Volltext Seite (XML)
Zonntay z. Moder UntervaUuny una lvUen Nummer rrs Sülle t m Wort una vua Die Freifrau Von A. Naybonld. Sie versorgte die Wäsche im alten Kaste» and legte die wohlriechenden Lavendelbünde jedes an seinen Platz. Daiyr machte siie langsam die reich geschnitzten Türen zu und drehte den schweren, kunstvoll geschmiedeten Schlüssel. Sie hatte das Gefühl, als schließe sie die Türe hinter ihrer Kindheit, ihrer Jugend zu. All ihre Träume und Hoff nungen schienen auf einem Male mit diesem alten Möbel stück verwachsen zu sein. Hatten seine geschnitzten Figuren nicht tagsüber mit freundlichem Lächeln auf ihre ersten Kinderspiele herabgeschaut, um dann des Abends, wenn die Schatten lauerten, mit fürchterlichen Grimassen Angst in ihr kleines Herz zu jagen? Hätte dieser Schrank nicht auch ihre eigene schöne Aussteuer bergen sollen? Nein! Mit solchen Gedanken hatte sie jetzt nichts zu schaffen. Der Kasten mutzte mit den andern Sachen in den Besitz Fremder übergehen. Sie selbst muhte unter Fremden ihr Brot verdienen. Sie ging hastig durch das Zimmer und trat hinaus in den gewölbten Gang. Mit seinen steifen gotischen Stüh len, dem Kruzifix an der einen Wand und L<em Mutter gottesaltar unter dem Endfenster hatte er etwas vom Aussehen einer Kapelle. Es war eine Kapelle, in der Adel heid oft gebetet, in der ihr leidenschaftliches junges Herz nach Ergebung gerungen, in der sie Kraft gesammelt zum Ausharren. Ihre Kämpfe, ihre Niederlagen, ihre Siege stiegen geht alle wieder vor ihr auf. Ihr Herz klammerte sich krampfhaft an diese Stätte, die ihr durch großes Leiden heilig geworden. Sie ging die alte Wendeltreppe hinauf in den oberen Stock. Hier hatten die jungen Leute sich immer getummelt. Das Echo ihrer frohen Stimmen schien sich noch zwischen den Balken zu, verlieren. Sie selbst hatte hier — vor nicht allzu vielen Jahren — in jugendlichem Nebermnt, auf den glatten Böden getanzt. Schatten behender kleiner Füße huschten an ihr vorbei — fast wie die traurigen Gespenster einer fernen Vergangenheit. Mechanisch machte sie die Runde der Zimmer. Ja, alles war in Ordnung, alles war bereit für die neuen Mieter, die morgen einziehen sollten — jene'fremden Men schen, den das Haus niemals ein Heim sein konnte. Für sie würde das Echo in den Balken stumm sein, für sie würden die trippelnden Schatten an den Wäudien keine wehmütig süßen Erinnerungen mit sich bringen. In einem Zimmer nahm sie ein Buch vom Regal und zog sorgfältig eine vergilbte Blume zwischen seinen Blättern hervor. Aus dem Süden hatte er sie einst mitgebracht, jene rote Camelia. Ach, und hatte er nicht sie selbst mit jener Blume verglichen, mit der glutroten Blume des Südens? Das war lange her. So lange, daß man nicht daran denken durfte. Der Krieg war seither über das Land gekommen und hatte alles um sie her zerstört. Er lag von einer Kugel durchbohrt irgendwo an der ussi- schen Grenze. Noch einmal bäumte'ihr Herz sich ans gegen das spröde Schicksal, das ihr reiches Glück versprochen, um sie dann arm und leer ausgchen zu lassen. Das Klingeln der alten Hausglocke unterbrach ihre Gedanken. Sie schloß das Fenster und wandte sich zum Gehen. „Es wird wohl ein Bettler sein", dachte sie bei sich, „sonst kommt heutzutage niemand mehr." Sic eilte die Treppe hinunter, denn die Magd (ihre ganze Diener schaft) hatte im Garten zu tun. An der Türe stand ein Armer. Seine Kleider waren zerrissen, sein Haar ungekämmt. Er ging tief gebeugt. Ohne aufznschauen bat er, daß man ihm zu essen gebe. Adelheid hieß ihn cintreten und stellte ihm einen Stuhl an den geschnitzten Tisch. Dann ging sie in die Küche, das Essen suchen. Sie füllte einen Steinkrug mit Wein, legte Brot auf einen Teller und brachte sie dem Manul Dann schaute