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Sächsische Volkszeitung : 09.04.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-04-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192704092
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19270409
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19270409
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-04
- Tag 1927-04-09
-
Monat
1927-04
-
Jahr
1927
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 09.04.1927
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»onnaoeno, rxn 9. Apni 192. ^tr. 88; Seite — > — . »i. : ^ n i !, > -i l I» ! , ! Zentrum uni» Arbeitszeit Schlutz -er Reichsfagsre-e -es Abgeor-neken Skegerwald Wie ist »UN Vas Arbeitzeitnotgesetz im allgemeinen gelaufen? Der Herr Reichsarbeitsmiiiister hat bereits einige An deutungen darüber gemacht. Die Mittelparteien haben sich im November vorigen Jahres auf einen Gesetzentwurf ge einigt, der in der Hauptsache eine starke Milderung des 8 II Ab>. I! der Arbeitszeitverordnung vorsah. Dieser Ent wurf sollte die Grundlage zu Verhandlungen mit der Sozial- d'.'inokrarie bilden. Damals mußten sich ja die Mittel- Parteien aus die Sozialdemokratie stützen. Es war auch damals in Aussicht genommen, die Sozialdemokratie zur großen Koalition heranzuziehcn. Also die Mittelparteien haben sich damals auf einen bestimmten Gesetzentwurf ge einigt, auf Grund dessen in Verhandlungen einHetreren werden sollte. Der Herr Arbeitsministcr erklärte im No vember, datz in der Frage der Arbeitszeit noch andere Dluge in der Schwebe seien: 1. Die Gewerbeinspek- toven seien angewiesen, gegen das Ueberstundenwesen nach- drücklichst vorzugehen — das ist inzwischen geschehe»; 2. für Glasarb'iler, Gasarbeitcr und für die Metallhütten arbeiter sollte auf dem VerordiiungStvegc der Acht stundentag zur Einführung gelangen — das ist in der Zwischenzeit auch geschehen; und 3. sollte den Schlichtern, die im Dezember 1926 zusammenkamen, Mitteilung darüber gemacht werden, was die Reichsreaierung aus dem Ge biete der Arbeitszeit plan«, damit die Schlichter auf eine organische Verkürzung der Arbeitszeit hinwirken könnten. In dieser Situation kam die Regierungskrise, di« sich zwei Monate lang hiaschlcppte. Dadurch sind auch für die Frage der Arbeitszeit ausserordentlich große Unzuträg lichkeilen entstanden. Ein geschäftsführender Arbeitsmiirister hat aus einer Schlichterkvnserenz nicht die Stellung, wie ein parlamentarischer Arbcitsminister; denn ein geschäfts- fühvender Arbeitsminister kann ja den Schlichtern gar keine Instruktionen für die Zukunft erteilen, weil er gar nicht weist, wer sein Nachfolger sein wird. So ist . dann diese Schlichterkonfcrenz im Dezember ganz anders verlaufen, als sie verlaufen wäre, wenn wir damals eine ordnnngs- gemäste R gierung gehabt lchtten. So ist es nun gekommen, daß in de» Monaten Dezember, Januar und Februar eine Reihe von Tarifverträgen abgeschlossen worden find, der denen in der Frage der Arbeitszeit alles beim Allen geblieben ist. Das jetzige «rbeitszeitnotgesetz steht vor folgender Situation: Einmal hat Deutschland im Vergleich zu 1913 erst zwei Dritel seines An teils am Welthandel erreicht. Mit den Handels verträgen kommen wir nur langsam vorwärts und zwar auch aus dem Grunde, weil eben Deutschland heute kein« ausreichenden politischen und wirtschaftlichen Machtmittel hat. Früher, wo wir ein Heer von 800 000 Menschen hat ten, wo wir im Ausland ein Guthaben von 20—30 Mil liarden batten, war es sehr viel leichter, zu anständigen Handelsverträgen zu kommen, als heute, wo alle diese Dinge fehlen. Hätten wir hcnte »»seren Anteil am Welt handel im Vergleich zu 1913 erreicht, dann