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Nummer 1/1 — 25. Jahrgang vmol nmch. Bezugspreis für August 3.V« Zt einschs. Bettel,qelv. Anzeigenpreise: Die tqesp. Petitzeile »ü^. Stellengesuche 2» H Die Petitreklamezeik. 8S Milli, meter breit. 1 Zt Offertengebühren für Selbstabholer LN ^ bei Uebersenöung durch bi« Post ciutzerdem Pmtazuscklaq. Einzel-Nr IN Sonntags-Nr IS L. Deschästlicher Teil: I. Hillebrand in Dresden. Sinelksclsn Ourtv Lellervaren O Lebe, kteiikingsc KileiKnettödtiltNiiiti lliesüen-A. 2skn?p»sse 10 üiemmiiwstc 4. Legt-lklöl kmnittklU SiitklWie Lonnraq, 1. August 192V Im Falle höherer Gewalt erlisch« jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzelgenaufträgem u. Leist".ng v. Schadenersatz Für unüeutl. u d. Fern-s ruf übermitt Anzeigen übernehmen wir keine Ver« antwortung Unverlangt eingesandte u. m. Rückporto nickt versehene Manuskripte wer» nickt aufbewahrh Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittag». Hauptschriftleit.: Dr. Joseph Albert. Dresden. ^-e'chanesleUc. L rnn n»»d Merlan: <aroiua Buchdrucker, i Tresdeu-A. 1, Bolierslrcche 17. ^eruru> n.Ul'checksomo Dresden 14797 'ulUl' iio: ^'asse «nc 6c Ariirsche. Dresden. Für christliche Politik und Kultur lltcdatlio» dcr Tresdcn-AtMadl I. Siiktuiulic» Vvlkszciiunn Policrllrasze 17 gernr.U 2V7N «nd UIVI2. Der neue ^Fall Unter der Überschrift „Verständigung der Republikaner" brachten wir vor kurzem den Auf satz Dr. Wirths, den er im „Berliner Tageblatt" und -n der „Frankfurter Zeitung" gleichzeitig veröffentlichte. Wirth versuchte bekanntlich in diesem Artikel einen Ap pell an das Zentrum, die Demokraten und die Sozialdemokraten zu richten zur Bildung der sog. „Republikanischen Union". Er geht von der Gegenwart aus und bezeichnet sie als einen Schwebezustand, wovon man nicht wisse, wie >e Dinge sich entwickeln würden. Etwas Gespanntes liege in der Luft und verschiedene Strömungen seien vorhan den. aber auf keiner Seite etwas Großes, Einheitliches, Festes! Der Grund hierfür liege einzig und allein in dem Mangel an politischem Willen. Kein Vernünftiger wird diesem Mangel an pan ischer Tatkraft, den ja Wirth in erster Linie sowohl den Parteien als auch gewissen politischen Persön lichkeiten zuschreibt, bestreiten wollen. Und wenn Wirth diese Tatkraft, diesen Willen a u s r ü t t e l n in ö ch t e, so ist das sein wirklichstes Recht. Riemanb un ter den heutigen Politikern fühlt ja wohl die Tragik eines zu großen Taten berufenen aber von saumseligen Menschen bevölkerten Zeitalters stärker und härter, als der lebhafte und von leidenschaftlicher Liebe für sein Land gequälte Geist Wirths. Dieser unruhevolle und immer nach neuer Betätigung drängende Mensch kann cs nicht ertragen, daß seine Zeit in Formalismus und einseitigem Konservatismus von neuem erstarre. Für ihn gibt es nur den Fortschritt und die lebendige seelen- nolle Gestaltung. Bis hierher folgen wir Wirth mit rückhaltloser Of fenheit. Run aber müssen wir uns über etwas weiteres klar werden: In welcher Richtung soll sich die wu erwachende, die zur Höhe getriebene politische Akti vität bewegen? Und diese Frage berührt zugleich das v e s e n t l i ch e. Für Wirth liegt diese Richtung gekennzeichnet in pem Wort: R epubli k. Sein ganzer Aufsatz gipfelt in oiesem Wort. Die Verteidigung, das In-den-Vor- d e r g r u n d st e l l e n der Republik ist Anfang und Ende seiner Ausführungen. Daß freie, aufrichiige und selbständig denken kan tende Männer