Volltext Seite (XML)
Inen iche- Dr. del« von »in«. frei Zeit 11X1- »ör- unt> sten un- vor Vie len) )ie- rde vor iimMde Mittwoch. 2. M ärz 1927 Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v Arneigenaufträge» u. Leistung o Schadenersatz Für undeutl u. d. Fer«, ruf übermitt Anzeigen übernehmen wir keine Be«- au'wonung Unverlangt eingesanLile u m Rüchport« nicht n-rsehene Manuskripte wcrd nicht aufbewahrt. Sprechstunde der Redaktion 2 3 Uhr nachmittag» Hauplschriflleit.: Dr. Joseph Albert. Dresden lvclchaiisiiklle, !Lru„ u»d »Verlag: Saronia- Luchdruckerei »SmdH.. Dresden er. 1, Polierllrl tze 17. Fernrul elvlS. PolUcheSkonto Dresden >!7S7. BanNvttio: Dresdner Bank, Dresden. Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen VolkSzeitung DreSden-AUstadt 1. Polieisiratze 17. gernrus 2071 l und 2I0I2. und I«l« ner ,de- dau ren ger Her llt« Hst- nm sür ste- lis- i4.2 mit Ke- äu- äer or» uts Er. rer Die nt. R. 8» Der englisch-russische Zweikampf Bon Hermann Wilhelm Re uh-Hamburg lNachöruck verboten.) In scharfen und drohenden Linien zeichnet sich auf dem Hintergründe des chinesischen Geschehens immer deutlicher der traditionelle Kampf zwischen England und N ußland ab. Wilder denn je lodert in der konser vativen Presse Englands die Brandfackel des Chinahasses n a ch M o s k a u hinüber. Täglich fordern die unerbitt lichen Feinde der Sowjets in England, die Diehards. den Anbruch der Beziehungen zu Rußland. Das Wort „Rußland" ist im London von heute eine Scheidegrenze der Geister, die bis tief in die Reihen des britischen Kabinetts hinein ihre trennende Linie zieht. Dem säst starrsinnigen Verlangen der englischen konser vativen Kreise steht der nüchtern abwägende, realpolitische Sinn der gemüßigten Politiker gegenüber, unter denen vor allem der Arbeiterführer R a m s a y Macdonald hervorragt, zu denen aber auch der britische Premier minister Baldwin und Sir A u st e n C h a m b e r l a i n zählen. Es ist eine alte Weisheit, daß man die Schuld für eigenes Mißgeschick init Borliebe auf die Schultern Drit ter abwälzt, um einerseits vor Selbstvorwürfen gesichert zu sein und andererseits das Gefühl des augenblicklichen Unbehagens in einem ausschäumenden Berdammungsur- teil anderer Leute ersticken zu können. Das ist nicht nur die Wesensart seelisch unentwickelter Kinder, sondern auch die Taktik der englischen Konservativen, die zu ihrer Entschuldigung allerdings anführen können, daß sich der beschuldigte Dritte mit ihnen in die Schuld am erlittenen Mißgeschick mindestens teilen muß. Das Mißgeschick aber, an dem der Unwille ganz Englands emporbrandet, liegt in dem Worte „China" begründet. Dort erleidet England nicht nur täglich mehr Einbuße an Ansehen und Macht, sondern verliert, - und das soll de» geschäftstüchtigen Engländer ja ganz be sonders nahegehen —, mit jedem Tage neue Unsummen an Geld. Daß diese Geldverluste ins Unabsehbare und Niesenhafte wachsen könnten, daß das ganze seither so gewinnbringende Chinageschäft verlorengehen — und an Konkurrrcnten übergehen könnte, — das waren die Gründe, die England zu beinahe unverständlich weitgehen dem Entgegenkommen gegenüber China bereitfanden. Aber die englische Diplomatie stand dieses Mal nicht auf ihrer Höhe: sie war vielmehr weit entfernt von jener „milden und abgeklärten Philosophie", die Chamberlain einmal in Genf spöttisch von Briand nachgerühmt wurde. In den letzten Monaten war England den Chinesen gegen über zu solcher Kunst offenbar zu nervös. Daher säusel te es auf der einen Seite den rebellischen Chinesen ver söhnliche und