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Kummer 52 8ei'te ü Ein neues Verfahren -er Sauerftoff- behan-lung. Antiseptik — Aseptik. Von Prof. Dr. mrd. Larl, Königsberg Pr., leitender Arzt der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses St. Katharina. Di« Sauerstoffbehandlung seht in erster Linie ein bei lebensbedrohender Atemnot, bei den verschiedensten Krankheits- erscheinungen und Vergiftungen. Die Technik war bisher so. dag dem Bewußtlosen durch eine luftdicht abschließende Sauer- stosfmaske aus der Vorratsbombe des Krankenhauses oder der Rettungsstelle der komprimierte reine Sauerstoff in die Luft wege eingcführt werden mußte. Das Verfahren hatte verschie dene Nachteile. Einmal ist es technisch gar nicht so einfach, die Maske luftdicht an das Gesicht türs Kranken anzulegcn. Das Verfahren ist recht teuer durch die unverhältnismäßig großen Verluste des kostbaren Stof'es bei dieser Anwendung. Die Hauptsache aber ist, da» ein Erfolg der Sauerstofsinhalation nur durch ticie und ruhige Atemzüge erreicht wird, die gerade bei de» in Frage kommenden Patienten nicht ohne weiteres erzielt werden können. Bei jeder stärkeren Atemnot geht der Atem stoßweise, rasch und oberflächlich. Um zu erreichen, daß der durch die Eauerstoffmaske zugesührte Sauerstoff auch wirklich ins Blut ausgenommen wird, muß in den meisten Fällen künst liche Atmung eingeleitet werden, die immerhin auch ihre llebung erfordert. Diesen Schwierigkeiten der Behandlung und die reichlichen Mißerfolge sind die Ursache, daß in ärztlichen Kreisen viel an einer Vcrbes'eruiig der Sauerstofsbehandlung gearbeitet wurde. Jetzt ist es französische» Forschern gelungen, dem Blute den feh lenden Sauerstoff direkt zuzusiihrcn, und zwar durch Einspritzun gen unter die Haut. Die Methode an sich ist alt, stammt schon aus dem Ende des 18. Jahrhunderts, wo Oe von italienischen Aerzten durch Tierversuche studiert wurde. Nun arbeitet unsere Wissenschaft heute nicht mehr mit den primitiven Hilfsmitteln der damalige» Zeit. Es ist nicht möglich, den Sauerstoff der Bomben auf direktem Wege unter die Haut zu bringen, da der Druck viel zu stark sein würde. Dos Gas muß zunächst auf einen bedeutend niedrigeren Druck-entspannt werden. Außerdem ist die Zwischenschaltung entsprechender Apparate zur Messung des Druckes und der Casmcngc vonnöten. Diese wichtigen und rein technischen Fragen sind jetzt durch die Franzosen gelöst worden,' die Konstruktion anscheinend recht brauchbarer Appa rate hat in Frankreich schon zu einer allgemeinen Verbreitung der Sauerstofsbehandlung auf dem Wege der Injektion geführt. Die Behandlungsmethode hat den Vorteil, daß das lebensnot wendige Gas aus der unter der Haut der Arme oder der Beine «ntstebenderr Gasblasc durch die feinen Haargefäße direkt in die Blutbahn gelangt. Je nach der eingespritzten Menge dauert die Aufnabmc in das Blut bis zu 30 Stunden, nach deren Ab lauf neue Injektionen vorgenemmen werden können, wenn es nötig sein sollte Die Erklärung zu der unverhältnismäßig viel stärkeren Wirkung der kleinen Jnjeki.onsmengen im Vergleich zu den gro ßen Mengen der Sauerstofsinhalation liegt z. T. in der Eigen art der Erkrankungen, die die Anwendung von Sauerstoff nötig machen. Nehmen wir an, daß infolge mangelnder Herztätigkeit bei einem Herzkranken Atemnot eingetreten ist. Der leichte Saucrftosfmangel im Blut fuhrt zur Beschleunigung der Atem züge, die aber gleichzeitig weniger tief werden, also trotz der Vcschlennignng dem Blut weniger Sanerstoss znfübrcn, als langsame, liefe Atmung. Die Folge: Das Blut erhält noch weniger Sanerstoss zugesiihrt' die Angst, die Atemnot