den republikanischen Staat als eine höchste ^orm der kulturellen Entwicklung ansehen und ihr ihre Kräfte zur Verteidigung nicht versagen, ist selbstverständ lich. lind daß speziell die deutsche republikanische Verfassung strotz ihrer VerbesserungsiNöglichkeiten) als ein Fortschritt gegenüber der Vergangenheit zu bezeich nen ist. bedarf gar keiner Frage. Aber ist diese Re publik nun wirklich das Alpha und das Omega, das ein und alles unserer Tages- und Lebenssorgen? Gibt sie sozusagen das Thema der Gegenwart und der Zukunft ab? Und zwar in der Form, wie der ehemalige Reichs kanzler Dr. Wirth es zum Ausdruck bringt? Wir verneinen das voll und ganz. Hier schei den sich die Geister. Wir wollen den immerwährenden Nus nach der Republik gerade nicht als einen abgestan denen Ruf bezeichnen, aber zum mindesten als einen sol chen, der geeignet ist. der republikanischen Sache genau soviel zu schaden als zu nützen. Es ist uns wahrlich nicht damit gedient, daß wir dieses Wort möglichst oft aus sprechen. Ist denn die deutsche Republik wirklich ernst lich gefährdet? d. h. so gefährdet, daß tatsächlich eine große Gegenorganisation wie eine republiktreue Union notwendig würde? Die Republikaner sollten sich nicht allzu lächerlich machen und sich ruhig soviel Kraft Zu trauen, daß sie mit Leichtigkeit dieser paar Stahlhelm- leute. Wickingbrüder oder wie sie sich immer nennen, Herr werden. Wer fortschrittlich zu denken vermag, weiß sehr genau, daß man in Deutschland nie mehr ohne Demokratie regieren wird. Oder ist man nicht imstande, die wirtschaftliche Entwicklung zu verstehen, die uns die Millionenheere von Lohnarbeitern brachte, von Menschen, die durch ihre Gewerkschaften wohl organisiert und ge schult sich nie mehr den Druck einer undemokratischen Staatsform gefallen lassen werden. Und die mit innerer Ueberzeugung an dieser neuen Staatsform hängen. Diese Millionenheere wachsen dazu von Jahr zu Jahr. Die notwendigen Voraussetzungen für eine republi kanische Union sind gar nicht gegeben. Oder mit anderen AMD«« - AM MW Die Programmpunkle der franFöftsch-belgischen Zusammenarbeit — Vandervelde und Francqui in Paris — Pvincare mit neuen Finanzplänen vor der Kammer P.iris, 31. Juli (Drnhtbericht). Wie bereits berichtet, Ivetten der belgische Außen- minisler Vandervelde und der belgische F-iiinnzmintster Francqui gegenwärtig i» Paris. lieber die qsslrtqe Besprechung des belgischen Anßenmttlisters Vandervelde mit dein Außenminister Briand, glaubt „Petit Parisieu" Mitteilen zu können, daß von der Anfnabme Deutschlands in den Völkerbund und dcr llmbi.dnng des VölteebnndsrateS die Rede gewesen sei. Es scheine, daß mau in Belgien »uo ln Frankreich den Plan verfolge, die Mitglieder des Völker- bnndsrates sollten sich verständigen, um gleichzeitig dcr Vollversammlung die Ausnahme Deutschlands vvcznschlagen und einen Plan für die Erweiterung des Völkerbundsrates zu unterbreiten, der vielleicht im Pöltervnnd diejenigen Mitglieder, die anszutreteu beabsichtigen, zum Weiterver- ble:beu veranlassen könnte. Bach dem „Lcnvrc" seien Brltanr» und Vandervelde zu der tteberueugnug gekommen, Vas; Deutschland nunmehr nnbedlngt zngekasscn werden müsse, wenn man nicht die Abkommen von Locarno ver nichte» wolle. Zu dem Besuch der beiden belgischen Minister in Paris schreibt „Echo de Paris", der be'lgttche Finanzmiuisteo Francqui sei überzeugt, daß der französische und der belgis ch e Franken und auch die italienische Lire das gle - ch