wohlmeinende Worte ins Ohr, auf der an deren Seite aber zeigte es ziemlich unoerborgen die ..ge wappnete Faust": englische Kriegsschiffe wit vielen Tau senden englischer Soldaten fuhren über das große Wasser nach dem Gelben Meer. Kein Wunder, daß die Chinesen den Engländern diese Doppelzüngigkeit teuslich übelnahmen. Ihre Ant wort war: Abbruch der Perhandlungen. An die Stelle der zu erwartenden Einst^t in die Un zulänglichkeit der eigenen täppischen Berhandlnngsmc- thode suchten die Engländer aus den oben dargelegten Gründen nc»^ einem Siindenbock. Daß Rußl a n d die ser Sündenbock sein mußte, wundert den nicht, der weiß, wie groß der Anteil Rußlands an dem ganzen Geschehen im fernen Osten ist. Dieser Gang der Dinge löste in England den Ruf nach einem Abbruch der Beziehungen zu Rußland aus, dem der englische Innenminister am 4. Februar in folgenden Worten Ausdruck verlieh: „Es ist offen zugegeben, daß in China ausländische Elemente gegen Großbritannien Hetzen, während dieses mit den Chi nesen eine friedliche Lösung sucht. Tschen (der Außen minister- der kantonesischen Regierung) hat Beziehungen zu einem Manne wie Borodin (der politische, sowjetrus sische Berater der Regierung von Kanton), der bereits in einein englischen Gefängnis gesessen hat. Ich frage mich manchmal, zu welchem Zwecke die Russen hier eigentlich eine Gesandtschaft und eine Handclsvertreiung unterhal ten. Etwa, um uns glauben zu machen, daß sie friedlich gesinnt seien und nicht feindlich?" Auch die englische Zeitung „Obscrver" fand über Ruß land die unwilligen Worte: „Es muß jetzt in den Beziehun gen zwischen England und Rußland besser oder schlechter werden. Führt russische Kommunismus seinen nicht offen erklärten Krieg gegen das britische Empire weiter, dann sind auch wlr für die Ausrottung der Bolschewiken in England mit Stumpf und Stiel." Die -euksche Delegation: Skresemann» v. Schubert, v. Viilow Brian- und Ehamberlain iresfen am K. Mürz ein — Die Abrüstungskonferenz Berlin, 1. Mörz. Wie aus San Remo mitgeteill wird, will der Reichs»,utzen minister Dr. Ztrejema >: n , der sich während seines Urlaubes völlig erholt hat, von San Remo nach Gens reisen, um an der Märztagung des Bölkerbundsrates teilzunehmcn. Bekanntlich darf es als sicher geben, das; Strcscmann diesmal das P räsi - Sinm des Rates sichren wird. Der deutsche Botschafter in Rom. Herr v. Neurath, ist gestern nach San Remo abgereist und wird dort einige Tage bleiben. Der Staatssekretär des deutschen Auswärtigen Amtes, Herr ».Schubert, ist gestern abend von Berlin nach San Remo abgereist, um noch vor der Genser Tagung des Völker bundsrates eine Rücksprache mit Autzenminister Dr. Stcesemann zu haben, die im wesentliche» informatorischer Natur sein dürste. Öd der Staalssekretür von San Remo erst noch einmal nach Berlin znriickkchrt oder ob er den Minister von San Remo direkt nach Genf begleitet, steht zur Zeit nach nicht sesl. — Der Völkerbundsreferent des Auswärtigen Amtes. Geheinirat v. B ü I o w. wird am Freitagabeno direkt nach Gens abreisen. Aus Paris wird von gut unterrichteter Seite gemeldet, daß der französische Autzenminister Briand sich am 8. März nach Gens begeben wird. Sein Aufenthalt wird aber nur zwei bis drei Tage dauern. Es heitzt, datz auch Ehamberlain nicht länger zu bleiben beabsichtigt. Man darf also annehmen, datz die Märzlagung des Bölkerbundsrates nur von sehr kurzer Dauer sein wird. Die K o >n m i s s! o n s s i tz n n g e n des Völkerbundes, die für den Monat März angesetzt sind, beginnen bereits in den nächsten Tagen. Das Fi n