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Nummer 88 - 26. Jahrgang tzmol Ivöch. Bezugspreis für April 3M Mk. einschl. Bcstcllgeto Anzelgenpretfe: Die Igesp. Petitzeile »VL. Stellengesuche L0 L Die Petitreklamezeile. 89 Milli- neter dreit. 1 Offerlengebüliren für Selbstabholer 2V bei Uebersenbung ourch die Post außerdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 1« Sonntags-Nr. IS H Aelchästticher Teil: Artur Lenz in Dresden. Söckllscke Sonuavend, üen 9. April 1927 Lu, Falle höherer Geivalt erlischt jede Verpflicht»»«, auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigenauslrägei» u. Leistung v Schadenersatz. Für undeutl. u. 0. Ferm rus übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ber» anlworiung. Unverlangt eingesandte u. in. Niickport» nicht versehene Manuskripte ivera. nicht ausbeivahrt. Sprechstunde der Nedaktion 2—3 Uhr nachmittag» Hauptschrislleil.: Dr. Joseph Albert Dre^-»» volismmna GeschäftSflellk, Drurk »»d Verlag: Saiüm» AuchLrmkerei GmbH.. Dre-:-de»-Vl. >. Polierslrege 17. Fernrus LiviL. Posiiche^ioulo: .NookioSiiorwliilce sklccni»»», LreSdo» -lviio. Für christliche Politik und Kultur ckedaktto» der Sächsische» 'Volkheit»»» öden Aiistcidt l. Poiieistrm'.e 17. steriirus Ä7Ii Dresden und 21012. Kein Einspruch -es Reichsraks — Der sächsische Prolesl nicht genügend unterstützt Mit oder ohne? Die Regierung der Tschechoslowakei, in der säst 3)4 Millionen Deutsche lSben, lag bekanntlich bis vor kurzem ausschließlich in den Händen der Tschechen: nur Tschechen waren Minister und nur tschechische Parteien bildete» die Regierungskoalitioii. Rach vielerlei Krise» machte sich ti» Frühling 19W eine ernste Erschütterung der tschechischen Re gierungsmehrheit bemerkbar: auf sie folgte im Herbst der Sturz der tschechischen Regierung und zum erstenmal die Bildung einer gemischtnationalen deutsch-lschechisch-sloivaki- schen Regierung, der zwei deutsche Minister sUnio.-Prof. Dr. Mayr-Harting. Justiz. >u»d Univ.-Prof. Dr. Spina. Oes- sentliche Arbeite») angehören: der gemischtnationaien Par- lamentsmehrheit gehören von den deutschen Parteien an: Deutsche christiichsoziale Volkspartei. Bund der Landwirte und Deutsche Gewcrbepartei. Wie sich die Verhältnisse seit dieser geschichtliche» Aen- dernng in der tschechoslowakischen Innenpolilil! gestattet haben, zeigt nachstehender Artikel, den uns ein besonderer Prager Mitarbeiter zur Verfügung stellt. Mit oder ohne? — das ist heute die Kernfrage der sudetendeutschen Politik in der Tschechoslowakei. Mit oder ohne, — das will besagen: sollen sich die Sudeten deutschen an der parlamentarischen Arbeit beteiligen, sollen sie ihre Vertreter in die Regierung entsenden, sol len sie darauf hinarbeiten, daß alles mit ihnen ge schehe, oder — sollen sie unentwegt in der Opposition bleiben und alles ohne ihre Mitarbeit geschehen lassen? Sieben Jahre lang geschah alles ahne die Deutschen. Alle deutschen Parteien waren in der Opposition: Tau sende von Protestversammlungen wurden aus den ver schiedensten Anlässen gehalten: Tausende von Protesten an alle möglichen Stellen gesandt: alles geschah ohne die Deutschen: ohne sie wurden die Gesetze gemacht. — sie ben lange Jahre hindurch, ohne sie wurde regiert und, wenn mir heute zusammenfassen, was ohne uns geschehen ist. müssen wir sagen: Alles, alles ist ohne uns und alles, alles ist gegen u n s geschehen. Seit fast einem halben Jahre beteiligen sich die Deut schen an der Parlamentsmehrheit und Regierung. Dies bedeutet schon deshalb eine wichtige Wendung, da damit eine politische Kursänderung verbunden war. Während nämlich die bis dahin nur auf das tschechisch-nationale Moment eingestellten Regierungen notwendigerweise eine Zusammenfassung aller tschechischen Parteien war, während damals tschechische Sozialdemokraten und Na tionalsozialisten mit tschechischen Agrariern, katholischen