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Sonntag, den 10. April 1S27 Unt«rya»rung»»eilage ,rr. »4: Seite 3 Es wir- jeden Tag mehr Sonne geben Das dunkle Europa — Die neue Schwebebahn — Adam und Eva — Die alle Fahne Der Kleine Server Wenn so der Regen rinnt und Munde um Stunde und Tag um Tag dieses graue Netz Häuser und Straßen und alles, was uns sonst so freundlich grüßt, elnspinnt, dann kann es wohl sein, daß auch das sonnigste Gemüt ganz und gar in die Maschen dieses Netzes gerät und trau rig wird wie jener Vogel, der mit gesträubtem Gefieder auf der nahen Pappel sitzt und sitzt, während es rings regnet und regnet. Er sitzt da Stunden und Tage, es kännte scheinen. Wochen, und er spinnt mit dem Regen sein grämlich Lied. Ich aber schaue auf die Knospen an den Kastauienbäumen, die sich schon zu Blättern aus falten. und auf die noch kleineren an den Linden und an den Buchen. Wie es auch regnet, die glauben an die Sonne. Mag auch Baum und Ast noch so schwarz und finster drohen, sie wissen, daß nach einiger Zeit das wenige Grün, das jetzt noch so bescheiden winkt, den ganzen Wald beherrschen wird. Es wird ein Frühlings fest werden, gefeiert unter mächtigen, lichtgrünen Kup peln, begrüßt von zahllosen kleinen Sängern, ein Fest für Pflanze und Tier. Geh du nun leise von Knospe zu Knospe und sage es dir immer neu: Die Sonne ist da! Es wird jeden Tag mehr Sonne geben. Sie wird dies ganze graue Regennetz wegziehen und ein blaues Segel über den weiten lachenden Himmel span nen. Dieses Regennetz scheint mir überhaupt charak teristisch für Das große Weltbild, sie noch miteinander Fangball gespielt wie ganz junge Kinder. Sie waren doch ungefähr gleich alt. Das schieße ich daraus, daß ich nämlich berechnet habe, wie lange es Adam ohne Eva wohl wird ausgehalten haben. Vielleicht eine halbe Stunde .... Der Adam flucht wohl einmal auf die Eva, aber ruft sie doch immer gleich wieder zurück. Länger als eine halbe Stunde hat er es gewiß ohne sie nicht einmal Im Paradiese ausgehalten. Also war Eva vielleicht eine halbe Stunde jünger. Erst als sie beide 700 Jahre alt waren, haben sie daran ge dacht. nun ein Jubiläum zu feiern. Das lohnt sich. Wie herrlich müssen jene Menschen gewesen sein, daß sie es siebenhundert und mehr Jahre zusammen ausgehalten haben. Man denke sich nur. welche Gesichter manche Eheleute von heute machten, wenn man ihnen sagte, sie hätten Hoffnung, etliche 700 Jahre noch beisammen zu sein . . . Wir staunen ja sckon über die alte Fatme, die augenblicklick die älteste Frau der Welt sein soll. Sie zählt 160 Jahre und lebt in der Türkei. Natürlich im Osten, denn zwischen dem Drahtnetz der westlichen Zivi- Humorvolle lisation kann man doch nicht alt werden. Fatme hat 10 Kinder, woraus also hervorgeht, daß rechter Kindernach wuchs die Frau nur jung hält. Das jüngste Kind hat sie geboren mit 90 (?) Jahren. Fatme ist übrigens so frisch und gesund, daß sie noch auf viele Frühlings hofft. Einen Mokka ihr zu Ehren! Und es wird jeden Tag mehr Sonne geben. Und endlich, weil mich die gute Fatme wieder ganz in Stimmung gebracht hat. noch ein weiteres Hoch, und zwar auf den Kleinen Herder. Ich meine das kleine Konversationslexikon, das so handlich nett in der Reihe der Nachschlagebücher steht. Wie Hab ich es dieser Tage schützen gelernt, als die halbe Welt meinte, der Heilige Vater Pius XI. habe am 31. März Geburtstag. Tat sächlich stand diese Zahl auch im Kleinen Brockhaus. Liber der Kleine Herder wußte es besser. Er irrt sich nie. Ich will mit ihm durchs Leben wandern, denn er weiß über alles Bescheid. Bestes Auskunftsbureau der Welt. Es lebe der Kleine Herder. Und aufgehört hat es zu regnen, und die ersten Sterne scheinen .,. Geschichten wie es sich im Augenblick darbietet. Es ist alles so merk würdig