hätte» wir mindestens eine halbe Million Arbeitslose weniger in Deutschland. Wenn die ganze deutsche Wirtschaft aus dem B nch d r u ck e rg ew e rbe und aus dem Baugewerbe bestünde, dann brauchten wir in Verbindung mit der Rege lung der Arbeitszeit nicht solche wirtschaftliche Erwägungen aufzust.'llen; denn deutsche Zeitungen kann man nicht in London Herstellen und ebenso kann man deutsche Stein häuser nicht in Ehikago baue». Die Herstellung von Textilien, Maschinen usw. aber ist an anderen Orten auch möglich. Nun hat vorhin der Herr Kollege Grastmann ans- einandergesctzt, daß es der ganzen deutschen Wirtschaft sehr gut ginge. Ich stehe nicht ganz auf seinem Standpunkt. Sei» Kollege Keil hat nämlich in den letzten Tagen das Gegenteil gesagt; er hat bei der Finanzdebatte auSein- andergesetzt, datz wir am Rande einer neuen In flation feien. Inflation aus der einen und Prosperität der Wirtschaft auf der anderen Seite ist doch ein kleiner Widerspruch. — Ich stehe also nicht auf dem Standpunkt, datz es »er gesamten deutschen Wirtschaft gegenwärtig gnt geht. Datz es aber in vielen Zweigen der deutschen Wirtschaft gut geht, darüber besteht gar keine Meinungs verschiedenheit. Insofern stimme ich auch zu. Anderen Zweige» der deutschen Wirtschaft geht es aber weniger gut. Das müssen wir zugeben, wenn wir ein Gesetz machen wollen, das für die ganze deutsche Wirtschaft gelten soll. Ich sage also; Wir haben gegenwärtig 1. erst etwa Zweidrittel unseres Anteils am Welthandel erreicht. Das ist nicht llriache der Arbeitszeit allein. Da spielen eine ganz: Reihe Dinge mit, die ich hier schon teilweise um schrieben habe. Aber in diese Gesamtsituation spielt ohne Zweicl auch das A r b e i t s z e i t p r o b l e m hinein. Zweitens stehen wir gegenwärtig vor der Situation, datz wir in Deutschland füuserlei Arbcitszciten haben. Etwa die Hälfte der deutschen Arbeiter arbeitet gegenwärtig 8 Stunden. Für einen wei tere» grasten Teil »er Arbeitnehmer besteht sodann taiis- lich der Achtstundentag mit der Mastgabe, vast siir die Mehr arbeit ein Zuschlag zu leisten ist. Drittens besteht in der Textil- und Fertigw a re n mr t a > l i n d n st r ie viel fach der N « u n st u n d e n t a g ohne Zuschlag siir di« Zeit über 48 Stunde». Dan» haben wir viertens im ober irdischen Bergbau, insbesondere im Braunkohlenberg bau meist die Ze h n st n n ve n s chi cht ohne Zuschlag für die »ennte und zehnte Stunde. Fünftens arbeiten hcnte noch mehrere Hunderttanscnoe deutscher Ar beiter in kontinuierlichen Betrieben mit der zweigeteil ten Schicht, also zwölf Stunde» einsch!» stlich der Pau sen. Im allgemeinen herrsche gegenwärtig in Deutschland der Zustand, vast für diejenigen, di: am schwersten arbeiten müssen, di« längste Arbeitszeit besteht. Diese Dinge lassen sich ganz einfach Herausstellen, än dern lassen sie sich nicht ganz soeinfach. Glaubt man im Hinblick darauf, datz Deutschland im Vergleich, zu 1913 «erst Zwcjdrittcl seines Anteiles am Welthandel erreicht hat, ferner angesichts der jetzt herrschenden fünferlei Arbeits zeit in Deutschland, datz man mit einem Schlage den Acht stundentag gesetzich für di« ganze deutsche Wirtschaft durch- nihrvn könne? Das gäbe ohne Zweifel ein grotzes Chaos. Der Zustände würden ganz bestimmt schlimmer, als sie wenn man plötzlich mit einem schema- gegenwärtig sind, wenn man plötzliä iischien Achstundenttag hineingriffe. Das Schlimmste und das Kulturunwürdigste an der deutschen Arbeitszeit ist ohne Zweifel die zweigeteilte Schicht, Ist dt: Tatsache, datz noch mehrere Hunderttausend« deut scher Arbeiter die Zwülfstundenschicht haben. , In diesen Betrieben mit der zweigeteilten Schicht hat Deutschland heute die längste Arbeitszeit in ganz Europa. Diesem Zustande mutz nachdrücklich und planmätzig begegnet ^wetzten. Durch einen bloßen Gesetzgebungsakt und von i-estte auf morgen gebt das aber nicht. Denn wenn man der zweigeteilten zur dreigeteilten Schicht übergehe» will, müssen Fristen ge,etzt werden. In der zweigeteilten und dv.