e 2 ch >. cksal Hütten. Deshalb sei eine gemein- s me V ,t i i pi 'g des französisch n und des bc gisch.n Fran ken ans dem Geldmärkte nötig. Weiter würden Frankreich, Belgien und Italien ein gutes Geschäft machen, wenn sie ihre Währungen nach analoge» Methoden säuerte», so ver schieden auch immer ihre eigenen Probleme seien. Nach Schluß der Unterredung der beiden belgischen Minister mir P-o:»care erklärte B a n d e r vc l d e, sie seien »ach Paris gekommen, um den Kontakt mit der französischen Regierung herzustellen, weil im Augenblick die beiden Länder die gleichen Schwierigkeiten und die gleichen Ziele hütteil. kente vormittag l«> Uhr hat in der .klammer die Gencralvcbatte über das Finan.programm der Regierung begonnen. D:e Debatte leirei der Ministerpräsident P oin - eare ein durch eine große Rede, in der er nochmals seine Projekte für die Funanziernng der Staatskasse »nd die Sanierung der Währung darlegt. Die Debatte dürfte sehr vereinfacht werden durch einen Beschluß, dcit die Kammer gestern ans Antrag dcr Ge- schäflsordnungskvmmissivn gefaßt hat. Danach dürfen Zn« satmnträge zu den von der Fin.inzkommissioii vorgciegtea Fassung nicht gestellt werden. Ter Kammer bleibt danach im Grunde nur die Möglichkeit, das F-iuaiizprogramm als Ganzes auzunehmeu oder nbzulehnen. Mau erwartet, daß das Programm mit großer Mehrheit angenvmmeu wird. 'Allerdings dürfte die Mehrheit Poiuearcs schon jetzt nicht mehr so groß sein wie bei der ersten Abstimmung. Nach Annahme der Finanzgesehenlwnrse wird der Ministerpräsident noch vor den Parlamentsierien eine Reihe weiterer Finanzptäne vorlegen, darunter einen Gesetz entwurf zur Schaffung einer A m v r t i s a n o n s k n > s s für die BvnS der nationalen Verteidigung. Havas zufolge soll die Regierung nicht beabsichtige», nach Verabschiedung der jetzt vorliegenden Finanzgesetze die Parlamenlssession offiziell zu schließen, damtt das Parlament eventuell ein- bernfen werden tann, wenn die in Aussicht gestellten neuen Gesetzentwürfe, die sich mir der Wätzrnngs »nd F-ttianz- saiiiernng beschäftigen, zur Verabschiedung tvmmen können. 'Als Zeitpunkt der Wiedereinberniung wird Ende Sev- tember angegeben. In der Prepe tauchen immer wieder Gerüchte aus, nach denen die Regierung bestimmte Verpflichtungen einer amerikanischen Banlengrnpve gegenüber eingegangen ist, die auf 'Abtretung des Tabatmonopols hinaus lausen. Tie 'Ausbeulung des Monopols wtt einer amerikanischen Banieii- geuppe unter Führung des B.'»ihauses Morgan übertragen werden. Derartige Verpsichinngen sotten bereit.- vom Kabinett tzerriot als Gegenleistung für di« Einräumung eines lOtt-Millioncii-Tottar-Krevits übernommen werden sein. — Auch in parlamentarischen Kreisen glaubt man, daß die Regierung einem Verkaufe des Tabakmonopvls m:»- destens nicht mehr abgeneigt lei. Es ist die Rede davon, daß ein nationales Tabakamt gebildet werden soll, das s.nan- zietzle Selbstänvigieit unter staatlicher Kviurolle haben würde. Die Monopolverwalinng würde besondere Lbli- galionen ausgeben, die gegen die Bons der nationalen Verteidigung iimgelauscht werden lönncn. Worten: Diese Union scheint uns n i ch t not w endi g genug zu sein. Eie scheint uns deshalb nicht not wendig genug zu sei», weil wir die darauf verwendete Kraft f ü r bessere Zwecke erforderlich halten. Die Sachlage wäre ganz anders, wenn sich gegenwärtig in nerhalb ber drei Versassungsparteien selbst eine republi kanische K rise vollzöge. Aber das ist nicht