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Donnerstag. oei, rrv. Juli 1920 Nr. 168,- Sette 8 Vermischtes -:i, ko unten am Mühlgraden. Ich weih ganz genau. Ich bin gleich wieder umgekehrt. Sie war doch schon weg. Und die letzten zwanzig Mark waren darin!" Mit einem Blick gesättigter Liebe sah er sie an. Dann wies er stumm aus das Losa. Sin sah hin. Da lag ihre Tasche. „Da ist sie ja," jubelte sie. sprang darauf zu und öffnete sie. Alles war noch da. „Aber wo hast du sie her? Wie kommt sie nur hierher?" „Latz das, ach Iah." sagte er nur, trat zu ihr und nahm den Zioanzigmarkschein aus ihrer Hand. „Nun hast du aber nichts zu essen", kam es klagend über ihre Lippen. „Ich l-abe noch fünf Mark." sagte er gütig. „Wir werden schon reichen. Ich bescheide mich Uebermorgen bekomme ich Geld Dann werde ich auch den Finder bedenken. Tenn diese zwanzig Mark will ich mein Leben lang aufheben. Weiht du das?" Er hatte sie wieder umfangen. Gibt es Gehirnstrahlen? In Frankreich und Italien machen gegenwärtig d!« Versuche des Mailänder Psychologen Professor Cazza- mali Aussehen. Eazzamali hat bekanntlich die Behaup tung ausgestellt, daß da« menschliche Gehirn Strahlen aussende, die den Hertzschen Wellen (wie sie bei der draht losen Telegraphie verwendet werden) ähnlich seien. Cazza malis Behauptungen beruhen auf folgendem Experiment.' Medial veranlagte Nervenkranke wurden in ein Jsolierzim- mer gebracht, dessen Wände vor aklen elektro-magnetischen Einflüssen gesichert waren. Die Medien wurden nun durch Hypnose zu einer erhöhten Gehirntätigkcit veranlaßt. Die lm Jsolierzimmer ausgestellten besonder« empfindlichen Emp- fangsapparate zeigten nun, nach Cazzamalis Behauptung, da« Vorhandensein kurzer elektromagnetischer Wellen an. In der Gelehrtenwelt hat Eazzamali' eine wenig günstige Beurteilung erfahren. Vor allen Dingen wandte sich der bekannte Pariser Psychologe Rene Sudre gegen Eazzamali. Sudre meint, es bestehe zunächst kein zwingen der Grund, anzunehmen, daß der Jsolierraum tatsächlich gegen elektromagnetische Wellen vollständig abgeschlossen war. Sollten aber die Geräusche, die an den Empfangs- äpparaten beobachtet wurden tatsächlich ihre Ursache im Inncnraum de« Jsolierzimmer« haben, so sei noch lange nicht anzunehmen, daß e« sich um Gedankenwellen handele. Nervenerregungen durch Hypnose würden oft von rein körperlichen Erscheinungen begleitet, die elektrische Reflexe hervorriefcn. Die Versuche des Forschers Abramovski hätten schon längst dargetan, daß GcsühlSerregungen einer in einen elektrischen Strom eingeschalteten Person Jntensitäts- schwankungen dieses Stromes hervorgerufen. Vielleicht habe e« sich um Ströme dieser Art gehandelt. Schließlich sei auch noch möglich, daß der italienische Gelehrte lediglich einer Halluzination zum Opcfer gefallen sei. — Einer ähn lichen Ansicht gibt der französische Forscher Paul Be krön Ausdruck. Er erklärt, das Reich der Wellen sei nur zu einem Teile erforscht. Wenn die in der Radiotechnik angewandten Wellen mit unserem Gehirn in irgendwelcher Wechselbeziehung stünden, so kämen wir in kurzer Zeit alle in« Irrenhaus. Der Münchener Arzt Rudolf Tischner erklärt, psy chische Schwingungen seien von den elektroknagnetischen Er scheinungen so verschieden, daß es ein Irrtum wäre, zwischen den beiden eine enge Parallele zu ziehen. — Auch der französische Gelehrte Henri Az am glaubt an Gedanken- strahlen. Der Weg Cazzamalis zur Feststellung dieser Strahlen sei aber falsch. Es handele sich bei den medialen Erscheinungen und wohl auch bei der normalen Gehirn funktion nicht um Hertzsche Wellen, sondern um Radio aktivität. Eine Anzahl von Medien besäß nachgewiesener Maßen die Fähigkeit, Radium zu entladen. Die überwiegende Mehrzahl der maßgebenden For scher hat gegen Eazzamali Stellung genommen. Die Dis kussion ist aber damit keineswegs beendet. Eine Wieder holung des Experiments dürfte das Problem wesent lich klären. Eazzamali ist