranwachsen könnte, die dem Staate in seinem Gebiete gefährlich wäre. Aus diesem Grundsatz heraus hat er die Kirche 1905 ihres ganzen Vermögens enteignet, aber die Gotteshäuser den Pfarreien zur Verfügung stellen müssen, während oft die Pfarrhäuser in andere Hände verkauft wurden, oft aber auch von einer größeren Fa milie des Dorfes erworben und dem Pfarrer zur Ver fügung überlassen wurden. Auf diese Weise ist die ganze finanzielle Existenz der Kirche und des Gottesdienstes auf milde Gaben und den Opfersinn der französischen Katholiken angewiesen. Jede Privatperson hat natürlich das Recht, sich ein Got teshaus zu erbauen, das dann immer eine Privatperson zum Eigentümer haben muß. da, wie schon gesagt, die Kirche als solche keine besitzende Rechtsperson sein kann. So sind alle Kirchen, die seit 1905 erbaut wurden, per sönlicher Besitz eines Pfarrers, und bei seinem Absterben muß er sie wis-er auf seinen Nachfolger vererben und dieser muß dann sogar Erbschaftssteuer zahlen. Die ersten Jahre nach der Trennung waren allerdings finan ziell hart, aber seither hat sich die Kirche sehr erholt, und andrerseits sehnt man sich katholischerseits kaum mehr zu den Konkordatszuständen zurück, in denen die Kirä)e ihrer finanziellen Sorgen enthoben war, aber dies mit ihrer Freiheit bezahlen mußte, während heute keine Bischofsernennung, keine Pfarrerernennung auch im geringsten der Zustimmung der Regierung be darf. Anders steht die Frage mit den Orden. Man hat seinerzeit den Aufenthalt jedes einzelnen Ordens einer vorherigen Erlaubnis der Negierung unterworfen, aber praktisch sie sehr vielen Orden verweigert. Einigen Orden, so den Oratorianern, verschiedenen Missions orden, den Frauenorden, die sich mit Krankenpflege be fassen. hat man es gestattet, als Orden in Frankreich zu bleiben Auch Angehörige anderer Orden, falls sie nicht nzelpersonen da halten. lgemeinen Schul- als geschlossene Orden, sondern als E blieben, konnten sich in Frankreich au Allein die Orden waren von der a sreiheit, die den Katholiken ihr eigenes konfessionelles Schulwesen gestattet, ausgeschlossen. Am härtesten traf dies die Jesuiten. Aber man konnte das Gesetz um gehen: Eine katholische Privatperson, die nicht dem Or den angehört, konnte eine Schule, ein College gründen, und konnte darin nach seinem Willen einem Geistlichen die Leitung anvertrauen, alle Lehrer konnten Geistliche sein, und es war selbstverständlich diesen sehr schwer nach zuweisen, daß sie zur Gesellschaft Jesu gehören. So lebt, besonders in Südfrankreich das alte Iesutienkollegium ruhig weiter fort. Seit Kriegsende treten ja die ver botenen Orden wieder freier hervor, drüben in Auteuil kann man wieder die Benediktiner singen hören. Aber andere Klöster leben noch verkappt: In einem Privat hause, das jedem bürgerlichen Hause ähnlich sieht mit dem gewöhnlichen Pförtner und der Pförtnerin, wohnen eine Anzahl Fräuleins privat zusammen. Kein Gesetz der Welt kann sie hindern, daß sie zu gewissen Stunden sich zum gemeinschaftlichen Gebet versammeln. In Pri- oatwohnungen hat die Polizei nichts zu suchen, und wenn diese Ordensschwestern auf die Straße treten, unter scheiden sie sich kaum von anderen Fräuleins: das ver kappte Kloster ist fertig, und der verbotene Orden lebt mitten in Baris. Friedrich Veith. Die Einleitung -er Wahlen — Vorbedingungen für den Wieder- ansbau Polens Warschau, 19. Mai. Die Vorbereitungen zur Wohl eines Präsidenten sind in vollem Gange. Ms Kandidaten werden augenblicklich der frühere Premierminister Alexander Skrzynski, Pilsudski und der augenblickliche Stellvertreter des Präsidenten, Sejmmarschall Rataj, genannt. Gegen die Kandidatur Nataj haben die Linksparteien, hauptsächlich die Sozialisten Wiederspruch erho ben, da er ein Mitglied der Witos-Partei ist. Pilsudski selbst weigert sich, als Präsidentschaftskandidat sich aufstellen zu lassen. Die Parteien der Linken erklären, daß sie vorläufig noch keinen Kandidaten haben und keinen aufstellen werden, bevor eine Antwort der Rechtsparteien in Posen vorliege. Pilsudski leidet gegenwärtig an starker Nervosität und Erschöpfung. Er muh das Bett hüten und Hot seit gestern an keinen Beratungen teiloenommen. Von gut unterrichteter Seite verlautet, daß in den nächsten Tagen weitgehende Aendcrungen innerhalb der polnischen diplomatischen Vertretungen im Azslande vorgenommen werden. Es sollen Aenderungen in den Botschaf ten in London, Paris, Rom und auch Berlin eintreten. ^ Moskau, 19 Mai. Von gut unterrichteter Seite wird mitgeteilt, daß die Sowjetregierung den russischen Botschafter in Warschau Wojkow beauftragt hat. bei der ersten Gelegenheit Fühlung mit Pilsudski sowie auch mit dem zeitweiligen Präsidenten der pol nischen Republik Rataj zu nehmen. Wie verlautet, ist die Sowjetregicrung bereit, neue Verhandlungen über einen Ncutra- lltiitspakt mit Polen auszunehmen. London, 19. Mai. (Draht.) D.e englischen Blätter beschäftigen sich heute früh zum ersten Male an leitender Stelle mit der polnischen