-igeteilten «chichr liegt meines Erachtens di« Achilles- serse des ganzen Arbeitszeitnotgesetzes. Die Schwierigkeit besteht darui, datz man nicht plötzlich vhire Fristen von der zweigeteilten zur dreigeteilten Schicht übergehen kann Nun soll aber das gegenwärtige Gesetz ein Arbcitszeitnv'tgasetz sein, und e„, Arbe,tszeitnvtge,etz mutz sich für den Augen blick aiisw-.rd.-n. Man kann nicht für die Fcrtigwaren- m-elallindustrie, für die Textilindustrie ustv. die Arbeitszeit neu ordnen, wo-noch eine Arbeitswoche von 54-56 Stun den besteht und diese Leute mit ihrer Zwölfstundenschicht wieder aus Monate vertrösten, bis für sie eine W'rkuna Eintritt. Das ist die Achillesferse bei dem ganzen Arbcits- zeitnotgesetz. Ein Arb«itszeitnolgesetz, datz die Arbeitszeit verkürzt, mutz m .erster Leine bei den kvittinn.erlichen Betrieben an- »vom ,»r oen 'Augenblick ich auswirken. Sonst ist der Name „Notgesetz" schon ver fehlt. In einem Not- und Uebergangsgesetz die Frage der Ar beitszeit, wie sic gegenwärtig in Deutschland steht, Positiv regeln zu wollen, ist sowohl wirtschaftlich wie gesetzes technisch eine Unmöglichkeit. Ein Notgesetz kann da- h-er nur negativ den gröbsten Unzuträglich- k>: iten begegnen. Das war ja auch der Ausgangspunkt, von dem aus wir im November an die Dinge herangetreten sind. Alles andere mutz dem endgültigen Arb ei t e r- schutzg«setz überlassen wedren. Das Notgesetz ist nicht das Ende, sondern »er Ansang znr gesetzlichen Neuordnung der Arbeitszeit in Deutschland. Was meines Erachtens in den nächsten Wochen und Monaten zu geschehen hat, ist folgendes: Zunächst werden die Schlichter dort, wo siir bei der Gestaltung der Tarifverträge Mit wirken, auf eine organische Arbeitszeitverkürzung hinzu- wirkrn haben. Im Ruhrgebiet ist es ja in den letzten Mo naten schon geschehen. Dort bestand seither im ober irdischen Bergbau dir zweigeteilte Schicht, also die zwölf- ständig« Schichtzcit mit der zehnstündigen Arbeitszeit. Nach dem neuesten Schiedsspruch ist die lOstttndige Schichtznit mit der 9stündigen Arbeitszeit «inge führt, so datz dir oberirdischen Bergleute an der Ruhr jetzt zwei Stunden früher nach Hause kommen. Im unterirdischen Bergbau ist bestimmt, datz, wo seither die Z'/sstündige Ar beitszeit bestand, mit dem 1. April d. I. die 8'ästündige, mit dem 1. Oktober 1927 die achtstündige Arbeitszeit im unterirdischen Bergbau einzusühren ist. Arhnlich wird über all im oberirdischen Bergbau und auch in der Textill- industrfe und u, der Fertigwarenindustrie vorgegangen wer den müssen. Auch dir Wünsche der unterirdisch tätigen Bergleute, für sie gesetzlich die S ieb c n st u n d e n s i ch t vorzuschrei- b«n, konnten in diesem Notgesetz nicht verwirklicht werden. Ich bin aber der Meinung, datz diesen Wünschen bei dem endgültigen Gesetz dahingehend entsprochen wevden kan», daß borge sch jeden wird: Die Arbeitszeit der unterirdisch tätigen Bergleute beträgt 7 Stunden, — denn sie haben stets eine kürzere Arbeitszeit gehabt als die anderen — sie wird aber erst dann durchgeführt, wenn auch in den übrigen europäischen Konkurrenzländern die gleiche Arbeitszeit zur Einführung gelangt sein wird. Damit haben wir das Druckmittel, um auch in England di« Arbeitszeit weder zu verkürzen, dir durch den dummen Bergarbeiterstrcik ver längert worden ist, so datz heute die englischen Bergarbeiter, soweit sie unterirdisch tätig find, in