Volltext Seite (XML)
Nummer 95 - 2tt. Jahrgang «mal ivöch. Bezugspreis für April 3.0« Rkk. «inschss. VesteNgeld Anzeigenpreis«: Die Igesp. Petitzeile »0L, Stellengesuche 20 Die Petitreklamezeile. 89 MIM. .ueter breit. 1 Offertengebühren für Selbstabholer 20 L. bet Uebersendung Lurch die Post außerdem Portozuschlag. Linzel-Nr. 1« L. Sonntags-Nr. 1» L. Beschäftlicher Teil: Artur Lenz in Dresden. ÄicklMe Dienstag. den 26.Npnl 1927 Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung o. Anzeigenausträgen u. Leistung o Sckzadenersatz. Für undeutl. u. d. Fern, ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ver antwortung. Unverlangt eingesandte u. m. Rückporto nicht versehene Manuskripte werd nicht ausbemahrt. Sprechstunde oer Redaktion 2—3 Uhr nachmittags, Hauptschristleit.: Dr. Joseph Albert, Dresden <Seschiift»fteN«, Druck uud iverl««- Taronta« Buchdruckeret GmbH., Dresden «. I, PoUerstratze 17. Fernruf L1012. Postscheckkonti: KonknrSverNnUter »leemaun, Dresden 40«n. Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen PolkSzettnug Dresden-AItstndt 1. Potte, strahe I /. Fernrns 20?l> nnd rim >. Der Finanz-Exminister Schon wähvond feiner Fmanzinintstecschaft im Reiche hat Dr. Reinhold keine Gelegenheit Vor beigehen lassen, um mit grossen Worten der Welt seine finanzpolitische» Pläne zu enthüllen. Das Ende vom Liede war, daß sein Nachfolger, der jet zige Reichslfinanzminister Dr. Köhler, ein schwe res Ebbe antreten mußte. Aber Dr. Reinhold fühlt slch auch jetzt noch «bemüßigt, seine Politik in ein rechtes Licht zu rücken und mit Vorwürfen gegen die jetzige Regierung seine eigenen — Mißgriffe zu verdeckte». In der öenkokralischen Presse pnd zuletzt auf dem demokratischen Partei tag in Homburg ist er sehr redselig gewesen und lxrt mit Angriffen nicht zurückgelfalten. Die „Ger mania" widmet ihm nun einen Artikel, der die Toten dieses Mannes ins rechte Licht rückt und ihm eine Reihe unrichtiger und schiefer Bcl-auptungen zur Last legt. Wir geben die Aus führungen der „Germania" hier wieder: Das Interesse des vorigen Reichsfinanzministers Reinhold an den Angelegenheiten seines früheren Ressorts hat unter seinem Ausscheiden aus dem Amt nicht gelitten. Dies ist an sich durchaus zu begrüßen. Eine andere Frage ist, ob man sich mit derArtseines A u f- tre tens immer einverstanden erklären kann. Wenige Tage nach seiner Amtsniederlegung erschien schon ein Artikel in der „Vossischen Zeitung", in welchem er den von ihm vorgelegten Etat korrigierte und seinem Nachfolger diejenigen Probleme aufzeigte, mit denen die ser sich zunächst zu besänftigen habe. Dem Artikel in der „B äffischen Zeitung" folgte kurz darauf eine zweite Ver öffentlichung im „Berliner Tageblatt", die wohl als wei tere Rechtfertigung für die von Herrn Reinhold betrie bene Finanzpolitik gelten sollte, eine Veröffentlichung, die in der Behandlung der Zahlen des Etats der Ueberschüsse und Reserven früherer Jahre eine große Virtuosität ent faltete. Im „8-Uhr-Abendblatt" vom 16. April erschien sodann ein neuer Artikel: „Eine verlorene Schlacht der Wirt schaft". Bemerkungen zum Reichsetat und zum Finanz ausgleich. Bon Dr. Reinhold, Neichsminister der Finan zen a. D." Eine verlorene Schlacht überschreibt Nein- hold seine Ausführungen. Sie enthalten indessen eine Reihe unrichtiger und schiefer Behauptungen, die nicht länger unwidersprochen bleiben dürfen,. U. a. be hauptet dieser Artikel, der Etat uou 1927 sei bedenklich aufgebläht und sein Gleichgewicht aufs schwerste gefähr det. Und zwar desl)alb. iveil die neue Regierung sehr teuer arbeite, indem sie ans Kosten der WirtsäMt die wichtigsten Parteiforderungen ihrer An!