versponnen, so undurchsichtig. Was will Eng land in China? Glaubt es wirklich, mit der bekannten eisernen Faust dort noch etwas retten zu können? Ich sehe die Schifflein vor Schanghai und daneben die un geheure Küste und das gewaltige Land und die vielen Millionen von Menschen . . . Vorsicht! Es geht nicht bloß un, eine englische Sache, es ist die ganze weiße Rasse daran interessiert. O wie fehlt uns ein starker Völker bund! Was will Mussolini in Albanien? Da sind die Negenfäden so dick, daß man überhaupt nichts mehr sieht. Aber mir kommt es vor, als brenne dort eine Lunte weiter und weiter und als sei es nicht mehr weit bis zum Pulverfaß. Auch da fehlt uns der Völkerbund. Braucht Italien Land für seine ständig wachsende Bevöl kerung. so könnte man die Frage doch gemeinsam prü fen, und es gibt doch noch unbebautes Land genug auf der Welt. Von den Vereinigten Staaten ist überhaupt erst ein Drittel oder ein Viertel planmäßig bebaut. Raum für alle hat die Erde, das gilt immer noch. Solche Fragen gehörten vor den Völkerbund. So ein fein gesponnenes Netz sehe ich auch über der Wirtschaft und den großen Banken, hier und da Kon,mt eine Nachricht, die von glänzenden Abschlüs sen erzählt. Verstände ich nur die Sprache dieser Zahlen besser! So sehe ich hinter dem Netz immer dämmernde Gestalten, wie sie in Kellern mit phantastischer Fackel beleuchtung ihre Goldfüchse zählen. Das gleißt und schimmert wie in, Märchen, und es ist unheimlich wie überall dort, wo Irrwische über vergrabenen Schätzen tanzen. Nun hellt es sich etwas auf. Und was sehe ich? Die neue Schwebebahn. Sie soll von Brüssel nach Ber lin gehen oder an, Ende noch weiter. 360 Kilometer, sagt man, in der Stunde. Wer hätte das nun wieder gedacht! Eben noch grübeln wir, was für Umwälzungei, mit der flüssigen Kohle eintreten werden, und da schon wieder ein neues Projekt. Diese Schwebezüge werden ja glänzend eingerichtet sein. Einfach wie Paläste des Komforts. Wunderbare Speisesalons, Konferenzzimmer mit Klubsesseln, Bibliothek, drahtlose Telegraphie na-- türlich nebst Telephon und Radio. Es wird fo entzük- kend sein, daß es am Ende manche vorziehen werden, in Zukunft immer schwebend zwischen Brüssel und Berlin zu pendeln. Wieder werden die Entfernungen kürzer. Die europäischen Großstädte iverden nur eine einzige Großstadt sein. Von Berlin nach Paris wird bald nicht weiter sein als von Berlin nach Potsdam. . . Ich denke immer, wie bei veränderten Maßstäbeu doch alles bleibt, wie es früher war. Wer es weiter bringt als andere und Geld hat, der will :s auch besser haben als alle anderen. Fährt alles vier- e, so werden sich die Besseren eben eine dritte ter Klas Klasse e !>ie dritte Kla eine erste nrich en lassen. Steigt die Menschheit nach in se, so wird eine zweite angebaut und dann Und so ist man von der alten Postkutsche über die verschiedensten Fahrgelegenheiten hin nun beim Ausstieg zur Schwebebahn. Genau fo wie beim Militär. Der Ritter der Zukunft wird der Tankritter sein. Wie rinst den Ritter sein Panzer gegen Pfeile und Schwert und Lanzen schützte, so wird in Zukunft dieser Tankrjt- ter sich hinter Stahl und Eisen gegen Bajonett, Giftgase und gar Granaten schützen, wird nach und nach einen neuen Adel bilden, und so haben wir eine neue Strophe zwar, aber doch wieder das alte Lied. Hat man das einmal erkannt, fo wird man merk würdig ruhig. Der Schrei der großen Reklame hat seine Macht über einen verloren. Was willst du denn Neues bringen? Du bringst in allem Neuen kmmer den alten Menschen, wie er geboren wird, wie er lebt, wie er liebt, wie er tirbt. Wenn er siebzig Jahre alt ist, dann feiert er gro ss Jubiläum. Und selbst das imponiert mir nicht mehr, lls nämlich neulich einem Siebzigjährigen gratuliert wurde, da hatte ich das Unglück, an Adam und Eva zu denken. Als