sie, was sonst noch im Hause sei. Die Speise kammer war jetzt immer so leer. Sie konnte nichts finden als einige Ueberreste von Kartoffelsalat und ein Stückchen Salami. Als sie damit wieder an den Tisch trat, blickte der Mann zu ihr auf. Ans dem verbräunten, abgehärm ten Gesichte schauten zwei traurige blaue Augen sie fra gend an. „Adelheid—", die Lippen flüsterten den Namen kaum. Sie erschrak heftig. Die Schüssel mit dem Kar toffelsalat entglitt ihren Händen und zerschellte am Stein boden. Sie erfaßte di« Ecke des Tisches und kämpfte gegen die drohende Ohnmacht. Die Augen flackerten selt sam in ihrem starren, weißen Gesichte. Worte kamen schwer. „Mein Gott! — Karl, bist du es? — Lebst du noch? — i Man tagte mir, du wärest tot —; ich wollte es lange nicht l glauben — aber —" „Ich bin noch am Leben." Seine Stimme klang wie die eines Menschen, der das Sprechen verlernt hat. „Von wo kommst du her? Was hat man dir getan? Du hast Schreckliches durchmachcn müssen." Sie wagte Das Eiseiikartrll perfekt Nach jahrelangen Verhandlungen ist in Brüssel nunmehr das große Abkommen unterzeichnet worden, durch das die Stahgindustriellen Deutschlands, Frankreichs, Belgiens und Luxemburgs ihre Prodiktion svstematisch regeln. Bis zum letzten Augenblick schien es, als ob an den belgischen For derungen der Abschluß des internationalen Eisenkartells scheitern sollte. Die deutschen und französischen Industriellen kamen aber de» Belgiern entgegen, so daß die belgische Industrie von der zur Verteilung gelangenden Gesamt produktion 12,60°'o zugeiprochen erhält. Die gesamte zu verteilende Menge ist mit 27 628 00» Tonnen angesetzt, davon erhält Belgien 296 000. Eine einheitliche Preis bestimmung ist offenbar durch das Kartell vorläufig nicht vorgesehen. — Bon deutscher Seite sind die Verhandlungen im engsten Zusammenhänge mit der Regierung geführt worden. Auf französischer Seite war die treibende Kraft seit langen Jahren der französische Großindustrielle Lon- cher, der sich schon 1919 für das Projekt eines großen Eisenkartells cinsetzte. — Unser Bild zeigt den Zentralpunkt der deutschen Eisen- und Stahlindustrie, d,gs Hanptverwal- tnngsgebände der gewaltigen Kruppschen Werke in Essen, in dem häufig die Besprechungen der deutschen Industriellen und auch Verhandlungen mit den französischen und bel gischen Industriellen über den Stahltrust stnttgefnnden haben. Im Oval: Porträt des franz. Großindustriellen Lvnchenr. Roserikrarrzsest Ob auch des Sommers Pracht entschwand, heut glüht in tausend Farben das Land. Maria, zu dir! Heut ist die Welt von Rosen ein Meer, - nd tausend Kränze bringen wir her, Maria, zu dir! Und aus Glühen und Duft ein jubelnd Lied austodernd durch die Welte,, zieht, Maria, zu dir! So lasse auch meine Seele ganz anfblühen im leuchtenden Rosenkca Maria, Maria, zu dir! Ernestine Groß. es endlich, ihn näher an',»schauen. Langsam glitt ihr Blick über das ergraute Haar, das durchfurchte Gesicht, die zerlumpten Kleider und zerborstenen Stiefel, den un- geschnittenen Bart und die arbeitsranhcn Hände. „Von Rußland. — Zuletzt. — Vorher von Sibirien. — Durch Oesterreich bin ich zu Fuß gekommen." Ali!leid durchflutete sie. 'Aber sie bezwang sich. Sie war eine starke Natur und in jenem ersten Augenblicke! verdrängte angestammter Familienstolz jedes zartere Ge fühl. Ihr erster Gedanke galt der Gastfreundschaft, der Ehre ihres Hanfes. Sie ging an die Tür und rief Petz Magd, die draußen Obst pflückte. „Mvidl", sagte sie ganz ruhig als die alte Frau her einkam, „der Herr Baron ist wieder da. Heize das Bad und richte Kleioer meines Bruders für ihn her. Dann geh ins Torf und kaufe, was wir zum 'Abendessen brauchen." Die Magd bekreuzte sich, wagte aber keine Bemer kung. Adelheid hatte nüchtern, ohne 'Aufregung gesprochen, als handle es 'ich um einen gewöhnlichen »last. 