bereits eingeladen worden, seine Experimente in London zn wiederholen. — Als Missionsarzt in Inner-China. Im Jahre 1822 über- nahm die Rheinisch-Westfälische Kapuziner-Provinz das Aposto- liscl>e Vikariat in Ost-Kansu in China. Der unternehmungs volle Bischof Msgr. Walleser, der aus dem badischen Schwarz, walde stammt, wagte es bereits 182s, einen Anfang mit der ärztlichen Mission zu machen. Als erster Arzt, -er vom katholi schen missionsärztlichen Institut in WUrzburg aus in die Missi onen zog, schiffte sich am 2. Juli 1924 Dr. Fritz Drexler aus Leutkirch im Allgäu auf dem Dampfer „Aachen" in Neapel ein. — Soeben erscheint unter dem Titel „Als Missionsarzt mit der Kamera nach Inner-China" in Leutkirch eine Reisebroschüre, in der uns Dr. Drexler über seine Erlebnisse auf der weiten See reise und auf der Karrenfahrt durch das chinesische Land berich tet. Ein lebendiges Bild von dem Leben und Treiben an der Missionsstation und über seine ärztliche Tätigkeit schließt sich an. Auf den beigefügten Karten ist die Reiseroute eingetragen. Zahlreiche von Dr. Drexler auf der Reise und an der Missions station gemachte Aufnahmen schmücken das Buch. Um sein Werk zu festigen und ihm größere Dauer zu sichern, beabsichtigt Dr. Drexler, in Tsinchow ein Krankenhaus zu errichten. Der Reinerlös seines Büchleins ist für diesen edlen Zweck bestimmt. Möge diese neue Schöpfung im Rahmen der großen Missions arbeit beim katholischen Volk das nötige Verständnis finden, damit die Mittel aufgebracht werden, ohne die ein solches Unter nehmen nicht zustande kommen kann. Kerr Jesus Wenn Tu zum Abendsegc« über die Felder gehst, Bitte ich Dich» daß Tu einmal am Wald« stillestchst, Wo Dir von fern« tveißc Grüße winke« Ans meinem Wiesengrund — L, wollest dock einmal aus meinem Wasser trinken, Wenn Du müde heimkehrst zur späte» Stund. Herr Fesus, komm! Nicht eher wollst von dannen Tu gehn — ich wohn vom Wege »veit. — Mit Weg und Wassern bet' ich und den Tannen Zu Dir die Bitte» meiner Einsamkeit. Ernestine Groß. — Eine „Wunderklasse". 'Las akademische Gymnasium in Wien bereitet für den Oktober eine Feier vor. Es werden 60 Jahre, seit das neue Anstaltsgebäude seinen Schülern zum ersten- male die Tore öffnete. Damals übersiedelte auch die „Wun derklasse" aus dem alten Schulgebäude in der Bäcker- straße in den Neubau. Diese Wunderklasse könnte vielleicht eher Ministerklasse genannt werden, da außer einem heutige» Staats oberhaupt 4 frühere Minister zu ihren Schülern zählten. Präsi dent Masaryk verließ die sogenannte Wunderklasse im Jahre 1872. Sein gegenwärtiger Mitarbeiter, der Ministerpräsident Heinrich Czerny, war gleichfalls Schüler des Akademischen Gymnasiums. Er trat in jenem Jahre in die dritte Klasse der Anstalt ein, in dem der Neubau vollendet wurde. Die juristischen Stridien absolvierte er an der Wiener Universität. Von nach maligen Ministern gingen aus der Wunderklasse hervor: Der seinerzeitige Finanzminister Professor Dr. Robert Mayer, Mi nisterpräsident Dr. Max Wladimir Beck und der vor kurzem dahingeschiedene Iustizminister Dr. Fr. Klein. Aber nicht nur diese Staatsmänner waren Schüler der Wunderklasse, sondern auch andere bedeutende Persönlichkeiten haben ihr als Gym nasiasten angehört: so der bekannte Hygieniker Professor Leo Burgerstein, der Direktor des Gchulbücherverlages Franz o. Le Monnier, der bekannte Verteidiger Rechtsanwalt Dp Heinrich S t e g e r und andere. Der Nationalökonom Professor Ritter v. Roschmann, dessen Schüler der sozialdemokratisch« Führer Karl Kautsky ist, hospitierte In dieser Klasse. Auch des kannte Namen der Finanzwelt, wie Schey, Cohn uich Wie« ner, sind im Schülerverzeichnis dieser Klasse zu lesen. — Faschistisches Kunstverständnis. Aus Venedig wird unr berichtet: Auf dem Markusplatz wurde ein amerikanischer Maler, der dort seine Staffelei aufgestellt hatte, von einem Faschisten deshalb zur Rede gestellt, weil er auf seinem Bild vor die Mar kuskirche