a n z k o m i t e e. das am 3. März Zusammentritt, wird diesmal eine Reihe van wichtigen Fragen zu behandeln haben, n. a. die wirtschaftlichen Blockadematz- nahinen des Völkerbundes auf Grund des Artikels 10. ferner ae» Vorschlag der finniändischen Regierung, der finanzielle Hilfsmatznahmen für die kleineren Slaaten ohne eigene Kriegs industrie im Falle eines Angriffes fordert, sodann die griechische und bulgarische Fliichilingsanlcihe und die Währungsreform, ferner die Finanzlage Estlands. Von besonderer Bedeutung werden die Verhandlungen des Finanzkomilees über oie finan zielle Lage der Stadt Danzig, sowie die Ausnahme einer Danziger Saniernngsanlcihe. deren Empfehlung der Völkcr- bundrat im Dezember von der Einigung zwischen Danzig und Polen in der Frage des Zollabkommens und des Tabakmono pols abhängig gemacht hatte. Im März treten weiter falgenoe Kommissianen zusammen am 28. März ein Sachverstänüigenlwiniiee sür die internationalt Durchführung s ch i e d s g e r i ch ! l i ch er Entscheidung, am 22. März, eine Komitee sür die Codisizierung des inter nationalen Rechtes, ani 11. März, das Hygiene- Komi t e e des Völkerbundes und schlietziich am 28. Marz ein Komitee sür intellektuelle Zusammenarbeit und Jugendfürsorge. Am 11. Mürz tritt das Ralskomitee zur Prü fung der Matznahine bei Kriegsgesahr zusammen. Am gleichen Tage beginnt die Kommission sür oie Vorbereitung der Waf fe n h a n d e l s k o n s e r e n z, ihre Beratungen. Am 16. März tritt die wirtschaftliche Unterkommission B. der Abrüstungskommission zusammen, an die anschlietzend am! 21. März die Tagung der vorbereitenden Abrüstungs konferenz folgen wird, an der 23 Staaten sowie Amerika teilnehmen werden. 'Man erwartet, das; die vorbereitende Ab- rüslungskommission infolge des Vorschlages des Präsidenten Coolidge diesmal die Vorbereitungen für die Welt-Abrüstungs konferenz erheblich beschleunigen und möglicherweise im März bereits zu der Ausarbeitung eines geschlossenen Arbeitspro grammes für die Weilabrüstungskonserenz gelangen wird. Die britische Aniwort an Coolidge London. 1. Män Ans e.ne Anfrage Macdonalds erklärte Ehamberlain gestern im Unterhanse. datz die Antwort der englischen Regierung aus das Memorandum Coolibgcs in der vergangenen Woche dem amerikanischen Botsclmfter zngestelit worden sei. Die Anlwo- spreche die Sympathie sür die Vorschläge Coolidge aus n nehme oie Einladung Coolidge an. Sie sage weiter, datz britische Regierung sich bemühen werde, den Erfolg der Kon renz zu sichern. Die Note betone selbstverständlich, datz d' besondere geographische Lage des britischen Reiches und in«» besondere die Lieferung der Nahrungsmittelversorgnng der Insel bei den Arbeiten oer Konferenz, berücksichtigt werden müsse. Das Verhältnis besagter Konferenz zu den Arbeiten der Genser vorbereitenden Kommission müsse sorgfältig erwogen werden. Chamberlain stellte dann fest, datz alle Dominions die Antwort gebilligt hätten mit Ausnahme des irischen Freistaates, der noch nicht geantwortet IMte. Die politische Atmosphäre ist in London Rußland ge genüber so gespannt, daß die. russisch-englischen Bank kreise es immerhin für geraten hielten, ihre finanziellen Dispositionen ans die Möglichkeit eines offenen Konflik tes einzustellen. So ließ die russische Staatsbank var- wenigen Wochen sicherheitshalber ein-und-eine-halbe Mil lion Pfund Gold von London noch Moskau verschicken, und auch die privaten russischen Guthaben bei Londoner Banken werden plötzlich gekündigt und nach dem europä ischen Kontinent überführt. In dieser Bestürzung