steig!, mit ihr die Oberflächlichkeit der Atmung und so fort bis zum Zusammenbruch. Führt man in solchen Fällen Sauerstoff durch die Haut direkt in die Blutbahn ein, so verschwinden durch den vermehrten Sanerstossgehal! des Blutes die Beklemmungen und die Angst, die Atmung wird ruhiger und tieser. den Rest des Ausgleichs schaffen die Lungen spielend. Die Ueberbclcistinig des Herzens wird vermieden, das subjektive Wohlbefinden des Kranken steigt. Das Auwendnngsgebiei der Sauerstoffeinspritzungen in der M.dizi» ist säst „ubegrcnzl. Ein großer Vorteil des Verfahrens gegenüber anderen Behandlungsmethoden liegt in der Eigenart des Sauerstoffs, ver kein körperfremder Stoff ist und demzu folge durchaus zu Dnuerbehandlnng geeignet ist. Man darf ge spannt sein auf die Bestätigung der französischen Ergebnisse durch die deutsche Wissenschaft. ^ Antiseptik, Asepiit, oa» sind zwei Begriffe, die mit der heutigen Medizin untrennbar verbunden und seit mehr als einem Menschenalter Allgemeingut der Aerzte geworden sind. Speziell die operative Medizin verdankt neben der Ausbildung !dcr Narkose der Vervollkommnung dieser Methoden ihre großen Erfolge. Der Schrecken der Krankenhäuser aus älterer Zeit war der Hospitalbrand. Wir können uns nur aus Schilderungen und aus bildlichen Darstellungen eine ungefähre Vorstellung von dieser Geißel mache», gesehen hat die Zerstörungen durch diese Krankheit von den Aerzien. die in dem letzten halben Jahrhundert studiert haben, dank der Antiseptik und Aseptik niemand. Der Name Ho > pital brand hatte in alter Zeit seine Berechtigung, weil cs vorwiegend überfüllte und nach den heuti gen Begriffen unhygienisch gehaltene Krankenhäuser waren, in denen diese Krankheit zum Ausbruch kam. Gegen die Schrecken der Wundfänliris gab es kein Mittel, cs war Elücksache, wen» einer davon verschont blieb; denn trotzdem die „blankgeputzten" Instrumente ans schön mit Sammet ausgeschlagencn Etuis ent nommen wurden, traten nur allzu oft Störungen in der Wundhcilung ein und nur in den Vesten Fällen heilte» unter Aufbietung aller Körperkräfte die Wunde» der Operatio nen, von denen man noch heute zugcbcn muß, daß sie mit guter Technik und schnell ansgcsührt wurden. Woran lagen diese Miß erfolge? Die Medizin beschäftigte sich schon rege mit den Fragen der Eiterung, besonders in ihren Beziehungen zur Zersetzung der Körpcrgewcbc, aber ziellos erschienen die Versuche, eine ge ordnete und gesicherte Wundbeilung zu erreichen. Die gefürch tete Wundfüulnis konnte nicht wirksam bekämpf! werden, weil ihre Ursachen unerkannt blieben. Den Anstoß zur Ergreifung zielbewusster Gegenmaßnahmen »nd das erste Licht in die Dunkelheit dieser Fragen brachte, wie so oft auch hier der Zufall. Die englische Stadt Cariislc Halle mit der Anwendung von Cabbolsüure auf den der Stad! gehörenden Rieselfeldern gute Erfolge erzielt. Diese Erfahrung machte sich der englische Arzt Listcr zunutze und führte die Ear- bolbehandlnng in seinem Krankenhausbetrieb ein. Es zeigte sich sehr bald eine wesentliche Besserung der Wundhcilungen. Man erfand komplizierte Verband- und Beriesclungsmetbodeu, und versuchte hierdurch die Wuudsläche und vor allem die Lust — denn hier, in der Lust, vermutete mau nach den Forschungen Pasteurs vor allem die Schädlinge — von den Keimen zu rei nigen. Die Erfolge mit diese» Methoden waren nach den da maligen Begriffen so gut, daß bald alle deulsthen Chirurgen diesem Beispiele zolgic», und von deutscher Seite ist wesentlich die weitere Entwicklung dieser Phase der Medizin erfolgt. Eie bewegte sich fast zwei Jahrzehntelang in dein Nahmen der Antiseptik. d. h. man versuchte durch