Volksparteiler» und Nationaldemokraten zusammen- geschiniedet waren, ist die gegenwärtige Regierung eine ausgesprochen nichtsozialistische. Man muß aber leider feststellen, daß diese wichtige Tatsache im sudetendeutschen Oppositionslager wenig Verständnis gefunden hat. Daß die deutschen Sozial demokraten und Nationalsozialisten von dieser Aende- rung nicht begeistert sind, daß sie versuchen, die nicht sozialistische Regierung als eine nichtsoziale zu ver ketzern, ist begreiflich: aber auch die einzige nichtsozia listische deutsche Parlamentspartei, die der Opposition ange'hört, die deutschnationale, säfeint diese politische Kursänderung nicht zu erkennen; zumindestens schweigt sie sich über diesen Punkt völlig aus und so bietet sich das sonderbare Bild, daß Deutschnationale, deutsche So zialdemokraten und Nationalsozialisten in einer Front gegen die gemischtnationale Regierung stehen. Diese Opposition macht sich gerade jetzt besonders bemerkbar und nimmt zwei Regierungsvorlagen zum Anlaß ihres Vorgehens: das Wehr ge setz und die V e r w a l t u n g s r e f o r m. Wie' wenig berechtigt dies ist. zeigt eine sachliche Beurteilung der Tatsachen. Bisher bestand in der Tschechoslowakei eine acht- zehnmonatige Wehrpflicht. Zwar verlangt die Verfas sung, daß der Staat mit der Zeit das Milizsystem ein führe, zwar wurde immer und immer ivieder verlangt, die Präsenzdienstpflicht stufenweise abzubauen, aber un ter den früheren reint fchechischen Regierungen wurden keinerlei Vorbereitungen getroffen, dies zu ermöglichen, trotzdem das sozialistische Element in ihnen so stark ver treten war. Die gegenwärtige gemischtnationale Regierung mußte sich an die Lösung dieser Angelegenheit machen. Nach dem vorliegenden Regierungsantrag dürfte dies in folgender Weise geschehen: die Präsenzdienstzeit, die be reits mit 14 Monaten gesetzlich normiert ist. wird vor läufig wie bisher auf 18 Monate ausgedehnt, doch gibt die Regierung offiziell und inoffiziell die Versicherung, daß dies höchstens noch durch zwei Jahre hindurch der Fall sein wird: um nämlich die verkürzte Dienstzeit ein zuführen, wird eine größere Anzahl von Unteroffizieren sinsgesamt 8000) benötigt; zu diesem Zweck wird die Ausbildung von Unteroffizieren energisch betrieben wer den und außerdem wurde ein Gesetzesantrag einge bracht, der länger dienenden Unteroffizieren eine Zivil- versorauna sickert: um aber auch für diese Ueberaangs- Berli», 8. April. Der Reichsrat hat gestern in össentlicher Vollsitzung das Ge setz über den provisorischen Finanzausgleich a n g e n o m - m e n. Der Berichterstatter über die Verhandlungen Ler Ausschüsse. Ministerialdirigent Dr. Hog. beanlragte »ainens der Ausschüsse, von dem Gesetz Kenntnis zu nehmen, ohne Einspruch zu erheben. Ter sächsische Ministerialdirektor von Sichart bean tragte. gegen die Reichstagsbeschttisse Einspruch zu erheben. — S a ch s e n müsse gegen das Gesetz die s ch w erste n Bede n k e n erheben n»ü gegen die durch nichts gerechtfertigte Benachteiligung protestieren, welche dadurch gegeben sei. das; ei» großer Teil der Einkommen- und Körperschastsstener nicht mehr nach dem ört lichen Auskommen, sondern nach dem Umsatzsteilerschlüssel ver teilt werden soll. Sachsen müsse die bestimmte Erwartung aus. spreche», daß die jetzt getroffene Regelung aus keine» Fall bei der Regelung des endgültigen Finaiizansgleiches wieder angeivandl werde. — Die gleiche Erklärung, gab der Vertreter H a m bürg s ab Die Vertreter von Bayern, Thüringen und Württemberg er klärten ihre Zustimmung zu dem Finanzausgleich unler der Vor aussetzung, das; eine etwaige Besoldnngsrevisio» damit noch nicht äbgegölte» sei. Der Antrag Sachsens, Einspruch gegen die Be schlüsse des Reichstages einzulegen, wurde nicht genügend unter stützt. Mit großer Mehrheit schloß sich die Vollversammlung des Reichsrales dein Vorschlag der