suchen die besonnenen Elemen te zu beruhigen, aber die Mittel, deren sie sich zu diesem Zwecke bedienen, sind typisch englisch. Man sticht nach zuweisen. daß ein Abbruch der Beziehungen dach nur ein geschäftlicher Mißerfolg bleiben und zu dem Ausfall an Handelsgeivinn in China noch Verluste im Rußlandge schäft mit sich führen werde. Selbst Ramsay Macdonald greift mir zu nüchternen Argumenten und vermeidet cs, etwa von russischer Loyalität" zu reden. In einem dem Arbeiterblatt gewährten Interview erklärte er: „Das einzige Mittel, das wir besitzen, nm die russische Propa ganda einigermaßen zu kontrollieren, besieht darin, daß wir offizielle Beziehungen zu Rußland unterhalten." Der russische stellvertretende Volkskommissar für Aenßeres. Litwinow. gab am 5. Februar den auslän dischen Journalisten in Moskau eine Erklärung zu der chinesischen Frage ab. in der er bezeichnenderweise uns die englisch-russischen Beziehungen zu sprechen kam. Nach dem er mit unverkennbarer Wärme für die Kantonregie rung eingetreten war lind auch England gegenüber aner kennende Worte für sein Einlenken in der chinesischen Frage gefunden hatte, bedauerte er, daß der günstige Stand der englisch-chinesischen Verhandlungen durch die drohende militärische Intervention Englands in Schang hai ernstlich gefährdet worden sei. Diese Betrachtung veranlaßte Litwinow zu der Feststellung: „Englische kon servative Kreise wollen ihre eigenen Fehler damit ver bessern. daß sie die lächerliche Legende verbreiten, in der Geschichte der Freiheitsbewegung des viele Millionen zählenden chinesischen Volkes werde das meiste durch Machinationen irgendwelcher Sowjetagenten betrieben. Kein einziger Kulturmensch kann an eine solche Legende glauben. Die Sawjetrcgierung hat nie ihre Sympathie für die Freiheitsbewegung des chinesischen Volkes ver heimlicht. Daraus aber folgt nicht, daß sie der Kantanre- giernng eine Verschärfung der Beziehungen zu England empfohlen Hai oder empsiehlt, und daß die Sawjetrcgie rung jemals einer friedlichen Vereinbarung hindernd im Wege gestanden hat." Die Erklärung Litwinows schließt mit den Worten: „Ich hasse, daß die klügeren Elemente der englischen Oeffentlichkeit und der Regierung die Ober hand gewinnen über die Befürworter einer Politik der gepanzerten Faust, die den Völkern nie etwas anderes als Unglück gebracht hat." Der übrige Inhalt dieser Erklärung Litwinows stellte im wesentlichen einen Appell on den nüchternen Geschäfts sinn der Engländer dar, indem er ihnen vorrechuete. daß eine Intervention gegen Sowjetrußland sür England nur Minus- und keine Aktivposten schassen werde. Die neuerliche Note Englands an Rußland, in der gegen die „anncngliscke Propaganda Rußlands" Protest erhoben und mit dem Abbruch der diplomatischen Bezie hungen gedroht wurde, hat dann die bekannte, gestern veröffentlichte scharfe und ironische Antwort Rußlands bewirkt. Damit ist der Konflikt Rußland England in ein akutes Stadium getreten. Die russische Antwort ist echt sowjetistisch, es wird kein Blatt vor den Mund ge nommen, sondern man lehnt die englischen Barwürse ganz entschieden ab. Und dennoch am Schluß die schöne Wen dung. daß die Note „durchaus sriedlichen Charakter" trage und daß die Somjetregierung es begrüßen würde, wenn auch die englische Regierung zu einer Besserung der rus sisch-englischen Beziehungen beitragen würde. Allerdings: Rußland braucht englisches Kapital, das sehr zum Schaden sür Rußlands Wirtschaft jofort nach London zurückfließen würde, wenn der Abbruch nicht nur eine Drohung, sondern Wirklichkeit würde.