chemische Mittel, deren hauvtiüchlichst.es lange Zeit die Earboliänre blieb, die Erreger der Mundinscktionskrantheüen zu vernichten, iiidem man das Carbol in die umgebende Luft versprühte, die Verbandstoffe damit imprägnierte und die Wunden mit Lösungen dieser Säure wusch. Eine Reihe anderer chemischer Mittel sind im Lause der Zeit außer dem Carbol als sog. Antiseptika in Gebrauch ge kommen, das Snbklinai die 2 a l i c y l s n u r e, das Thy mol, disVorsäure, die essigsanre Tonerde, der Alkohol und andere. Das Suchen »ach neuen Mitteln hat aber bis heule noch nicht aufgchört, und das ist eiulenchiend, wenn mau be denkt, daß alle diese Mittel, von Lenen wir verlangen, daß sie das Leben der Batterien vernichten sollen, selbstverständlich mail für die Körpersubstanzsn des Menschen nicht gleichgültig sind, denn in beiden, im Kvrperhaushalt des Menschen, sowie in dem der Bakterien, ist das Leben tragende chemisch das gleiche, näm lich das Eiweiß. Es erscheint daher verständlich, daß ein Stofs, der das eine Leben, nämlich das der Bazillen, abiöten soll, bei häufigerer Anwendung auch das lebende Gewebe des Menschen angreist. An den Hünoen von Operateuren, die täglich oft mehrmals ihre Haut dein Einfluß dieser Antiseptika anssctzen müssen, kann man häufig diese Folge ablesen, trocken, fettarm, faltig, oft gerötet sind die Hände, trotz vieler Hilfsmittel. Auch die Wunden der Kranken vertrugen das Eindringen dieser Stoffe nicht reaktionslos. Wuroen die Lösungen in schwachen Konzen trationen angewendct, dann töteten sie die Bakterien nicht, grisf man zu stärkeren Mitteln, dann schädigten sie auch die KLrper- gewebe. so daß eine reizlose Heilung der Wunde» nicht zustande kam. — Diese Beobachtung, die schon die Vorkämpfer der Antisepsis gemacht hatte», führten zur AusarbLitnng neuer Methoden, die zusammengefaßt werden unter dem Begriff der „A s e p t i k". Die Aseptik verfolgt das Prinzip, alles das. was mit der Wunde in Berührung kommt, also die Finger der Aerzte. die Instrumente und die Verbandstoffe keimfrei zu machen. In dieser Phase be wegt sich heute die Wundbehandlung. Es ist aber unmöglich, mit der rein aseptischen Methode auszukommen. auch heute noch sind ailtiscplische Stoffe zu verschiedenen Zwecken notwen dig, doch spielen sie nicht mehr wie früher die Hauptrolle. Der umsichtige Arzt kennt die Gefahren, welche einer Wunde drohen und auch alle Hilfsmittel, um ihnen zu begegnen. Aus dein Schatze dieser Mittel wird er dann das sür den einzelnen Fall geeignete auszuwählcii wlisen. Demnach ist unsere heutige Wundbehandlung eine mehr oder weniger zwischen Anti- septik und Aseptik gemischte. Wir können auf die Antiseptik nicht verzichten, 1. wenn wir im Kriege unter hygie nisch ungünstigen Bedingungen operieren, und cs mit besonders hochgradig infizierten Wunden zu tun haben, wenn wir, wieder wie im Kriege, wegen der Mangelhaftigkeit der Räumlichkeiten und der Wasserversorgung das umständliche aseptische Verfahren nicht anwcnden können, 2. können wir auch auf das antiseptische Verfahren nicht verzichten, wenn es sich um Wunden an Körper- stelle» handelt, welche »ich! dauernd keimfrei gehalten werden lönnen, wie z. V. in der Nachbarschaft von Körperöfsnungen. und 3. wird der Chirurg mehr non chemische», also antiseplischen Desinfektionsmitteln Gebrauch machen, wenn ihm ans irgend einem Grunde die Kcimsreiheit feines Arbeite»-; in Frage ge stellt erscheint. Aseptisches Arbeiten erfordert sorgfältige Vorbereitungen, die nicht in kurzer Zeit, etwa in wenigen Stunden erledigt sein können. Daher findet sich in jedem für operative Eingrisse hcr- gcrichleten Kranlenhcinse