Krise. „Daily Telegraph" erinnert an geschichtliche Er fahrungen Polens zur Zeit seiner Teilung, als der innere Zwist das Eingreifen des Auslandes herborhob. Wenn auch heute keine Teilung Polens zu befürchten sei, so müsse doch die wirtschaftliche Lage als sehr wenig aussichtsreich und der Stand der Staatsfinanzen als außerordentlich ernst an gesehen werden. Politische Ordnung und Flnanzsichrrhclt seien hier aber snr den Wiederaufbau Polens von größter Bedeutnng. Auch Europa sei daran interessiert und es bliebe abzuwarten, ob diese Ziele durch die bewaffnete Interventionen des Marschalls Pilsudski erreicht werden könnten. Vorher weist das Blatt darauf hin. daß ein Drittel der Staatsausgaben für militärische Zwecke verwendet würden. Der diplomatische Korrespondent des „Daily Telegraph* bemerkt bei der Besprechung desselben Themas, daß man in London die Entwicklung der Krise in Polen mit erheb lich weniger S o rg e b etr a ch t e t a ls in P a ' i s. Er verwerft auf die Popularität des Feldmarschalls Pil« fudski und andererseits auf die Feindschaft, der er in ehemals preußischen Provinzen begegnete. De: Karren spondent glaubt, daß Pilsudski Skrzynski zum Staatspräsi denten machen werde. Die „Times" beschränken sich im wese,irischen auf eine lange historische Darstellung der bisherigen Entw.cklung Polens. Das Blatt hofft, daß Pilsudski keine Diktatur er richten werde und gibt ihm wie seinen Landsleuten den Rat» von werteren Experimenten gewaltsamer Art abzusehen. Das Heer müsse von Politischen Einflüssen befreit werden. Wenn Marschall Pilsudski seine anerkannte Energie der schwierigen Aufgabe der Finanzreform zuwcnden würde» dann werde er etwas Nützliches leisten können. Die Lage noch immer sehr ernst Warschau, 19. Mai. (Draht.) Dre Lage ist noch immer sehr ernst. In Posen und Po mm« reiten scheint man weiterhin entschlossen z« sei«, die ,wue Regierung nicht anznerkenncn. Die Bcrmitt« lnngsversuche, die in Posen vom Senatsmarschall einge« leitet worden sind, blieben noch ohne Ergebnis. Vom Rcchtsblock scheint sich nur ein Dcil der nationalen Arbeiter partei des ehemaligen preußischen Gebiets mit der nene« Lag« abfindrn zu wollen. Auch in Ostobcrschlcsien sind dl« Volksvertreter der alten Polnischen Rcchtskoalition gegen Warschau als Einberufungsort der Nationalversammlung. An der Polnischen Sozialdemokratie, in der gegenwärtig tAe radikalsten Elemente ausschlaggebend sind, machen sich starke Widerstände gegen die Einberufung der National versammlung überhaupt geltend. Der „Robotnik" fordert heute unbedingt Verschiebung der Präsidentenwahl, Auf» lösung von Sejm und Senat und Ausschreibung von Neu wahlen für de« Sejm. Wenn aber die Präsidentenwahl jetzt stattsinden solle, so müßten Garantien für eine Wahl Pilsudskis geschaffen iverden. Diese Forderungen der Sozial demokraten können ohne neue BerfassnngSbrüchc nicht er« füllt werden. Der Ausbau -es Faschismus Ein neues Gesetz Mussolinis Kapital und Arbeit in Italien. Rom, 19. Mai. Der gestrige Minist errat hat dem Gesetz, das die Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit regelt, definitive Form gegeben und Ausführungsbestimmungen dazu erlassen. Nach dem Gesetz werden 15 einzelne nationale Körperschaften gegründet. Sie umfassen die Körperschaften der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer, der Industrie, der Landwirtschaft, des Handels, des Land- Iransportwesens, der Banken und der freien Berufe. Die 15 Körperschaften werden in drei Generalfödera tionen zusammengefaßt, in die der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer und der freien Berufe. Den einzelnen Kör perschaften kommt die Regelung der Arbeitsverträge zu, den Generalföderationen die Wahrung der Standeslnter- essen. Das neue Ministerium der Korporationen wird von Mussolini selbst übernommen. Die faschistische Presse bezeichnet dieses Gesetz als den Schlußstein im Aus bau des faschistischen Staates. Welche Bedeutung die Re gierung dem Gesetz beimißt, geht daraus hervor, datz Mussolini zum Gesetz ein öffentliches Manifest erlassen wird. Italienischer Terror gegen die protestantische Kirche Rom, IS. Mai. Wie der „Avanti" meldet, haben di« Behörden in letzter Zeit der protestantischen Kirche ver boten, die sogenannte Nachschule abzuhalten, d. h. Knaben und Mädchen nach der Schule um sich zu versammeln. Der behöroliche Erlaß wird damit begründet, datz die katho lische Kirche allein in Italien anerkannt sei, während die protestantischen Konfessionen nur geduldet würden. Erweiterte Regierungsvottmacht in Span en Madrid, 19. Mai. sDrahtbericht.) Di« Presse veröffentlicht ein« königliche Verordnung, nach der angestchis der trotz der langen Diktatur noch herrschenden besonderen Umstände die Regierung ermächtigt wird, außerhalb des gesetzlichen Rahmens in jedem Augenblick Disziplinarstrafen nach Ermessen des Ministerrates zu verhängen. All« konstitutionellen und gesetzliche« Vorschriften, die dieser Verordnung entgegenstehen, werde» als aus ge stoben erklärt.