'Als die Magd gegangen war, fing sie aber zu zittern an und brach dann in Tränen aus. Dieser Tag hatte zu viel mit sich gebracht. „Morgen wäre ich nicht mehr hier gewesen", er klärte sie, als sie sich wieder gefaßt harte. Dann erzählte sie ihm alles. Vom Tode ihrer Mutter, von den Ver lusten ihres Bruders, vom Heimwesen, das an Fremde übergehen sollte. Er hörte ihr zu. wie einer, der gänz lich abgestumpft, dem alle Erinnerungen dunkel geworden. Aber als sie schwieg fragte er: „Jetzt wirst du nicht forsk- gchen?" Sie schaute ihn wieder an, den zerlumpten Betller. „Nein, jetzt werde ich hier bleiben", sagte sie. „Mein Bru der muß cs irgendwie einrichten. Wir müssen für dich sorgen." „Mein Vater ist tot", sagte er nach einer Weile. „Das alte Schloß wird jetzt wohl mir gehören." „Man hat es verkauft. Man dachte, du wärest — du würdest nicht zurückkommen. Da hat dein jüngerer Bruder es verkauft. Um wieviel Geld. Du wirst reich sein." „Aber heimatlos." Einen Augenblick ließ er den Kopf schwer in die Hände fallen. Dann schaute er wieder zu ihr auf: „Adelheid, willst du dein Heim mit mir teilen?" Sie nahm feine grobe. Hand zwischen ihre zarten, weißen. Finger. „Gott sei gelobt, daß du znrückgekommen, Karl!" Ihr Blick ging nach oben und strich liebevoll über das alte Gewölbe/ Er ruhte auf dem Kruzifix. Ter Mann führte wie im Traume ihre Rechte an feine Lippen. Regennachl Ein Wind, der klappernd an die Scheiben sprang. Erwecktn mich zur Nacht, und noch verwirrt Von Schlaf und Traum, hör ich. wie leiser Sang Des Regens durch die Stille summt und sirrt. Tropf, tropf, das rauscht den gleichen Takt und rinnt. Und dämmernd weiß ich: Ineinander sinken Himmel und Land, der Erde Poren sind Weit offen, sich erlabend sattzutrinken. Tropf, tropf, das Lied des Regens immerzu. Eintönig schwarz ist rings die Nacht gebreitet. Im sanften Plätschern aber schwingt die Ruh', Dl« lullend mich in Schlaf zurückgeleitet. H e i n r i ch L e i s. Ketnrtey Feoerer Von Hanns Heinrich Bormann. Zu seinem 60. Geburtstage am 8. Oktober. Heinrich Federer, der Schweizer Erzähler, wird sechzig Jahre alt. Der Geburtsschein meist es aus und läßt an der Tatsache keinen Zweifel zu, denn er ist ein Respektspapier mit eidgenössischem Siegel und amtlicher Unterschrift. Läge dieser dokumentarische Beweis nicht vor, man dürfte wahrlich Zweifel hegen an dem Eintritt ins siebente Jahrzehnt seines Lebens. Die Gaben seiner Erzählknnst, mit der er uns in den letzten Jahren beschenkte, verraten so ganz und gar nichts vom Altwerden, sie sind frische, reife, vollsaftige Werke, wie sie in Saft und Kraft stehende Mittagshöhe des Lebens zu bescheren pflegt, besonders der große Roman „Papst und Kaffer im Dorf", der dem Dichter den großen Literaturvrel» seiner Heimat, den Gottfried Keller preis, einbrachte, ist eine Leistung, die das Schaffen des Erzäh lers in voller und reichster Kräftcentfaltnng zeigte. Trotz der sechzig Jahre also steckt doch noch viel schöpferische Jugend in Heinrich Federer. Er, der seit Kindheit Leidende, den das Ge schick zu "vielem Stubenhocken verdammte, hält ein großes Feuer der Sehnsucht wach in sich. Sehnsucht nach Frische. Kraft, Gesundheit, nach Bergen und Winden und Wunder» und aben teuerlichen Wanderfahrten. Diese Sehnsucht ist der Born seines Schaffens, sie hält ihn jung im Herzen, sie gab ihm die große, tiefe Freundschaft zu den Bergen und zu den Kindern. Er hat cs uns in manchem S'tiicklein erzählt und manche Einzelheit in seinen Romanen und Geschichten davon berichtet, wie er zum Dichter wurde. Boin leidgcn Asthma gequält seit früher Jugend, stand er abseits dem tollen Spiel der gesunden