Ausschüsse an. Bei dem Gesetz über die Erhöhung der B i e r st e u e ra n - teile für die süddeutschen Staaten erhob der preußische Ver treter, Staatssekretär Weißinann. Einspruch. — Für die Staaten Bayern. Württemberg und Baden gab der bayrische Staatsrat von Wolf eine Erklärung ab, wonach sich diese Staate» darauf be schranken. nochmals darauf hniziiwelsen. daß das Gesetz ihnen nicht anderes bringen, soll, als das, was ihnen nach Rechts- und Billigkeitsansprüchen Las Reich schuldet. Der preußische Einspruch wurde mit 37 gegen 3l> Stimmen, bei Stimmenthaltung Lübecks, abgelehnt. Für den Antrag stimmten das preußische Ataatsmini- sterinm. die Vertreter der Stadt Berlin, die Vertreter der Grenz mark Weslpreußen-Posen. der Provinzen Sachsen, ferner die Län der Hessen-Nassau, Sachsen. Anhalt. Lippe und Waideck. Das Gesetz über die Biersteiierabsuidnng für die süddeutschen Staaten ist demnach auch vom Reichsrat angenommen worden. Schließlich nah», der .Reichsrat noch von der Verlängerung des de n t s ch - französis ch e n Handelsprovi s o r i u m s Kenntnis, ohne Einspruch z» erheben. Die Preußen-Koalition bleibt Aus Berlin schreibt man uns: Immer wieder haben in den letzten Tage», insbesondere im Zusammenhang mii den gewiß nicht leichten Auseinandersetzun gen über den Reichshaushaitplan, insbesondere den Finanzaus gleich. Erörterungen darüber stattgefunden. daß nun auch in Preußen eine ähnliche parlamentarische und regiernligspolitische Umgruppierung sich vollziehen würde, wie das im Reiche der Fall ist. Im besonderen meint man, daß das Zentrum, das >u»i- zeit bereits Erleichterungen zu schaffen, wird die Ersatz- reserve eingeführt und die Bedingungen für die vorzei tig zu Entlassenden wesentlich erleichtert. Im Zusammenhänge mit dieser Wehrvorlage er klärte aber auch der Landesverteidigungsminister, daß die Regierung von der Einbringung eines Antrages auf eine vormilitärische Jugenderziehung Abstand genom men habe, weil sie sehe, daß ein solcher Antrag auf un überwindliche Hindernisse stoße. Dian kann natürlich nicht mit apodiktischer Gewiß heit sagen, wie die militärischen Vorlagen sowohl hin sichtlich der Dienstzeit als auch der vormilitärischen Ju genderziehung unter einer rein tschechischen Negierung ausgefallen wären: wahrscheinlich aber — tschechisch- national. Erfolgt sie nun — zwar noch immer nicht so, wie es die deutschen Regierungsparteien wünschen, aber doch besser, als es bisher war. fo wäre es unverantwort lich. würden die Sudetendcntschen nicht selbst die Hand dabei mit anlegen, um solche Besserungen zu schaffen. Die Tschechoslowakei neigt ohne Zweifel infolge ihrer Gründungsart und Traditionslosigkeit, ihres Nationali tätenreichtums und ihrer äußerst ungünstigen Grenzen usw. zum Militarismus: es geht über die Kräfte der Sudetendeutschen, den tschechischen Regierungsparteien, die bisher alles im honnationalen Kreife lösen und ge stalten konnten, wie sie wollten, diese Mentalität «ns einen Schlag zu nehmen; es ist aber eben die Kunst der Politik, das Mögliche zu verwirklichen und sich mit einer vorläufigen teilweise» Besserung zu begnügen, statt das vorbandene Schleckte zu einer Dauereinricktuno werden mehr im Reiche mii üen Rechtsparteien zusanrmenarbeitet, wäh rend es in Preußen in einer Koalition mit den Sozialdemokra ten steht, die preußische» Regierungsverhältnisse denen im Reiche anz.nsteiche» versuchen würde. All Las sind nur Vermutungen und leere Kombinationen Die politischen und parlamentarischen Verhältnisse in Preußen liege» zur Zeit durchaus geordnet. Die preußi s ch e R egie- rungskoalit i o n hat sich seil Jahre» d u r ch a u s b e- w ü h r t »nd es ist für das politische und wirtschaftliche Wohl der Gesamtheit des preußischen Volkes durch diese RegierniigskiXili- tion. in der das Zentrum den stärksten Einfluß geltend machen konnte, außerordentlich vieles