eine „aseptische Bereitschas i". um zu jeder Zeit auch Notoperatione» unter den für die Hei lung günstige» Bedingungen vornehmen zu können. Es ist be greiflich. daß aseptische Vorbereitungen nicht in kurzer Zeit iierziiflelleii sind, wenn man bedenkt, daß das kardinale Des infektionsmittel. des aspetischcn Verfahrens strömender Dampf nnd kochendes Wasser ist. In strömendem Dampf, in eigens dazu hergestelltcn Apparaten, werden sämtliche Verbandsstoffe »uv die Wäsche, soweit sie mit dem Operateur, dem Hilfspersonal und dem Kranken in Berührung kommt, steril, d. h. keimfrei gemacht. Die Instrumente werden durch Kochen in Wasser steri lisiert. Für die Vorbereitung des Operationsgebietes, also des betreffenden Hantbezirtcs in dem ein Eingrijf vorgcnommen ! werden soll, ebenso für die Vorbereitung der Hände des Arztes, lsind wir selbstverständlich auf chemische Desinfektionsmittel an- ! gewiesen. Haut ist immer balterienhallig und cs gelingt durch lein Mittel, sic keimfrei zu machen. Praktisch genügen die jetzi gen Methoden, die alle darauf ab.zielen, die oberflächlich ge legenen Bakterie» abzntötc» und die in tiefere» Hautschich!-» gelegenen zu lähme», oder sie an Ort und Stelle zu fixieren, und bas gelingt. Wenn man nach den in der modernen Chirurgie üblichen Methoden aseptisch operiert, gelingt es mit Sicherheit W u n d i n f e k t i o n s k r a n k h e i t e n fern zu halten. Und gestützt auf diese Bersahren. die in zahrzchntelangen Be mühungen von den besten Fachlcnnern ausgcarbeitet sind und noch immer vervollkommnet werden, konnte die Chirurgie ihren Siegcszug unternehmen. "" Kram-. 'aüer-Cckr nkuna<kn. Sie sind ein weitverbreitetes Uebel, das besonders die An- gebecigen der „stehenden" Berufe befällt. Allerdings muß mau in den meisten Fällen auch mit einer konstiliitionellcn Anlage rechnen Anders läßt cs sich kaum erklären, daß die Angehörigen durchaus verschiedener sozialer Schichten an Krampfadern lei den. daß die Erkrankung in recht unterschiedlichen Ausmaßen auilritt. Würde cs sich bei dem Leiden nur um einen Schön heitsfehler handeln, ließe sich die Sache auch nicht so schlimm an. Allein mit der Bildung von Krampfadern gehen mancher lei Beschwerden einher, die sich schon frühzeitig durch ein Ec- fiibl von Müdigkeit nnd Schwere in den Beinen kundtun. Da neben zeigt sich erhebliches Jucken und starker Schmerz; ihren Namen verdankt die Krankheit gelegentlich austretenden Mus- kelkrömpfen. Krampfadern sind eine Zirkulationskrankheit. In de» ver dickten und erweiterten Venen kommt es zu Blutstauungen, die oft zu starken Schwellungen der unteren Extremitäten führen. In den mangelhaft durckbluteten Geweben besteht eine starke Neigung zur Eeschwürbildung und Entzündung. In den er krankten Venen bilde» sich durch die Verlangsamung des Blut- stromes Gerinsel oder gar Blutpfropfen; gelangen diese in die freie Blutbahn, kann es zu ernstlicher Lebensgefahr kommen durch die Verschleppung in Herz und Lungen. Die bedenklichste Folge unbeachteter Krampfadern aber bilden wohl die Venen entzündungen. La sich eine konstitutionelle Veranlagung nicht ändern läßt, muß die Behandlung von Krampiadern in erster Linie in einer Bekämpfung der äußeren Ursachen, in einer Aenderung der Lebensweise bestehen, soweit es sich ermöglichen läßt. Kann man die Neigung zu Blutstauungen nicht durch verstärkte Verve- giingsmöglichkeiten bekämpfen, sollte wenigstens den sortwirken- dcn Bernfsschädlichkeiten durch eine geeignete Pflege und Be handlung entgegengearbeitet werden. Eine entschiedene Milde rung der Beschwerde» wird durch das Tragen von kunstgerecht anaelcaten Drnckvcibänden oder