Gefährten, konnte, nicht mittun und mußte seinen Tatdrang im Erlebnis der Bücher befriedigen. Die Geschichte vor allem tat cs ihm an, sie weckte seine Phantasie, die von dem künstlerisch hochbegabten Vater her geerbte Fabnlierknnst. Und den Kin dern seines Dorfes, die sich um ihn scharten, erzählte er dann die glanzvollen Kaiser- und Papstgeschichten von den Bergen und Menschen der Heimat, wie er sie sinnierend erlauschte. Ein wirkliches Erzählen mit dem warmen Atem von Mund zu Mund war es zuerst und lange bei ihm. was seine Geschichten zum Leben brachte. Ans Schreiben ist er viel später erst gekommen, er stand schon im Schwabenalter, als sein erstes Geschichtenbuch herauskam. Denn der Dorfbub von Sachsen war ein „Studierter" ge worden, hatte auf harten Schul- und Scminarbünken seinen Geist mit weltlichem und geistlichem Wissen gelabt und war als eifriger Kaplan von seinem Bischof in ein nnßbanmrciches Darf zur Pasloration gesandt worden. Sieben glückliche Kaplans jahre erlebte er hier, bis ihn sein Leiden zwang, aufs geistliche Amt zu verzichten. Da saß Federer nun in Zürich, versuchte es mit Redaktionsarbcit und wußte immer noch nicht, daß er ein Dichter ivar. Seine Schublade zwar war vollgepackt mit vielen Geschichten, sowie wie er sie irgendwo und wann einmal erzählt und dann sich notiert hatte. Aber den Eingang ins Schrifttum fand er erst spät. Gustav Frcnssens Roman „Jörn Uhl", der damals auf einer Welle des Erfolges ins Land drang. rief in ihm den Gedanken wach, es auch einmal mit einem Ro man zu versuchen. Und ein Novellenpreisansschrciben der Zeit schrift „Daheim" gab dann den Anlaß, daß er eine seiner Er zählungen, die prächtige Geschichte vom ..Vater und Sohn im Examen" zum Wettbewerb einsandte. Dieses nalurgewachsene Ding mag sicher die Preisrichter (es waren Karl Busse, Ernst Zahn und Hermann Hesse) sehr erstaunen haben lassen; ein wenig formlos, sehr breit ausgesvonnen, sah die Geschichte etwas eigenartig und fremd aus. aber mau merkte es glücklicherweise, daß ein ganzer, echter Dichter hinter ihr stand: Heinrich Federer erhielt den erestn Preis. Das war die Bestätigung seines Kön nens, die ihn seine Scheu überwinden ließ. Run zögerte er nicht mehr, er fand einen Verlag, und mit anderen Erzählungen vereinigt kam „Vater und Sohn im Examen" als erstes Buch des Dichters unter dem Titel „Lachweiler Geschichten" vor das große Lesepublikum, wo es bald gute Aufnahme fand und ans den Namen des Dichters aufmerken ließ. In der Stille war Heinrich Federers Kunst des Erzählens gereist, und als nun der Weg in die Oeffentüchkeit gefunden war, lernte man in dem Dichter ein schon geklärtes, voll ent faltetes Talent kennen. Nichts belangloses, keine unfertigen Tastversuche mußte man bei ihm hinuehinen, sondern mit reifen Werken schritt er seinen Weg voran, bald weithin im deutschen Sprachgebiet bekannt, beliebt und geachtet als ein Erzähler talent von großen Gnaden, dem die öffentliche Meinung seiner Heimat sehr rasch schon den ehrenden Titel emes „Thronerben von Gottfried Keller" zuerkannte. Den Freunden seiner Kunst füllt es schwer zu entscheiden, ob Heinrich Federer in seinen großen Romanen „Berge und Menschen", „Das Mätteliseppi", „Papst und Kaiser im Dorf" das Beste und Schönste seines Schaffens schenkte oder in den feinen, duftigen und zarten Novellen, deren allerbeste wohl das schmale Bändchen „Sislo e Scslo" bleibt. Wir freuen uns aller Gaben seiner Kunst und können zum sechzigsten Geburtstage des Dichters nur wünschen, daß seiner Schassenskrafi und Schaf fenslust die frische Schöpserfrende erhalten bleiben möge, die zu den vielen Werke», welche wir von Heinrich Federer besitzen und an denen wir uns dankbar freuen, noch mit weiteren uns beschenken möge!