diese nämlich siebenzig Jahre waren, haben Im Reiche -er Täuschungen I Die optischen Täuschungen des Lebens befördert nichts so sehr als das Fenster. Die Leute glauben, weil Fenster wahr scheinlich von „finster" herkommt, wenn sie viel Fenster im Haus« haben, hätten sie auch viel Licht darinnen. Ungeheure Tau- schung! Die Fenster sind nicht gemacht, um das Licht herein- zubringen. sondern, um es hinauszulassen. Desl-alb sind auch nur die gemeinen, ordinären Fenster meist offen: große Spie gelscheiben und Milchglassenster find das ganze Fahr zu. Venn die Fenster dazu da wür-cn, um das Licht in die Stuben zu lassen, würde man sich keine Vorhänge machen. Es scheint mir eher, daß die Fenster da sind, um die Borhange hinausschauen zu lasse». Wenn ich durch die Stadt gel>e, sehe ich nach allen Fen stern; mir kommen die Fenster vor wie die Lotterienummern, es ist doch möglich, daß Lei einer ein Treffer herauskommt. Ueberhaupt sind die Mädchen am Fenster alle Engel, denn man sieht, wie bei den Engeln, von ihnen mir. Kopf und Hals und verliebt sich über Hals und Kopf. Niemand schaut auch so gerne zum Fenster hinaus als ich, selbst ivährend der Arbeit; ich greise meine Gedanken aus der Luft; es ist, als schwirrten die Fdeen alle draußen vor dem Fenster herum und ich stecke den Kopf hinaus wie eine Leim rute, an der sie sich festsetzen, und dann bringe ich sie zu Papier. Aber kein Geschäft der Welt ist ohne Verdrießlichkeit, nicht einmal das Zum-Fenster-Hinausschauen! Es hat sich, glaube ich, schon jemand die Mühe gegeben, das Bremsen-Nest von ganz winzigen Mißhelliakeiten des Lebens aufzuzählen, die zwar ganz geringfügig, ober doch ganz geivaltig ärgerlich sind. Zum Beispiel: Wenn man zwei Blätter statt einem um schlägt und eine Zeitlang liest, ohne es zu bemerken; wenn man eine teure Person erwartet, klingeln hört, aufmacht und ein Hausierer ruft: „Handeln!"; wenn man eine Dame am Fen ster grüßt und sieht dann erst, daß es die Küchenmagd ivar; -wenn man jemand auf der Straße ausweichen will, der andre will es auch, man weicht auf derselben Seite aus, stützt sich wieder an und so zwei-, dreimal; wenn man im Theater be merkt, daß eine Dame uns lorgnettiert und man hat eben den Mund zum (Sühnen ausizerissen; wenn man niesen möchte und nicht kann; wenn man lm Finstern am Ende der Treppe noch eine Stuf« glaubt, den Fuß recht hoch aufhebt und schnell desto tiefer mit ihm einsinkt; wenn uns ein vornehmer Gönner auf das .Hühnerauge tritt und wir dazu lächeln müssen; wenn man eine Gabel sucht und ein Messer findet: ober wenn man zum Fenster hinaussieht, hört über sich eine weibliche Stimme, dreht den Kopf nach oben und — ein Stubenmädchen schüttelt uns den Staub vom Fußteppich ins Gesicht!!! — — Der verlorene Sohn Dem .Hinterseebauer sein Aeltesker ist sein Liebling, iveil er rhm in der Wirtschaft hilft, ein zweiter ist in der Stadt gut bezahlter Maschinist, und der dritte ist letzte Woche aus der Schule gekommen. Aber mit dem lgtt der Hinterseebauer ivenig Freude. „Der Bua is zu gar nix z' brauchen", sagt der bekam- merte Vater, „den wer ma schtudteren lassen müassen." Die richtige Methode Schuldirektor: „Wie bringen Sie es denn zustande, daß, so oft Sie vor dem Schulinspektor examinieren, jedesnml a l l« Schüler die Hände aufheben und jeder Gefragte die richtige Antwort weiß?" Unterlehrer: Fa, wissen Sie. Herr Direktor, das kommt auf die Methode an; ich habe es bei mir so eingerichtet, daß die Schüler, die ums wissen, die rechte, und diejenigen, die nichts wissen, die linke Hand aufheben. Dann kann kein Frrtum ge schehen." Der Ehrenirunk Vor einem Wirtshause wurde Wein abgeladen und In den Keller gebracht. Die abladenden Männer gingen zum Früh stück und ließen ein großes, mit Wein gefülltes Gesäß vor der Tür stehen. Bald