einigen Bezirken die längste Arbeitszeit in ganz Europa haben. In der Grotz- «iscndiustrie, insbesondere für die Arbeiter in den Thomas- und Martinsöfen und in den Walzwerken wird m. E. der Herr Arbcitsminister baldigst auf Grund des 8 7 der Arbeitszeitnotverordnung den Achtstundentag verschreiben müssen. Schliesslich wird im nächsten Winter mit dem all gemeinen Arbeitsschutzgesetz vorzustotzen und damit die 48stündige Arbeitswoche als Norm vorzuschreiben sein. Die Zeutrumspartei untcrsch idet sich von der Sozial demokratie in der Frage der Arbeitszeit in zweierlei: 1. Wul fen wir die gesetzliche Regelung der Arbeitszeit derge stalt, datz di« 48stündige Arbeitswoche die Norm darstellt, womit das Washingtoner Uebercinkommen ratifiziert wer den kann. Die Sozialdemokratie will dagegen weitgehend den gesetzliche» schematischen Achtstundentag und elwaige Mehrarbeit nur auf dem Wege der Tarifverträge zuge stehen. Gewerkschaftlich und soweit der Tarifvertrag in Frag: kommt, bin ich persönlich mit Ihnen (zu den Soz.l durchaus einig. Vom Standpunkt des Gesctzg- gebers dagegen liegt die Sache anders. Sie werden in ab sehbarer Zeit keine Parlamentsmehrheit finden, die etwa sagt, di« gesetzliche Höchstarbeitszeit beträgt acht Stunden und über das, was vorübergehend an Mehrarbeit nve- ,wendig ist, müssen Arbeitgeber und Gewerkschaften sehen, wie sie miteinander fertig werden. Für diese Formel werden sie in absehbarer Zeit keine Parlamentsmehrheit finden. Jeder Gesetzgeber wird vielmehr sagen: „Wenn wir «ine verhältnismäßig kurze gesetzliche Arbeit vorschreiben, dann mutz das Gesetz gleichzeitig bestimmen, unter welchem Voraussetzungen Mehrarbeit begrenzt und mit 25 Pro zent Zuschlag im allemsiuen geleistet werden soll." Diose Auffassung vermag ich auch nicht als ein'» großen Fehler anzufehcu: Denn neben der gesetzlichen R g lnng de- Ar beitszeit müssen für di: verschiedenen Gewerbe eine Reih^ von Feinheiten auch für »cn Darisvcrtrag übrig bleiben. Wir wollen nicht alles i»> gewerblichen Leben in das un bewegliche rrichsgesetzliche Sckwma gepretzt wissen. Di: Zeutrumspartei unterscheidet sich weiterhin von der Sozialdemokratie in der Frage der Arbeitszeit im folgen dem Punkt«: Sie nach links glauben, datz schon im Notgesetz geregelt werden könnt:, was wir glauben erst im endgül tigen Arbeitsschutzgesetz regeln zu können I h wü isch- l«, Sie von links hätten die 12 und mehr Sitzungen mit den Regierungsparteien mitgcmacht, und Sie würde» selbst mit mir der Ueberzeugung sein, datz durch diese Kämpfe einem endgültigen Arbeitszeitgesetz wertvolle Vorarbeit ge leistet worden ist. Wenn Sie einmal den Dingen nachgehen und wenn man «ine ganze Woche Zeit hätte — ich werde selbst auch in den Sozialpolitischen Ausschutz gehen, — dann werden Sie sich überzeugen, datz es gar nicht leicht gewesen ist, die For mulierung richttg zu fassen, weil ja das ganze Gesetz auf dem ArdeitSzeitnotgcsetz von 1923 aufgebaut werden mutz. Die'cs Arbeitszeitnotgesetz von 1923 ist ja eine wahre Ziehharmo nika, wie wir selten ein anderes Gesetz gemacht haben, und aus einem Ziehharmonikagesetz ein anderes Gesetz aufzu bauen, das war, von politischen Schwierigkeiten abgesehen, gar Seine leichte Arbeit. Ich sage also, datz wir uns im Tempo von Ihnen (zu de» Soz.) n n te r sch e i d e n. Sie glauben, jetzt schon vieles im Arbeitszeitnotgesetz endgültig regeln zu können, was wir erst glauben iin endgültigen, Arbeitsschutzgeketz regeln zu lass«,,. Der jetzige Entwurf zum Ardeitsschutzgejctz wird demnächst kaum Gesetz werden. Die Ausnahmen von der 48stündigen Arbeitswoche — das habe ich seinerzeit schon in der weltwirtschaftlichen Gesellschaft auügeführt — sind mir zu