der Fall. Das Zentrum hat sich gerade erst var kurzem durch seine proininetesten Führer in aller OessentUchkeit klar für die republikanische Staatsfarm ausgesprochen. Die Demo kraten haben schon lange keine Lust, sich die Republik streitig machen zu lassen. Und im Programm der Sozial demokraten liegt die Republik ohnehin verankert. Was soll nun der rein äußere Zusammenschluß die ser drei Parteien noch in einer Union? Damit sich in nerhalb dieser Union die drei Parteien gegenseitig be teuern, daß sie republikanisch sind? Aber wir wissen schon, was Wirth darauf erwidern würde: „Das große Konglomerat der Republikaner soll nicht bei der leeren Phrase der Republik stehen bleiben, sondern aus ihm sollen praktische demokratische Menschen herangebildet werden. Die Verantwortlichkeit vor allem der Sozialdemokraten zur Regierung soll in erster Linie dabei erzielt werden". - Wir würdigen dieses Ziel sehr, aber müssen gleichzei tig feststellen, daß die gewaltige Arbeit, die Wirth dach offenbar im Dienste dieser Union zu leisten gesonnen ist, in gar keinem Verhältnis zu dem Erfolg stehen wird. Wirths Persönlichkeit hat doch auch schon in der Ver gangenheit bei allen Republikanern im Vordergründe ge standen. Man hat ihm in der Vergangenheit schon im mer bei allen möglichen Gelegenheiten zugejnbelt und Beifall geklatscht. Aber sind deshalb die Sozialdemo kraten etwa aus ihrer parteipolitischen Engherzigkeit auch nur um einen Zollbreit heransgekommen. Im Gegenteil, sie hoben sich noch vor Kurzem wie Feiglinge in ihre Bekausungen verkroclwn Wir wollen aber noch weiter fragen: Ist das Zen trum schließlich dazu da, — einzig um dem republikani schen Gedanken zu huldigen — indirekt zum Demonstran ten sozialistischer Parteiinteressen zu werden. Soll es etwa bei großen Demonstrationen wir wissen, daß Wirth hieran nicht i n e r st e r L i n i e gedacht hat - mit „als Staffage in der sozialdemokratischen Parleigarde" marschieren. Oder sollen die Zentrnmsleute sich so ein fältig stellen, als glaubten sie, die Sozialdemokraten hät ten bei ihren Kundgebungen etwas höheres im Sinn als ihre eigene Partei. Wir empfehlen Dr. Wirth. sich auch einmal die Sozialdemokraten in Mittel deutschland anznsehen. Gerade mit diesen muß er dach rechnen, weit sie ein H a u p t k o n t i n g e n t im Bestand der Sozialdemokratie überhaupt darstellen. Er würde dann gleichzeitig auch in sehr nahe Perührniig mit dem Zentrum in diesen Gebieten kommen und auch einmal erfahren, wie dieses Zentrum ans vorgeschoben stem deutschen Pasten über seine Pläne denkt. Gerade das Zentrum in Sachsen und Thüringen überläßt alte Verbrüderungen mit der Linken gern anderen Leuten. Nicht als ob wir ons „christlicher Reserviertheit" heraus grundsätzlich und mit Hochmut über die verhetzten und irregeführten sozialistischen Arbeiiermassen hinwegsähen — davon kann gar keine Rede sein, aber wir unterschei den sehr zwischen dem politisch Erreichbaren und dein taktisch nicht Zulässigen. Man vergesse ja nicht, wie überaus mühevoll unsere Zentrnmswähler es schau in den Werkstätten und Fabriken haben, um dein Ansturm und dem Parteiterror standznhalten. Sollen sie etwa zur Abwechslung Sonntags nachmittags mit ihren Geg nern im Demonstrationszug sich Arm in Arm als Brüder zeigen — nur der republikanischen Idee wegen. Die Republik bedarf all dieser Verbrüderungen ebensowenig wie sie gestürzt werden kann von jenen demonstrierenden Milchgesichtern, die sich zur Zierde und