eine Gruppe von Bettlern gemalt hatte, wie sie in Wirklichkeit zu Dutzenden auf dem Markusplatz herumlungern. Was ober ein echter Faschist ist, verträgt es nicht, daß ein Bild aus Italien fertiggestellt wird, auf dem man die Bettler sieht, die das faschistische Regime aus der oielbekämpftcn vorfaschisti- schen Aera herüber übernommen hat. Als der Amerikaner den gestikulierenden Italiener nicht verstand, packte dieser die Pa lette des Malers und begann damit aus diesen einzuhaucn. Die Wache schritt ein und verhaftete beide. Im Polizeikommis sariat wurde zuerst das Bild mit der Bettlergruppe vernichtet. Erst als der amerikanische Konsul dafür einstand, daß der Maler keine beleidigende Absicht hatte, wurde dieser entlasse». Es ist herrlich schön geworden Im Kunstlande Italien. Kumor Erfahrung. „Papa, weshalb stellt man den Tieg meistens in Frauengestaltt dar?" — „Warte, mein Sohn» wenn du verheiratet bist, wirst du es begreifen." O Das Hindernis. Nclly!'„Als Fritz dir den He>rul.'» antrag machte, hat er sich da auf die Knie niedergelassen?" — Annie; „Nein, das konnte er nicht." — Nelly: „Wiesa?" — Annie: „Weil ich darauf saß." » Hat ihn schon. Ein Herr fixiert fein Gegenüber scharf, worauf dieses entrüstet die Frage an ihn stellt: „Wünsche» Sie von mir ein Photo?" — Der Angeredetc erwidert» „Danke, ich besitze bereits ein solches, ich bin Kriminal beamter." * Ern Leutnant wird zu einer Damenrede verdonnert, ist gänzlich unvorbereitet, legt aber doch los: „Meine Damen und Herren! Mein Herz besteht aus zwei Kammern. Auf der einen Kammer steht: Mit Gott für König und Vater land. Auf der anderen Kammer steht: Für Damen." O Träumerei. Der Gatte sitzt auf einer Bank und rechnet: „Meine Frau wiegt achtzig Kilo. Alle Jahr fährt sie nach Karlsbad und nimmt acht Kilo ab; m zehn Jahren bin ich sie los." Der gemischte Chor. „Ich denke, Sie haben hier einen gemischten Chor", fragte der Fremde den Küster nach dem Gottesdienst, „es sind doch aber alles Männer". „Ja, abev die euren können singen und di« anderen nicht." O Der Librettist. Egon Friede!! begegnet dem bekannten Wiener Librettisten G. aus der Straße. „Was ist den los?" Wohin laufen Sie denn?" — G.: „Nach Hause. Ich mutz dringend mein letztes Libretto noch einmal abschreiben." — Friede!!: „Noch einmal??!" k r r s «r r r«k» r o cl a Vornebmes psmilienkaur prsekivolle l.sge in äem berroglicken Lcbloüpsrk ru lkeinksräsbrunn läesles Lrkoiungskeim :: Pension ab 8 käsrk pilr kleinere Kongresse bis 200 Personen rekr geeignet Vom Aosenkranz Von Georg Timpe. In unserer Kirche hatten wir keine Beleuchtung. Elektri sch« gab es damals noch nicht, und für Gas hatte es nicht mehr gereicht. Wir hatten nicht einmal zwei Petroleumlanmpcn. Sv arm waren wir. — Eigentlich waren wir nicht arm; Pastor sagte es wenigstens. Er sagte, wir hätten keinen Pfennig Schulden, keinen Pfennig. Nur deshalb hätte Bischof Bcrnard die Kirche richtig einweihen können, ganz richlig mit Asche und seinem schweren silbernen Stab. Die Asche hotte Pastor selber von einer Ecke der Kirckje zu der anderen schräg gegenüber gestreut, wie ein großes Andreaskreuz. Da hinein hatte der Bischof mit seinem Stab sußgroße Buch-staben gezeichnet, erst griechische, dos ganze Alphabet, und dann dos lateinische ebenso. Nicht einmal mein Vater durfte dabei sein; er mußte draußen bleiben wie alle die anderen Leute. Nur Bruder Heinrich und ich dursten dabet sein. Ohne uns beide ging es ja nicht. Dinn wer hätte sonst dem Herrn Bischof Mitra und Stab gehalten, wenn er müde wurde! Und er wurde öfters miide. Jedenfalls hatten wir eine schöne Kirche, mit einem feinen Altar, unten ganz aus Sandstein, und mit lauter bunten Fen stern. Gipsfiguren varen nicht darin. Nur das Madonnenbild aus der alten Kapelle. Irgendjemand hatte es geschenkt. Ein wirklicher Künstler hatte es gemalt. Es war die Unbefleckte, ganz in Weih, mit einem schmalen Gürtelband, unter ihren Füßen die Mondsichel. Lang