darauf kam ein Bauer mit einem Gespann Ochsen angefahren. Der Bauer hielt an, stieg vom Wagen und ging in di« Schenkstube. Die Ochsen, die, wie die Pferde, Wein und Bier lieben, bekamen Appetit und tranken den Wein, der vor der Türe stand, aus. Die Ablader kamen vom Frühstück! zurück, sahen den Schaden und verlangten von dem Bauer Ersatz. Letzterer wei gerte sich, so kam die Sache vor den Richter. Ter R ichter, der ein Spaßvogel war und mtt Scherz besser zum Ziele zu gelangen hoffte als mit spitzfindigen, suristi- schen Erörterungen, legte die Frage vor, ob die Ochsen beim Trinken gestanden, gesessen oder gelegen hätten? Rasch erwiderten die Ablader: „Ei, was anders als ge standen." „Fn diesem Fall", erwiderte der Richter, „ist es nach hiesigem Brauche ein Ehrenirunk gewesen, und einen solchen braucht der Bauer nicht zu bezahlen." Der Schachfreun- Fn einem Leipziger Kaffeel>aus sitzen seit mehr als zwei Fahren tagtäglich zivei Freunde und spielen Schach. Und seit nahezu zwei Fahren läßt sich um dieselbe Zeit am Nebentisch ein Herr nieder, der das Spiel der beiden mit äußerstem Inter esse verfolgt. Zuerst haben die Spieler das unangenehm emp- funden — ober allmählich haben sie sich so daran gewöhnt, daß sie direkt nervös werden, wenn der Kiebitz sich einmal ver spätet oder — in ganz seltenen Fällen — gar nicht kommt. Seit einem halben Fahr grüßt man sich sogar mit einem leichten Kopfnicken — ohne freilich je ein Wort zu »wechseln. So geht das, wie gesagt, seit zwei Fahren. Da — urplötzlich — geraten die Schachspieler eines Tages in Streit. Heftige Worte fliegen hin und her. Und schließlich wendet sich der eine Beistand suchend an den Kiebitz: „Na, was sagen Sie denn dazu?" „Entschuldchen Se gitichst, meine Herren", meint der Kie bitz mit verlegenem Lächeln, „da kannch Se goar nischt sackm — ich spiel Se nämlich nich Mihle —" Wo die Skeuern hinkommen August der Starke hatte einen witzigen und kühnen Hof narren namens Kyau. dessen geistvolle Einsalle ihn und seine Tafelrunde oft zum Lachen brachten. Einst fragte der König bei Tisch, wie es wohl zugehe, daß die vielen Steuern, die er ausschreibe, ihm so geringen Ertrag brächten. Da nahm Kyau aus einem Weinkähler ein Stück Eis und reichte es seinem Nachbar mit der Bitte, das Eisstück weiterzugeben, bis es zu dem Herrscher gelangen werde. So ging nun das Eis ring, herum um die Tafel durch die -Hände der sämtlichen Minister und hohen Beamten, die an dem Bankett tcilnahmen. Nur ein winziges Stück kam zu August. „Da sehen Eure Majestät," sagte der kluge Narr, „wie Ihre Steuern zu Wasser werden!" Aus Schüleraufsützeo Unsere letzte Schulreif«. Bon unserer Vaterstadt führte uns derr Weg nach Werms- dorf. Stattlich stand das königliche Jagdschloß sHubertusburg) mitten in, Ort. Vor demselben befand sich ehrwürdig im Jäger- anzug das Denkmal des seligen Königs Albert. Das Innere und Aeußere war mit Hirsch- und Rehgeweihen geschmückt. Gegen 700 Stück l)atte König Albert selb erlegt. Sodann tra» ten wir in das Schloß Hubertusburg salbst ein, in welchem ein« große Zahl beklagenswerter Geisteskranke untergebracht waren. Dieses erinnerte ans geschichtlich an den Friedev«lckluß zu Hu- bcrtusburg s17M). Nietn schönster Ferien tag. In Hamburg bestiegen nstr ein Schiff, um uach Helgoland zu fahren. Unterwegs befiel uns aber ein heftiger Sturm. Das Schiff selpoankt« immer hin und her. Biele Leute wurden schiffbrüchig. Arrch ich mußte mich brechen. Abschiedsrede an den scheidenden Sommer. Lieber Sommer, nun muht du leider sort. Alles Schön, l>ast du mitgenommen. Nur uns hast du vergressen. k«up1g«rvl»Sfl: -nn«n,tr»0« 8 filislvn: vsutri,«r 8tr. 8 Oaukler, Henkell, ?eist, Klol! u. börster. Lölinlein. Kupferderxs. 8u8sarcl, Oiempler, kurgeff, blatli. IVlüIIer. PK8I8V/IZK1' UND 6UD.