von Eummistriimpfen erreicht. Dabei gehen häufig auch die Schwellungen zurück, selbst Ge schwüre heilen ab Doch kann einem Nenauslceten des lästigen Uebels nur durch ei» dauerndes Wickeln der Beine vorgebcugt werden. Diese Behandlung wird aber immer nur ein Notbehelf bleiben, eine endgültige Heilung ist bisher nur durch operative Entfernung der Krampfadern erreicht worden. Die Operation ist leicht und hat in den weitaus meisten Fällen zu einem vollen Erfolge geführt. Zarkverg'stungen. Von Interesse ist ein Aufsatz in der „Deutschen Medizini schen Wochenschrift" Nr. 50 1926, in dem Medizinalrat Dr. Tiling über eine» Fall selbsterlebter Vergiftung durch arsen haltige Farbe berichtet. Mit dieser grünen Farbe war beim Einzug des Mieters die ursprünglich graue Tapete im Schlaf zimmer Lberstrichcn worden, vermutlich aus Billigkeitsrücksich- ten. Derartige Fälle von Farbvcrgiftniigcn treten von Zeit zu Zeit immer wieder aus. Die wirtschaftlich schwere Lage zwingt zu Einschränkungen auf jedem Gebiet — sie dürfen jedoch nicht die Möglichkeiten gesundheitlicher Schädigungen einschlie- ße». Die Preisdifferenz zwischen Streichen und Tapezieren von Wänden ist nicht mehr so groß daß sie nicht reichlich durch den Vorteil ausgewogen würden, daß für Tapeten durch Reichsge setz von 18<9 die Verwendung giftiger Farben verboten ist. Arzt un- Kranker. „Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Kranken muß so beschaffen sein, daß der Arzt immer und unter allen Umständen das Gefühl behält, über dem Kranken zu stehen, das Gefühl, der Gebende zu sein. Die Tatsache des Honorars kann daran nichts ändern. Wird dies natürliche Verhältnis verschoben, besteht irgendein Zwang, so kann sür beide Teile nichts Gescheites herauskominen. Notwendig folgt ans dieser Voraussetzung, daß kein Arzt allen Kranken gerecht sein kann, daß ihm die Entscheidung Vorbehalten bleiben muß, wen er behandeln will und behandeln kann. Die Arztwahl darf nicht einseitig, nur zugunsten des Kranken bestehen. Hierbei denke ich nicht etwa an einen Ueber- griss des Arztes auf fremde, von ihm nicht beherrschte Gebiete. — Sehen wir von der vorliegenden Krankheit ab und denken nur an den Kranken als Persönlichkeit. Ich meine, der wahre Arzt sollte die Behandlung eines Kranken nur dann über nehmen, wenn bestimmte seelische Beziehungen zwischen ihm und dem Hilfesuchenden sichergestellt sind. Gibt der Arzt dem Kranken sein Bestes, seine Persönlichkeit, so hat er auch ein Recht, aus eine entsprechende Einstellung des Kranken. — Häufiger merkt man schon nach den ersten Worten, daß Arzt und Kranker ver schiedene Sprachen reden, daß ein seelischer Zusanimenklang nicht zustande kommt. Es ist nicht immer Mißtrauen, das den Kranken bewegt, es ist nur falsche Einstellung, die den Erfolg der Behandlung sehr fraglich macht. Der eine verlangt eine besonders gründliche Untersuchung, weil er Gemeindevorsteher, ein anderer, weil er Präsident oder gar Banldircktor sei. Ich lehne ab, in der Sprechstunde gibt es weder Gemeindevorsteher noch Direktoren, sondern nur Kranke. . Die Beziehungen zwischen dem Arzt nnd dem Kranken bilden ein brennendes Problem. Das zur erfolgreichen Be handlung so unentbehrliche felsenfeste Vertrauen des Kranken zum Arzt ist teilweise erschüttert. Daß die Ursache dazu nicht etwa in Mißtrauen der Kunst des Arztes gegenüber liegt, son dern in den meisten Fällen nur Mißverständnissen entspringt, beleuchtet in lebendiger und mutiger Aussprache Erwin Lieck in seinem Buch „Der Arzt und seine Sendung", dem wir mit Erlaubnis des Verlages I. F. Lehmann, München, obigen Aus zug entnehmen. Dr. W. H. »UINNISI» 2V4S2