erreicht worden. Preuße» ist eines der wenige» Länder im Reiche, das auch die größten politischen und wirtschaftlichen Krisen i» voller Ruhe »nd in geordneter Ent wicklung überwinden konnte. Zn einer parlamentarischen und r e g j e r u n g sp o l i t i s ch e n Neuorientierung liegt deshalb zur Zeit in Preußen k einerlei A »laß vor. Im übrigen l-aben wir ja bereits mitgeteilt, das; die Ze» trumsfraktio» des Reichstages wie des Landtages seit einiger Zeit enge Fühlung halten über Fragen, die die einzelnen Länder angehen. und daß diese Zusammenarbeit sich außerordentlich er sprießlich und erfolgreich gestaltet hat. sodas; überall der Wille be steht, sie in gleicher Weise fortzusetzen. Lanölagsauslösung in Thüringen? Auch Sie „Große Koalition" gescheitert. Die zur Bildung »er „Großen Koalition" zwi schen keu Parteien geführten Perhanvluuge» müsseil als gescheitert gelte». Gestern vormittag hatte eine gemeinsame Sitzung der Unterhändler der Deutschen Volkc-partei, des Landbiindes, der WirtschastSpartei, der Sozialdemokraten und der Demokratischen Arbeitsgemeinschaft ziuii ersten Male zu gemeinsamen Verhandlungen über die Regierungsbil dung stattgefllnden. Im allgemeinen konn.c eine Einigung »erzielt werden. Die Sozialdemokraten forderten jedoch' Be rücksichtigung ihrer Zoilwünsche „„d die ckst-Stundeii-Woche. Diese Forderungen lehnten d'e bürgerlichen Parteien ab. Die Sozialdemokraten überuiitletten daraus dem demokratischen VerhandlnngSleiter eine schriftliche Erklä rung, in d'r es heisst: „Wir betrachten die bisher geführten P s rhandlun g e n als gescheitert, da durch das Ver halts» der Rechtsparteien eine Einigung über die elementar sten Interessen der werktätigen Bevölkerung nicht habe er- zislt werden können." Damit sind albe weiteren Verhandlungen über die Große Koalition zwecklos geworden. Es besteht nunmehr nur noch dl» Möglichkeit einer bürgerlichen Negie rung der Mitte nnrer Duldung und Mirwahl durch die Parteien rechts des Laudbuudes. Lb die demokratischen Ver- handlungssühver diesen Weg noch versuchen oder dem henre zusammentretendcn Landtag die Entscheidung überlassen, ist ung.'wiß. 'Außer dieser Lösung gibt es nur »och die Möglichkeit der L a n d t a g s a u f l ö s u « g zu lassen. Durch die Teilnahine der Deutschen an der Regierung wird gleichzeitig die Aussicht geboten, daß das deutsche Element endlich und schrittweise auch im Militärwesen zur Geltung kommt. Noch mehr als die Wehrvorlage benutzt die Oppo sition ader den anderen Regierungsantrag. eine Berwai- tungsreformvorlage. um gegen die gemischtnationale Re gierung Sturm zu laufen. Es geht weit über den Rah men eines Aufsatzes, die Frage der inneren Berwaltnng des tschechoslowakischen Staates zu behandeln. In die sem Zusammenhänge kommt nur in Betracht. was die Sudetendeutschen tun sollen; sollen sie sagen: wir sind mit der Berwaltungsreform, die noch die rein tschechische Regierung ausgearbeitet und vorbereitet hat und die in vielen Punkten unsere» Forderungen nicht entspricht, unzufrieden und treten daher aus der Mehrheit und Re gierung wieder aus; oder sollen sie sich aus den Stand punkt stellen: wir sind mit der vorgeschlagenen Reform zwar nicht zufrieden, aber lieber, als daß wir die Lösung den Tschechen ganz und allein überlassen, wollen wir doch durch unsere Mitarbeit zu retten und bessern suchen, was nur möglich ist. Um zu entscheiden, welcke Einstellung die politisch richtige ist. muß man sich darüber klar sein: Es gibt in der Tschechoslowakei bereits eine Perwaltnngsresorm; sie ist in dem sogen. ..Gailgesetz" vom Jahre 1021 festge legt und kann durch eine einfache Regierungsverordnung in Wirksamkeit treteil. Dieses Gaugesetz ist noch um ein beträchtliches schlechter als die jetzt vargeschlagene Re form. Wenn die deutschen Mehrheitsparteien in die Op» volition gehen, so folgt entweder eine rein tschechische