wollte das Haar herab, und die Augen mit den langen Wimpern fast geschlossen. Die Hände hatte sie betend zusammengelegt: es wäre nicht nötig gewesen, man sah auch so, daß sie betete. Sie sah immer so glücklich aus; Ich Hobe mich oft darüber gewundert. In seinem breiten goldenen Rahmen hing es rechts wie ein Seitenoltar. Aus unserer Seite. Denn die zweite Bank rechts vorn ivar unsere Band. Da kniete Vater mit seinen Jungen, wenn die nicht gerade am Altar dienen mußten. Ich kenne darum das Bild ganz genau, und ich meine immer, es gibt kei nes, das so fein ist, und so andächtig und so zart. Ich gehe jetzt nur selten in diese Kirche, kaum einmal im Jahr. Sie ist jetzt bemalt und hat elektrisches Licht, Dampf heizung und Gipssiguren. Wenn ich einmal hingehe, ist es am Abend im Dunkeln. Dann stören mich nicht die vielen Farben an den Wänden, dann ist auch die Wand rechts ganz dunkel. Dann weitet sich das Weiß an der Gipssigur, da, wo meine Ma- dynna hing, und es wird hell, und ich sehe sie doch wieder wie damals, und ich iveih, keiner kann sie mir nehmen. Zwei Kerzen nur brannten vor unserer Madonna. Wir waren ja arm. In den Bänken brannte auf jeder Seite nur eine. Das war genug. Außer Vater kam nur Pastors Trina zur An dacht. Und dann der alte Witkowski, der immer so falsch sang, mit seinem Enkelkind. Er kniete immer in der vorletzten Bank, vielmehr hockte er da. Am Altar brannten auch nur zwei Ker zen. Wir beiden Brüder dienten. Pastor betete vor. So habe ich den Rosenkranz beten gelernt. Pastor hat es uns beigebracht. Pastor konnte ja alles, rein alles. Er konnte Messer schleifen, Glas schneiden, alte Uhren wieder in Gang bringen, und als dos Waisenhaus kam, konnte er auch tischlern. Er hat selber an die fünfzig Bettstellen und mehr für die Kinder gemacht. Wenn ich jetzt ins Waisenhaus gehe, tu ich es bloß, um immer wieder diese Bettstellen zu sehen. Am liebsten möchte ich sie dann streick-cln, jede einzeln. Ich meine immer, nur ein Pastor, der so ernst den Rosenkranz beten konnte wie er, -er kann so schöne Bettstellen machen — wie die Perlen im Rosenkranz so gleich mäßig. Wie ich damals den Rosenkranz betet«, das weiß ich nicht mehr. Vielleicht wie so Kinder es tun. ohne viel Gedanken. Ich habe auch die Erinnerung als an ein traumhaftes Beten. Viel leicht ist das auch die richtige Art. Im Traum erhebt sich unser Geist aus den Fesseln des Tages. Er wird weit. Er schaut in einem Augenblick fernes und fernstes Geschehen, und er sühlt rein, ohne Hemmnisse von List und Berechnung, wenn Menschen und alles Erdhaste langsam von einem abrückt und sich zu Schot ten verwandelt. So habe ich den Rosenkranz immer gern im Walde gebetet. Das Beben der Lichtflecken im Grün, die dun keln Linien am Abend, beides gleich zieht den Geist heraus aus seiner Verschlossenheit und Enge. Gern betete ich ihn auch am Meer oder auf See. Was hebt denn mehr heraus aus Schwäche und Kleinheit als der Wellen ewiger Gang und das Streben von Himmel und Wasser in der Unendlichkeit Schoß? Am liebsten aber betete ich ihn, wenn ich London von meinen Seelsorgsbesuchen müde am Abend nach Hause znrückfnhr. Dann hoch oben sitzend auf dem ratternden Bus, hell sind die Straßen vom Licht, Elektrische jagen einem entgegen, an einem vorbei, Omnibus und Wagen, hundert und hundert — unten die Men schen, kleine und große Knäuel, dort Helle Fenster, dort schwarze — oh, es ist schön, in all solcher Unruhe weit werden und träumen zu können! Den ganzen Rosenkranz konnte ich damals jeden Tag beten. Im Krieg dann ist es mir schwer geworden. Und jetzt? Ich meine immer, es fehlt mir an der nötigen Unruhe dazu. Mir bangt vor -er Ruhe. (Aus dem Buche „Das Schifslein Gottes" von Georg Timpe, Herder, Freiburg.) ckas kZorgenrot künkliger breikeit ein. kielkl krüäer cien Murern sm Ukein beim äeutrcken lüeck trinkt cleulscben V/ew. vresäen Knnennivnüe S L.8pielllsgen vnutrner Sßvnke S v»»a« o«i»e welv- No»- «ink vom