>änger ans den verschiedensten Lagern, nämlich den Agrariern unter den Deutschnationaleil. den Sozialpolitikern des linken Zen- trumsflügels und den Föderalisten der Bayerischen »Bolks- »artei, erfüllen müsse. Aber hat nicht Herr Reinhold elM s. Zt. dem Reichstag einen Etat »orgelegt. der nur xshalb balanzierte, weil der damalige Reichs- i na n z mi n i st e r eine ganze Reihe non be- timmt auf tretenden Ausgaben bewußt einfach nicht in den Etat nnfgenom m e n hat? Hat er nicht fettst den Ländern die Abnahme der Kosten für die unterstützende E r ni e r b s l o s e n f ü r- sorge am 1. April 1927 versprochen, dafür aber im Etat keinen roten Pfennig vorgesehen, obwohl der Aufwand hierfür 250 Millionen beträgt? Hat er nicht den Be amten die Verbesserung ihrer Besoldung verspro chen. alier dafür keine Mark in das Budget eingestellt? Hat er nicht den Kriegsbeschädigten eine Erhö hung ihrer Bezüge in Aussicht gestellt, dafür aber nichts m den Etat eingesetzt? Hat Herr Reinhold bei dieser Sachlage das Recht, der neuen Regierung den Vorwurf AU machen, sie habe das Glelcl)geivicht des Etat aufs schwerste gefährdet? Das Gegenteil ist doch richtig. Sie hat den Etat, der durch die von Herrn Reint)old ein fach beiseite geschobenen Ausgaben schwer gefährdet war, W t r klichins Gleichgewicht gebracht. Weshalb waren denn dieStreichu n g e n im Entwurf des Hans- walts überl>aupt notwendig? Einzig und allein, um den Reircholdsche» Etat in Ordnung zu bringen. Nicht richtig ist. daß im neuen Etat über den Entwurf hinaus agrarische Wünsche berücksichtigt worden seien. Und der „Föderalismus der Bayrischen Bolkspartei"? Ist es richtig, daß die Erhöhung der Bierstener den Bayern gar nicht von dem jetzigen Neichsfinanzminister, sondern von Herrn Dr. Reinhold bereits im Dezember vorigen Jahres zngestanden worden ist, zur tleverroschniig von Württemberg und Baden, die keine Ahnung davon hotten, daß durch das Reinholdsche Ver sprechen a» Bayern auch sie eine Erhöhung der Bier steuerüberweisung erhalten würden? Wer hätte demnach dem Föderalismus das große Opfer gebracht? An Stelle rein wirtschaftlicher Erwägungen, so sagt Herr Dr. Reinhold, Hobe man wieder dieparteipali- tNche n Ausgabe nbew i lli g'u ngen gesetzt. Diese Die Wahlen zum Nationale«! bringen nur unerhebliche Verschiebungen -er Man-ake — Geringe Erfolge -er Linken — Die neue Zusammensetzung -er österreichischen Lan-lage Wien, 25. April. In ganz Oesterreich haben gestern die Wahlen zum Nationalrat und zu den fünf Landtagen der Bundes länder stattgesunden. Mil diese» Wahlen war an vielen Orten Neuwahl der Gemeindevertretungen verbunden. Die Ergebnisse der Wahlen zum National rat stehen heute mittag 12 Uhr im allgemeinen fest. Bon möglichen Ver schiebungen in Kärnten und Steiermark abgesehen, entfallen auf die Einheitsliste 70, auf die Sozialdemokraten 01 und den Land- bnnd 3 Mandate. Für 12 Mandate bleiben Rest stimmen, von denen nach den vorläufigen Berechnungen der EinheitsNsle 3, den Sozialdemokraten 2 und dem Landbund 1 Mandat ziisallen dürft«. Bei 0 Reststiinmenmandatei, des Steiermärkischen Wahl kreisverbandes läßt sich noch kein Ueberblick gewinnen. — Von namhaften christlichsozialc» Persönlichkeiten sind alle, die aus gestellt wurden, iviedergewählt. Die Großbeutschen haben eben falls ihre Nationilratmandale behalte», bis ans den Vizepräsi denten des Nationalrates Dr. »Wecker, dem aber in Wien rin Neststimmenmandat zufallen dürste. Der Führer der Eroßdent- schen. Dr. Dinghofer, ist in Linz wicdergeurählt worden. Die einzelnen Landtage lassen sich beceirs in ihrer neue» Zusammensetzung übersehen. Es fehlen hier nur roch Kärnten and