iveitmaschig, und wenn der eng lisch: Arbeitsminister darauf hingewesen hat, datz dieses Ardeitsschutzgejetz in manchen Bestimmungen mit dem Was hingtoner Abkomme» nicht zu vereinbare» ist, dann ist das auch meine Ueberzeugung. Also dieser W « i t m a sch i g k e i t wird der Reichstag noch begegne» müssen. Aber dar über wird noch später zu reden sein. Wenn wir noch eil, Jahr >v:iter sind und in der deutschen Wirtschaft nicht wieder starke Rückschläge eintreten, dann sind wir im Tempo garnicht mehr so weit von Ihnen entfernt. Was allerdings den schematischen Achtstundentag anlangt, oder den Achtstunden tag als Norm, so lass« ich es dahingestellt, vb wir uns da im «inzelnen einigen können. Wir Hab«» uns weiterhin klar zu werden, da, die Arbeitszeitfrage gleichzeitig eine Lohnfragr ist. Diese Frage hat auch Herr Kollege Gras; man» an geschnitten und weiterhin mit Recht ausgeführt, datz heule «m Teil der Arbeiter selbst zwischen 60 bis 70 Stunden in der Woche arbeitet. Das trifft insbesondere für die Grotz- «iscnindustrie zu bei der zweigeteilten Schicht, wo Sonntag- morgen Schichte gemacht werden, wo die Leute teilweise 70 bis 77 Stund«» arbeiten müssen. Und nun werden Sie mir zugeben, datz, wenn man bei Arbeitern, die seither zwischen 60 bis 70 Stunden gearbeitet haben, mit einem Schlag die 48stüiidig: Arbeitswoche einführt, es dann ganz ausgeschlos- fen ist, zu erreichen, datz die Leute den gleichen Lohn für ihv: Arbeit bekommen. Di: Arbeitszeit könne» wir zwar gesetzlich regeln, aber eine gesetzliche Regelung des Lohnes ist nicht so einfach. Ich habe mich sehr stark mit den Dingen beschäftigt und auch innerlich mit ihnen ge rungen, wen ich mir sagte, in der Fertigwarenindustrie, in d«r Metallindustrie und i» der Textilindustrie werde» heute noch vielfach antzerordentlich niedrige Löhne gezahlt und di: Leute arbeiten 54 Stunden, ja teilweise 56 Stun den in der Wvche. Wenn wir für diese die 48stünd:ge Ar beitswoche vorschrieben, dann bedeutet das vorübergehend «ine Verringerung des Arbeitslohnes, das können die Leute nicht tragen. Aus diesem Grunde können wir nur organisch vorwärts schreiten aus dem Wege der Arbe-itszeitregelung. Den allgemeinen Bemerkungen des Herrn Kollegen Gratzinann über die R itiinalisiernng stimm« ich weitgehend zu. Tie Rationalisierung in ns; in ab sehbarer Zeit zur Folge haben: möglichst kurze Arbeitszeit, Senkung »er Preise und eine Erhöhung der zlaufkrast oer breiten Massen. Wen» die Rationalisierung das nicht erzielt, hat sie ihren Zweck für die Volkswirtschaft verfehlt. Darüber mutz auch mit d«n deutschen Arbeitgebern verhandelt und geredet werden. Kürzlich war ein Mitglied des englischen Unterhauses bei mir. Der Herr, ein englischer Industrieller, sagt« mir: „Wir europäischen Unternehmer denken tatsächlich noch viel zu stark p r i v a t w i r t sch a f kl i ch statt volks wirtschaftlich." Im einzelnen äußert er sich dahn: „Der amerikanische Unternehmer geht von dem Gesichtspunkt aus: Erst mutz es der Gesamtheit gut gehen, bevor die ein zelnen Unternehmungen prosperieren können. Bei uns ist es umgekehrt." Da man seither geglaubt, iwt langer Ar beitszeit und niedrigen Löhnen die P ospcr.tät Lee Wirtschaft zu erzielen. In dieser Beziehung mutz sich tatsächlich auch in unteren deutschen Arbeitgeberkreisen ein Umdenkpro. «tz voll ziehen. Ich habe hier in Berlin im Herrenhause in einer Akademikerversammlung geredet. Dort habe ich den Akade mikern gesagt, diesen Denkprozetz, den wir in Deutschland durchgemacht haben, ichiebs ich hauptsächlich dem Umstand zu, datz in Deutschland die Schwerindustrie so viele Jahr zehnte bi »durch einen so gewaltigen Einfluß auf die deutsche Wirtschaft gehabt hat. Die