Steiermark. Bei den übrigen Landtagen ergibt sich folgendes Bild: Wien: Einheitsliste 12 (il), Sozialdemo kraten 78 (78), Landbund —. Niederö s! e rr e > ck,: Einheits liste 38 (36), Sozialdemokraten 2t (22>. Landbund 1 (2), Ober österreich: Einheitsliste 37 (11). Lozmlae».oktalen 21 (22). Landbund 5 (0). Salzburg: Einheitsliste 17 (10), Sozialdemo kraten 0 (10), Landbund 2 (1). Tiro«: Einheitsliste 00 (32). Sozialdemokraten 10(8), Landbnnd 0. Vorarlberg: Einheils liste 22 (23). Sozialdemokraten 7 (5). Lanobnnd 1 (2). B u r genlanü: Einheitsliste 15 (13). 2ozmidemokr.net'. 12 (I2t. Landbund ö (7). In Tirol wurde» 172 08t! gültige Stimme» abgegeben. Davon entfallen auf die Einheitsliste 128 919, eins die Sozial demokraten 788,auf die Udepmrtei 3808, aus den Landbund 920 und ans die Kommunisten N>2 Stimmen. Es sind somit iür den Nationairat gewählt: 0 Kandidaten Ser Einheitsliste uno 2 Kandidaten der Sozialdemokraten. Die anderen Parteien er hielten kein Mandat. In Vora rlb e rg fehlt zinn Gesamtergebnis nur noch eine Gemeinde. Es wurden 70101 Summen gezählt: das ist eine Wahlbeteiligung von !A),7 Prozent. Damm erhalten die Einheits liste 54 613, die Sozialdemokratische Parte! 10 913, Landb.ino sür Oesterreich 3170, die Udepartei 011 und Ser voll,ijch soziale Block 134 Stimmen. Es erscheinen somit als sür den Na,ianal rat gewählt 3 Kandidaten der Einheitsliste und 1 Kandidat der Sozialdemokrati > chen Partei. In Linz erhielten die Sozialdemokraten 33837 Stimme! ,, die Einheitsliste 30 192, die Kommunisten 220 Stimmen. Für Wien steht das Gesamtergebnis noch nicht fest. Ls wurden 1 108 558 gegenüber 1039 508 im Jahre 1923 abgegeben. — Ter neue Wiener Gemeinderat wird si-lgenoe Zusammenstel lung haben: Einheitsliste 11 (bisher 11). Sozialdemokraten 79 (78). Das von der Sozialdemokratie gewonnene Mandat hat die jüdische Partei verloren. Die Wahlbeteiligung war überall außerordentlich stark. In Prozenten kann gegen etwa 91 Prozent Wahlbeteili gung vor vier Jahren, jetzt schon mit einigen Prozenten mehr, wenigstens in Wien, gerechnet werden, Hervorznhebcn ist der ruhige Verlauf des Tages und die Zurückhaltung, die die Parteien heute in ihrer Wahlpropaganüa beolwchteten. Auch ans den üblichen Schlepperdienst war angesichts der intensiven Vorarbeit beinahe ganz verzichtet worden. Zum allgemein ruhigen Verlauf dürfte auch das gestern mittag in Kraft ge tretene und bis morgen früh geltende, streng durchgesührte A l - koholverbot beigctragen haben. Besonders oemerkenswLrk ivar die starke Beteiligung der weiblichen Wäh'.srsckmi! Wie in parlamentarischen Kreisen vertäuter, wird die Hauptivahlbehörde in der Woche nach dem 8. Mat zu einer Sitzung einbcrufen ivcrden, iveil erst dann die berichte über Zu leitung der Resistimmenmandat« voriiegen können. 2!och der Verseilung muß oer neue Nationalrat spätestens 30 Tage nach seiner Wahl einbernfen werden. Dieser äußerste Termin durste nach hiesiger Auffassung nicht obgeivarter werden, vielmehr wird der Bundeskanzler dem Bnndespriisidenten ooraussichitich vorschlagen, den Nationalrat so früh wie möglich, also a m 1 7. Mai, einzukerusen. Tie Wahlen zum österreichischen Nattmwlra: staiGen inner dem Schiagwori „Besitzergreifung der Macht durch die Soz, iald e m o k rati c" das vo» der Linken ausgegebcii wordr» ivar. noch ehe der Termin der Neumuhlen sestsland. In diesem Zeichen hat die österreichische (sta>k radikal eingestellte» Soziviaemokratie seir Wochen eine mahl »:- heilige Propaganda entfaltet Diese Agitaiian hat nicht nur unie-- Ausbleiung .-es ganzen Apparates der Organisation gearbeitet, ni der die Sozia! demokratie auch in Oesterreich den andere» Parteien überleg.» ist. sie hat selbst zu den niedrigsten Mitteln: rücksichtslose Ve>- leumdung der gegnerischen Führer und Terror gegen die gegne rischen Wühler gegriffen. Trotzdem ,,t der Slurmaugrin der Linken abgeschlagen wo wen. Die So z : o l d e m o r alle hat i h r Ziel nicht e r r e ! ch !, die Verteilung der Man date im Nationalrat bleibt im großen und ganzen diesett .' Daß die Sozialdemokratie an einzelnen Stetten (zumal 9' der Großstadt Wien, in der ickon lauge üe Radikalen die Ore,- Aeußerung säfeint uns besonders gewogt im Munde ge rade Herrn Reiicholds, der selbst wenige Tage vo r seinem R ück 1 ritt. noch eine A n l e i h e oufgelegl hat, über deren Erfolg „man sich überall in Deutschland duräMls itn klaren ist". Selbst in demokratischen Blät tern hat die schwerste Kritik eingesetzt über jene Anleihe, wenn auch nur im Handelsteil, während man im poli tischen Teil Herrn Dr. Reinhold, dessen geistvolle und ideenreiche, und manchmal reichlich dilettantische und unkontrollierte Art auch wir nicht verkennen, freundliche Worte widmete. Es muß einmal in aller Oeffentlichkeit gesagt werden, daß diese Anleihe, die gegen de n R a t aller erfahrenen Geldleute aufgelegt wurde, ein tota le r M i ß e r f o lg war nnd daß ihr Kurs nur mit äußer sten Anstrengungen einigermaßen aufrecht erhalten wer den kan». Und weshalb hat Dr. Reinhald diese Anleihe aufgelegt? Wir möchten mit der Antwort zunächst noch zurückhalten. Der Erfolg alier seiner Aktiv» ist offenkundig. E s i st ein Mißerfolg i in größte n Ausmaße, schädigend nicht nur für das Reich, sondern für unsere gesamte Volkswirtschaft. Doch, Herr Reinhold geht weiter: „2000 neue Steuer beamte sind keine Heilmittel für unsere Not. Nur eine wirkliche Reform unseres Steuerwesens und unserer gan zen Verwaltung kann uns Helsen." Etwas kühn im Munde eines Mannes, dem man vielfach vorwirst, daß er die Finanzämter z u s a in m e n b r e ch e n ließ und sich um die Organisation der ihm anvertrauten Vermal tung, des Vollzugsorgans der ganzen Steuerpolitik, über h a upt nicht gekümmert habe, so daß heute bei einer großen Anzahl von Finanzämtern von einer geordneten Veranlagung und Erhebung der Steuern übe«Haupt keine Rede mehr sei» Kami. Warum hat Herr Dr. Reinhalh die uau ihm alsbald nach seinein »Abgang und auch jetzt wieder so stürmisch verlangte Verwal tung s r e j o r m nicht selbst in »Angriff genommen? Jetzt ist sie im Laufe, wenn auch das nette Regime im Rcichs- finanzministerinm mit etwas weniger geräuschvollen Me thoden arbeitet. Aber Herr Reinhald geht weiter. Die »Politik der Steuersenkung sei bewußt verlassen worden. »Nicht einmal die Senkung der Ein kommensteuer für die mittleren Klassen und die Ermäßigung der Zuckersteuer werde ernst hast mehr in Erwägung gezogen. »Man darf hier dach fragen, hat denn Herr Reinhald irgendwie Mittel vorgesehen, um diese Senkungen im Etat anszngleichen? Weshalb hat er im vorigen Jahre nicht mit einer Senkung der Einkommensteuer begonnen, sondern sich gerade ans die problematische Umsatzsteuer verlegt? Endlich, wer sagt ihm den», daß die »Politik der Slenersenknng ver- l a s s e n worden sei? Daß er van der im Finanzausgleich vorgesehene» Senkung der Realsteuern nicht viel halt nnd sie als eilte leere Geste bezeichnet, kann nicht wundernehmen. »Aber man muß ihm raien, einige Monate zu warien, dann wird er sehen, daß cs auch aus diesem Gebiete, wie ans dem der Reform unserer Verwaltung nnd unseres Sleuer- ivesens. vorwärts geht. »Bon einer „verlorenen Schlacht der »Wirtschaft" zu reden, scheint uns doch etwas zu starker Tabak. Aber wir wissen ja, daß Dr. Reinhald die großen »Warte liebt.