Schwerindustrie ist nicht auf den - Mass.'nabsatz angewiesen, hat einen kleineren Kundenkreis. Dagegen ist die Fertigwarenindustrie gerade auf Massenabsatz angewiesen. Dadurch, dajtz die Schwer industrie eben diesen starke» Einslntz hatte, sind w r im Lause der Jahrzehnts in die verhältnismäßig enge Betrachtungs weise hincingeraten. Auch darin bin ich mit dem Herrn Kollegen Gratzmann «inig, datz das Arbeitszeitnotgesetz ein unvollkommenes Ge setz ist. Aber in diesem Arbeitszeitnotgesetz konnte, weil es aus der Verordnung von 1923 aufbaueil mutzte, manche Frage nicht geregelt werden, deren Regelung durchaus wünschenswert gewesen wäre. Zusammcnfassend darf ich folgendes feststellcn: Bei einer positiven Regelung der Ar beitszeit ist es das Vordringlichste, daß eine Beseitigung der zw i; teilten Schicht «rfolgt. Dieses Zeel kann nicht plötzlich, sondern nur in Fristen und nur organisch erreicht werden und zwar aus den Gründen, die ich im einzelnen auseinanidergeietzt habe. In «mein Notgesetz war diese Regelung nicht möglich, in ihm könnt« nur den llnzuträglichkeiten des Tages b«gegnct werden. ES enthält nicht, wie-fälschlicherweise be hauptet wurde, Verschlechterungen, sondern wesentliche Ver besserungen. Was ber der gegenwätigcn gesamtwirtschaft lichen Situation und bei der gegenwärtigen Politischen Kräsiegruppierung im Reichstage in der ArbeitSzeitfrnge kür di« Arbeiter hcrausznholen war, ist herausgeholt worden. Ich garantiere Ihnen, Herr Kollege Gratzmann: Hätten wir die Gros;« Koalition bekommen, und wäre die Sozial demokratie darin gewesen, sie hätte „m keinen Millimeter mehr hcransholen können. Ich habe ihrem Herren Kollegen Müller bei der letzten großen Regierungserklärungsdebatte aus-einandcrgesetzt, datz es garnicht darauf ankommt, was--»«< man als «inzelne Partei will, sondern datz man zusehen must wie mau eine K r ä f te gr u p p i er» n g be kommt, mit der man das, was man will, weitgehend durch setzen kann. Wenn sic beispielsweise in der großen Koalition gewesen wären, — da müssen Sie sich auch einmal in di« Psyche der anderen Flügelparteien hineinversetzen, — in welche Situation wäre die andere Flügclpartei, die Deut sch« Volksparte:, dann hineingekommen? Die wist'» in das Kreuzfeuer zwischen der Wirtschaftspartsi und der Deutsch- national«» Volksparte: hineingeraten. Glauben Sie, datz in einer solchen Situation die Deutsche Volkspartei zu grüserem Entgegenkommen bereit gewesen wäre als gegenwärtig, wo sie zwischen rechts und links so schön eingepackt ist? Glauben Sie, daß dann die großen Schwierigkeiten leichter über wunden worden wären? Schon mehrfach habe ich ausgesprochen, datz die Sozial demokratische Partei m. E. auf die Gesamtgestaltung in Deutschland einen größeren Einfluß ausüben könnte, wenn sie heute nur 90 Mandate hätte anstatt 130 und ihr lin ker Flügel weniger stark wäre, als datz es umgekehrt ist. Das ist meine fest« Ueberzeugung. Mir kommt «S gar nicht darauf an, ob die Zentrumspartei ei» halbe» Dutzend Man dat« mehr oder weniger hat» sondern mir kommt es darauf an, welchen Einfluft die Partei im ganzen ausüben kann. Das mutz mau letzten Endes berücksichtigen, wenn man die Dinge politisch sieht. Ach sage also: auch bei einer großen Koalition hätten Sic anderes nicht durchzusetzen vermocht. Das ist meine selsrnsest« Ueberzeugung, nachdem ich ein halbes Jahr lang, seit November, in Li sen Dingen gearbeitet habe. Di« Politik besteht nicht in der Ansdenknng von Wünschen, sondern in der Durchsetzung de« Möglichen. Wir sind mit dem Rotgesetz noch nicht am Ziel. Das Ar» bekterschutzgrfrtz wird «,,s diesem Ziel weiter entgegen» führen müssen.
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